Start des zweiten europäischen Programms zur Klimaänderung (ECCP II)

Start des zweiten europäischen Programms zur Klimaänderung (ECCP II)

Am Montag, dem 24. Oktober, gab Umweltkommissar Stavros Dimas auf einer Konferenz in Brüssel den Beginn des zweiten europäischen Programms zur Klimaänderung (ECCP II) bekannt. Angesichts der enormen mit dem Klimawandel verbundenen Bedrohungen werden beim ECCP II neue kostenwirksame Maßnahmen und Technologien im Mittelpunkt stehen. Diese sollen es der EU ermöglichen, ihre Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren weiter zu senken und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu treffen. Dafür bildet das im Jahr 2000 initiierte ECCP den Rahmen.

 

„Es ist höchste Zeit, dass wir neue Maßnahmen gegen den Klimawandel in Angriff nehmen. Diese Maßnahmen können die erforderliche Dynamik liefern, um unsere Emissionen noch unter die Kyoto-Ziele zu senken. Sie werden eine längerfristige Perspektive sicherstellen, Chancen für die Wirtschaft eröffnen und den Weg in eine weniger kohlenstoffintensive Zukunft unserer Gesellschaft weisen“, so Kommissar Dimas.
Auf der Konferenz erläuterte Dimas die Vorstellungen der Kommission zur weiteren Entwicklung der EU-Klimaschutzpolitik. Es bedarf nicht nur eines echten globalen Klimaschutzkonzepts für die Zeit nach 2012 (d. h. nach dem Auslaufen der Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls), sondern es ist auch notwendig, der Innovation in der EU neue starke Impulse zu verleihen sowie alle Emissionsverursacher, wie z. B. Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr einzubeziehen und marktorientierte Instrumente einzusetzen, um die Kosten der Emissionsminderungen niedrig zu halten.

Hintergrund und derzeitige Entwicklung
Das Internationale Forum für Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), ein von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenes Gremium führender Klimaforscher, prognostiziert eine Steigerung der weltweiten Durchschnittstemperaturen in diesem Jahrhundert um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius.
Die EU hat sich daher zum Ziel gesetzt, den Temperaturanstieg bis Ende dieses Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Wert (von 1840) unter 2 Grad Celsius zu halten, um verheerende Klimaschäden abzuwenden.
Angesichts der enormen Schäden durch Wetterereignisse hat die britische Versicherungsindustrie die Kosten des Klimawandels erhoben. So sollen in der nördlichen Halbkugel bis 2080 die jährlichen Kosten – verursacht durch Stürme und Orkane – um zwei Drittel auf 22 Milliarden € steigen. Die jährlichen Kosten durch Fluten und Überschwemmungen würden demnach auf 100 bis 120 Milliarden € steigen.

ECCP – das europäische Programm zur Klimaänderung
Das ECCP wurde im Jahr 2000 initiiert, um zur Ermittlung von politischen Konzepten und Maßnahmen beizutragen, die es der EU erleichtern können, ihr Ziel im Rahmen des Kyoto-Protokolls von 1997 zu erreichen. Dieses Ziel für die EU-15 ist eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 8% bis zum Jahr 2012 gegenüber dem Stand von 1990.
Bisher konnten etwa 42 Maßnahmen weitgehend umgesetzt werden, der Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. In Summe ergibt dies eine Reduktion von geschätzten 350 Millionen Tonnen CO2, dies entspricht aber nicht dem EU-15-Ziel von minus 8% (siehe Abb. 1). In den Jahren 2002–2003 stiegen die Emissionen wieder um 1,5%. Mit den derzeit verfügbaren Maßnahmen wird die EU nur eine Gesamtreduktion von 4,8% bis 2008 erreichen.
Im Rahmen des ECCP II soll analysiert werden, welche Ergebnisse beim ersten europäischen Programm zur Klimaänderung erzielt wurden, ferner sollen neue Möglichkeiten zur Reduzierung der Emissionen erkundet werden, insbesondere in den Bereichen der geologischen Bindung und Lagerung von Kohlenstoff, des Personenverkehrs auf der Straße, des Luftverkehrs und der Anpassung an unvermeidliche Auswirkungen der Klimaänderung. In Bezug auf den Luftverkehr soll auf der im September 2005 vorgelegten Mitteilung der EU-Kommission über eine Strategie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen aus dem Luftverkehr aufgebaut werden.

Maßnahmen der Europäischen Union im Klimaschutz
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist das EU-Emissionshandelssystem, das seit dem 1. Januar 2005 in Kraft ist. Dabei handelt es sich um das erste EU-weite, marktorientierte Instrument zur Erreichung von Umweltzielen. Das geschätzte finanzielle Potenzial dieses Instrumentes ist beachtlich; bis dato wurden ca. 150 Millionen Zertifikate im Wert von 3 Milliarden Euro gehandelt. Dies hat die Kommission ermutigt, weitere marktorientierte Instrumente zu suchen.
Zu nennen sind ferner Maßnahmen mit folgenden Zielsetzungen:

- Verbesserung der Energieeffizienz, einschließlich der Energieleistung von Gebäuden,

- Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien,

- Intensivierung des Einsatzes der Kraft-Wärme-Kopplung,

- strengere Regulierung der starken fluorierten Treibhausgase,

- Reduzierung der CO2-Emissionen von PKW und der Methanemissionen aus Deponien,

- Stärkung von Forschung und Entwicklung sowie Verbreitung neuer umweltschonender Technologien,

- Unterstützung der Behörden bei einer klimafreundlichen Beschaffung und

- Sensibilisierung der Bürger.

Problemfelder Energiesektor und Verkehr
Laut einer Studie des Wuppertaler Institutes für Klima, Umwelt und Energie im Auftrag des WWF ist es möglich, in der EU-25 die CO2-Emissionen des Energiesektors bis zum Jahr 2020 zu halbieren (siehe Abbildungen 2 und 3). Der Energie- und Stromsektor ist weltweit für den größten Ausstoß an energiebedingten Treibhausgasen verantwortlich. 35% der vom Menschen erzeugten CO2-Emissionen im Energiesektor gehen auf das Konto des Stromsektors.
Ein weiteres Problemfeld ist der Verkehr. Die verkehrsbedingten Emissionen stiegen seit 1990 um 20% mit steigender Tendenz. Daher müssen laut Kommissar Dimas in Zukunft alle Beteiligten, wie Ölfirmen, Autoerzeuger, öffentliche Verwaltung und auch private Autobesitzer eingebunden werden.
Abbildung 2 verdeutlicht, dass ein Fortführen der bisherigen Politiken (sog. Business-as-usual, BAU) zu einer Steigerung speziell im Verkehrsbereich führen würde. Mit Maßnahmen, wie der Erhöhung der Energieeffizienz, einem verstärkten Einsatz von erneuerbaren und alternativen Treibstoffen wie Erdgas sowie einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs wäre eine Verringerung der Emissionen speziell im Energie- und Verkehrssektor machbar (siehe Abbildung 3).

Flugverkehr
Flugzeuge sind eine bedeutende und wachsende Quelle von Treibhausgasemissionen, die zur globalen Erwärmung führen. Der Anteil des Luftverkehrs an der Gesamtmenge der Treibhausgase in der EU ist mit etwa 3% zwar noch immer bescheiden, aber die Emissionen steigen hier rascher als in anderen Sektoren. So verursacht zum Beispiel ein Hin- und Rückflug von Amsterdam in das thailändische Urlaubsgebiet von Phuket wesentlich mehr Kohlendioxid als ein durchschnittlicher Neuwagen in einem ganzen Jahr. Die Emissionen von internationalen Flügen aus dem EU-Bereich wuchsen zwischen 1990 und 2003 um 73%. Diese Steigerung könnte sich bis 2012 auf 150% erhöhen, wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Dies würde die EU über ein Viertel der 8% Reduktionen kosten, die die EU-15 zwischen 1990 und 2012 im Rahmen des Kyoto-Protokolls erreichen muss. Daher sollen die Betreiber von Flugzeugen in das EU-System für den Handel mit Treibhausgasemissionen eingebunden werden.

Innovative Technologien
Ganz besonders ist die Europäische Kommission an der geologischen Bindung und Lagerung von Kohlenstoff interessiert. Dazu bedarf es aber noch rechtlicher Voraussetzungen und der Klärung von Haftungsfragen.
Mit ECCP II betritt die Kommission Neuland im Kampf gegen den Klimawandel. Es ist klar, dass die EU nicht alleine die Klimaänderung stoppen wird können. Daher ist es das Ziel der Union, bei der 11. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Montreal die anwesenden 189 Regierungen von der Wichtigkeit der Problematik des Klimawandels zu überzeugen und einen konstruktiven, offenen Ansatz zu präsentieren. Ziel muss es sein, die Erderwärmung auf max. +2° C zu fixieren. „Montreal wird nicht die Lösung der globalen Klimaproblematik bringen, aber es kann ein Meilenstein am Weg zur globalen Klimapolitik werden. Die EU ist entschlossen, dabei eine Führungsrolle zu übernehmen“, schloss Umweltkommissar Dimas.

Klimawandel wichtig für britische Präsidentschaft
Der britische Staatsminister für Klimaänderung und Umwelt, Elliot Morley, betonte die Wichtigkeit von Maßnahmen gegen den Klimawandel für die britische Präsidentschaft. Nicht umsonst setzte Großbritannien die Thematik Klimawandel bei den EU-Gipfeln mit Indien und China immer auf die Agenda. Besonders angetan zeigte sich Morley über die Technik der Kohlenstoffeinlagerung. Unter Einsatz dieser Technologie sind erste Großprojekte bereits über die Planungsphase hinaus entwickelt worden, so wird auf Initiative der EU ein „Fast-Null-Emissionen“-Kraftwerk in China errichtet. China hat bekanntlich einen extrem starken Kohleneinsatz.
Großbritannien vertritt zudem die Ansicht, dass das Grünbuch zur Energieeffizienz zur Strategie werden soll. Laut Morley verlässt sich Großbritannien darauf, dass das Thema Klimawandel auch weiterhin ganz oben auf der Agenda der künftigen Präsidentschaften stehen wird. Somit wird das Thema auch die österreichische EU-Präsidentschaft – in der ersten Hälfte 2006 – beschäftigen.
Beobachter der Entwicklung fragen sich, wie großartig das Erbe der britischen Präsidentschaft für die Umwelt wirklich ist? Hinterfragt wird auch, warum der Klimawandel lange Zeit nicht stärker in die Lissabon-Strategie eingearbeitet wurde. In Schweden gibt es derzeit Steigerungen von 10% im Umwelttechnologiemarkt. Hier ist Europa auf jeden Fall wettbewerbsfähig.

Lokale Ebene bei Besetzung der Arbeitsgruppen ignoriert
Von der Europäischen Kommission sollen mehrere Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen eingesetzt werden. Ihre Aufgabe wird darin bestehen, bis zum nächsten Jahr Empfehlungen für die Politik vorzulegen, um die Kommission bei der Entwicklung und Vorlage neuer politischer Konzepte und Maßnahmen zu unterstützen.
Interessanterweise wurde die lokale Ebene von der Europäischen Kommission bei der Besetzung der Arbeitsgruppen bis dato völlig ignoriert, obwohl Städte und Gemeinden aktive Träger des Klimaschutzes sind: Städte und Gemeinden haben „Klimaschutzkonzepte“ erstellt, haben eigene „Klimaschutzstellen“ eingerichtet, führen Energiecontracting und -intracting durch, legen energetische Ziele bei Sanierungen fest, setzen Maßnahmen zur Vermeidung des motorisierten Individualverkehrs und haben u. a. ein umweltgerechtes Beschaffungswesen. Sowohl der RGRE (Rat der Gemeinden und Regionen Europas), das Klimabündnis als auch der Österreichischen Städtebund sprachen sich daher einstimmig für eine Berücksichtigung der Interessen der lokalen Ebene in den Arbeitsgruppen aus.

Situation in Österreich
Nach heutigem Stand der Dinge reichen die Vorgaben der Österreichischen Klimastrategie nicht mehr aus, um das Reduktionsziel Österreichs von –13% bis zum Zeitraum 2008/2012 zu erreichen. Abbildung 4 zeigt den Gesamtverlauf der Treibhausgasemissionen mit einem Anstieg von 16,6% seit 1990. Laut Österreichischer Energieagentur liegen die Emissionen in absoluten Zahlen (rechte Skalierung) im Jahr 2003 um 13 Millionen Tonnen über dem Basisjahr 1990 und um 23,2 Millionen Tonnen über dem Kyoto-Ziel.
Hauptverursacher des starken Emissionsanstieges seit 1990 sind die Sektoren Verkehr, Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung, Industrie und fluorierte Gase. Am weitesten entfernt ist man im Verkehr, wo die CO2-Emissionen seit 1990 um etwa 80% angestiegen sind.

Der Verkehrsbereich
Die Hauptursachen hierfür sind sowohl in der steigenden Verkehrs- und Transportleistung als auch im preisbedingten Kraftstoffexport zu sehen. Ein erheblicher Teil ist dabei speziell im Gütertransitverkehr auf den preisbedingten Tanktourismus von den Nachbarländern nach Österreich zurückzuführen. Die Einsparungen aufgrund verbesserter Verbrennungstechnologie und Steigerungen in der Fahrzeugeffizienz wurden durch den Anstieg der durchschnittlichen Fahrzeugleistung und des Fahrzeuggewichts deutlich verringert.
Abbildung 5 stellt die CO2-Emissionen im Bereich Personenverkehr und Güterverkehr auf der Straße, in Komponenten zerlegt, dar.
Als Trend wird im Verkehrsbereich ein leichter Rückgang der Gesamtemissionen ab 2004/2005 bedingt durch eine Stagnation bei den Tanktourismuseffekten und die Umsetzung der Biokraftstoffrichtlinie erwartet. Trotzdem ist eine deutliche Intensivierung kurzfristig wirksamer Maßnahmen erforderlich.

Die Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung
Ein Problem stellt auch der stark steigende Stromverbrauch von durchschnittlich mehr als 2% pro Jahr dar. Abbildung 6 zeigt den erhöhten Strom- und Fernwärmeverbrauch sowie die Substitution von Wasserkraft durch fossile Energieträger als treibende Kräfte. Dem wirken eine geringere Kohlenstoff- und Brennstoffintensität, Biomasseeinsatz und Stromimporte entgegen. Laut BMLFUW gab es Erfolge beim Ökostrom und der Fernwärme aus erneuerbaren Energieträgern, bei thermischen Sanierungen von Wohngebäuden sowie energieeffizientem Bauen durch Anreize der Wohnbauförderung. Ebenso erfolgreich ist die Beimischung von biogenen Kraftstoffen zu Diesel und Benzin, die ab 1. Oktober vorerst zu 2,5% erfolgt und ab Oktober 2008 auf 5,75% des Kraftstoffabsatzes erhöht werden wird. Damit ist eine Reduktion der CO2-Emission um mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr möglich.

Weitere Vorgangsweise des Ministeriums
Ein Expertenentwurf für eine adaptierte Klimastrategie soll vom BMLFUW im November 2005 vorgelegt werden. Die Annahme der Strategie durch die Bundesregierung wird für die erste Jahreshälfte 2006 angestrebt. Bis 30. Juni 2006 ist die Zuteilung von Emissionszertifikaten für die vom Emissionshandel betroffenen Sektoren Industrie und Energiewirtschaft für die Kyoto-Periode 2008–2012 vorzunehmen.
Zur Erreichung des Kyoto-Ziels wird es jedoch notwendig sein, noch viele weitere konkrete Maßnahmen zu setzen. Der Bund und die Länder müssen Städte und Gemeinden dabei in ihrer Rolle als Politik- und Verwaltungsebene, die dem Bürger am nächsten ist, tatkräftig unterstützen. Ein erster bedeutender Schritt wäre, dass Städte und Gemeinden die Umweltförderung des Bundes im Inland in Anspruch nehmen könnten. Die generelle Devise muss lauten „Think globally, act locally!“

Städtebund-Linktipp:
www.umweltbundesamt.at

Fehlende Abbildungen finden Sie in der ÖGZ 12/05!

Fußnoten:
1 WWF 2005: Report Target 2020 – Policies and Measures to reduce Greenhouse Gas Emissions in the EU. October 2005.

2 Umweltbundesamt 3 (2005a): Gugele, B., Rigler, E., Ritter, M.: Kyoto-Fortschrittsbericht Österreich 1990–2003, Datenstand 2005. Umweltbundesamt GmbH. Wien

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