Housing First – Ein neuer Weg aus der Armut

Housing First – Ein neuer Weg aus der Armut

Fast 300.000 Armutsgefährdete in Österreich bezeichnen ihre Wohnkosten als sehr starke Belastung. Zudem ist der Wohnstandard bei diesen Personen besonders schlecht. Im Jahr 2008 wurden fast 35.000 Delogierungsverfahren betreffend Wohnraum eingeleitet und 5.000 Haushalte tatsächlich delogiert. Davon waren fast 12.000 Frauen, Männer und Kinder betroffen. Nach der aktuellen Erhebung zum Ausmaß von Wohnungslosigkeit in Österreich (BAWO 2009) standen im Jahr 2006 mehr als 37.000 Personen in Betreuung durch Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.

 

Vor Kurzem diskutierte in Klagenfurt ein internationales Fachpublikum bestehend aus über 80 ExpertInnen und Betroffenen zum Thema „Wohnungsnot beenden – heißt Armut bekämpfen“. Die Veranstaltung fand am 30. September 2009 im Rahmen der europäischen Initiative „AURORA plus – Neue Wege aus der Armut“ statt. Große Beachtung fanden dabei die Referate von Volker Busch-Geertsema, dem Leiter des European Observatory on Homelessness und Wessel de Vries von Discus Amsterdam zum Thema Housing First.
Dies ist ein Programm, mit dem Wohnungslose direkt in bezahlbaren und dauerhaften Wohnraum gebracht werden, ohne eine vorherige Erlangung von „Wohnfähigkeit“ zur Bedingung zu machen, wie dies in Österreich zumeist erforderlich ist. Persönliche Hilfen werden angeboten, aber ihre Annahme ist freiwillig. Der Ansatz kommt aus den USA. Auch Beispiele aus Europa zeigen, dass Wohnstabilität nach 24 Monaten selbst bei Personen mit Doppeldiagnosen und ohne Betreuungsverpflichtung höher ist und seltener Wohnungslosigkeit eintritt als bei Kontrollgruppen mit einer Abstinenzvoraussetzung. Volker Busch-Geertsema wies aber darauf hin, dass aufsuchende (pro-aktive) und qualifizierte persönliche Hilfen, ebenso wie ein rechtlich gesichertes Wohnverhältnis, zu den Grundvoraussetzungen gehören, dass Wohnungslose mit entsprechendem Bedarf ihr Wohnverhältnis auf Dauer erhalten können.
Weiteres Ergebnis der Veranstaltung war die Notwendigkeit, nationale Strategien gegen Wohnungslosigkeit zu entwickeln. Länder wie Finnland oder Norwegen haben sich die Beendigung von Wohnungslosigkeit national zum Ziel gesetzt. Finnland wird alleine dafür bis 2015 jährlich 20 Millionen Euro investieren. Weitere 17 Millionen Euro werden von der staatlichen Lotteriegesellschaft zur Verfügung gestellt. Generelle Trends aller dieser Strategien sind einerseits eine starke Betonung von Prävention, eine deutliche Reduzierung der Aufenthaltsdauer in Notunterbringungen und Übergangsunterkünften sowie eine Qualitätsverbesserung der Unterbringung und der Beratungs- und Betreuungsangebote andererseits.
Viel Beifall fand das Referat von Karl Wurm, dem Obmann des gbv. Dieser wies neben der Wichtigkeit der Zweckbindung der Wohnbauförderung auf die Notwendigkeit der Integration sozialer Kriterien bei Bauträgerwettbewerben hin. Dazu ist allerdings eine längere Planungsphase erforderlich. Karl Wurm rief die VertreterInnen der Wohnungslosenhilfe zu neuen Allianzen zwischen der Wohnungswirtschaft und der Wohnungslosenhilfe auf. Dies wurde von den anwesenden VertreterInnen der sozialen Organisationen mit großem Applaus aufgenommen. Zur Lösung von Wohnungsnot sind neue Allianzen zwischen den Gemeinden/Städten, der Wohnungswirtschaft und den sozialen Organisationen unter Einbeziehung der Sichtweise von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffener notwendig.

Weitere Informationen unter: www.aurora-austria.eu

Veranstaltungshinweis: Graz, 26. November 2009: AURORA plus Workshop „Neue Wege aus der Frauenarmut“.

OEGZ

ÖGZ Download