Städtebund zu Bodenstrategie: „Urbanität weiterhin Garant für den geringsten Flächenverbrauch“
Städtebund zu Bodenstrategie: „Urbanität weiterhin Garant für den geringsten Flächenverbrauch“
Städte haben Fokus auf Innenentwicklung
Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger hält in Hinblick auf die heutige Tagung der Raumordnungsreferent*innen in Oberösterreich und dem Beschluss der Bodenstrategie fest: „Wir haben uns für die Bodenstrategie von Beginn an eingesetzt, um vor allem bei den Instrumenten und gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Bodenmobilisierung weiterzukommen. Denn auch wenn die Städte aufgrund ihrer dichten Struktur und der fundierten Erfahrung mit nachhaltiger Flächeninanspruchnahme eine Säule der Umsetzung der Bodenstrategie darstellen, sind ihnen bis zu einem gewissen Punkt die Hände gebunden, wenn es um die Mobilisierung von Grundstücken und Bestandsgebäuden geht.“
Die vom Umweltbundesamt im Auftrag der ÖROK errechneten Zahlen belegen, dass die Städte beim Flächenverbrauch für Siedlungszwecke pro Einwohnerin am effizientesten sind - ganz zu schweigen von der mitversorgten Tagesbevölkerung. Dabei bleibt der Zuzug in die Städte und Stadtregionen ungebremst (vgl. ÖROK-Regionalprognose 2021 bis 2050). Graz (284.000 EW/wächst um 10,9 Prozent; Umland um 16,1 Prozent) soll bevölkerungsmäßig zum Beispiel in etwa um die Stadt Wr. Neustadt (rd. 40.000 EW) wachsen. Der in den Städten gebräuchliche Mehrfamilienhausbau nimmt dabei 10mal weniger Fläche in Anspruch als eine Einfamilienhausbebauung. Städten wie Graz und Wien ist es gelungen, das enorme Bevölkerungswachstum vom Bodenverbrauch gänzlich zu entkoppeln. Beide leisten damit heute schon ihren Beitrag zur Erfüllung eines im Raum stehenden 2,5 Hektar Ziels. Alle Landeshauptstädte und größeren Städte liegen bei der Flächeninanspruchnahme pro Einwohner*in weit unter 50% des Bundeslanddurchschnitts (Tirol: 477m² / EW vs. Innsbruck 174m² / EW; Salzburg Land 519 m²/EW vs. Salzburg Stadt 220m²/EW, Steiermark 804m² / EW vs. Graz 254m² / EW, Wien: 127m²/EW). Jedoch kann erst auf Basis des Flächenmonitorings eine fundierte Diskussion über die zukünftige Verteilung von Flächenkontingenten in ganz Österreich geführt werden.
„Wer genau hinschaut sieht, dass die Mitglieder des Österreichischen Städtebundes aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und ein Umdenken stattgefunden hat. Heute liegt der Fokus auf einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und einer qualitätsvollen Innenverdichtung. Das ist umso wichtiger, weil das Bodensparen zusätzlichen Druck auf den Wohnungsmarkt ausüben wird – insbesondere in den Stadtregionen mit weiterhin hohem Bevölkerungswachstum. Deshalb muss qualitätsvolles, leistbares Wohnen im Rahmen des Bodensparens unbedingt mit bedacht werden“, betont Weninger.
Wie es funktionieren kann, zeigt eine Auswahl von Beispielen aus unseren Mitgliedstädten:
- Mödling (Bodensparen mittels Bauland-Konto; Flächenreserven durch Rückwidmungen) und Feldkirch (bauliche und Freilandverdichtung innerhalb des Siedlungsgebiete durch starke und aktive Bodenpolitik) sind Gewinner des Baukulturgemeinde-Preises 2021
- Tulln mit der Entsiegelung des Nibelungenplatzes (vormals ein Parkplatz)
- In Lienz dürfen keine eingeschossigen Supermärkte mehr gebaut werden, bei Einkaufszentren wird nur über Nachnutzung gesprochen.
- Die Gewinner-Städte des Erdreich-Preises 2023: Die Stadtgemeinde Trofaiach, die Stadt Hohenems, der Magistrat der Stadt Eisenstadt, die ARGE Stadtmarketing Ried und die INKOBA Region Freistadt sowie Bruckneudorf. Der Preis, auf Initiative des Klimaschutzministeriums, wurde in fünf Kategorien vergeben: Bodengesundheit, Flächensparen, Flächenrecycling und Kommunale Vorreiter für Bodenbewusstsein.
- Die Umwandlung von Brachen in lebenswerte Wohnquartieren mit großzügigen Parkanlagen u.a. in Wien mit dem Sonnwendviertel und dem Nordbahnhofviertel
- Und weitere bereits getätigte Maßnahmen in Städten wie privatwirtschaftliche Vereinbarungen mit Vorgaben zur Baudichte („Bebauungsverpflichtungen“), (temporärer) Widmungsstopp für Einkaufszentren im Stadtumland, u.v.m.
Der Österreichische Städtebund hat bereits vor zehn Jahren das Weißbuch Innenstadt und die Agenda Innenstadt vorgelegt. Diese mündeten in eine ÖREK-Partnerschaft zur Stärkung der Orts- und Stadtkerne, die wiederum als ein Ergebnis zu aktuellen Fördermöglichkeiten für Zentren mit EU-Mitteln führte. „Es hat eine Bewusstseinsänderung bei Entscheidungsträger*innen in den Städten stattgefunden“, so Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. Vorzeigebeispiele sind erneut Trofaiach und Lienz, die bereits integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte verabschiedet haben (ISEK).
Wiederherstellung der Natur als zusätzliche Herausforderung für Städte
Allerdings kommen Städte durch widersprüchliche Vorgaben der EU zunehmend unter Druck. Erst am Dienstag wurde die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur final vom EU-Parlament beschlossen. Wiederholt hat der Österreichische Städtebund darauf hingewiesen, dass die im Artikel zu städtischen Ökosystemen gestellten Forderungen nicht nur das generell gesunde und nachhaltige Wachstum der Städte einschränken oder sogar unterbinden würden. Darüber hinaus wird auch das in der Bodenstrategie geforderte Wachstum nach innen stark eingeschränkt.
Die Forderungen des Österreichischen Städtebundes:
Bereits im Zuge der gescheiterten Unterzeichnung der Bodenstrategie im Juni 2023 hatte Elisabeth Blanik, Städtebund-Vizepräsidentin und politische Vertreterin in der ÖROK angemerkt: „Die eigentliche Herausforderung der Städte und Gemeinden ist neben der Sicherstellung des sozialen Wohnbaus die Baulandmobilisierung. Hier stellt sich aber ein verfassungsrechtliches – kein raumordnungsrechtliches – Problem. Zudem müssen Maßnahmen gegenüber den Bürger*innen oft finanziell abgegolten werden. Hier käme zum Beispiel ein Bodenfonds oder ein Bodenbeschaffungsgesetz in Frage“. Und Blanik weiter: „Als die Ebene, die für die Umsetzung der Bodenstrategie ´an der Basis` zuständig ist, steht fest: Für ein noch effizienteres Bodensparen als es in den vergangenen Jahren bereits erfolgt ist, benötigen wir entsprechende Rechtssicherheit.“
„Grund und Boden, Gebäude, Brachen – all das ist letzten Endes Privateigentum und insofern ist jeder Wunsch nach Bodenmobilisierung mit intensiven Verhandlungen und gewichtigen Argumenten (rechtlicher Rahmen, monetäre Push-Pull-Maßnahmen, etc.) verbunden. Man kann aber niemanden zwingen, sondern muss jeden Einzelnen überzeugen. 8 Millionen Euro Brachflächenförderung durch den Bund sind ein guter Anfang – werden aber zur Erreichung des 2,5 Hektar Ziels nicht ausreichen. Mögliche Abgaben für Leerstand, Zweitwohnsitze oder Umwidmungen müssen soziale Treffsicherheit garantieren und administrativ handhabbar sein“, betont auch Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger.
Besser als viele kleine, zersplitterte Förderungen wären aus Sicht des Österreichischen Städtebundes ein Stadtregionsfonds nach Vorbild des Schweizer Agglomerationsfonds (abgestimmte konzentrierte Siedlungsentwicklungen entlang hochrangiger ÖV-Achsen) sowie eine Baukulturförderung (analog dem deutschen Vorbild der Städtebauförderung). Beides wären sinnvolle Instrumente zur Umsetzung der Bodenstrategie und damit des Bodensparens, mit denen der Österreichische Städtebund wiederholt an das Klimaschutzministerium herangetreten ist. Laut Weninger braucht es den Agglomerationsfonds auch, um die notwendige Verkehrswende zu schaffen. Dazu Weninger: „Siedlungsentwicklung und Verkehrsentwicklung müssen zusammen gedacht werden und dafür braucht es ausreichend Geld“.
Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger abschließend: „Fest steht, wenn wir Städte als dicht besiedelte Wachstumsräume schlechtreden und in ihrer Entwicklung mehr und mehr hemmen, tragen wir damit nicht nur zu einer noch höheren Flächeninanspruchnahme – auch durch neue Verkehrsverbindungen – bei, sondern erhöhen den Druck auf leistbaren Wohnraum. Unser Appell ist und bleibt daher, hier besonnen voranzugehen, um verlässliche Datengrundlagen und treffsichere Instrumente zu schaffen. Die dringende Notwendigkeit von verstärkter Entsiegelung und Nachnutzung von Boden und Gebäuden ist den Städten und Gemeinden bewusst und wird sich mit Sicherheit weiter verstetigen. Bitte vergessen wir bei der Diskussion aber nicht darauf, den Entscheidungsbefugten auch die nötige Handhabe zu geben. In diesem Sinne unterstützen wir nach wie vor alle Bestrebungen, die zur Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Inhalte der Bodenstrategie beitragen“
(Schluss, 29.02.2024)