72. Österreichischer Städtetag: Finanzausgleich klimafit machen!

72. Österreichischer Städtetag: Finanzausgleich klimafit machen!

Arbeitskreis 2 diskutierte wie Klima und Budget zusammengehen – unter anderem mit Andrea Kaufmann, Judith Schwentner und den Expert*innen Patrick Leypoldt aus der Schweiz, Karoline Mitterer und Jürgen Schneider

 

Bad Ischl/Wien (OTS/RK) – Der 72. Österreichische Städtetag wurde heute mit vier Arbeitskreisen fortgesetzt, Arbeitskreis 2 beschäftigte sich mit Finanzen und Klima, welche finanziellen Auswirkungen die Anpassungen an den Klimawandel haben, was im Rahmen der laufenden FAG-Verhandlungen notwendig wäre und welchen Beitrag Städte und Gemeinden bereits jetzt leisten.

Konkret wurden folgende Fragen unter der Moderation von Eva Linsinger (profil) im Rahmen des Arbeitskreises erörtert:

  • Was können die Städte und Gemeinden zur Zielerreichung in den Sektoren Energie, Verkehr und Gebäude beitragen?
  • Wie können Bund und Länder über die Schaffung rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen ein stückweit die Last von den Schultern der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nehmen?
  • Wie sollten Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden? Welche Maßnahmen müssten speziell im besonders herausfordernden Verkehrsbereich gesetzt werden?
  • Durch welche Instrumente und „Spielregeln“ könnte das gebietskörperschaftliche Zusammenspiel beim Klimaschutz optimiert werden? Welchen Beitrag leistet der „Agglomerationsfonds“ in der Schweiz in dieser Hinsicht?

KDZ-Finanzexpertin Karoline Mitterer ging in ihrem Statement auf die nötige Ökologisierung des Steuer- und Abgabensystems und die derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen der Städte und Gemeinden ein und forderte, dass Investitionen nach Streichung klimaschädlicher Subventionen in Richtung des Öffentlichen Verkehrs und des Umweltverbundes umgelenkt werden müssten: „Die Prognose der Gemeindefinanzen für die nächsten Jahre zeigt leider keine Spielräume für zusätzliche Investitionen in Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Möchte man die Klimaziele ernsthaft erreichen, braucht es hier deutlich mehr Unterstützung von Bund und Ländern. Zudem steht der städtische öffentliche Verkehr vor enormen Herausforderungen. Einerseits müssen die Fahrzeuge soweit möglich emissionsarm oder emissionsfrei werden, andererseits braucht es hohe Investitionen in den Ausbau der Angebote, um mehr Menschen für den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr zu motivieren“.

Patrick Leypoldt, Geschäftsführer des Agglo Basel, betonte in seiner Keynote über den Schweizer Agglomerationsfonds, die Relevanz der stadtregional koordinierten Verkehrs- und Raumentwicklungsstrategien, die eine Vorbedingung sind, um die stetig und unbefristet zur Verfügung gestellten Mittel des Bundes auch abrufen zu können: „Die Agglomeration Basel konnte mit dem Agglomerationsfonds die Leistungsfähigkeit ihrer Verkehrsnetze deutlich ausbauen. Zusätzlich konnten Projekte mit großer Wirkung umgesetzt werden, die unter Umständen viel später oder gar nicht realisiert worden wären. Darunter befinden sich zahlreiche Tram- und Busprojekte, ÖV-Drehscheiben, Fahrradwege, aber auch Straßenprojekte“. Leypoldt bezeichnete den Agglomerationsfonds als „Erfolgsinstrument“ der Schweizer Verkehrspolitik, der auch über Kantons - und sogar Landessgrenzen (Deutschland und Frankreich) hinweg viel bewegt habe. Essentiell wäre, dass sich die Bürgermeister*innen und Regierungsrät*innen innerhalb der Agglomerationen durch den „Druck“ der Agglomerationsprogramme kennengelernt und in ihren Strategien abgestimmt hätten. Das Investitionsvolumen betrug bisher 1,8 Mio. Schweizer Franken.

Jürgen Schneider, Sektionschef im Klimaministerium betonte mit Blick auf die (nicht nur klimapolitische) Unsicherheit fossiler Energieträger, dass es fiskalische und rechtliche Regelungen brauche, wie Transformation stattfinden soll: „Klimaziele können wir nur gemeinsam erreichen. Gemeinden und Städte sind wichtige Partner*innen, um den Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene voranzutreiben und konkrete Projekte umzusetzen.“ Es werden ambitioniertere Maßnahmen nötig sein, um den THG-Reduktionspfad einzuhalten als jene, die derzeit bei den Verhandlungen zum Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans diskutiert werden. Zudem rief er auf: „Die Fördertöpfe des BMKs im Klima- und Energiebereich sind aktuell gut gefüllt, reichen Sie ein und realisieren sie ihre Klimaschutzprojekte.“

In einer anschließenden Podiumsdiskussion unterstrich Judith Schwentner, Grazer Vizebürgermeisterin und stellvertretende Vorsitzende des Städtebund-Verkehrsausschusses, die Notwendigkeit eines mehrjährigen, nationalen Agglomerationsfonds nach Schweizer Vorbild und hielt fest: „Die Klimakrise erfordert umfassende Maßnahmen und einen gemeinsamen Kraftakt aller Verantwortlichen. Es ist allerhöchste Zeit für eine Mobilitäts- und Energiewende. Wir treiben diese Wende in Graz mit der Radoffensive, dem Straßenbahnausbau und einem umfassenden Klimaschutzplan entschlossen voran. Dafür müssen Investitionsmittel auf allen Ebenen – Stadt, Land, Bund und EU – bereitgestellt werden. Ich werde hier für jeden Euro kämpfen, weil ich überzeugt bin, dass diese Investitionen der Schlüssel für menschen- und klimagerechte Städte der Zukunft sind“.

Andrea Kaufmann, Bürgermeisterin der Stadt Dornbirn, erklärte mit Blick auf die tatsächlich von Städten beeinflussbaren THG-Emissionen: „Wir Gemeinden können durch einen Mix aus verschiedensten Maßnahmen im Bereich Energie, Mobilität und Raumplanung erheblich zum Klimaschutz beitragen. Aber nur wenn es gelingt, auch Unternehmen und private Haushalte durch eine Kombination aus politischen Maßnahmen, finanziellen Anreizen und starker Bewusstseinsbildung mitzunehmen, können die notwendigen Klimaschutzziele erreicht werden. Zudem muss die Klimafinanzierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden klar geregelt sein“. Der Schweizer Ansatz des Agglomerationsfonds wäre der richtige Weg, auch gemeindeübergreifend etwas zu bewegen.

Andrea Gössinger-Wieser, Klimaschutz-Koordinatorin der Steiermark betonte die Relevanz von eindeutigen, langfristig planbaren Rahmenbedingungen und darauf abgestimmten Programmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Auch brauche es Klarheit darüber, welche Gebietskörperschaft wofür verantwortlich ist. Die Städte benötigen vor allem Beratung und Orientierung: „Das Land Steiermark unterstützt die steirischen Städte und Gemeinden auf ihrem Weg zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Dabei geht es sowohl um finanzielle wie auch fachliche und organisatorische Hilfestellungen. Besonders erwähnenswert ist das steirische Gemeindeservice, das allen Kommunen seit nun mehr zwei Jahren für Klimaanfragen zur Seite steht“.

Jose Delgado, Leitung des Klima-Teams im Bundesministerium für Finanzen, betonte, dass neben förder- auch ordnungspolitische Maßnahmen notwendig sein werden, um die Klimaziele zu erreichen und unterstrich in dieser Hinsicht die künftig nötige Verknüpfung von Input- und Impactorientierung – beispielsweise über den „Green-Budgeting-Ansatz“, den die Bundesregierung aktuell verfolgt: „Klima- und Budgetpolitik miteinander zu verknüpfen bedeutet in Zukunft, noch genauer auf die Wirkung von Maßnahmen zu achten - nur so haben wir eine Chance, die Ziele des Übereinkommens von Paris kosteneffektiv zu erreichen“.

Karoline Mitterer, KDZ-Finanzexpertin, betonte in Hinblick auf die unumgängliche Ökologisierung des Steuer- und Abgabensystems in Richtung Bund: „Es ist wesentlich sinnvoller, jetzt in den Klimaschutz zu investieren, als später hohe Anpassungskosten zu tragen und Strafzahlungen zu leisten. Daher sollten die aktuellen Verhandlungen genutzt werden, den Finanzausgleich klimafit zu machen und insbesondere Investitionen der Städte und Gemeinden in Klimaschutz und Klimawandelanpassung – etwa mithilfe eines kommunalen Klimainvestitionsfonds – zu sichern“. Dieser könnte aus freiwerdenden Mitteln nach Streichung klimaschädlicher Subventionen gespeist werden.

Kulturdiskussion am Freitag

Morgen Freitag, 2. Juni, wird der 72. Städtetag mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion unter Moderatorin Clarissa Stadler den Fragen nachgehen, inwieweit Kunst und Kultur Pull-Faktoren für eine Region sein können.

Auf dem Podium EU-Abgeordneter Hannes Heide, Schriftstellerin Edith Kneifl, Schauspieler Cornelius Obonya, Kabarettist und Schauspieler Robert Palfrader, Liedermacherin Ina Regen, Elisabeth Schweeger, künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl-Salzkammergut 2024 sowie Gregor Seberg, Schauspieler, Kabarettist und Autor.

 

Das Video zum Nachschauen, den Livestream der gesamten Veranstaltung und weitere Informationen finden Sie unter www.staedtetag.at

Laufend aktuelle Fotos (Copyright Städtebund/Markus Wache) zum Download unter: https://www.picdrop.de/markuswache/Staedtetag_2023

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Rückfragehinweis für Medien:

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Florian Weis, Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien
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Teresa Stana, Stadtamt Bad Ischl – Büro der Bürgermeisterin
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