Gemeindestudie untersucht Integrationsmaßnahmen in Oberösterreich

Gemeindestudie untersucht Integrationsmaßnahmen in Oberösterreich

Integration mit all ihren Herausforderungen und Chancen findet zu einem guten Teil auf Ebene der Gemeinden statt, dem sozialen Begegnungsraum zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Mit der schriftlichen Befragung der oberösterreichischen Gemeinden wurde eine weitere wichtige Wissensgrundlage für die Erarbeitung des vom Land Oberösterreich in Auftrag gegebenen Integrationsleitbildes geschaffen.

 

Primär standen bei der Gemeindestudie folgende Fragestellungen und Ziele im Vordergrund:

- Systematische gemeindespezifische Erfassung integrationsrelevanter Angebote, Strukturen und Dynamiken.

- Welche Potenziale bzw. welche Probleme orten die Gemeinden?

- Welches Verständnis von Integration liegt vor, welcher Stellenwert wird der Integration beigemessen?

- Perspektiven und Erwartungen der Gemeinden.

Konzeption und Durchführung der Befragung lagen beim Schweizer Soziologen Kenan Güngör, der den gesamten Prozess der Entwicklung des Leitbildes wissenschaftlich begleitet hat, unterstützt von der Sozialabteilung des Landes Oberösterreich.
Im Rahmen einer Vollerhebung wurden 445 oberösterreichische Gemeinden mittels Fragebogen um ihre Meinung gebeten – die tatsächliche Beteiligung von 313 Gemeinden entspricht einem außerordentlich guten Rücklauf von etwa 70%. Mehr als die Hälfte der Gemeinden (57%), die an der Befragung teilgenommen haben, sind eher klein (500 bis 2.000 Einwohnerinnen und Einwohner). In etwa einem Drittel der befragten Gemeinden leben zwischen 2.000 und 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Lediglich etwa 3% weisen eine Größe von über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner auf.
In zwei Dritteln der befragten Gemeinden liegt der Migrantinnen- und Migrantenanteil unter 5%, bei einem Viertel zwischen 5 und 10%, bei knapp 10% der befragten Kommunen über 10%. Grundsätzlich konzentriert sich die Zuwanderung auf den städtischen Raum: ein Drittel der nicht-österreichischen Wohnbevölkerung lebt in den drei Statutarstädten Linz, Wels und Steyr.

Positive Einschätzung des Zusammenlebens
Immerhin etwa drei Viertel der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter schätzen die Qualität des Zusammenlebens zwischen Zugewanderten und Einheimischen als „gut“ (44%) bzw. „mittel“ (34%) ein, wobei die Einschätzung in Gemeinden mit höherem Migrantinnen- und Migrantenanteil tendenziell etwas weniger positiv ausfällt.
Die Studie zeigt, dass Integration einen zentralen Stellenwert für die Gemeinden besitzt – insgesamt schätzen zusammengenommen fast 87% der Gemeinden Integration als „sehr wichtig“ bzw. „ziemlich wichtig“ ein. Vor allem Gemeinden mit höherem Anteil an Migrantinnen und Migranten messen der Integration besonders hohe Bedeutung bei.

Nachholbedarf im Bereich „Monitoring“
Das Monitoring im Bereich Integration (migrationsbezogene Statistikdaten) beschränkt sich zumeist auf „klassische“ demografische Daten (Nationalität, Geschlecht, Alter, Religion), wobei keine wesentlichen Unterschiede zwischen Gemeinden mit geringem und hohem Anteil an nicht-österreichischer Bevölkerung festgestellt wurden.
Im Sinne einer Erweiterung dieser integrationspolitischen Wissensgrundlagen besteht aus Sicht der Studienautorinnen und -autoren Potenzial für Verbesserungen (z. B. im Arbeits- und Bildungsbereich).

Vielfältige Integrationsangebote
In knapp 60% der Gemeinden bestehen spezifische, zumeist soziokulturelle Angebote zur Förderung der Integration von Zugewanderten – überdurchschnittlich häufig im Bereich Schule, Bildung, Erziehung für Kinder (fast 70%), daneben im Sport-, Freizeit- und Kulturbereich.
Die Zielgruppenorientierung ist eher geringer ausgeprägt – falls vorhanden, richtet sie sich zumeist an Kinder. In den kleineren ländlichen Gemeinden liegt der Schwerpunkt eher auf Sport und Freizeit, in Städten und größeren Gemeinden eher auf Sprachförderung. Tendenziell verfügen Gemeinden mit höherem Migrantinnen- und Migrantenanteil über mehr Angebote bzw. auch für bestimmte Zielgruppen.
Gleichzeitig ist die Verankerung des Themas strukturell (durch eigene Integrationsstellen bzw. Beiräte) und programmatisch (durch Leitbilder oder Integrationskonzepte) erst in geringem Ausmaß vorhanden und wenig überraschend eher in Gemeinden mit höherem Migrantinnen- und Migrantenanteil vorzufinden.

Verständnis von Integration
Die Befragten verstehen Integration als Prozess, an dem Einheimische und Zugewanderte beteiligt sind (wobei die Verantwortung etwas stärker auf Seiten der Zugewanderten gesehen wird). Für mehr als die Hälfte der Gemeinden bedeutet Integration die Einbindung oder Eingliederung in das Gemeindeleben, knapp ein Viertel der Befragten setzen Integration mit der Anpassung an die „Kultur“ des Aufnahmelandes gleich. Grundsätzlich bezieht sich das Integrationsverständnis der Gemeinden vor allem auf soziale und kulturelle Dimensionen. Strukturelle Aspekte wie z. B. Integration in den gesellschaftlichen Teilbereichen Arbeit, Gesundheit, Wohnen oder Bildung haben weniger Bedeutung.

Probleme und Erwartungen
Rund ein Drittel der Gemeinden sehen in sprachlichen Barrieren und mangelnder Verständigung ein Hauptproblem für das Gelingen von Integration. Zwei weitere zentrale Problemfelder liegen in der Isolation von Zugewanderten und fehlenden Kontakten sowie in der kulturellen Unterschiedlichkeit („Mentalitätsunterschiede“). Es fällt auf, dass die Probleme tendenziell vorwiegend bei den Zugewanderten selbst verortet werden.
Von den Migrantinnen und Migranten erwarten die Gemeinden demnach am häufigsten das Erlernen der Landessprache (45%) sowie die Anpassung an die hiesige Kultur (36%). Als Beiträge der Einheimischen werden hingegen der Abbau von Vorurteilen, die Entwicklung von Toleranz und Verständnis für andere Kulturen für notwendig gehalten. Der Vergleich der geäußerten Erwartungen zeigt, dass von Migrantinnen und Migranten eher aktive Integrationsleistungen, von der einheimischen Bevölkerung fast ausschließlich (eher passive) Einstellungsänderungen verlangt werden.

Potenziale und Chancen durch Zuwanderung
Zuwanderung stellt aus Sicht der Befragten eine Ressource für die demografische Entwicklung der Gemeinde dar. Ebenso werden Kindergärten und Schulen als wichtige Integrationsinstanzen wahrgenommen, auch Kinder selbst (in einer Rolle als Sprach- und Kulturvermittlerinnen und -vermittler) werden von einigen Gemeinden als Potenzial angeführt.
Weitere Chancen für Integration orten die Gemeinden bei den lokalen Vereinen und deren Veranstaltungen.

Erwartungen der Gemeinden an das Integrationsleitbild
Im Rahmen einer offenen Frage hatten die Gemeindevertreterinnen und -vertreter die Möglichkeit, ihre Erwartungen an das Integrationsleitbild zu formulieren. Die Antworten lassen sich inhaltlich in drei Schwerpunktbereiche zuordnen:

- Festschreibung von Regeln und Normen zur Verbesserung des Zusammenlebens bei gleichzeitiger Bewusstseinsbildung für das Thema (50%);

- Maßnahmenvorschläge, Hilfestellungen für die Realisierung der Integrationsarbeit (etwa ein Drittel);

- Instrument zur Steuerung und Regulation von Zuwanderung – restriktiv (ca. 20%).

Handlungsbedarf
Die Studienautorinnen und -autoren leiten aus den Ergebnissen der Befragung insbesondere in folgenden Bereichen konkreten „integrativen“ Handlungsbedarf für die Kommunen ab: Erwachsenenbildung, Informations-, Sensibilisierungs- und Orientierungsangebote, Sprachförderung für verschiedene Zielgruppen, Wohnen/Wohnumfeld, Gesundheit, Partizipation als Querschnittsmaterie.

Leitbildentwicklung im Dialog mit den Gemeinden
Die Ergebnisse der Gemeindestudie werden im weiteren Verlauf des Leitbildprozesses in den Regionalveranstaltungen vorgestellt und diskutiert. Dies ermöglicht eine tiefergehende Analyse der Istsituation in Städten und Gemeinden sowie die Vernetzung relevanter Akteurinnen und Akteure.
Alle regionalspezifischen Erkenntnisse fließen in den weiteren Prozess der Leitbildentwicklung wieder ein und werden insbesondere in den thematischen Arbeitsgruppen aufgegriffen und bei der Entwicklung von Maßnahmenempfehlungen berücksichtigt. Nach der Fertigstellung des Leitbildes schließt sich eine weitere Regionalveranstaltungsreihe an.
Ziel des Leitbildes ist auch insbesondere, die Gemeinden in ihrer – wie die Studie eindrucksvoll belegt hat – positiven Grundhaltung zu stärken und bei der Bewältigung notwendiger Integrationsaufgaben zu unterstützen.

OEGZ

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