Wien geht mit Energiesparcontracting „baden“

Wien geht mit Energiesparcontracting „baden“

Bäder sind für viele Menschen ein zentraler Ort der Erholung und Freizeitgestaltung. Die Stadt Wien ist einer der größten Bäderbetreiber Europas. Dementsprechend hoch ist der Energieverbrauch. Die zuständige Magistratsabteilung 44 verbessert die Energieeffizienz laufend – etwa mit einem Energiesparcontracting-Modell.

 

39 städtische Bäder
Bäder sind ein Ort der Erholung und Freizeitgestaltung, Spiel und Sport für alle Altersgruppen, im Sommer und Winter für fallweise stark divergierende Interessen der Badegäste.
Neben sonstigen Einrichtungen umfasst das Angebot der Magistratsabteilung 44 – Bäder die Bereitstellung von Kinderbecken, Seniorenbecken, Lehrbecken, Sportbecken, Attraktionen (z. B. Strömungskanäle, Wellenbecken, Wasserrutschen) und Saunaanlagen. Es werden Warmbadetage angeboten und Vereinen sowie Schulen eigene Trainings- und Unterrichtszeiten zur Verfügung gestellt. Historisch erwähnenswert, aber heute nur mehr von untergeordneter Bedeutung sind die Volksbäder, in denen die Möglichkeit der Körperreinigung geboten wird.
Der Magistratsabteilung 44 unterstanden im Jahr 2005 insgesamt 39 Bäder, die sich wie folgt zusammensetzten: 1 Volksbad, 6 Saunabäder, 11 Hallenbäder, davon 7 sogenannte Kombibäder mit angeschlossenem Sommerbad, 10 Sommerbäder und 11 Familienbäder (vormals „Kinderfreibäder“).
Der Betrieb von Bädern verursacht hohe Kosten. Diese Kosten können bei einem öffentlichen Betreiber durch die Einnahmen aus dem Kartenverkauf nicht gedeckt werden.

Hohe Energiekosten
Neben den Personalkosten fallen vor allem hohe Kosten für Betriebsmittel (Wasser und Energie) an.
Für das Betriebsjahr 2000 (im Jahr 2000 wurde von der MA 44 – Bäder begonnen, Energiesparcontracting-Verträge abzuschließen) zeigt sich beispielsweise für die von der MA 44 betriebenen 28 Bäder (ohne die 11 Familienbäder) Folgendes:

Badegäste 4,1 Mio.
Verbrauchserte
Wasser/Abwasser 1,8 Mio. m³
Elek. Strom 13,7 Mio.kWh
Erdgas 12,7 Mio. kWh
Heizöl 1,1 Mio. kWh
Fernwärme 48,7 Mio. kWh

Im Durchschnitt verbrauchte jeder Badegast

Wasser/Abwasser 0,4 m³ (Streuung: 0,1 bis 1,1 m³)
Energie 18,6 kWh (Streuung: 1,5 bis 111,1 kWh)

Für die Abdeckung der Betriebsmittelkosten waren im Jahr 2000 aufzuwenden (Angaben nach heutigen Tarifen, ohne Umsatzsteuer):

Wasser/Abwasser 4,89 Millionen Euro
Energie 4,38 Millionen Euro
Summe 9,27 Millionen Euro

Die Betriebsmittelkosten je Badegast liegen somit im Durchschnitt bei rund 2,26 Euro.
Maastricht-Kriterien, eine angespannte Budgetsituation, gestiegene Energiepreise, aber auch die von der Stadt Wien und der Republik Österreich eingegangenen internationalen Verpflichtungen hinsichtlich des Klimaschutzes erhöhten den Zwang, den Betriebsmittelverbrauch zu reduzieren. Fehlende Budgetmittel für geeignete Investitionen führten zur Entscheidung, Energiesparcontracting-Verträge abzuschließen.

Pilotprojekt im Bäderbereich
Mit der Umsetzung dieser Zielsetzung wurde nach einem öffentlichen Ideenwettbewerb mit dem Abschluss eines Energiesparcontracting-Vertrages mit Sulzer Infra, nunmehr AXIMA Gebäudetechnik GmbH, im Juli 2000 ein Pilotprojekt im Bäderbereich für das Sommer- und Hallenbad Simmering begonnen. Die Betriebsbereitschaft war im April 2001 gegeben.
Es folgten – nach einem öffentlichen Ideenwettbewerb – Energiesparcontracting-Verträge für die im Hallenbereich nahezu baugleichen Bäder Hietzing, Großfeldsiedlung und Donaustadt (AXIMA Gebäudetechnik GmbH) sowie Döbling und Brigittenau (Siemens Building Automation) in den Jahren 2002 und 2003 (Betriebsbereitschaft im Jahr 2003), im Jahr 2004 das Hallenbad Floridsdorf (AXIMA, Betriebsbereitschaft 2005), im Jahr 2005 das Sommerbad Laaerberg (AXIMA, Betriebsbereitschaft 2006) und derzeit in Beauftragung das Hallenbad Jörgerbad (Siemens), mit voraussichtlicher Betriebsbereitschaft Ende 2006.
Weiters wurden, nachdem zu Beginn ausschließlich Energiesparmaßnahmen in den Energiesparcontracting-Verträgen vorgesehen waren, in einigen der Bezirkshallenbäder die Verträge um Wassersparmaßnahmen ergänzt.

Energiesparcontracting-Vertrag
Das von der Stadt Wien ausgearbeitete Energiesparcontracting-Modell ist eine Vertragsform, die neben der Errichtung der baulichen Gewerke noch folgende Leistungen bietet:

- Ideenwettbewerb:
Dem Energiesparcontracting-Vertrag geht ein für die MA 44 kostenloser Ideenwettbewerb voran und zeigt so ein breites Spektrum an möglichen Energiesparmaßnahmen: Selbst dann, wenn eine Maßnahme nicht voll überzeugend wirkt, kann sie umgesetzt werden, weil das Erfolgsrisiko vom Auftragnehmer getragen wird und bei Nichtentsprechung der Stadt Wien kein Schaden erwächst.

- Finanzierung:
Durch den Auftragnehmer.

- Einspargarantie:
Bezahlung der Leistung des Auftragnehmers nur in Höhe der eingesparten Betriebsmittel. Wird das Einsparziel nicht erreicht, kommt der Auftragnehmer nicht auf seine Rechnung. Der Auftragnehmer ist somit motiviert, während der Laufzeit des Vertrages die Funktion seines Lieferumfanges sicherzustellen.

- Eigentumsübergang am Ende der Vertragslaufzeit:
Für den Auftragnehmer besteht der Zwang zu qualitativ hochwertiger Ausführung, da vom Auftragnehmer die volle Gewährleistung über die gesamte Laufzeit zu erbringen ist. Wartung und Projektbetreuung sind vom Auftragnehmer während der gesamten Vertragslaufzeit wahrzunehmen.

- Projektüberwachung durch den Auftragnehmer:
Ein wesentlicher Punkt für den Erfolg von Energiesparmaßnahmen ist die Organisation bzw. Überwachung. Beim Energiesparcontracting-Vertrag wird die Projektüberwachung zwangsläufig vom Auftragnehmer wahrgenommen, weil die Bezahlung erfolgsabhängig ist.

Rahmenbedingungen
Folgende grundsätzliche Rahmenbedingungen waren bei der Umsetzung von Energie- und Wassersparmaßnahmen in Bädern zu beachten:

- Bauliche Vorgaben:
z.B. Gebäudehülle, Platzangebot für Haustechnik

- Technische Vorgaben:
z.B. Filtertechnik, Lüftungsanlagen, Rohrleitungen

- Beckenwassertemperaturen:
verschiedene Publikumsinteressen, z.B. Warmbadetag – Schwimmvereine; Solaranlagen im Hochsommer oft nicht voll nutzbar

- Lufttemperaturen und -feuchtigkeit; Frischluftrate:
Komfort und Bauphysik maßgebend

- Duschanlagen:
Komfortanforderungen bezüglich Wasserdurchfluss (Mindestdurchfluss vorgegeben)

- Bäderhygienegesetz:
Vorgaben hinsichtlich Frischwasserzusatz, Umwälzmenge, Chlorgehalt (freies und gebundenes Chlor) des Beckenwassers und Vorgaben betreffend die Einrichtungen der Wasseraufbereitung.

Projektziel
Das Projektziel war, in den neun vorgenannten Bädern ohne Einschränkung des Komforts und unter Bedachtnahme auf die Bauphysik die Betriebsmittel Wasser/Abwasser und Energie (Erdgas bzw. Fernwärme und Strom) zu sparen.
Ausgehend von einem Betriebsmitteljahresverbrauch (Referenzwert) für alle vorgenannten Bäder in der Höhe von 842.800 m3 Wasser/Abwasser und 37.900 MWh Energie wurde eine Einsparung der Betriebsmittel in der Höhe von 310.200 m3 Wasser/Abwasser (37%) und 17.200 MWh Energie (45%) garantiert.

Contractingmaßnahmen
Zur Erreichung der Betriebsmitteleinsparungen wurden – jeweils in Abstimmung mit den Gegebenheiten im jeweiligen Bad – einige oder alle der folgenden Maßnahmen gesetzt:

- ZLT-Regelung (Zentrale Leittechnik)

- Errichtung von Solaranlagen (Beckenwasser, Brausewasser, Frischwassernachspeisung), z. T. in Verbindung mit einer Wärmepumpe

- Optimierung der Fernwärmestation bzw. Heizkessel (Umrüstung auf Brennwertkessel), Heizkreise, Lüftungsanlagen, Nachtabsenkung, Beckenaufheizung, Gebrauchswarmwasseraufbereitung, Garderobenbeleuchtung, Saunaöfen, Trinkwasser (Warmwasservorwärmung)

- Blindstromkompensation
- Drehzahlregelungen (Einbau von Frequenzumformern)
- Austausch von Lüftungsaggregaten
- Wärmerückgewinnung

- Maßnahmen der Wasserwirtschaft:
* Errichtung neuer Filter (Austausch von Mehrstromfiltern gegen Mehrschichtfilter mit Hydroanthrazit; Membranfilter für die Aufbereitung des Spülwassers; Umkehrosmose; Automatisierung der Rückspülens)
* Trennung der Treibwasserleitung von der Trinkwasserleitung
* Messwasserrückführung in das Ausgleichsbecken
* Einbau von Wärmerückgewinnungsanlagen aus dem Beckenwasser
* Verwendung des aus dem Beckenkreislauf ausgeschleusten Wassers nach Filtration für die Rasenbewässerung
* Einbau von Kontaktwasserzählern in allen Kreisläufen
* Brunnen für Rasenbewässerung
* Einbau neuer Duschköpfe, jedoch mit einer Mindestdurchflussmenge von 10 l/min

Als innovativ können die Maßnahmen hinsichtlich der Wasserwirtschaft angesehen werden. Durch die Anwendung neuer Filtertechniken, der Optimierung der Ausschleusung von verschmutztem Wasser und dessen Ersatz durch Frischwasser sowie durch den Einbau von Wärmetauschern konnte der Wasser- und Wärmeverbrauch gesenkt werden. Weiters neu im Bäderbereich war die Optimierung der Hallenlüftungsanlage in Abhängigkeit vom geöffneten oder geschlossenen Zustand der Außentüren und vom CO2-Gehalt der Hallenluft. Neu ist auch die Möglichkeit der Fernüberwachung der Betriebszustände der wesentlichen Anlagenkomponenten in der Zentrale der Bäderverwaltung. Erstmals im Bereich der städtischen Wiener Bäder wurden Solaranlagen mit Frostschutzfüllung und in Verbindung mit einer Wärmepumpe eingesetzt, sodass eine nahezu ganzjährige Nutzung der Sonnenenergie möglich ist.

Kosten-Nutzen-Verhältnis
Die Kosten für die Maßnahmen zur Erzielung der Einsparungen betragen rund 12.970.000 Euro. Die garantierten Betriebsmittelkosteneinsparungen betragen rund 1.730.000 Euro pro Jahr. Das ergibt eine garantierte Amortisationszeit von 7,5 Jahren. Aufgrund der bis jetzt vorliegenden Jahresabrechnungen kann davon ausgegangen werden, dass die Einsparungsziele nicht nur erfüllt, sondern möglicherweise übertroffen werden.
So wird etwa aufgrund der bisher vorliegenden Ergebnisse bei jenen Bädern, die mit neuen Filteranlagen ausgerüstet worden sind, eine Einsparquote bei Wasser/ Abwasser in der Höhe von über 50% erwartet. Die Kosten in der Höhe von 12.970.000 Euro werden vom Auftragnehmer vorfinanziert und nur bei Erreichen des garantierten Einsparungszieles in dieser Höhe rückerstattet. Bis zum Ende der Amortisationszeit fallen für die Bäderverwaltung keine Mehrkosten gegenüber der Situation vor Abschluss der Energiesparcontracting-Verträge an. Die jährlichen Rückzahlungen an den Auftragnehmer erfolgen maximal in der Höhe der eingesparten Energie.

Effektive Einsparungen
Ist die tatsächliche Einsparung höher als der garantierte Wert, dann ist der entsprechende Betrag zu erstatten, die Amortisationszeit verkürzt sich und die Bäderverwaltung kommt früher in den Genuss der Kosteneinsparung. Bei Erreichen des garantierten Einsparungszieles kann nach Ablauf der Amortisationszeit, also nach ca. 7,5 Jahren, bis zum Ende der rechnerischen Nutzungsdauer (nach VDI 2067 etwa 15 bis 20 Jahre, je nach gelieferter Komponente) bei jährlichen Aufwendungen von rund 330.000 Euro für Wartung und Instandhaltung der betroffenen Komponenten mit effektiven Betriebsmittelkosteneinsparungen in der Höhe von rund 1.400.000 Euro/a für diese 9 Bäder gerechnet werden.

Bessere Wasserqualität
Die sozialen Auswirkungen liegen einerseits darin, dass den Badegästen ein unverändert hoher Standard angeboten werden kann und es zu keinen Einschränkungen des Komforts kommt. Durch die neuen Filteranlagen wird die Wasserqualität wesentlich verbessert, sodass der vom gebundenen Chlor bewirkte, für Hallenbäder oft typische Chlorgeruch weitgehend minimiert werden kann. Darüber hinaus können die eingangs erwähnten Betriebsmittelkosten je Badegast gesenkt werden. Durch diese Kosteneinsparung wird ein Beitrag geliefert, dass trotz angespannter Budgetsituation auch in Zukunft den Badegästen die Einrichtungen der städtischen Bäder im gewohnten Ausmaß angeboten werden können.

Beschäftigungsimpulse
Der Abschluss von Energiesparcontracting-Verträgen hat auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Wenn Einsparmaßnahmen mangels budgetärer Mittel nicht finanzierbar sind, werden sie nicht umgesetzt. Durch Energiesparcontracting-Verträge, die auch als erfolgsorientiertes Finanzierungsmodell angesehen werden können, werden Firmen beschäftigt und Arbeitsplätze gesichert.
Für den Erfolg eines Energiesparcontracting-Projektes ist nicht nur die Richtigkeit und die gute technische Qualität der Maßnahmen erforderlich, sondern vor allem auch die Betreuung der Anlagen durch den Auftragnehmer während der Vertragslaufzeit. Dieser Umstand bedingt etwa bei Anlagestörungen kurze Wegzeiten vom Auftragnehmer zum Contractingobjekt und kommt somit Auftragnehmern der Region zugute.
Schließlich sei noch die Auswirkung auf die Umwelt erwähnt: Durch die Energiesparcontracting-Maßnahmen wird ein Rückgang der CO2-Emissionen um 2.200 Tonnen pro Jahr bewirkt und es wird ein beachtlicher Rückgang des Verbrauchs von Trinkwasser erzielt.

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