Herausforderung Klimawandel für die kommunale Wasserwirtschaft

Herausforderung Klimawandel für die kommunale Wasserwirtschaft

Kommunale Handlungsinitiativen am Weltwasserkongress in Wien erörtert

2050 wird es schon in 60 Staaten der Erde zu Wasserknappheit kommen. 1,2 Milliarden Menschen leben bereits in Gebieten, wo Wasser aufgrund geografischer Gegebenheiten knapp ist. Und das, obwohl der Zugang zu sauberem Wasser in den vergangenen Jahren durchschnittlich angestiegen ist. Prozesse wie Klimawandel oder die Industrialisierung in China haben zu vermehrter Wasserverschmutzung und einem Anstieg des Wasserbedarfs geführt. So kämpfen in China 420 von 661 Städten mit Wasserknappheit und jährlich verschwinden dort 30 Seen. Zudem hat sich weltweit der Anteil der künstlich bewässerten Anbauflächen verfünffacht, womit das Nutzwasser bereits zu 70% für die Landwirtschaft verwendet wird.

Dürren machen vor Europa nicht halt
Der Glaube, dass Dürren sich auf Afrika und Australien beschränken würden, hat sich letzten Sommer wohl verflüchtigt. Immerhin musste die Stadt Barcelona mit Tankschiffen voll Wasser aus Marseille versorgt werden. Die EU-Kommission hat die Kosten für die zunehmenden Dürren in Europa in den letzten Jahren 30 Jahren mit 100 Milliarden Euro beziffert.

Wasserversorgung: essenzieller Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge
In diesem Spannungsfeld von Auswirkungen des Klimawandels, Bevölkerungswachstum und Wasserknappheit sind Städte und Gemeinden mehr denn je gefordert, die Versorgungssicherheit für ihre Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. So unterstrich auch Städtebund-Präsident Bürgermeister Häupl in seiner Keynote-Rede anlässlich des Weltwasserkongresses Anfang September in Wien die Bedeutung der kommunalen Daseinsfürsorge.
Nicht ohne Stolz verwies Häupl auf die „weise Entscheidung vor 100 Jahren“, den Wienerinnen und Wienern nicht das naheliegende Donauwasser, sondern Wasser aus dem Schneeberg/Rax-Gebiet (1. Hochquellwasserleitung) bzw. dem Hochschwabmassiv (2. Hochquellwasserleitung) ins Haus zu liefern. Ebenso erinnerte er an die politische Bedeutung dieser kommunalen Entscheidung, die gerade heute, in Zeiten, wo Kommunen aufgrund finanzieller Engpässe genötigt sind, ihr „Tafelgeschirr“ zu verkaufen, wieder aktuell ist.
Die Wasserversorgung stelle einen essenziellen Teil der kommunalen Daseinsfürsorge dar, so Häupl. Ebenso wichtig sei auch die Verlässlichkeit und eine vernünftige kommunale Finanzierung dieser Leis¬tungen, die in wirtschaftlichen Verbünden oftmals besser gelinge. „Ich kenne keine Stadt auf der Welt, die etwa den öffentlichen Verkehr alleine durch Einnahmen bezahlen kann. In Kombination mit kommunalen Energieunternehmen gelingt es dann doch“, so Häupl. Neben klassischen wirtschaftlichen Aspekten, wie etwa der Investitionssicherheit für lokale Unternehmen, warnte Häupl davor, öffentliche Dienstleistungen per se als „kostenlos“ zu interpretieren.
Da in Österreich 92% der Bevölkerung eine Privatisierung des Wassersektors verneinen, erinnerte Christian Oxonitsch, Präsident des Verbandes Öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG), an die politische Entscheidung der Stadt Wien im Jahr 2001, die Wasserversorgung in der Verfassung zu verankern. Damit ist Vorsorge getroffen worden, dass „es unter keinen Umständen zu einer Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung kommt“, so Oxonitsch.
Die Europäische Investitionsbank verhält sich in der Frage „private oder kommunale Wasserversorgung“ neutral, so Matthias Kollatz-Ahnen, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank. Laut Kollatz-Ahnen sei eine Beteiligung privater Unternehmen eine Möglichkeit, aber nicht alleiniges Heilmittel zur Problemlösung. Vielmehr ist eine Kooperation der lokalen Ebene wesentlich, um auch weiterhin eine hohe Qualität der Wasserversorgung zu gewährleisten. Dabei ist Effizienz das Stichwort, Effizienz beim Konsumenten, beim Versorger als auch im System selbst. So hat die Weltbank errechnet, dass 15% des Wasserverbrauchs eingespart werden könnten.

Konkrete Maßnahmen auf lokaler Ebene notwendig
Helmut Blöch von der Europäischen Kommission gab zu bedenken, dass gerade im Wassersektor die Diversität in der EU sehr groß ist. Die Einflüsse sind je nach Szenarien für die Regionen unterschiedlich. Fakt ist aber, so Blöch, dass etliche Städte sich hinsichtlich der Temperaturzonen verschieben werden und dadurch erhöhter Handlungsbedarf für den Wassersektor besteht. So würden sich die Städte Genf und Helsinki von der Temperaturzonierung her im Jahr 2070 in Südosteuropa wiederfinden und die Stadt Wien würde in Spanien zu finden sein.
Von Seiten der Kommission wird es ein Weißbuch zur Anpassung an den Klimawandel geben, in dem ganz konkrete Handlungsmaßnahmen zur Umsetzung beschrieben werden.
Auch Bärbel Dieckmann (Bild), Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, betonte die Wichtigkeit konkreter Handlungsmaßnahmen. So wurden in Bonn 18 Millionen Euro in den letzten 20 Jahren für Hochwasservermeidungsmaßnahmen ausgegeben, der ÖPNV verstärkt ausgebaut oder durch Events zum Klimawandel das Bewusstsein zum nachhaltigen Handeln gestärkt. Weiters ist laut Dieckmann der Know-how-Austausch zwischen Städten und Staaten wichtig sowie eine enge Kooperation zwischen den nationalstaatlichen Ebenen. „Der Klimawandel und seine Folgen wären nicht nur lokal lösbar“, so Dieckmann abschließend.
In der Stadt Bergen in Norwegen geht man noch einen Schritt weiter. Laut Lisbeth Iversen (Bild), Stadträtin für Umwelt und städtische Entwick¬lung, hat die Stadt wissenschaftliche Studien beauftragt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadt selbst zu untersuchen. Die Ergebnisse fließen in den sogenannten „municipal area plan“ ein, wo es zu einer Risikobewertung als Teil der Planung kommt. Des Weiteren wurde für den Entwicklungsplan 2006–2015 beschlossen, dass die vorhandenen finanziellen Mittel zu 45% für Straßen, aber zu 55% für den Ausbau des ÖPNV inkl. neue Radwege, Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Umweltschutzmaßnahmen generell eingesetzt werden. „Die Stadt Bergen redet nicht nur über Klimaschutz, sondern setzt auch die entsprechenden Handlungen“, so Iversen.
Der IWA-Weltwasserkongress, der vom 7. bis 12. September in Wien stattfand, beschäftigte sich neben neuesten Erkenntnissen aus dem technisch-wissenschaftlichen Bereich mit den sechs großen Querschnittsthemen Stadtentwicklung der Zukunft, Klimawechsel, Meeresentsalzung und Wasserwiederverwertung, Grenzen von Wissenschaft, Forschung und Technologie, Entwicklung von Sanitärinstallationen sowie Wasser und Energie. Insgesamt nahmen knapp 3.000 internationale Wasserfachleute an diesem Kongress teil.

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