E-Government im Web 2.0
E-Government im Web 2.0
Semantische Methoden, die im Web 2.0 (Semantisches Web) zur Verfügung stehen, sind geeignet, im Bereich E-Government neue Maßstäbe für Servicequalität zu setzen. Die Stadt Graz hat in Kooperation mit der FH Joanneum ein auf semantischen Technologien basierendes System entwickelt, das den BürgerInnen den Zugang zu E-Government wesentlich vereinfacht und völlig neue Möglichkeiten für die Auskunftsbereitschaft und Hilfestellung bietet.
Die Stadt Graz bietet mittels ihrer seit dem Jahr 2003 eingesetzten und kontinuierlich weiterentwickelten E-Government-Plattform wesentliche Leistungen online in einer interaktiven Form an. Der Zugang zu den Verfahren erfolgt über elektronische Formulare, die über Schnittstellen mit den Geschäftsprozessen der leistungserbringenden Fachabteilungen verbunden sind. Die Funktionalität dieser Plattform wurde nun um die Möglichkeit erweitert, die Verfahren einer öffentlichen Verwaltung samt den zugehörigen Geschäftsregeln semantisch auf Basis von Ontologien (siehe Infokasten) zu beschreiben.
Ich will …: die BürgerInnensicht im Mittelpunkt
Die BürgerInnen mit ihren Bedürfnissen in ihrer spezifischen Lebenssituation und insbesondere ihr möglichst einfacher Zugang zur Verwaltungsleistung stehen im Vordergrund der Betrachtungen. Die Grundidee dabei ist, dass die AntragstellerInnen eigentlich nicht das Ziel verfolgen, ein bestimmtes Verfahren abzuwickeln, beispielsweise eine Baugenehmigung zu erlangen oder eine Bauanzeige durchzuführen, sondern sie wollen in diesem Fall primär ein Bauwerk errichten. Für die Verwaltung stellen sich dabei die Aufgaben, diese Zielerreichung hinsichtlich der erforderlichen Behördenwege am besten zu unterstützen und dabei auch den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten.
Ein mögliches Ziel aus Sicht der BürgerInnen könnte also sein: „Ich will eine Garage bauen – welches Verfahren ist daher für mich relevant?“ Diese Frage ist zumindest nach dem Steiermärkischen Baugesetz so nicht eindeutig zu beantworten. Für große Garagen (mehr als 12 Autos bzw. mehr als 30 Motorräder) muss ein Bauansuchen gestellt werden, für kleinere Garagen reicht eine Bauanzeige. Eine eindeutigere Zielformulierung wäre daher: „Ich will eine Garage für drei Autos bauen.“
E-Government im Web 2.0 unterstützt daher die BürgerInnen bei ihrer Zielformulierung, indem durch interaktives Abfragen das Ziel immer genauer spezifiziert wird, bis das entsprechende Verfahren eindeutig bestimmt ist. Ist diese Bestimmung erfolgt, werden die AntragstellerInnen direkt zum entsprechenden Online-Service weitergeleitet, und die dahinterliegende Komplexität bleibt verborgen.
Lösungsansatz
Der Grundansatz besteht darin, die logischen Anforderungen und Regeln eines Verfahrens mittels dafür geeigneter Methoden und Werkzeuge formal zu beschreiben. Anstelle nun von den BürgerInnen das Ausfüllen vordefinierter Formulare zu verlangen, werden aus den logischen Verfahrensbeschreibungen die zur Anwendung notwendigen Informationen ermittelt und von den AntragstellerInnen interaktiv erhoben.
Ein Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass keine Formulare mehr vorab definiert werden müssen, sondern diese jeweils maßgeschneidert für den Anwendungsfall dynamisch gebildet werden und nur jene Daten abgefragt werden, die auch tatsächlich dafür benötigt werden.
Zusätzlich liegen auch maschinell lesbare und interpretierbare logische Beschreibungen der Verfahren sowie deren Voraussetzungen und Ergebnisse vor. Dadurch wird zum einen die Transparenz bei der Inanspruchnahme und Abwicklung der Verfahren ganz wesentlich erhöht, andererseits ergibt sich dadurch aber auch ein völlig neuer elektronischer Zugang zur Verwaltung mit bisher nicht vorhandenen Möglichkeiten hinsichtlich Information und BürgerInnenservice.
Technische Lösung
BürgerInnen haben auf der Grazer E-Government-Plattform die Wahl, über den „Service Access Manager“ direkt auf ein bestimmtes Service zuzugreifen oder aber mit Hilfe des „Service Navigators“ zunächst das benötigte Service zu ermitteln.
Der zweite Ansatz ist gerade im Bereich der Bauverfahren besonders nützlich, da hier abhängig vom beabsichtigten Vorhaben (z. B. Neubau, Umbau, Abbruch) und der Art des Objekts (z. B. Garage, Gartenmauer, Haus) bzw. der Ausprägung des Objekts (z. B. Haus oder Kleinhaus) unterschiedliche Verfahren und damit unterschiedliche Voraussetzungen notwendig sind.
Ist die erforderliche Verwaltungsleistung identifiziert, so werden durch den „Service Access Manager“ die dafür notwendigen Daten gemäß der Service-Beschreibung erhoben. Die vorhandenen logischen Beschreibungen und Regeln erlauben auch gleich eine erste inhaltliche Prüfung, wodurch sichergestellt ist, dass die Antragsdaten plausibel, konsistent und korrekt sind. Dies verbessert die Datenqualität und reduziert den Verwaltungsaufwand. Als Ergebnis liegt ein elektronischer Antrag im EDIAKT-II-Format vor. Dieser Antrag kann an jedes System (insbesondere ELAK), welches diesen Standard zum Austausch von Verfahrensdaten unterstützt, weitergeleitet werden.
Beispiel einer Verfahrensontologie: Baurecht
Es wurde auf Basis der Steiermärkischen Bauordnung eine Ontologie definiert.
In dieser Ontologie ist der Begriff „Bauwerk“ als „Konzept“ abgebildet, ebenso wie die dazu spezifizierten Untertypen wie „Gebäude“, „Stützmauer“, „Einfriedung“. Einige dieser Untertypen werden anhand von sogenannten Axiomen noch weiter unterschieden. So gibt es „große“ und „kleine“ Garagen und das System kann anhand der Axiome einen Eingabedialog erstellen und diese Eigenschaften abfragen.
Die Ontologie enthält die Beschreibung aller erforderlichen Konzepte und die dazugehörigen Regeln und Einschränkungen. Ein weiteres Konzept im Bauverfahren ist das der „BauwerberIn“. Für jedes Bauverfahren muss eine BauwerberIn existieren. Diese Eigenschaft ist die Instanz des Konzeptes „Person“ und verfügt über die Un¬tertypen „natürliche“ und „juristische“ Person. Wird also ein Bauverfahren gestartet, müssen zunächst Angaben zur BauwerberIn gemacht werden. Dabei wird gefragt, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt.
Abhängig von der getroffenen Auswahl müssen die dem gewählten Konzept zugeordneten Eigenschaften (wie „Vorname“, „Nachname“ oder „Firmenname“, „Firmenbuchnummer“) angegeben werden. Anhand der Ontologie erkennt das System selbständig, welche Eingaben verpflichtend sind oder welche Eingaben mehrwertig sein können (es kann z. B. mehr als eine BauwerberIn geben). Auf diese Weise werden alle für das Verfahren notwendigen Daten gesammelt und gegen die vorhandenen Axiome geprüft.
Sind alle Daten erfasst und gültig, kann der Antrag elektronisch signiert und abgeschickt werden. Dabei wird der Antrag in ein EDIAKT-II-Paket umgewandelt und von der E-Government-Plattform an das Backoffice, in der Regel das ELAK-System, weitergeleitet.
Status und Ausblick
Der beschriebene Ansatz liegt heute in der Stadt Graz als Prototyp für das Bauwesen vor. In weiterer Folge werden im Rahmen von Kooperationen weitere Gesetzesmaterien in Ontologien abzubilden sein, um die Basis für ein umfassendes E-Government im Web 2.0 zu schaffen. Die Dienstleistungsrichtlinie fordert einen grenz- und organisationsüberschreitenden einfachen Zugang zu den Leistungen der öffentlichen Verwaltung für alle EU-BürgerInnen. Der Einsatz semantischer Methoden im E-Government ist dafür ein zielführender Ansatz.