Internationaler Vergleich der Siedlungswasserwirtschaft*

Internationaler Vergleich der Siedlungswasserwirtschaft*

Der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft werden von manchen Seiten Effizienzdefizite und grundlegender Reformbedarf nachgesagt. Die europa- und weltweiten Diskussionen zur Privatisierung und/oder Liberalisierung von Infrastruktur haben in Österreich – nach Energie und Telekommunikation – nun auch auf die Wasserwirtschaft übergegriffen.

 

Kritiker der kommunalen Siedlungswasserwirtschaft werfen den wasserwirtschaftlichen Abteilungen öffentlicher Rechtsträger und öffentlichen Unternehmen geringe Innovationsbereitschaft, mangelndes Kostenbewusstsein und eingeschränkte Flexibilität vor und sehen in einer weit gehenden Privatisierung die Voraussetzung für volkswirtschaftliche Effizienz. Eine von der Arbeiterkammer und vom Österreichischen Städtebund in Auftrag gegebene Studie „Internationaler Vergleich der Siedlungswasserwirtschaft“ zeigt einzelne durchaus wichtige Verbesserungsmöglichkeiten, aber auch die generell hohe Leistungsfähigkeit der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft im internationalen Vergleich auf.

Hintergrund
Die politische Diskussion ist in hohem Maße von den Interessen und Ideologien der verschiedenen Akteure der Siedlungswasserwirtschaft sowie den internationalen und europäischen Entwicklungen geprägt. Gegner einer Ausgliederung der Siedlungswasserwirtschaft aus öffentlich-rechtlichen Organisations- und Eigentumsformen führen ins Feld, dass private Unternehmen hauptsächlich nach Gewinn strebten. Eine Privatisierung könne dazu führen, dass nicht rechtlich verankerte übergeordnete Ordnungs- und Qualitätsziele zu kurz kommen. Auch Kontrollbehörden könnten durch einseitige Informationsübermittlung der Unternehmen und unzureichende Kapazitäten innerhalb der Behörden überfordert sein, Qualitätsstandards zu garantieren. Die durch eine Privatisierung vorausgesagten Effizienzsteigerungen hätten sich zudem nicht immer bestätigt.
Trinkwasser ist als lebensnotwendiges Grundnahrungsmittel ein Gut, an das – ohne Kompromisse – höchste Ansprüche an Qualität und Versorgungssicherheit für die Zukunft gestellt werden. Nach einer Umfrage steht die österreichische Bevölkerung einer Privatisierung der Wasserversorgung überwiegend skeptisch gegenüber; insbesondere wird der (Aus-)verkauf an ausländische Unternehmen befürchtet (Market-Institut, 2001; siehe Grafik 1). Auch die Entsorgung von Abwasser ist in direktem Zusammenhang mit dem Gewässerschutz eine umweltpolitisch zentrale Materie, bei der eine wirksame Kontrolle betrieblicher Leistungserbringung essenziell ist.
Diese oft emotional ausgetragene Debatte um die beste Organisationsform in der Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung hat nur dann eine Chance, zur Lösungsfindung produktiv beizutragen, wenn sie sich auf verlässliche Informationsgrundlagen, Daten und empirisch belegbare Zusammenhänge stützen kann. Vorhandene Studien, Informations- und Datensammlungen decken in der Regel nur Teilbereiche bzw. Teilaspekte der Siedlungswasserwirtschaft ab (Rudolph et al., 1999). Die Situation in Österreich wird in vielen europäischen Vergleichsstudien gar nicht behandelt (vgl. z. B. Kraemer et al., 1998; Correia und Kraemer, 1997; Holzwarth und Kraemer, 2001).

Zielsetzung der Studie
Das Ziel war es daher, die aktuelle Diskussion um die österreichische Siedlungswasserwirtschaft durch eine wissenschaftlich-empirisch fundierte Bestandsanalyse österreichischer und ausgewählter ausländischer Systeme in vergleichender Sicht zu untermauern, wobei schwerpunktmäßig auf die heutige Situation, aber auch, soweit möglich, auf die Entwicklungen der letzten 20 Jahre eingegangen wird. Dabei werden die sich stark voneinander unterscheidenden Systeme der Siedlungswasserwirtschaft und insbesondere die jeweils dominierenden Organisations- und Unternehmensformen in den Ländern Österreich, Frankreich sowie England und Wales, mit Ergänzungen aus den Niederlanden und Deutschland einander gegenübergestellt.
Damit soll ein Beitrag geleistet werden, das empirische Informations- und Datendefizit zu verringern und eine bessere Grundlage für die laufenden Diskussionen zu schaffen. Durch die tief gehende Analyse der Systeme werden Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen im Hinblick auf den derzeitigen Zustand und die Entwicklungsperspektiven der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft möglich.

Ausgewählte Länder
Aufgabe der vorliegenden Studie war, drei äußerst unterschiedliche Systeme der Siedlungswasserwirtschaft miteinander zu vergleichen, nämlich jene von Österreich, Frankreich sowie England und Wales. Auch wenn die Grundlagendaten unvollständig waren, konnten wichtige Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie spezifische Stärken und Schwächen der drei Systeme aufgezeigt werden, die für die Diskussion in Österreich interessant scheinen. Im Folgenden sind die wichtigsten Erkenntnisse, thematisch geordnet, zusammengefasst.

Wettbewerb und Regulierung
Die Siedlungswasserwirtschaft hat in allen betrachteten Ländern, ungeachtet von Eigentümerstruktur und Systemveränderungen, im Geschäft mit dem Tarifkunden den Charakter eines Monopols. Wettbewerb um den Tarifkunden gibt es bislang nicht in nennenswertem Ausmaß. Lediglich um (industrielle) Großabnehmer ist zum Teil ein solcher Wettbewerb in den rechtlichen Rahmenbedingungen vorgesehen; in der Praxis stehen dem jedoch häufig wirtschaftliche, technische und naturräumliche Bedingungen entgegen. Noch klarer zeigt sich dies bei der Frage nach der Liberalisierung (in Form einer Öffnung der Wasserleitungen für die Durchleitung von Wassermengen unterschiedlicher Betreiber; common carriage). In Österreich, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wird dies als zu riskant eingeschätzt und ist politisch unerwünscht. In England und Wales ist eine Durchleitung de jure vorgesehen; aufgrund technischer und hygienischer Risiken wurden jedoch von den Unternehmen so restriktive Anforderungen für die Durchleitung formuliert (access codes), dass es bislang auch in England und Wales zu keiner praktischen Durchleitung gekommen ist. Ein Wettbewerb existiert jedoch in allen betrachteten Ländern, wenn auch in unterschiedlich starkem Ausmaß, in wichtigen Teilmärkten der Siedlungswasserwirtschaft (insbesondere Vorleistungswettbewerb, in Frankreich und Deutschland Wettbewerb um Betriebsführungskonzessionen u. Ä.).
Nach der Regulierungstheorie1 müssen natürliche Monopole ökonomisch reguliert werden, um Ineffizienz und Konsumentenausbeutung zu verhindern und um eine demokratisch legitimierte Steuerung der Branche und der Unternehmen im Sinne des Gemeinwesens zu gewährleisten. Wie die Studie zeigt, wenden die Länder sehr unterschiedliche Regulierungsinstrumente an: In England und Wales gibt es eine zentrale Regulierungsbehörde (OFWAT), in Frankreich und Österreich, wo die Gemeinden für die Siedlungswasserwirtschaft verantwortlich sind, übernehmen die Aufgabe der Preisregulierung, allerdings weit weniger umfassend, kommunalpolitische Entscheidungsträger. In Frankreich sorgt außerdem der Wettbewerb um den Markt (Ausschreibung von Betriebskonzessionen) für Kostendruck, wenn auch in der Realität der Verlust der Konzession erst in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden Wahrscheinlichkeit wurde.
Mit dem Grad der Konzentration und der Einbindung von Privaten steigen auch der Grad der Institutionalisierung und der Umfang der ökonomischen Regulierung (z. B. in England und Wales): Regulierung von Tarifsystemen, Wasserpreisen, Abwassergebühren, Gewinnen oder Renditen und/oder Investitionen zur Leistungserstellung in den Versorgungsgebieten werden notwendig. Die Preisregulierung durch die Festsetzung von Preisobergrenzen ist bei Gewinnmaximierung ein direkter Anreiz zur Kostenreduktion, der weit über das erwartete Ausmaß hinaus wirkte. Die deutliche Herabsetzung der Preisobergrenzen in England und Wales im Jahr 19992 und die dadurch verursachten Gewinnrückgänge zeigen, dass die Regulierungsbehörde wirksam ist und in die Finanzflüsse eingreifen kann. Allerdings ist diese Einflussnahme aufgrund des Informationsvorsprungs der Unternehmen erst mit mehrjähriger Verzögerung möglich.
In Österreich ist der Regulierungsschwerpunkt die Beeinflussung der Investitionstätigkeit durch Förderungen, um vergleichsweise hohe Umweltstandards zu erreichen, ohne die Gebühren über das „sozial verträgliche Maß“ zu heben. Dies vermindert zwar die unmittelbare finanzielle Belastung der Konsumenten, senkt aber nicht die volkswirtschaftlichen Kosten, da die Differenz zwischen Gebühren und Kosten durch Förderungen ausgeglichen wird. Diese sozialpolitische Limitierung der Anlastung wasserwirtschaftlicher Kosten leistet überdies der zunehmenden Zersiedlung Vorschub, weil ein Teil der Kosten der Siedlungstätigkeit sozialisiert wird.
In Österreich und Deutschland sowie Frankreich existiert eine politisch-demokratische Preiskontrolle auf kommunaler Ebene, die unterschiedlich ausgestaltet ist. Die demokratisch gewählten Volksvertreter verhandeln die Preise und Gebühren mit den kommunalen oder privaten Unternehmen. Insbesondere in Frankreich haben sich spontan noch weitere Formen der öffentlichen Kontrolle entwickelt, zumeist in direkter Kritik an der mangelnden effektiven Kontrolle über die Verträge zwischen starken Unternehmen und schwachen – weil vom Zentralstaat eingeengten – Kommunen:

- Lokale Konsumenten- und Selbsthilfevereine bildeten sich, um gegen zu hohe Wassergebühren oder schlechte Wasserqualität aufzutreten.

- Medien unterstützten diese Kampagnen, verbreiteten Berichte über exzessive Fälle und veranlassten dadurch, weit über die kolportierten Gemeinden hinaus, die Revision zahlreicher Verträge.

Traditionell werden die Interessen der Bürger und Verbraucher in Entscheidungen bezüglich der Siedlungswasserwirtschaft direkt über die gewählten Vertreter in die Gemeinderäte eingebracht (so in Österreich und Deutschland). Nimmt die Zentralisierung und Privatisierung zu, muss notwendigerweise auch der Grad der Institutionalisierung der Konsumenteninteressen durch staatliche oder staatlich betraute Organisationen zunehmen. Dadurch kann, wie in England und Wales seit der Privatisierung 1989 geschehen, die demokratische Kontrolle durch die Gemeinderäte praktisch völlig verdrängt werden.
Die Skepsis der Bevölkerung bzgl. Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge, insbesondere der Siedlungswasserwirtschaft, ist in Österreich und Deutschland sehr hoch. Jedoch werden Betriebsführungsmodelle mit Privatbeteiligung, bei denen das Anlageneigentum und die Gebührenhoheit bei der öffentlichen Hand verbleiben, in Deutschland im Allgemeinen hingenommen. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit den zum Teil knappen kommunalen Haushalten wird daher voraussichtlich die Beauftragung von Privatfirmen für kleinere oder größere Aufgabenbereiche der Siedlungswasserwirtschaft europaweit zunehmen.
Auch eine verstärkte finanzielle Beteiligung privater Unternehmen am Anlagevermögen kommunaler Wasserunternehmen und an Stadtwerken ist zu erwarten und findet in Deutschland bereits umfangreich und zum Teil ohne Regulierung statt. Eine verstärkte staatliche Kontrolle und Forderung nach Transparenz wird damit notwendig.
Die Privatisierung in England und Wales hat bei gleichzeitigem Fusionsverbot durch den Regulator OFWAT die Übernahme der Wasserunternehmen durch ausländische Firmen ermöglicht. So haben sich zunächst französische, dann amerikanische und in letzter Zeit auch deutsche Investoren verstärkt an den Wasserunternehmen in England und Wales beteiligt. Die französischen Konzerne Vivendi, Saur und Ondéo, die im eigenen Land einer wenig strengen Regulierung unterliegen, konnten massiv international expandieren, sich in andere Branchen diversifizieren und zu weltweiten Marktführern entwickeln. Heute stoßen sie teilweise das Umweltgeschäft wieder ab. Eine Vielzahl kleiner kommunaler Unternehmen in öffentlichem Eigentum wie in Österreich erschwert deren Teilnahme am internationalen Wettbewerb, sie macht aber auch Übernahmen durch ausländische Unternehmen unattraktiv.

Investitionen und Werterhaltung
In den betrachteten Ländern herrscht prinzipiell große Ungewissheit über den Wert der bestehenden Anlagen und über das Ausmaß und die tatsächliche Durchführung der erforderlichen Ersatzinvestitionen. In Frankreich und Österreich fand ein Investitionsschub in den 60er und 70er Jahren statt. Eine unbekannt große Herausforderung wartet auf die Siedlungswasserwirtschaft in 20 bis 30 Jahren, wenn diese Anlagen mehr oder weniger gleichzeitig obsolet werden. Sowohl in Frankreich als auch in Österreich werden Neuinvestitionen höher gefördert als Ersatzinvestitionen, und in beiden Ländern wird befürchtet, dass die Erneuerungsrate unter der Wertverlustrate liegt. In England und Wales ist nach einem Investitionsschub unmittelbar nach der Privatisierung das Investitionsniveau wieder stark gefallen, liegt aber immer noch real fast auf der doppelten Höhe wie Anfang und Mitte der 80er Jahre unter öffentlicher Verwaltung3.
Während die Kapital- und Betriebskosten siedlungswasserwirtschaftlicher Anlagen in Deutschland sowie England und Wales fast ausschließlich durch Erlöse aus dem laufenden Absatz gedeckt werden, erscheint dies in Österreich und Frankreich insbesondere in dünn besiedelten Gebieten kaum vorstellbar. Diese Gebiete werden in Österreich durch ein starkes Förderungssystem unterstützt. Durchschnittlich ein Drittel der Investitionsausgaben, gleichermaßen für die Wasserversorgung wie für die Abwasserentsorgung, stammen aus Bundes- und aus Landesförderungen. Frankreich hat über die Agences de l’eau ein Umlagesystem entwickelt, das die Gebührenlast zwischen den Regionen teilweise nivelliert. Solche regionale Ausgleichsmaßnahmen stehen immer im Zielkonflikt zwischen sozialem Ausgleich, Kostenwahrheit, Zersiedlungsbekämpfung und Umwelteffizienz.
Aber auch in der privaten Wasserwirtschaft von England und Wales gab es öffentliche Förderungen: Den Unternehmen wurde bei der Privatisierung das Anlagevermögen weit unter dessen Wert verkauft, so dass die Kapitalkosten relativ gering sind. Außerdem spielte in England und Wales, als einziges der betrachteten Länder, begünstigte Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) eine wichtige Rolle, was die Privatisierungsförderung der EIB zeigt.

Kosten, Preise und Gebühren
In Österreich klaffen die (geschätzten) Kosten und die Preis- und Gebühreneinnahmen von den hier untersuchten Ländern am weitesten auseinander, was den hohen Subventionsgrad widerspiegelt. Bei der Arbeitsproduktivität liegt Österreich deutlich hinter England und Wales, aber vor Frankreich. Daraus lässt sich folgern, dass in Österreich die – im Vergleich zu Frankreich – höheren Kosten in der Abwasserentsorgung durch andere Faktoren als den Personalaufwand bedingt sind (Erklärungsansätze siehe unten).
Zwischen der Personalkostenhöhe und dem Grad der Privatisierung konnte in den untersuchten Ländern kein eindeutiger Zusammenhang festgestellt werden. Während in England und Wales beobachtet werden konnte, dass private Unternehmen zum Abbau von Personal(überschüssen) und teilweise auch zu Lohnkürzungen neigen, ist in Frankreich diesbezüglich kein signifikanter Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Trägern festzustellen gewesen. Die langjährige Tendenz scheint jedoch zu zeigen, dass in der privaten französischen Wasserwirtschaft eher weniger, aber besser bezahltes Personal beschäftigt wird als in den Kommunalbetrieben. Wo Personalkosten eingespart werden, entstehen häufig zusätzliche Kosten für Fremdleistungen (outsourcing), die allerdings nur punktuell anfallen und bei korrekter Unternehmenskalkulation niedriger sind als die ersparten Fixkosten. England und Wales hat u. a. aufgrund der „Privatisierungssubvention“ die niedrigsten spezifischen Produktionskosten in der Wasserwirtschaft. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Quellenangaben innerhalb der Länder teilweise größer als zwischen den Ländern. Ein direkter Zusammenhang zwischen Effizienz und Organisationsform kann auf Basis der vorhandenen Daten nicht nachgewiesen werden.
Bei der Abwasserentsorgung hat Österreich um 30 bis 50 Prozent höhere spezifische Kosten als die Vergleichsländer. Ohne die einzelnen Komponenten quantitativ darlegen zu können, wurden folgende Erklärungsansätze für die hohen Abwasserkosten Österreichs identifiziert:

- Im Ländervergleich extrem hohe Investitionskosten verursachen hohe Kapitalkosten und damit einen Anstieg der Produktionskosten. Die hohen Investitionskosten wiederum sind einerseits begründet durch einen sehr hohen Ausbaugrad und eine hohe Reinigungsleistung in der Abwasserentsorgung (hoher Gewässerschutzstandard), andererseits auch durch hohe spezifische Investitionskosten (pro m Kanallänge bzw. EW) aufgrund naturräumlicher Gegebenheiten im Gebirge. Es bestehen aber auch „hausgemachte“ siedlungsstrukturelle Nachteile wie ein hoher Zersiedelungsgrad im Flachland4 und eine nicht immer kosteneffizient gezogene Abgrenzung zwischen zentraler und dezentraler Abwasserreinigung (vgl. Tabelle 1).

- Die Frage, ob die hohen Investitionskosten auch durch eine „vergoldete“ Bauweise verursacht werden, lässt sich nur eingeschränkt beantworten: Unbestritten waren aufgrund der Förderrichtlinien die Anreize zur Kostensparsamkeit sehr gering. Andererseits hat Österreich auch bewusst eine Politik der soliden, langfristigen (und daher teureren) Bauweise betrieben, an die zusätzlich noch hohe Anforderungen in Bezug auf Raumverträglichkeit und Ästhetik (versenkte Klärbecken, hochwertige Industriearchitektur) gestellt wurde („Statussymbol Umwelttechnologie“), welche mit Sicherheit in den anderen Ländern nicht im gleichen Maß berücksichtigt wurden5.

- Betriebskostennachteile durch die kleinteilige Struktur können zwar ebenfalls existieren, aber prozentual nur sehr wenig ausmachen und werden möglicherweise durch die Vorteile als Folge der dezentralen, gut funktionierenden Eigenkontrolle durch die Klärwärter kompensiert.
Die durchschnittlichen Privatausgaben pro Einwohner und Jahr unterscheiden sich nicht wesentlich in den Vergleichsländern. Die Haushaltsausgaben für Trinkwasser sind in England und Wales am höchsten, in Österreich jene für die Abwasserentsorgung. Allerdings sind in Österreich die Preise und Gebühren durch Förderungen auf niedrigen Niveaus gehalten. In Deutschland betragen die durchschnittlichen Wasserausgaben je Einwohner und Jahr 79 E, Abwasserausgaben 117 E, zusammen also 196 E. In den Niederlanden kommt man pro Person und Jahr auf 67 E für Wasser und 45 E für Abwasser, zusammen also 112 E.
Bei der Interpretation der Daten in Tabelle 1 und Tabelle 2 ist zu berücksichtigen, dass bei den Kosten der nicht häusliche Verbrauch einbezogen ist, bei den Angaben zu den Haushaltsausgaben jedoch nicht.
Die Preiselastizität der Nachfrage ist in der Wasserwirtschaft vor allem kurzfristig eher gering. Die meisten Kunden sind, zumindest bei Trinkwasser, bereit, Preiserhöhungen hinzunehmen, wenn damit gute Qualität nachweislich gesichert wird.

Kostentransparenz und Kostendeckung
Eine Deckung der Kosten für die Siedlungswasserwirtschaft wird in Frankreich und noch extremer in Österreich nur erreicht, wenn nennenswerte Subventionen gegeben werden. Umweltfördermittel tragen daher auch zu den häufig erwirtschafteten Überschüssen der kommunalen oder privaten Betriebe, und, wenn die Siedlungswasserwirtschaft noch Teil des ordentlichen Haushalts der Gemeinden ist, möglicherweise auch zur Quersubventionierung von anderen kommunalen Aufgaben bei (siehe Grafik 3).
In allen betrachteten Ländern gibt es einen Nachholbedarf bzgl. der Kostentransparenz, die eine Grundlage für Kostenwahrheit darstellt. Während in Frankreich, in England und Wales sowie in Deutschland eine nach der Transparenzrichtlinie der EG geforderte spartenbezogene betriebswirtschaftliche Abrechnung überwiegend bereits praktiziert wird, war man in Österreich bis etwa Mitte der 90er Jahre noch nicht so weit. Neuerungen des kommunalen Rechnungswesens (u. a. in Form von „Umgliederungen“ von Haushaltsbereichen mit hohen Gebührenanteilen), die in Österreich seit den 90er Jahren intensiv umgesetzt werden, bewirken eine schrittweise Erhöhung der Kostentransparenz.
Die volkswirtschaftlichen Umwelt- und Ressourcenkosten sind noch in keinem Land umfangreich in die Wasserpreise oder Abwassergebühren internalisiert worden. Ebenso ist auch das in der Wasserrahmenrichtlinie eingeforderte Verursacherprinzip in keinem der betrachteten Länder vollständig instrumentell umgesetzt. In Deutschland gehen die Abwasserabgabe und die Entnahmegebühren der Länder in diese Richtung (Lenkungs- und Finanzierungsinstrumente). Bezüglich der Abgabe für die direkte Einleitung von Schmutzfrachten in natürliche Gewässer (Abwasserabgabe) gibt es in Österreich oder England und Wales kein Instrument, das die drei Nutzergruppen Haushalte, Industrie und Landwirtschaft (siehe Grafik 4) in Relation zu der von ihnen verursachten Schadstofffracht belastet (teilweise Messproblem). In Frankreich wird mithilfe der Gebühren indirekt eine Abwasserabgabe auf die Schadstofffracht erhoben. Auch in Österreich, Deutschland sowie England und Wales werden für die Indirekteinleitungen Starkverschmutzerzuschläge erhoben. Somit zahlt die in die öffentliche Kanalisation einleitende Industrie in diesen Ländern für die eingeleiteten Schadstofffrachten ein tendenziell angemessenes Entgelt. In der Landwirtschaft jedoch, einem stark subventionierten Wirtschaftssektor, sind die politischen Vorbehalte gegenüber einer stärkeren Belastung (proportional zum Schadstoffeintrag) hoch.

Trinkwasserqualität und Gewässerschutz
Zur Trinkwasserqualität sind in den untersuchten Ländern keine umfangreichen Daten verfügbar, die die gesamten Staatsgebiete abdecken. Somit ist ein systematischer Vergleich der Trinkwasserqualität derzeit nicht möglich. In Frankreich und Österreich wird berichtet, dass vereinzelt und temporär Probleme der Trinkwasserqualität mit Atrazin und Nitrat existieren. In England und Wales sind die als problematisch geltenden Beeinträchtigungen eher durch Nitrite, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) und Blei gegeben.
In Deutschland, Österreich und den Niederlanden hat der vorsorgende Gewässerschutz traditionell einen erheblich höheren Stellenwert als in Frankreich oder England und Wales, wo eher technische Problemlösungen (Aufbereitungsstufen für die Trinkwassergewinnung) als vorsorgende Maßnahmen durchgeführt werden.
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz des Instruments der Wasserschutzgebiete zum Schutz der Quellen für die Trinkwasserversorgung: In Deutschland und Österreich sind große Flächen um die Wasserentnahmequellen als Wasserschutzgebiete ausgewiesen (etwa 10% der gesamten Landesflächen), in denen umfangreiche Nutzungseinschränkungen gelten. In Frankreich wird dieses Instrument zum Grundwasserschutz zwar auch eingesetzt, aufgrund unzureichender Implementierung sind jedoch lediglich für ein Drittel der Entnahmequellen Schutzgebiete ausgewiesen. Dies hängt wiederum, wie weiter vorne bereits erwähnt, mit der unzureichenden finanziellen und personellen Ausstattung der Kommunen in Frankreich zusammen. In England und Wales existiert eine Möglichkeit, Quellgebiete auszuweisen. Damit sind jedoch nicht direkt, wie in den anderen Ländern, Nutzungseinschränkungen für die Gebiete verbunden. Eine Ausweisung räumt der Umweltbehörde (Environment Agency) jedoch die Möglichkeit ein, bei Bedarf bestimmte Einschränkungen der Wasser- oder Landnutzung vorzusehen.
Aufgrund eines intensiven Investitionsprogramms in der Abwasserentsorgung werden in Österreich die Anforderungen in „empfindlichen Gebieten“ nach der Kommunalabwasserrichtlinie der EG landesweit erfüllt, sobald der Ausbau in Wien und Graz fertig gestellt ist. In Frankreich sowie England und Wales hingegen werden diese Anforderungen (dritte Reinigungsstufe in Siedlungsgebieten mit mehr als 10.000 EW) in weitaus geringerem Umfang erfüllt. Die dezentrale Abwasserentsorgung hat aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten in Österreich einen hohen Stellenwert und ist technisch sehr weit entwickelt.

Stärken und Schwächen des österreichischen Systems
In allen betrachteten Ländern steht die Siedlungswasserwirtschaft vor neuen Herausforderungen, beeinflusst insbesondere durch einen steigenden Kostendruck (sowohl in privaten als auch in öffentlichen Einrichtungen) und durch neue umweltpolitische Rahmenbedingungen. Diese Situation kann als eine große Chance angesehen werden, denn die Qualität eines Systems zeigt sich unter anderem darin, wie gut es auf erschwerte Bedingungen reagieren kann.
Wie kann nun die österreichische Siedlungswasserwirtschaft diese Chance wahrnehmen und welche Optionen ergeben sich aus den Erfahrungen, die in den anderen europäischen Ländern gemacht wurden?
Der Antwort auf diese Frage nähert man sich am besten durch einen Blick auf die spezifischen Stärken und Schwächen des österreichischen Systems, die hier noch einmal knapp zusammengefasst werden:
Unbestritten ist der österreichische Standard des Gewässerschutzes im internationalen Vergleich sehr hoch. Auch die Leistungsqualitäten der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung sind insgesamt als gut zu bezeichnen (kaum Versorgungsunterbrechungen, geringe Wasserverluste, kaum Kanalüberläufe, hohe Reinigungsleistung). Dank ausgezeichneter hydrologischer Voraussetzungen ist auch die Wasserqualität i. A. sehr hoch. Der Umstand, dass die Verantwortung für die Siedlungswasserwirtschaft in hohem Maße dezentral angesiedelt ist (bei den Gemeinden, kleinen Genossenschaften, beim Klärwärter bis hin zum einzelnen Hauseigentümer), hat den Vorteil, dass, zumindest im ländlichen Raum, auch ein starkes lokales Verantwortungsbewusstsein für den Wasserkreislauf besteht.
Neben den genannten Stärken existieren jedoch auch gewichtige Schwachstellen der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft, insbesondere in ökonomischer und organisatorischer Hinsicht: Im internationalen Vergleich hohe Produktionskosten im Abwasserbereich, ein niedriger Kostendeckungsgrad aufgrund der hohen Investitionsförderungen und ein Fördersystem, das geringe Anreize zu Kosteneffizienz setzt, sind die Wichtigsten. Darüber hinaus besteht in Österreich eine enorme Heterogenität der Tarifsysteme und Preis- bzw. Gebührenniveaus6, die sich sehr oft nicht durch regionale Unterschiede der Kostenstruktur erklären lässt und damit den Zielen der Kostentransparenz und wohl auch der Gerechtigkeit abträglich ist. Mangelhafte Kostentransparenz und das ungenügend umgesetzte Verursacherprinzip sind allerdings Schwächen, die die österreichische Siedlungswasserwirtschaft mit den anderen betrachteten Ländern teilt und um deren Behebung im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in allen Ländern um Lösungen gerungen wird.
Ein weiterer Nachteil, den Österreich für seine stabile, gut funktionierende Leistungserbringung der Siedlungswasserwirtschaft in öffentlicher Hand in Kauf nimmt, ist eine vergleichsweise geringe wirtschaftliche Dynamik der Siedlungswasserwirtschaft. Kundenorientierung, Vorleistungswettbewerb, Engagement im internationalen Geschäft, um nur einige Aspekte zu nennen, sind schwächer entwickelt als in den Vergleichsländern. Aufgrund des mangelnden Wettbewerbs, einer starken Arbeitnehmervertretung und des fehlenden Fortbestandsrisikos für öffentliche Unternehmen ist es nahe liegend, dass Rationalisierungspotenziale nicht immer ausgeschöpft und an die Kunden weitergegeben wurden.

Systemwechsel in Österreich?
Es stellt sich nun die Frage, ob die identifizierten Schwachstellen der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft einen radikalen Systemwechsel notwendig machen und welche Erfahrungen aus dem Ausland als Anregungen für Reformen innerhalb des bestehenden Systems gewonnen werden können.
Die Erfahrung in England und Wales hat gezeigt, dass große Systemumbrüche wie die Vollprivatisierung im Jahr 1989 auch sehr hohe Transak- tions-, Übergangs- und Risikokosten verursacht, die die öffentliche Hand zu tragen hatte. Ein derart massiver Eingriff in bestehende Strukturen mit hohem ökonomischen und politischen Risiko ist nur dann zu verantworten, wenn die aktuelle Situation objektiv gesehen im Argen liegt, die vorgeschlagene Reform nachhaltige volkswirtschaftliche Vorteile erwarten lässt und außerdem die Mehrheit der Bevölkerung dem Vorhaben grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht. Ohne auf konkrete diskutierte Reformmodelle einzugehen und sich anhand derer auf die Frage der volkswirtschaftlichen Vorteile einzulassen, lässt sich vorweg sagen, dass sowohl die erste als auch die dritte Bedingung für einen Systemumbruch in Österreich nicht zutreffen. In keinem der betrachteten Leistungsbereiche (Ökonomie, Ökologie, Qualität) steht die österreichische Siedlungswasserwirtschaft ausgesprochen schlecht da, und in kaum einer anderen Dienstleistung ist die öffentliche Skepsis gegenüber einer Privatisierung so groß wie bei der Siedlungswasserwirtschaft.
Während der institutionelle Rahmen der Siedlungswasserwirtschaft in Österreich in seinen Grundzügen nicht infrage gestellt wird, bieten sich jedoch in mehreren Bereichen Optimierungsmöglichkeiten an, die im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – angesprochen werden. Aus den Erfahrungen anderer Länder mit bestimmten Problemen und Instrumenten kann eine Reihe von Ideen und Handlungsoptionen abgeleitet werden, welche auch für Österreich interessant sein können. In der Regel sind diese internationalen Erfahrungen nicht direkt auf das System in Österreich übertragbar, da nicht nur die naturräumlichen, sondern auch die organisatorisch-institutionellen Rahmenbedingungen der betrachteten Länder sehr unterschiedlich sind.

Ökonomische Regulierung und Förderpolitik
In rein privatwirtschaftlichen Systemen erzielt man durch eine Preisregulierung mittels Preisobergrenzen automatisch auch eine Kostenregulierung, da die Unternehmen selbst an der Kostensenkung interessiert sind (z. B. England und Wales). Wird aber die Differenz zwischen dem regulierten Preis (zumutbare Gebührenobergrenze) und den Produktionskosten je Leistungseinheit durch öffentliche Förderungen ausgeglichen, ist durch die Preisgrenze allein kein Anreiz zur Kostenminimierung gegeben.7 Die Aufgabe der ökonomischen Regulierung in Wirtschaftszweigen, die teilweise von öffentlichen Förderungen abhängen, ist daher nicht nur die Preiskontrolle, sondern auch die Sicherstellung der Förderungseffizienz. Daher hat die Ausgestaltung der Förderpolitik eine wichtige regulative Funktion, und die Förderungsgeber könnten durch sie stärker lenkend eingreifen, als sie es heute tun.
Die derzeitige Berechnung der österreichischen Investitionsförderung (Umweltförderung des Bundes) in Abhängigkeit in erster Linie von den veranschlagten Kosten und von „sozial verträglichen Tarifen“ ist aus folgenden Gründen kritisch zu beurteilen:

- Anreize zur Kostenreduktion sind, trotz erster Ansätze bei der Neuauflage der Förderrichtlinien 2001, noch immer schwach.

- Die Berechnung von umweltpolitischen Fördersätzen nach sozialpolitischen Höchstbeitragsgrenzen ist ordnungspolitisch fraglich. Man kann zwar in ein und derselben Maßnahme umwelt- und sozialpolitische Zielsetzungen verbinden, allerdings läuft man Gefahr, bei einem der Ziele Abstriche machen zu müssen. Umweltpolitisch erstrebenswert wäre eine Berechnung und Prioritätenreihung der Förderungszusagen (allein) nach Kriterien der Umwelteffizienz. Wenn sozialpolitisch erwünscht, kann nachträglich eine Stützung der Gebühren erfolgen. Dies kann entweder durch Subjektförderungen an sozial Schwache oder auch in Form einer Umlage zwischen den Gebührenzahlern (wie in Frankreich) geschehen.

- Die hohe Qualität der dezentralen Abwasserentsorgung in Österreich ist eine Stärke; der Anschlusszwang an die öffentliche Entsorgung stößt teilweise auf Ablehnung. Die Abgrenzungen der „gelben Linie“, innerhalb derer ein Anschluss verpflichtend ist, sollten daher nach Kriterien der Umwelteffizienz, alternativer Entsorgungsoptionen und der Raumordnung überprüft werden.

Effizienzsteigerung
Einige viel versprechende Initiativen zur Effizienzsteigerung der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft werden zurzeit diskutiert und in Pilotprojekten umgesetzt. Der institutionelle Rahmen für diese Maßnahmen, d. h. ob sie rein freiwilliger Natur, durch ökonomische Anreize gefördert oder hoheitlich vorgeschrieben werden sollen, muss gesondert betrachtet werden:

- Benchmarking als strukturierter Leistungs- und Kostenvergleich bei Anlagen ähnlicher Art. Bisherige Projekte beschränkten sich auf klassisches Kostenbenchmarking, d. h. auf Basis gleicher Prozessleistungen werden die spezifischen Kosten verglichen und Kostensparpotenziale aufgezeigt. Im Sinne einer Qualitätsstrategie wäre es auch sinnvoll, ein Benchmarking auch auf Leistungs- und Umweltkennzahlen auszuweiten, das auf Basis gleicher Kosten spezifische Leistungsverbesserungspotenziale aufzeigt. Die richtige Wahl vergleichbarer Kennzahlen ist fundamental, um die „richtigen Anreize“ zu setzen und nicht beispielsweise einseitige Effizienzverbesserungen auf Kosten der Leistung oder Umwelt zu unterstützen.

- Stärkung von Verbandskooperationen und Kläranlagennachbarschaften, bei denen Synergieeffekte genutzt werden und spezifische Betriebskostennachteile der kleinteiligen Struktur ausgeglichen werden, ohne aber die Verantwortlichkeit zu zentralisieren: z. B. gemeinsame Materialbeschaffung, gemeinsame Vergabe von Ingenieur- oder Bauleistungen, gemeinsame Kundenverrechnung etc.

- Aufspüren von Nischen im internationalen Markt und Gründung oder Beteiligung an Unternehmensgruppen, bei denen die Partner einander ergänzen: z. B. Versorgungsunternehmen, Umwelttechnik, Banken, Anlagenbau, Labordienstleistungen, insbesondere die kommunale Struktur Österreichs (und Deutschlands) ist als Modell für die Siedlungswasserwirtschaft in Entwicklungsländern interessant.

- Fach- und Gemeindeverbände sollten Gemeinden, die die Ausschreibung und Vergabe eines Errichtungs- und/oder Betriebsführungsauftrags an eine Privatfirma erwägen, von Beginn an mit Information und Beratung zur Seite stehen und ihnen Entscheidungskriterien und Daten über unterschiedliche Alternativen und innovative Organisationslösungen zur Verfügung stellen8. Relevant sind v. a. die Optionen für die vertragliche Ausgestaltung, die den Gemeinden auch nach der Beauftragung von Privaten den erwünschten Einfluss sichert.

Eigentümerschaft und Investitionen
Aufgrund der hohen Unsicherheit bzgl. des Anlagenwertes und des damit verbundenen hohen Investitionsrisikos spricht einiges dafür, das Anlageneigentum in öffentlicher (oder gemeinnütziger) Hand zu belassen. Eine Tendenz in diese Richtung zeigen auch die politischen Diskussionen und Entwicklungen in den untersuchten europäischen Ländern. Selbst in England und Wales, wo einzigartig in Europa das gesamte Anlagevermögen im Eigentum privater Unternehmen ist, zeichnet sich – wohl auch in Folge der strenger gewordenen Regulierung durch OFWAT – eine Entwicklung dahingehend ab, das Anlagevermögen teilweise wieder an gemeinnützige „Zwangsgenossenschaften“ zurück zu übertragen.
Damit einher geht die weit verbreitete Bestrebung in Europa, die Rolle des Eigentümers der Anlagen von der Rolle des Betreibers zu trennen. Das französische Konzessions- bzw. Pacht- oder Betreibermodell gewinnt in diesem Zusammenhang immer mehr an Bedeutung. Eine vertragsrechtlich sehr genaue Vereinbarung, welche Aufgaben hierbei dem Betreiber und welche dem Eigentümer zufallen, ist dabei erforderlich. Da zwischen der Instandhaltung (Reparatur), für die meist der Betreiber, und der Werterhaltung (Investitionen), für die meist der Eigentümer verantwortlich ist, eine erhebliche Abgrenzungsproblematik besteht, muss der Vertrag diesbezüglich Festlegungen treffen. Der Nachteil einer Trennung der Verantwortlichkeit für Instandhaltung und Werterhaltung besteht im möglichen Anreiz des Betreibers, die Anlagen wenig schonend zu nutzen, da er nicht für die Ersatzinvestitionen verantwortlich ist. Umgekehrt kann aber auch der Eigentümer durch mangelnde Investitionstätigkeit den Betreiber unter Druck setzen, veraltete Anlagen unter hohen Kosten weiterzubetreiben9. Beide Strategien schlagen sich in mangelhafter volkswirtschaftlicher Effizienz nieder.
Allerdings haben die Erfahrungen in England der 80er Jahre10 sowie in Frankreich gezeigt, dass ein öffentlicher Rechtsträger als Eigentümer der Anlagen nicht per se ein Garant für nachhaltige Investitionstätigkeit ist. In England und Wales war ja sogar die mangelnde Investitionstätigkeit der öffentlichen Unternehmen ein wesentlicher Grund für die Privatisierung, und Frankreich investiert heute noch deutlich unter dem (geschätzten) Werterhaltungsaufwand. Eine Bedingung, dass öffentliche Unternehmen von sich aus werterhaltende Investitionen tätigen, ist die Erlaubnis, Abschreibungen als Kosten zu verrechnen, und die Abschreibungsgegenwerte verdienen zu dürfen. Dies setzt eine Kostenrechnung voraus, die in Österreich und Frankreich noch nicht in allen öffentlichen Betrieben eingeführt ist. Außer der Möglichkeit, den Werteeinsatz durch Preise und Gebühren zurückzuverdienen, sind wahrscheinlich noch weitere Instrumente (z. B. Förderungen, Vorgaben, Anreizsysteme) notwendig, um die langfristige Anlagenerhaltung sicherzustellen. Der Erhaltungsaufwand der wasserwirtschaftlichen Anlagen sollte so hoch sein, dass die Anlagen tatsächlich in ihrer Funktion erhalten werden.
Die beobachtete Entwicklung in England und Wales, Frankreich und Österreich lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Siedlungswasserwirtschaft solange Investitionsförderungen benötigen wird, wie die Infrastruktur im Aufbau bzw. in der Aufrüstung begriffen ist. Die Wasserversorgung, bei der die landesweite Grundausstattung schon wesentlich fortgeschrittener ist als bei der Abwasserentsorgung, kommt mit wesentlich geringeren Fördermitteln aus als die Abwasserentsorgung, wo die Anforderungen durch die EU-Richtlinien enorm gestiegen sind. Eine schrittweise Reduktion der Fördermittel in Relation zur „Reife“ des Ausbaugrades erscheint in Österreich, wo der Förderungsanteil, aber auch der erreichte Reinigungsgrad am höchsten ist, jedenfalls angemessen.
In der politischen Diskussion in Europa beschäftigt man sich derzeit insbesondere mit der Frage der Ausschreibung von Konzessionen. Dabei wird diskutiert, ob die Kommunen in bestimmten Fällen (beispielsweise bei Mehrheitsanteilen privater Unternehmen an einem Stadtwerk) dazu gezwungen werden können, Konzessionen auszuschreiben. Dies stößt in Europa auf erheblichen politischen Widerstand und würde die Autonomie der Kommunen mittelfristig infrage stellen.

Internalisierung von externen Effekten und Gewässerschutz
Mit der Forderung nach Kostenwahrheit nach dem Verursacherprinzip, also dem Grundsatz, dass der Verursacher für den von ihm verursachten Schaden aufzukommen hat, verlangt die europäische Wasserrahmenrichtlinie die Internalisierung der externen Effekte der Wassernutzung, „einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen oder Schädigungen der aquatischen Umwelt“ (Richtlinie 2000/60/EG (38)).
Bei den externen Effekten sind zwei Arten zu unterscheiden: Zum einen gibt es externe Effekte, die auf die (Kosten der) Siedlungswasserwirtschaft einwirken (z. B. der Schadstoffeintrag, der in der Kläranlage eliminiert wird, ohne dass der Verursacher ein entsprechendes Entgelt entrichtet). Zum anderen bestehen auch solche externen Effekte, die auf die Allgemeinheit in Form von Umweltschäden wirken (also der Schadstoffeintrag, der nicht eliminiert wird und daher die Gewässer belastet). Für beide Arten der externen Effekte muss eine entsprechende Form der Internalisierung gefunden werden. Die Kompensation für die erstgenannten, ihnen zugefügten externen Effekte soll den Wasserunternehmen selbst zugute kommen, der Ertrag aus Abgaben für die Umweltschäden ist durch eine entsprechende gesetzliche Regelung (z. B. mit einer Zweckbindung für Umweltausgaben) am ehesten einer Behörde zu überantworten.
Wichtige Schritte zur Erreichung der Kostenwahrheit in der Siedlungswasserwirtschaft sind:

- Die Ermittlung und standardisierte Erfassung der Kosten der Siedlungswasserwirtschaft, einschließlich der Kenntnis der Kostenstruktur (Kostentransparenz) ist grundsätzlich in allen betrachteten Ländern zu verbessern. Kostentransparenz ist eine essenzielle Grundlage für die Umsetzung der Kostenwahrheit. Der Förderungsanteil und mögliche Quersubventionen werden dadurch abgebildet, und man kann bewusst damit umgehen. Die Entscheidung für oder gegen Quersubventionen kann (und muss) somit auf Basis einer belegbaren Grundlage erfolgen.

- Das Gebot der Kostenwahrheit begründet auch die Notwendigkeit der Überprüfung der heterogenen Tarifsysteme in der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft. Nicht eine landesweite Vereinheitlichung der Gebührenniveaus ist dabei gefragt, sondern eine bewusste regionale Differenzierung nach den tatsächlich anfallenden Kosten, wobei ggf. nachträgliche Sozialtransfers nicht ausgeschlossen sind. Eine Annäherung der Kalkulationsgrundlagen (etwa Leitungslänge pro Hausanschluss und Bodenart sowie Relief- bzw. Landnutzung als Hauptgrundlagen für fixe, Wasserverbrauch und Relief für variable Kosten) ist dafür von Vorteil.

- Ökonomische Instrumente wie z. B. die Abwasserabgabe oder die Wasserentnahmeentgelte in Deutschland, die als Lenkungs- und Finanzierungsinstrument eingesetzt werden, können zu einem nachhaltigen Gewässerschutz beitragen. Dabei müssen sowohl die zumutbare Höhe als auch der erwünschte Anreizeffekt sorgfältig abgeschätzt und abgewogen werden.

Fehlende Grafiken sind in der ÖGZ 10/03 ersichtlich.

Literatur (Auswahl)
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Fußnoten:
* Studie in 5 Bänden: Schönbäck, Oppolzer, Kraemer, Hansen, Herbke (2003): Internationaler Vergleich der Siedlungswasserwirtschaft; Bd. 1 – Länderstudie Österreich; Bd. 2 – Länderstudie England und Wales; Bd. 3 – Länderstudie Frankreich; Bd. 4 – Überblicksdarstellungen Deutschland und Niederlande; Bd. 5 – Systemvergleich vor europapolitischem und ökonomischem Hintergrund

1 Vgl. Spelthahn, 1994; Sherman, 1989 u. a.

2 Diese Entscheidung war ohne Zweifel auch ein politischer Akt der neuen Regierung (Regierungswechsel 1997; Ablöse der Conservatives durch die Labour Party unter Tony Blair)

3 Noch früher, in den 70er Jahren (vor den Sparmaßnahmen der Regierung Thatcher), lag jedoch auch das Investitionsniveau unter öffentlicher Verwaltung real höher als in den 80er Jahren.

4 Dieses Problem teilt Österreich jedoch – ohne einen quantitativen Vergleich ziehen zu können – mit beiden Vergleichsländern Frankreich und Großbritannien.

5 Nach Experteneinschätzung: H. Kroiss (TU Wien), A. Schnattinger (Wiener Umweltanwaltschaft) u. a.

6 Die Tarifheterogenität wurde in den Vergleichsländern nicht im Detail untersucht, sie ist aber außer in Österreich nur in Deutschland und in Frankreich von (gewisser) Relevanz.

7 In vielen Ländern ist in privatwirtschaftlichen Systemen jedoch überwiegend die „rate-of-return“-Regulierung und nicht die „price cap“-Regulierung anzutreffen, bei der diese Logik nicht zutrifft.

8 Damit ist nicht beabsichtigt, den spezialisierten Rechtsanwälten ihre Aufgaben abzunehmen, sondern die frühe Entscheidungsphase, in der oft noch kein Rechtsanwalt beigezogen wird, zu unterstützen.

9 Der Umstand, dass in Frankreich seit Jahren die Anteile der Betriebsausgaben steigen und jene der Investitionsausgaben fallen, legt die Vermutung nahe, dass diese Strategie in Frankreich vorherrscht.

10 Vgl. (Band 2) Fußnote 247, Kap. 2.5.9

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