66. Städtetag: Palermos Bürgermeister Orlando für internationale Freizügigkeit von Menschen

66. Städtetag: Palermos Bürgermeister Orlando für internationale Freizügigkeit von Menschen

Innsbruck (OTS) – Bei der Eröffnung des 66. Österreichischen Städtetages sprach sich Festredner Leoluca Orlando, Bürgermeister von Siziliens Hauptstadt Palermo (I), bekannt als unermüdlicher Kämpfer gegen die Mafia und Verfechter der Menschenrechte, für die internationale Freizügigkeit von Menschen über die Grenzen der EU hinaus aus. Orlando ist durch seinen Kampf gegen die organisierte Kriminalität an Leib und Leben bedroht. Er galt über viele Jahre hinweg als höchstplatziert auf der sogenannten „Abschussliste“ der Mafia. Sein Festhalten an der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption konnte zuletzt das diesem Phänomenen zugrunde liegende Schweigen, die "omertà", brechen. In einem „Kampf der Frauen“ fand Orlando ungewöhnlich breite Unterstützung in der weiblichen Bevölkerung. Zwtl: „Charta von Palermo“ als Auslöser einer weltweiten Debatte Leoluca Orlando, der pragmatisch und unbürokratisch mit Flüchtlingen umgeht, hat mit seiner „Charta von Palermo“ im Jahr 2015 eine weltweite Debatte entfacht, wie das Sterben von Menschen auf der Flucht beendet werden kann. Er setzt sich dafür ein, dass weltweit Aufenthaltsgenehmigungen abgeschafft werden und die Freizügigkeit als unveräußerliches Menschenrecht anzuerkennen ist. „Wir müssen uns bewusst werden, dass wir es mit einem Völkermord zu tun haben. Ich könnte Ihnen Hunderte von Geschichten erzählen, beispielsweise die Geschichte eines 14-jährigen Mädchens, das seine Mutter vom Boot stoßen musste, um zu überleben. Ein Junge, den ich im Hafen von Palermo traf, der zur mir sagte: Herr Bürgermeister, wie ich kann ich mich freuen, wenn ich zum Überleben zwei meiner Brüder ermorden musste? Oder eine schwangere Frau aus Nigeria, die mir gebeichtet hat, dass sie jemanden auf der Überfahrt umbringen musste, um ihr eigenes Kind zu retten. Ich glaube, das reicht aus, um Ihnen zu zeigen, dass sich Europa angesichts dieses Verhaltens schämen sollte. Unser Ziel ist es, die Aufenthaltsgenehmigung abzuschaffen“, so Orlando und meinte weiter: „Wir wissen was passiert, wir können nicht sagen, dass wir nicht verantwortlich sind.“ „Kein Mensch hat sich den Ort, an dem er geboren wird, ausgesucht oder sucht diesen aus; jeder Mensch hat den Anspruch darauf, den Ort, an dem er leben, besser leben oder nicht sterben möchte, frei zu wählen,“ so heißt es in der Charta von Palermo 2015. Eine wichtige Rolle müsse, so Orlando, die Europäische Union einnehmen, denn sie ist ein außergewöhnliches Beispiel für den Willen zusammenzuleben und zusammenzugehören – angefangen bei ihrem Charakter als eine „Union der Minderheiten“. In Europa kann alleine aus Gründen der Identität niemand für sich die Mehrheit reklamieren: nicht die Deutschen, nicht die Moslems, nicht die Juden oder die Franzosen. Keine Identität ist mehrheitsfähig. Und es wäre an der Zeit, dass sich die EU für die Abschaffung der Aufenthaltsgenehmigungen einsetzt – um neben dem freien Verkehr des Kapitals und der Güter in einer globalisierten Welt – die Freizügigkeit von Menschen zu stärken – und nicht nur innerhalb des Schengen-Raumes, sondern auf globaler Ebene. „Globalisierung ist Mobilität, Mobilität hat ein Menschengesicht“, betont Orlando.
Angesichts der abwehrenden Reaktionen, die immer öfter aus unserer Gesellschaft kommen, wäre es notwendig, so Orlando, dass die Institutionen mit einer Politik und einem Handeln reagieren, die das gegenseitige Kennenlernen, den Gleichbehandlungsgrundsatz und demokratische Teilhabe fördern. Das wären die wirklichen Faktoren, die größere Sicherheit garantieren können.   
Das Prinzip der Aufenthaltsgenehmigung zu überwinden, bedeutet, die Migranten als Personen zu betrachten, als Menschen, unabhängig von dem Titel, der ihren Status festlegt. Es bedeutet auch, in diesen Menschen nicht „soziale Lasten“ oder „Nutznießer von Ressourcen“ zu sehen, seien dies Arbeitsplätze, soziale Unterstützung oder Sozialwohnungen, sondern aktive Bürger, die dazu in der Lage sind, der Gemeinschaft und dem Ort, in der und an dem sie leben, einen Wert zu geben. Inklusions- und Sozialpolitik müssen Einwanderern – wie anderen hilfsbedürftigen Gruppen der ansässigen Bevölkerung auch – menschenwürdige Wohnmöglichkeiten garantieren. Dieses Recht darf kein Anlass für soziale Konflikte oder „Kriege zwischen Armen“ sein. Zusammenfassend betont Orlando: „Die Idee der Abschaffung der Aufenthalts-genehmigung soll keine Provokation darstellen und ist kein anmaßender Slogan. Aufenthaltsgenehmigungen sind die neue Sklaverei und Todesstrafe. Das Ziel ist die Einhaltung der Menschenrechte“, und „die Mafia hätte mehr Angst vor den Menschenrechten als vor der Polizei und den Gesetzen.“ Der 66. Österreichische Städtetag wird morgen Donnertag mit fünf Arbeitskreisen im Innsbrucker Congress fortgesetzt. Druckfähige Fotos zum Download unter: http://markuswache.com/archiv/staedtetag_innsbruck_2016/ © Markus Wache Mehr Informationen unter: www.staedtetag.at oder www.staedtebund.gv.at Rückfragehinweise für Medien: Österreichischer Städtebund, Presse
Silvia Stefan-Gromen; Tel: +43 (0) 676 8118 89983;
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