Die Getränkesteuer in der Gastronomie – Erkenntnisse durch das Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Michael Lang

Die Getränkesteuer in der Gastronomie – Erkenntnisse durch das Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Michael Lang

Eine aktuelle Städtebund-Studie erläutert die wissenschaftliche Basis für die Argumentation der österreichischen Städte: Die den EuGH-Urteilen vom 9. März 2000 und vom 10. März 2005 zugrunde liegenden Getränkesteuern in Österreich und Frankfurt am Main sind im Hinblick auf die Abgabe alkoholischer Getränke im Rahmen von Restaurationsumsätzen identisch. Der Lieferungstatbestand im österreichischen Getränkesteuerrecht hat die europarechtlich als Dienstleistung qualifizierte Abgabe von Getränken im Rahmen von Restaurationsumsätzen umfasst.

 

Nach dem EuGH-Urteil vom 10. März 2005, Rs C-491/03, betreffend die Gemeinschaftsrechtskonformität der Getränkesteuer in der Stadt Frankfurt am Main, wurden die Auswirkungen dieses Urteils auf die österreichischen Getränkesteuern in der Literatur kontroversiell beurteilt.
In Ansehung der unterschiedlichen Bewertungen von Beiser/Zorn1 und Taucher2 einerseits sowie Keppert/Bruckner3 und Postl/Ehgartner4 andererseits hat der Österreichische Städtebund zur Abklärung aller Standpunkte und Meinungen eine wissenschaftliche Analyse ausarbeiten lassen.
Der Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, Univ.-Prof. Dr. Michael Lang, hat diese wissenschaftliche Durchdringung der Causa „Getränkesteuer“ durchgeführt und ab 15. November 2005 sein dazu erstelltes Rechtsgutachten5 in der Österreichischen Steuerzeitung veröffentlicht.
Lang recherchiert und dokumentiert die Grundlagen der Causa „Getränkesteuer“ mit einer bisher nicht erreichten komplexen Betrachtungsweise und Präzision; ausgehend von der Genesis dieser Causa werden alle maßgebenden Rechtsquellen samt Erläuterungen, die gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Begriffsbildungen mit den entsprechenden Verweisungen sowie alle in Betracht kommenden Urteile und Beschlüsse der Höchstgerichte (EuGH, VfGH und VwGH) samt ihren Verzahnungen aufbereitet und ausführlich dargestellt.
Es liegt in der Natur dieser komplexen Materie, dass deren wissenschaftliche Ausbreitung und Erforschung die „leichte“ Lesbarkeit des Gutachtens beeinträchtigt.
Im folgenden Beitrag wird daher versucht, die wesentlichen Erkenntnisse und Ergebnisse von Lang für die Information in den Städten und Gemeinden in einer kurzen und prägnanten Fassung darzustellen.

Der Lieferungstatbestand im österreichischen Getränkesteuerrecht
Im Zuge der Umwandlung der Getränkesteuer von einer Verbrauchsteuer in eine Verkehrsteuer wurde die Problematik des „Außerortverbrauchs“ einer Lösung zugeführt. Die dafür normierte Änderung des Tatbestandes von „Abgaben vom Verbrauch … von Getränken …“ auf „Abgaben auf die entgeltliche Lieferung … von Getränken“ erfolgte mit der FAG-Novelle BGBl. Nr. 693/1991. Der seit damals im Getränkesteuerrecht verwendete Begriff der Lieferung nach dem UStG 1972 und dem folgenden UStG 1994 hat auch die Abgabe von (alkoholischen) Getränken im Rahmen von Restaurationsumsätzen umfasst. Diese Tatsache wird von Lang durch eine Analyse der Judikatur zu Umsatz- und Getränkesteuer samt einschlägiger Aussagen der Lehre verifiziert.
Zur Dokumentation dieser Tatsache hat der Bundesgesetzgeber mit dem 2. Budgetbegleitgesetz 1997, BGBl. I Nr. 130/1997, unter Artikel 2 das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert und dabei im § 23 Abs. 3c auch eine authentische Interpretation für den vorher verwendeten Begriff der „entgeltlichen Lieferung“ erlassen.
Dieser Absatz 3c im § 23 FAG 1997 lautet: „Die entgeltliche Lieferung gemäß § 14 Abs. 1 Z 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 746/1996 und gemäß § 14 Abs. 1 Z 8 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 umfasst auch die Abgabe von Speiseeis und von Getränken zur unmittelbaren Konsumation (Restaurationsumsätze).“
Der Lieferungstatbestand im österreichischen Getränkesteuerrecht hat somit nach Lehre, Judikatur und dokumentierter Auffassung des Gesetzgebers die Abgabe von Getränken zur unmittelbaren Konsumation im Sinne von „Restaurationsumsätze“ umfasst.

Begriff „Lieferung“ auf nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Ebene
Nach Lehre und Judikatur zu Umsatz- und Getränkesteuer war die Subsumtion der Umsätze in der Gastronomie (= Restaurationsumsätze) unter dem nationalen Begriff der Lieferung unbestritten. Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat dieses Begriffsverständnis nicht verändert. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 1. Novelle zum UStG 1994, BGBl. Nr. 21/1995, wurde daher ausgeführt, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle – anders als das österreichische Recht – nicht als Lieferung beurteilen.
Mit EuGH-Urteil vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, Faaborg-Gelting Linien A/S, wurde jedoch entschieden, dass Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken bestehen, Dienstleistungen darstellen und der Ort der Leistung daher nach den für Dienstleistungen gemäß Artikel 6 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie geltenden Regelungen zu bestimmen ist.
Der Mitgliedstaat Österreich konnte seiner daraus erwachsenen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung nicht durch richtlinienkonforme Interpretation, sondern nur durch unmittelbare Anwendung der Richtlinie und eine nachfolgende Änderung des nationalen Lieferungsbegriffes im Umsatzsteuerrecht entsprechen (vgl. BGBl. Nr. 756/ 1996).
Während eine richtlinienkonforme Interpretation Auswirkungen auf den Inhalt des Lieferungsbegriffes des UStG 1994 gehabt hätte, führte die mit der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie verbundene Verdrängung dazu, dass der Inhalt des umsatzsteuerlichen Lieferungsbegriffes bis zur Änderung mit BGBl. Nr. 756/1996 unverändert geblieben ist.
Da sowohl die Finanzausgleichsgesetze des Bundes (FAG 1993 und 1997) als auch die darauf basierenden getränkesteuerrechtlichen Regelungen nur an das UStG 1972 oder das UStG 1994 vor der oben erwähnten Novelle BGBl. Nr. 756/1996 anknüpften, wurde der weite getränkesteuerrechtliche Lieferungsbegriff nicht verändert und umfasste mit diesen statischen Verweisungen auch weiterhin die Restaurationsumsätze.
Die vom Bundesgesetzgeber als authentische Interpretation bezeichnete Klarstellung des § 23 Abs. 3c der FAG-Novelle BGBl. I 130/1997 bestätigt diese Rechtsauffassung. Auch der VwGH ging in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 18. Dezember 1997, 97/16/0221, von einem die Restaurationsumsätze umfassenden Lieferungsbegriff aus und konnte somit bei der Beschreibung der österreichischen Rechtslage auf die Darstellung der am 28. November 1997 kundgemachten FAG-Novelle (BGBl. I Nr. 130) verzichten.
Es gibt kein gemeinschaftsrechtliches Gebot, historisch gewachsene nationale Rechtsbegriffe durch gemeinschaftsrechtliche Rechtsbegriffe zu ersetzen. Es besteht nur die Verpflichtung zur inhaltlichen Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien. Der EuGH hat in der Rechtssache C-491/03 den Umstand, dass die Frankfurter Getränkesteuerregelung den Steuergegenstand ohne die Verwendung der Begriffe Lieferung oder Dienstleistung umschrieben hat, nicht thematisiert. Eine Terminologieverwirrung zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht, die dem Gemeinschaftsrecht nicht zum Durchbruch verhelfen würde, liegt nicht vor, weil jahrzehntelang kein Zweifel bestand, dass unter dem nationalen Begriff der Lieferung alle Getränkeumsätze unabhängig vom Betriebstyp des Unternehmers besteuert wurden.

Regelung des Bedienungsgeldes – Personalkosten in der Gastronomie
Nach den Vorgaben der Finanzausgleichsgesetze gehört das Bedienungsgeld nicht zur Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer. Unter dem Begriff „Bedienungsgeld“ wurde nach Lehre und Judikatur jener Teil des vom Gast zu leistenden Entgeltes verstanden, der üblicherweise von vornherein für das in einem Dienstverhältnis zum Unternehmer stehende Bedienungspersonal bestimmt ist.
Auf Basis der ständigen Judikatur des VwGH kam bei Auszahlung eines vom Umsatz unabhängigen Festlohnes ein Abzug für „Bedienungsgeld“ bis 31. Dezember 1999 überhaupt nicht in Betracht (vgl. z. B. VwGH vom 11. Mai 2000, Zl. 99/16/0164).
Ein Abzug des Bedienungsgeldes war nur nach Maßgabe der kollektivvertraglichen Festlegungen im „Garantielohnsystem“ zulässig. Ab 1. Jänner 2000 wurde mit BGBl. I Nr. 32/1999 ein pauschaler Abzug von 12% des getränkesteuerpflichtigen Restaurationsumsatzes exklusive Umsatzsteuer eingeführt.
Lang erörtert die dazu publizierten Argumentationen von Keppert/Bruckner und Beiser/Zorn und kommt zur Erkenntnis, dass die Kosten für das Bedienungspersonal überhaupt nicht dem „Bedienungsgeld“ entsprechen (müssen).
Der Abzug eines Bedienungsgeldes von der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer ist somit aufgrund der fehlenden strukturellen und betraglichen Identität zu den tatsächlichen Personalkosten nicht geeignet, die durch das Personal erbrachten Leistungen bei der Beurteilung des Gesamtumsatzes auszuklammern. Das nur in bestimmten Konstellationen und nur im Wege einer Pauschale abziehbare Bedienungsgeld hat somit keinen Einfluss auf die Beurteilung des gesamten gastronomischen Umsatzes als Dienstleistung.

Keine rückwirkende Änderung des Besteuerungsgegenstandes
Nach den ausführlichen Untersuchungen von Lang wurde der „Lieferungstatbestand“ im Getränkesteuerrecht inhaltlich nicht geändert. Gegen die in diesem Sinne authentische Interpretation des Bundesgesetzgebers in § 23 Abs. 3c FAG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/1997 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe VwGH vom 21. Jänner 2004, Zl. 2001/16/0526 und Ablehnungsbeschlüsse des VfGH vom 24. September 2001, B 2386/00-2388/00).
Auch die in diesem Zusammenhang erfolgte Umbenennung des Tatbestandes von „entgeltliche Lieferung“ auf „Veräußerung“ im FAG 1997 und die entsprechenden Anpassungen, z. B. in der Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 mit ABl. 49/1999, waren somit keine rückwirkenden Änderungen eines Besteuerungsgegenstandes. In der Fußnote 178 von Lang wird dazu ausgeführt:
„In der Wiener Getränkesteuer-Verordnung 1992, ABl. 6/1992 wurde der Begriff der Lieferung bereits durch Art I Z II Verordnung ABl. 49/1999 durch ,Veräußerung‘ und Veräußerungen ersetzt, und zwar ebenfalls mit Rückwirkung zum 1. 1. 1997 (Art II Verordnung ABl. 49/1999).
Da der Begriff der Lieferung seit der Stammfassung der Getränkesteuer-Verordnung ABl. 6/ 1992 unverändert an das UStG 1972 angeknüpft hatte, war mit dieser Änderung des Wortlauts der Verordnung ebenso wenig eine inhaltliche Änderung verbunden wie im Falle des Wiener Getränkesteuergesetzes. Der Umstand, dass die aus dem UStG 1972 entlehnte Definition der Lieferung in § 1 Abs. 2 Getränkesteuer-Verordnung 1992 auch nach der Novelle ABl. 49/ 1999 beibehalten und nun auf den Begriff der Veräußerung angewendet wurde, lässt den Schluss zu, dass die nach dem UStG 1972 maßgebende Definition der Lieferung im Ergebnis auch nach der durch ABl. 49/1999 geschaffenen Rechtslage den Steuergegenstand umschreibt. Folglich unterliegt die Abgabe alkoholischer Getränke, die zuvor als Lieferung Getränkesteuerpflicht ausgelöst hatte, rückwirkend seit 1. 1. 1997 als Veräußerung der Besteuerung nach der Wiener Getränkesteuer-Verordnung. Vgl auch VwGH 25. 3. 2004, 2003/ 16/0423:
Die rückwirkende Inkraftsetzung dieser Verordnung wurde vom VwGH nicht einmal erwähnt, obwohl die für Zeiträume von 1996 bis 1999 erhobene Getränkesteuer betroffen war. Weiters erwähnt der VwGH in diesem Erkenntnis nicht einmal, dass für das Jahr 1996 nicht der Begriff der Veräußerung maßgebend war. Dies lässt darauf schließen, dass der Unterschied zwischen Veräußerung und Lieferung für den VwGH nicht relevant war und er die beiden Begriffe offenbar als identisch angesehen hat.“
Nach den Analysen der landesgesetzlichen Regelungen durch Lang ergeben sich auch für die Länder und Gemeinden durch die späte oder überhaupt nicht erfolgte Umbenennung des Tatbestandes auf Veräußerung keine negativen Auswirkungen.
Die Länder und Gemeinden sind nämlich nur verpflichtet, den Inhalt der ihnen erteilten Ermächtigung zu beachten; sie sind jedoch frei in der Wahl der Terminologie und konnten daher unter den finanzausgleichsrechtlichen Begriffen „Lieferung“ und „Veräußerung“ die Abgabe von alkoholischen Getränken im Rahmen von Restaurationsumsätzen besteuern.

Auf Basis der dargestellten Erkenntnisse kommt Lang im Kern zu folgenden Ergebnissen:
- Die den Urteilen des EuGH vom 9. März 2000, Rs C-437/97, EKW und Wein & Co und vom 10. März 2005, Rs C-491/03, Hermann zugrunde liegenden österreichischen und Frankfurter Getränkesteuern sind in ihren maßgebenden Regelungen im Hinblick auf die Abgabe alkoholischer Getränke im Rahmen von Restaurationsumsätzen identisch.

- Die finanzausgleichsrechtlichen Regelungen haben für alle Zeiträume im Ergebnis eine taugliche kompetenzrechtliche Grundlage für die Regelung der Getränkesteuer geschaffen. Die getränkesteuerrechtlichen Regelungen aller Länder und die daran anknüpfenden Verordnungen der Gemeinden haben während ihres gesamten Anwendungszeitraumes auch die Abgabe von Getränken im Rahmen von Restaurationsumsätzen erfasst.

Fußnoten:
1 Beiser/Zorn, Die Gemeinschaftsrechtskonformität der Getränkesteuer in der Gastronomie, SWK 2005, S. 440 (S. 443 ff.).

2 Taucher, Aktuelle Judikatur des EuGH zur Getränkesteuer, RFG 2005, 68 (70 ff.).

3 Keppert/Bruckner, Die Bedeutung der neuen EuGH-Judikatur für die anhängigen Getränkesteuerrückerstattungsverfahren, SWK 2005, S. 583 (S. 583 ff.).

4 Postl/Ehgartner, Zur österreichischen Getränkesteuer nach dem EuGH-Urteil Hermann (Teil 1), ÖstZ 2005, 304 (306 ff.) und (Teil 2) ÖstZ 2005, 373 (374 ff.).

5 Lang, Rechtsgutachten zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 10. März 2005, Rs C-491/03, Hermann auf die Befugnis der österreichischen Gemeinden zur Erhebung von Getränkesteuern auf alkoholische Getränke im Rahmen von Restaurationsumsätzen (Teil 1), ÖstZ 2005, Nr. 22, S. 503 ff. und (Teil 2) ÖstZ 2005, Nr. 24 (vorgesehen).

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