Städtebund/KDZ: Finanzielle Spielräume der Gemeinden auf Niveau des Krisenjahres 2020 – neuer Finanzausgleich nur erster Schritt
Städtebund/KDZ: Finanzielle Spielräume der Gemeinden auf Niveau des Krisenjahres 2020 – neuer Finanzausgleich nur erster Schritt
KDZ und Städtebund präsentierten Gemeindefinanzprognose
Die Prognose der Gemeindefinanzen zeigt trotz des neuen Finanzausgleichs weiterhin eine Einnahmen-Ausgabenschere. Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass rund jede zweite Gemeinde eine negative freie Finanzspitze haben wird. Damit wird es auch schwierig die erforderlichen Investitionen – insbesondere beim Klimaschutz und im Mobilitätsbereich – zu finanzieren. In den nächsten Jahren ist eine höhere Zahl an Abgangsgemeinden zu erwarten – die defacto keine eigenen finanziellen Spielräume zur Gestaltung haben.
Mittelfristig deutlich geringere Finanzierungsspielräume
Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2027 erstellt. Unter Berücksichtigung aktueller Prognosegrundlagen (z.B. WIFO, BMF) und der Ergebnisse des Finanzausgleichs wird die Liquidität 2023 und in den Folgejahren auf einem ähnlich geringen Niveau wie im Krisenjahr 2020 liegen.
Um Investitionen tätigen zu können, benötigt es Überschüsse im laufenden Bereich. Während vor der Krise regelmäßig Überschüsse (Öffentliche Sparquote - ÖSQ) von 13 bis 15 Prozent erzielt wurden, werden es mittelfristig nur mehr 5 bis 9 Prozent sein. Damit stehen deutlich weniger Eigenmittel für Investitionen zur Verfügung.
Schwache Einnahmenentwicklung trifft auf hohe Ausgabensteigerungen
2024 werden die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen. Dies ist primär auf zwei Faktoren zurückzuführen: Erstens werden die Ertragsanteile, welche knapp 40 Prozent der Einnahmen der Gemeinden ausmachen, 2024 bis 2027 aufgrund von Steuerreformen und Entlastungspaketen des Bundes nur um 2,5 bis 4,9 Prozent p.a. steigen.
Zweitens sind die Städte und Gemeinden mit hohen Ausgabensteigerungen konfrontiert. Zu nennen sind insbesondere inflationsbedingte Anstiege bei Sach- und Personalkosten. Auch die Ko-Finanzierungsleistungen der Gemeinden in den Bereichen Gesundheit und Soziales entwickeln sich aufgrund von Demografie und Preissteigerungen äußerst dynamisch. Mit 4 bis 5 Prozent Einnahmensteigerung p.a. sind Ausgabensteigerungen von 6 bis 10 Prozent nicht bedeckbar.
Konsequenz: Jede zweite Gemeinde wird Abgangsgemeinde
In Summe wird dies dazu führen, dass die Anzahl an Abgangsgemeinden signifikant steigen wird. „Es ist davon auszugehen, dass 2024 bis zu 50 Prozent der Gemeinden eine negative freie Finanzspitze haben. Damit werden Themen wie Effizienzsteigerung, aber auch Leistungskürzungen an Bedeutung gewinnen,“ betont Peter Biwald – Geschäftsführer des KDZ.
Investitionen: Dem Rückgang gegensteuern
Zusätzlich sinken die finanziellen Spielräume für Investitionen, da die Gemeinden ihre Eigenmittelanteile nicht mehr aufbringen können. Als Ergebnis droht ein Investitionsrückstau – etwa beim Klimaschutz und im Mobilitätsbereich – sowie eine weitere Schwächung der ohnehin bereits angeschlagenen Bauwirtschaft.
„Es wird notwendig sein, die kommunalen Investitionen sehr gut im Blick zu haben und entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen – wie etwa einen kommunalen Klimainvestitionsfonds – zu installieren,“ empfiehlt Karoline Mitterer – wissenschaftliche Mitarbeiterin im KDZ.
Finanzausgleich: Zusatzmittel für Gemeinden absichern
Für die dynamischen Aufgabenbereiche Gesundheit, Pflege und Kinderbetreuung wurden im Finanzausgleich 2024 zusätzliche finanzielle Mittel für Länder und Gemeinden zur Verfügung gestellt, da deren Finanzierbarkeit sonst gefährdet gewesen wäre.
Für die Städte sind insbesondere die Gelder aus dem Zukunftsfonds entscheidend. Dass hier ein fixer Anteil für Gemeinden zur Finanzierung der Kinderbetreuung reserviert wurde, ist zu begrüßen. Kleinere Gruppengrößen, Personalknappheit sowie die Inflation hätten andernfalls die Leistbarkeit des laufenden Bestands gefährdet.
In den Bereichen Gesundheit und Pflege ist es gelungen, die Valorisierung basierend auf der WIFO-Mittelfristprognose und zwei Prozentpunkten festzuschreiben. Es ist zu hoffen, dass die Zusatzmittel im Gesundheitsbereich tatsächlich zu Entlastungen der Ko-Finanzierungsverpflichtungen der Gemeinden führen.
Primär ist jetzt wichtig, dass die Gemeinden ihren Anteil an den zusätzlichen Mitteln aus dem Finanzausgleich erhalten und geeignete Rahmenbedingungen für ihre Aufgabenerbringung vorfinden. Die Abhängigkeiten der Gemeinden von den Ländern gilt es generell, etwa durch Transferreformen, zurückzuführen sowie längst fällige Reformen und Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Angriff zu nehmen.
Der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler als Städtebundvertreter abschließend: „Durch den Einsatz des Österreichischen Städtebundes ist in den letzten Verhandlungstagen im Finanzausgleich noch einiges gelungen und es konnte ein erster Anteil am Zukunftsfonds gesichert werden. Die Anpassung der vertikalen Verteilung an die tatsächlichen Aufgaben wird zeitnah zu lösen sein!“
Hier das Video zur Pressekonferenz: https://youtu.be/nOExmD1Rig8
Foto: Copyright KDZ
(Schluss, 28.11.2023)