Städtebund/TU Wien: Klimabonus - Etikettenschwindel ohne Lenkungseffekt
Städtebund/TU Wien: Klimabonus - Etikettenschwindel ohne Lenkungseffekt
TU Wien, Stadt- und Regionalforschung, kritisiert gemeinsam mit Städtebund Klimabonus-Verteilungskriterien
In die Kritik des Österreichischen Städtebundes am Klimabonus von Mitte August 2024 stimmt anlässlich der aktuellen Auszahlungsphase Robert Kalasek vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der TU Wien ein.
Eine Besteuerung von CO2 und die Einführung der gegenständlichen CO2-Abgabe in Österreich ist laut Robert Kalasek jedenfalls eine wichtige Maßnahme. Die Art und Weise, wie das eingenommene Geld in Österreich verwendet werde, stößt aber auch auf Ebene der Regionalwissenschaft auf Kritik:
„Die Einnahmen aus der CO2-Besteuerung werden falsch eingesetzt: Denn der Klimabonus belohnt nicht jene, die sich klimafreundlich verhalten; im Gegenteil, Haushalte mit guter Öffi-Anbindung und möglicherweise intensiver Inanspruchnahme der Öffis erhalten sogar weniger Klimabonus. Hinzu kommt, dass die Mittel aus der CO2-Besteuerung derzeit gar nicht zur Verbesserung der Versorgungsqualität mit öffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt werden,“ kritisiert Robert Kalasek vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der TU Wien.
Kalasek: Klimabonus-Unterschiede aus Sicht der Regionalwissenschaft nicht haltbar
Darüber hinaus wird laut Kalasek die Zweckmäßigkeit der Unterscheidung nach der „Urban-Rural Typologie“ der Statistik Austria in Zweifel gezogen. „Wäre es dem Gesetzgeber ein Anliegen, jenen Bevölkerungsgruppen einen finanziellen Ausgleich zu gewähren, die aufgrund des Wohnstandorts tatsächlich über eine mangelhafte Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln verfügen und die daher keine Wahlfreiheit in puncto Mobilität genießen, so wäre eine direkte Kopplung des ‚regionalen Klimabonus‘ an die ‚ÖV-Güteklasse‘ des jeweiligen Standorts ein deutlich sinnvolleres Kriterium gewesen“, so Kalasek. Die ÖV-Güteklassen würden für jede Adresse in Österreich vorliegen. Die Verteilung des Klimabonus erfolge jedoch auf Gemeindeebene bzw. in Wien auf Ebene der Bezirke in Abhängigkeit davon, ob die Adresse in einer eher städtisch oder ländlich geprägten Gemeinde liege. „Bei der Höhe des Klimabonus wird weder entlang der Klimaschutzziele noch anhand der tatsächlichen räumlichen Voraussetzungen differenziert,“ führt der Stadt- und Regionalforscher mit einem Schwerpunkt in GIS-gestützter räumlicher Analytik aus.
Städtebund sieht unsachliche Ungleichbehandlung bestätigt
In der räumlichen Undifferenziertheit, obwohl die Datenlage eine genauere Unterscheidung ermöglichen würde, ortet der Österreichische Städtebund eine verfassungsrechtlich unzulässige unsachliche Ungleichbehandlung: hätte man jenen Menschen mit schlechter ÖV-Erschließung tatsächlich mehr Klimabonus gewähren wollen, wäre dies über die ÖV-Güteklasse nach gleichen Regeln für alle und noch dazu adressgenau möglich gewesen. Es wurden allerdings nicht die adressgenauen Daten verwendet; entscheidend ist, ob die Gemeinde/der Wiener Bezirk als städtischer oder ländlicher Raum klassifiziert ist. Damit erfolgt eine Unterscheidung entlang der ungenaueren Einheit (Gemeinde statt Adresse), obwohl es adressgenaue Daten zur ÖV-Erschließung gäbe.
Darüber hinaus kritisiert auch der Städtebund, dass über die Methodik des Klimabonus genau jene finanziell benachteiligt werden, die über die Wahl ihres Wohnstandorts per se schon klimafreundlicher unterwegs sind und zudem höhere Kosten für Wohnen zu begleichen haben.
Klimabonus überkompensiert Ausgaben für Kfz-Nutzung aufgrund schlechter Öffi-Anbindung
„Wenn die Regierung zuerst die CO2 -Besteuerung einführt, um dann dort, wo Verbraucher*innen aufgrund höherer Kfz-Nutzung einen Effekt der CO2-Steuer spüren und in der Folge auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen würden, diesen Effekt über den ‚Klimabonus‘ wieder überkompensiert, dann verpufft jeglicher Lenkungseffekt in Richtung klimafreundliches Verkehrsverhalten,“ sagt Kalasek.
Der Budgetdienst des Österreichischen Parlaments betonte zudem, dass der regionale Zuschlag in Regionen mit schlechterer Anbindung an den öffentlichen Verkehr sogar höher sei als die durchschnittliche Mehrbelastung (aufgrund von höheren Treibstoffausgaben). Bei dieser Betrachtung des Budgetdiensts wurden die höheren Ausgaben für Wohnen in den Städten nicht in die Bewertung einbezogen.
Begriff „Klimabonus“ höchst verwirrend
In den FAQs zum Klimabonus heißt es, dass durch den CO2-Preis eingenommene Geld soll die Menschen dazu motivieren, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. „In Anbetracht der mangelnden Lenkungseffekte ist die Motivation auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umzusteigen jedenfalls nicht gegeben. Auch das Wort ‚Klimabonus‘ ist in der derzeitigen Ausgestaltung sogar als ‚Etikettenschwindel‘ zu bezeichnen. Die Zahlung müsste eigentlich ‚CO2-Steuer-Rückerstattung‘ heißen,“ so Regionalforscher Kalasek.
Städte fordern über Parteigrenzen hinweg Überarbeitung des Klimabonus
Die Geschäftsleitung des Österreichischen Städtebundes - bestehend aus Bürgermeister*innen von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen, KPÖ und Ja-Jetzt Innsbruck - hat die Bundesregierung bereits im Frühjahr 2023 aufgefordert, den Klimabonus zu evaluieren und gegebenenfalls zu adaptieren. Dazu Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes: „Bislang sind dazu keine Aktivitäten erfolgt. Daher ist dies auch eine der zentralen Forderungen des Österreichischen Städtebundes an die nächste Bundesregierung im Verkehrsbereich.“
Zudem weist Weninger auf das fehlende Geld für den ÖV-Ausbau (Flottenerneuerung, Angebots- und Kapazitätsausweitung) hin: „Mit dem Klimabonus fördert die Bundesregierung über die Einnahmen aus der CO2-Abgabe autoaffines Mobilitätsverhalten im ländlichen Raum mit 1,4 Mrd. Euro pro Jahr, während in den Städten und Stadtregionen ca. 1 Mrd. Euro pro Jahr für den Öffi-Ausbau fehlen, um die Klimaziele zu erreichen.“
Eine Erhebung des KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung vom Juni 2023 belegt, dass im städtischen ÖV die Ausgaben derzeit doppelt so schnell wachsen wie die Einnahmen. „Der Bund stellt die erforderlichen Budgets für den massiven Ausbau des städtischen Nahverkehrs allerdings nicht zur Verfügung. Ein Teil der CO2-Abgabe, die heute den Klimabonus speist, sollte künftig jedenfalls auch für den Ausbau des Umweltverbundes (Öffis, Rad- und Fußverkehr) verwendet werden,“ betont auch Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. TU-Wien-Regionalforscher Robert Kalasek ergänzt: „Damit könnte sowohl im städtischen als auch im suburbanen und ländlichen Raum ein Impuls zur stärkeren Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel gesetzt werden.“
Weninger betont weiter: „Wenn die Finanzierung der Mobilitätswende heute nicht gesichert ist, wird Österreich morgen die Klimaziele verfehlen - und das, obwohl wir eine CO2-Abgabe eingeführt haben.“
Abschließend sagt Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger: „Eine neue Bundesregierung muss den Klimabonus neu aufstellen - mit sozialer und ökologischer Treffsicherheit.“ Zudem würde der Ausbau des Umweltverbundes (Öffis, Rad- und Fußverkehr) besonders Pendler*innen und sozial schwachen Gruppen zugutekommen.
Die Presseaussendung zum Klimabonus vom August 2024:
Die Stellungnahme des Österreichischen Städtebundes anlässlich der Einführung des Klimabonus:
Die Forderungen des Österreichischen Städtebundes an die nächste Bundesregierung:
https://www.staedtebund.gv.at/ePaper/forderungen_2024/#p=1
(Schluss, 12.09.2024)