Gemeindefinanzen 2004 äußerst angespannt Einnahmen, Ausgaben und Investitionen gingen zurück

Gemeindefinanzen 2004 äußerst angespannt Einnahmen, Ausgaben und Investitionen gingen zurück

Die dynamische Konjunkturentwicklung des Jahres 2004 schlug sich in den Gemeindehaushalten nicht nieder. Bei einem nominellen Wirtschaftswachstum von 4,4% gingen sowohl die Gemeindeeinnahmen (–2,9%) als auch die -ausgaben (–1,5%) zurück. Die Investitionen (Gemeindeinvestitionen und Investitionsförderungen) nahmen sogar um 4,5% ab. Diese Entwicklung mündete in eine Verschlechterung der wichtigsten kommunalen Kennzahlen. Die Freie Finanzspitze sank auf historisch niedrige 2,7%, das Maastricht-Ergebnis brachte gerade noch eine schwarze Null, das Primärdefizit stieg auf E 383,5 Mio. 2005 hat eine vorübergehende Verbesserung gebracht, die Ertragsanteile sind um 3,3% gestiegen.

 

Rückgang an Einnahmen und Ausgaben
Den (ordentlichen und außerordentlichen) Einnahmen der österreichischen Gemeinden (ohne Wien) in Höhe von E 14,58 Mrd. standen 2004 (ordentliche und außerordentliche) Ausgaben in Höhe von E 14,59 Mrd. gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Einnahmen um E 431,4 Mio. (–2,9%) und die Ausgaben um E 242,5 Mio.
(–1,5%) gesunken. Die Tragweite der prozentuellen Rückgänge beider Werte wird im Zusammenhang mit dem nominellen Wirtschaftswachstum von 4,4% noch deutlicher.
Die Gemeinden nahmen 2004 Kredite in Höhe von E 1,15 Mrd. auf, um rund E 55,4 Mio. mehr als 2003. Die aufgenommenen Kredite entsprachen 7,9% der Einnahmen (2003: 7,3%). Die Finanzschulden stiegen im Berichtsjahr um E 307,9 Mio. (+3,0%) auf E 10,65 Mrd. Der Verschuldungsgrad entsprach rein rechnerisch 73,1% der Gesamteinnahmen. Er ist ebenso wie 2003 gegenüber dem Vorjahr (+4,2 Prozentpunkte) gestiegen. Die relative Verschuldung des Jahres 2004 ist die höchste der letzten zehn Jahre.
Von den Gemeindeeinnahmen in Höhe von insgesamt E 14,58 Mrd. entfielen E 2,33 Mrd. auf Gemeindeabgaben (+4,2%), E 1,36 Mrd. auf Gebühren (+2,3%) und E 4,1 Mrd. auf Ertragsanteile aus dem laufenden FAG (+1,6%).
Die kontinuierliche Entwicklung der Ertragsanteile wurde in den letzten vier Jahren wiederholt durch finanzpolitische Maßnahmen und organisatorische Veränderungen gestört. Die Budgetbegleitgesetze des Jahres 2001 führten zu vorgezogenen Einnahmen und einem hohen Anstieg von 11,1%. 2002 kam es zu Einnahmenausfällen und einer bescheidenen Entwicklung (+2,0%). Der Rückgang des Jahres 2003 (–2,4%) ist vor allem auf Ausfälle bei der Körperschaftssteuer, der veranlagten Einkommensteuer und der Kapitalertragssteuer II zurückzuführen. 2004 nahmen die Ertragsanteile (+2,0%) etwa im Ausmaß der Inflationsrate zu. Für 2005 zeichnet sich trotz der Auswirkungen der Steuerreform eine relativ positive Entwicklung ab.
Die Einnahmensteigerung bei Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen liegt mit 2,3% geringfügig über der allgemeinen Inflationsrate (2,1%). Die Gemeinden gaben somit Kostenerhöhungen nur in geringem Umfang an die Konsumenten weiter.

Unterdurchschnittliches Wachstum der Kommunalsteuer
Wie gewohnt trug die Kommunalsteuer mit 60,9% oder E 1,42 Mrd. (+ E 47,0 Mio., +3,4%) den mit Abstand größten Teil zu den Gemeindeabgaben bei. Nach der Kommunalsteuer erbrachten die Grundsteuern (E 430,7 Mio.; + E 12,5 Mio., +3,0%) und die Interessentenbeiträge (E 242,6 Mio.; – E 8,0 Mio., –3,2%) die höchsten Beiträge zu den Gemeindeabgaben.
Entgegen dem langfristigen Trend entwickelte sich die Kommunalsteuer 2004 weniger dynamisch als die Summe der übrigen Gemeindeabgaben. Während nämlich die Gemeindeabgaben insgesamt um 4,2% zunahmen, stieg die Kommunalsteuer nur um 3,4%. Die Summe aller anderen Gemeindeabgaben legte um 5,5% zu.

Ausgaben und Ausgabenentwicklung
Die österreichischen Gemeinden gaben 2004 in den ordentlichen und außerordentlichen Haushalten insgesamt E 14,59 Mrd. aus, um E 224,5 Mio. oder 1,5% weniger als 2003. Die kommunalen Gesamtausgaben sind damit zum ersten Mal seit 2000 und zum zweiten Mal innerhalb der letzten zehn Jahre gesunken.

Ausgewählte Ausgabenarten
Von den Gemeindeausgaben entfielen 2004 E 3,00 Mrd. auf Investitionen und Investitionsförderungen. Das Investitionsvolumen blieb um E 141,7 Mio. oder 4,5% unter dem Vorjahresergebnis zurück. Auf den Personalaufwand (für aktive Mitarbeiter, ohne Pensionen) entfielen 2004 E 2,59 Mrd., die Personalausgaben waren um E 60,0 Mio. oder um 2,7% höher als im Jahr zuvor.
Die Bedienung der Finanzschulden beanspruchte E 1,06 Mrd., E 41,2 Mio. oder 3,7% weniger als 2003. Der Rückgang des Schuldendienstes ist vor allem dem historisch niedrigen Zinsniveau und dem dadurch gesunkenen Zinsaufwand zu verdanken. Die durchschnittliche Verzinsung der Gemeindeschulden erreichte 2004 mit 2,7% einen absoluten historischen Tiefstand. Der Zinsaufwand sank 2004 auf E 282,7 (– E 23,4 Mio.; –7,6%), der Tilgungsaufwand auf E 780,7 Mio.
(– E 780,7; –2,2%).

Investitionsquote sinkt auf historisches Tief
Die österreichischen Gemeinden gaben 2004 für Investitionen und Investitionsförderungen E 3,00 Mrd. aus, um E 141,7 Mio. oder 4,5% weniger als 2003. Die Gemeinden investierten E 2,37 Mrd. (–7,1%) selbst und förderten mit E 629,5 Mio. (+6,9%) fremde Investitionen.
Die Investitionsquote der Gemeinden ging im Berichtsjahr von 21,2% im Jahr 2003 auf 20,6% zurück. Der Rückgang stimmt sehr bedenklich, flossen doch in den frühen neunziger Jahren mehr als 25% der Ausgaben in Investitionen und Investitionsförderungen. Freilich darf dabei nicht übersehen werden, dass damals der Anstieg der Investitionen von ebensolchen bei der Schuldaufnahme und der Neuverschuldung begleitet wurde.

Bildung von Bruttosachvermögen
Ein großer Teil der Gemeindeausgaben wird zur Schaffung von kommunalem „Sachvermögen“ verwendet. Die sogenannte Bruttosachvermögensbildung umfasst die Bruttoinvestitionen (in bewegliche und unbewegliche Güter, Erwerb von aktivierungsfähigen Rechten) sowie den Erwerb von Liegenschaften.
2004 bildeten die Gemeinden Sachvermögen in Höhe von E 2,29 Mrd., das sind E 165,2 Mio. oder 6,7% weniger als 2003.
Die Minderung der Sachvermögensbildung betraf alle Investitionsbereiche. Die Hoch- und Tiefbauinvestitionen (2004: E 1,86 Mrd.) nahmen um 7,1%, Investitionen in bewegliche Güter (E 226,5 Mio.) um 4,1% und der Erwerb von Liegenschaften (E 200,8 Mio.) um 6,0% ab. Der Ankauf aktivierungsfähiger Rechte (E 6,6 Mio.) ging um 10,3% zurück.
Außerhalb der Sachvermögensbildung kauften die Gemeinden 2004 Wertpapiere und gingen Unternehmensbeteiligungen im Umfang von E 82,8 Mio. ein, um 16,9% mehr als 2003.

Aufbau des Kapitalstockes
Der Begriff der Brutto-Sachvermögensbildung umfasst sowohl die Neu-bildung (Netto-Investition) als auch die Ersatzinvestitionen ins Sachvermögen. Die Gebarungsübersichten lassen jedoch eine Unterscheidung der beiden Kategorien nicht zu. Der fünfmalige, mitunter gravierende Rückgang der Brutto-Sachvermögensbildung der Jahre von 1995 bis 2001 lässt aber den Schluss zu, dass das kommunale Sachvermögen in Summe dieser Jahren abgenommen hat.
Nach der verstärkten Sachvermögensbildung der Jahre 2002 und 2003 kam es 2004 zu einem erneuten Rückschlag: 2004 wurden in das Sachvermögen nur E 2.291,1 Mio. investiert, das sind E 165,2 Mio. oder 6,7% weniger als 2003.

Kommunale und volkswirtschaftliche Investitionen
Zu interessanten Ergebnissen führt der Langfristvergleich zwischen der Entwicklung der kommunalen Investitionstätigkeit, des Bruttoinlandsproduktes und des gesamtösterreichischen Investitionsvolumens im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR).
Im Berichtsjahr 2004 entsprach das Investitionsvolumen der Gemeinden 4,09% der österreichischen Brutto-Investitionen und 0,89% des BIP. Die kommunalen Investitionen haben in ihrer Relation zum BIP den geringsten Wert aller Zeiten erreicht. Der Anteil der Gemeindeinvestitionen am österreichischen Investitionsvolumen stellt den zweitniedrigsten Wert aller Zeiten dar.

Vermehrte Anstrengungen in der Investitionsförderungen
Die Aus- und Umgliederungen von Betrieben haben in den kommunalen Haushalten zur tendenziellen Zunahme der Investitionsförderungen in Form von Darlehen und Zuschüssen geführt. 2004 wurden für Investitionsförderungen E 629,5 Mio. aufgewendet. Die Ausgaben lagen 2004 um E 40,4 Mio. oder 6,9% über dem Vorjahresergebnis.

Finanzschulden und Verschuldungsgrad stiegen
Die österreichischen Gemeinden haben in der zweiten Hälfte der 80er Jahre und am Beginn der 90er Jahre mit massiven Sparprogrammen ihre Verschuldung von 77% der Budgetsumme im Jahr 1982 auf 56% im Jahr 1992 zurückgeführt. In den folgenden Jahren nahm die Verschuldung wieder zu und erreichte schließlich im Jahr 2000 mit 70,9% einen neuen Rekordwert. Die – überwiegend auf die Regierungsmaßnahmen zur Budgetsanierung – hohen Einnahmenzuwächse des Jahres 2001 ließen die Verschuldung auf 70,4% sinken. Trotzdem stieg der Schuldenstand auf E 9,9 Mrd. 2002 nahmen die Finanzschulden noch einmal zu, sie überschritten mit E 10,10 Mrd. erstmals die Zehn-Milliarden-E-Grenze. Der Verschuldungsgrad ging hingegen auf 68,2% zurück. 2003 und 2004 brachten hohe Neuverschuldung von E 300,6 Mio. bzw. E 373,9 Mio. und schließlich 2004 den neuen Schuldenrekord von E 10,65 Mrd. (+3,0% gegenüber 2003). Der Verschuldungsgrad stieg 2003 auf 68,9% und 2004 auf 73,1%.

Äußerst niedrige Kreditzinsen entlasten Schuldendienst
Der Aufwand für Finanzschulden (Tilgungen und Zinsendienst) kostete die Gemeinden 2004 E 1,06 Mrd. (2003: E 1,10 Mrd.) und band so 7,3% der Gesamteinnahmen (2004: 7,4%). Vom gesamten Schuldendienst entfielen E 780,7 Mio. auf Tilgungen und E 282,5 Mio. auf Zinszahlungen. Gegenüber 2002 nahm die Belastung durch den Schuldendienst um E 41,2 Mio. ab, wobei der Zinsendienst dank der historisch niedrigen Zinsen (Durch-
schnittszinssatz: 2,7% p. a.) allein um E 23,4 Mio. oder 7,6% zurückging.

Hohe Kreditaufnahme, sehr hohe Neuverschuldung
Die österreichischen Gemeinden nahmen 2004 Kredite in Höhe von E 1,15 Mrd. auf, um E 55,5 Mio. oder 5,0% mehr als im Jahr zuvor. Die Neuverschuldung, also die Differenz zwischen Tilgungen und Schuldaufnahmen, lag bei E 373,9 Mio. und war die höchste der letzten vier Jahre.

Sinkende Überschüsse, neue Defizite
Rückgang des Maastricht-Überschusses

Das „Maastricht“-Ergebnis brachte 2004 einen geringfügigen Überschuss von E 12 Mio., d. s. E 68 Mio. weniger als 2002. Trotz der massiven Ergebnisverschlechterung leisteten die Gemeinden mit dem Überschuss von 0,01% des BIP einen (gerade noch) positiven Beitrag zum gesamtstaatlichen Maastricht-Ergebnis.

Hoher Anstieg des Primärdefizites
In der primären Gemeindegebarung (Gesamtgebarung ohne Schuldenaufnahmen und -tilgungen) übertreffen 2004 ebenso wie 2003 die Ausgaben die Einnahmen. Das „primäre Defizit“ beträgt 2004 E 383,5 Mio. oder 2,6% der Primäreinnahmen.
Die primäre Gebarung brachte mit Ausnahme der Jahre 2001 und 2002 zuletzt regelmäßig Defizite in der Größenordnung zwischen E 23 Mio. (1997) und E 268,9 Mio. (1995). Das Ergebnis des Jahres 2004 ist das schlechteste seit zumindest zehn Jahren. Die Erzielung primärer Einnahmenüberschüsse gilt aber als unabdingbare Bedingung für die Reduktion der Schuldenstände.

Freie Finanzspitze auf historischem Tief
Die Freie Finanzspitze ergibt sich als Differenz zwischen dem Überschuss der laufenden Gebarung und den Schuldtilgungen. Sie betrugen 2004 E 290,4 Mio. oder 2,7% der laufenden Einnahmen. Die Freie Finanzspitze blieb 2004 deutlich hinter den Vergleichswerten von 2002 (5,4%) und 2001 (7,4%) zurück. Die Freie Finanzspitze gibt an, inwieweit der Überschuss der laufenden Gebarung zur Finanzierung von Ausgaben in den Bereichen der Vermögensgebarung und der Finanztransaktionen herangezogen werden kann.
Die im Berichtsjahr 2004 gegebene Verschlechterung aller kommunalen Finanzkennzahlen zeigt sich bei der Freien Finanzspitze besonders deutlich.

Fehlende Tabellen finden Sie in der ÖGZ 12/05!

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