66. Städtetag: Städte fordern Reformen bei Finanzausgleich

66. Städtetag: Städte fordern Reformen bei Finanzausgleich

Eröffnung mit Bundespräsident Fischer, Festredner ist Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando

„Zukunftsorientierte Städte, die den aktuellen Herausforderungen gewachsen sein wollen, brauchen Innovation, neue Denkweisen und eine gute Wirtschaftsleistung. Die österreichischen Städte haben auch in schwierigen Zeiten die Konjunktur am Laufen gehalten, ihre Investitionen haben wesentlich dazu beigetragen, dass die kommunalen Dienstleistungen auch weiterhin in unverminderter Qualität aufrechterhalten werden konnten,“ betonte Städtebund-Präsident Michael Häupl in einem Mediengespräch vor der feierlichen Eröffnung des Österreichischen Städtetages, der von 08. bis 10. Juni 2016 in Innsbruck stattfindet. „Viele kommunale Politikerinnen und Politiker sowie Fachvertreterinnen und Fachvertreter bereichern die Tiroler Landeshauptstadt mit alpin-urbanem Charakter in den nächsten Tagen. Die Stadt am Inn ist eine gute Gastgeberin – davon können Sie sich in den kommenden Tagen überzeugen“, freut sich Innsbrucks Bürgermeisterin Mag.a Christine Oppitz-Plörer. Rund 900 Gäste, darunter zahlreiche BürgermeisterInnen aus dem In- und Ausland, werden bei der traditionellen Generalversammlung erwartet, die im Innsbrucker Congress über die Bühne geht. Unter dem Motto „Stadtklima im Wandel  - Zusammenleben gestalten“ soll es in den kommenden drei Tagen um die Leistungen der Städte und die Finanzierung gehen. Auch das Thema Flüchtlingsintegration und Bildung sind Schwerpunktthemen. Eröffnet wird die Tagung heute Nachmittag durch Bundespräsident Heinz Fischer, als Festredner spricht Leoluca Orlando, Bürgermeister der Stadt Palermo. Finanzierung kommunaler Leistungen im Mittelpunkt
Österreichs Städte versorgen ganze Regionen und bieten der Bevölkerung Tag für Tag eine Vielzahl kommunaler Dienstleistungen an: Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müllentsorgung, Kindergärten, Schulen, Kultureinrichtungen, Sport und Öffentlicher Nahverkehr.  Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den kommunalen Dienstleistungen ist sehr hoch, das belegt auch die aktuelle SORA-Studie „Städtebarometer 2016“ eindrücklich. Die Lebensqualität am Wohnort wird von der Bevölkerung wie auch in den letzten Jahren als sehr hoch eingeschätzt. Fast neun von zehn Befragten (86 Prozent) geben an, dass ihre Wohngemeinde eine hohe Lebensqualität bietet. Für zukünftige Entwicklungen ist die Mehrheit der Befragten (53 Prozent) der Ansicht, dass sich ihre Wohngemeinde in die richtige Richtung entwickelt. „Trotz knapper Kassen ist es den Städten gelungen, ein verlässlicher Partner bei der  Daseinsvorsorge zu sein – doch in den letzten Jahren ist es offensichtlich geworden, dass der Finanzausgleich dringend einer umfassenden Reform bedarf“, betonte Präsident Michael Häupl und formulierte erneut die zentrale Forderung des Städtebundes: „Es muss ein aufgabenorientierter Finanzausgleich beschlossen werden, der sich nicht mehr an der Anzahl der Hauptwohnsitze, sondern an den tatsächlichen Aufgaben, die eine Stadt erfüllen muss, orientiert. Klare Aufgabenteilung, klare Finanzierung dieser Leistungen – das ist unser Kernpunkt.“
Denn Städte und Gemeinden finanzieren neben ihren eigentlichen Aufgaben auch wesentlich die soziale Versorgung in Österreich mit: Sie finanzieren etwa über sogenannte Transferzahlungen die Mindestsicherung mit oder ko-finanzieren Spitäler, die hauptsächlich in der Verantwortung der Bundesländer stehen. Insgesamt 52.000 Transfers fließen zwischen Ländern und Gemeinden hin und her und machen die Finanzierung daher unübersichtlich und ineffektiv. Zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe von Regelungen, wie etwa Ausnahmeregelungen von der Kommunalsteuer, die vor allem dem Bund und den Ländern zu Gute kommt und die Städte trifft. Daher fordert der Österreichische Städtebund:
  • eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs (FAG), der sich an den tatsächlichen Aufgaben von Stadt oder Gemeinde orientiert, anstelle der Anzahl der festen Wohnsitze. Es muss eindeutige Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften geben, und eine klare finanzielle Verantwortung. Zum Beispiel: Gesundheit und Pflege sind Ländersache, Kindergärten werden nur durch die Kommunen verantwortet. Nur so können die unzähligen Transferzahlungen eingedämmt werden und letztlich auch die Leistungen besser und effizienter werden.
  • Die gemeindeeigenen Steuern, die in den letzten Jahren anteilig von 40 auf 20 Prozent zurückgegangen sind, müssen modernisiert, verfassungsmäßig abgesichert und dynamisiert werden. Wichtigster Schritt: Die Reform der Grundsteuer, wobei klar ist, dass die Grundsteuer eine kommunale Steuer bleiben muss.
  • Öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge sollen nicht auf die Kriterien im Fiskalpakt, sowie Stabilitäts- und Wachstumspakt angerechnet werden dürfen, denn sie sind Investitionen in die Zukunft der nächsten Generationen.
Ergebnisse des Städtebarometer 2016
Wie auch im Vorjahr sind die Ergebnisse der Zufriedenheit sehr stabil - jeweils neun von zehn Befragten sind  mit der Trinkwasserversorgung (98 Prozent), der Müll- und der Abwasserentsorgung (93 Prozent) sehr zufrieden. Mit den Gesundheitseinrichtungen sind die Befragten zu 91 Prozent sehr zufrieden und neun von zehn Befragte sind mit dem Angebot der Nahversorgung im Wohngebiet ebenfalls sehr zufrieden. Ebenfalls hoch ist die Zufriedenheit mit dem Stadtbild (88 Prozent) und der Infrastruktur im Bereich Verkehr, d.h. den Angeboten für FußgängerInnen, dem Radwegenetz, dem öffentlichen Verkehr sowie Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Jeweils mehr als drei Viertel der Befragten sind mit diesen Angeboten zufrieden. Mit dem Angebot an speziellen Einrichtungen (Kinderbetreuungs-, Senioren- und Pflegeeinrichtungen, sowie soziale Dienste und Beratungsstellen) sind ebenfalls drei Viertel der Befragten zufrieden.  Für die überwiegende Mehrheit ist es sehr wichtig, dass kommunale Dienstleistungen nicht an private Anbieter ausgelagert werden. Besonders stark ist dieser Wunsch bei der Trinkwasserversorgung, bei der es für      97 Prozent wichtig ist, dass diese in öffentlicher Hand bleibt – für 85 Prozent der Befragten ist das sogar „sehr“ wichtig. Gute Schulversorgung
Rund 80 Prozent der Befragten sind mit dem Angebot an Pflichtschulen sowie höheren Schulen in ihrer Wohngemeinde sehr oder ziemlich zufrieden.
Am zufriedensten sind die Befragten mit dem Betreuungsangebot für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren (67 Prozent) und der Nachmittagsbetreuung für Schulkinder (60 Prozent). Mit dem Betreuungsangebot für unter Dreijährige sind 56 Prozent zufrieden. Zufriedenheit mit sozialen Aufstiegschancen
Hohe Zufriedenheit herrscht mit den Weiterbildungsmöglichkeiten in der Wohngemeinde (67 Prozent). Auch mit den sozialen Aufstiegschancen ist die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) zufrieden. Mit den Arbeitsplätzen im Allgemeinen und den Lehrstellen und -werkstätten ist die Zufriedenheit mit knapp der Hälfte der Befragten geringer. Aktuell ist mehr als die Hälfte (54 Prozent) mit dem Angebot an „Arbeitsplätzen mit guter Bezahlung“ unzufrieden, 17 Prozent sind damit sogar „gar nicht zufrieden“.

Im Zeitraum 2009 bis 2014 erlebte die Zufriedenheit im Bereich „Arbeit“ einen kontinuierlichen Aufschwung und stieg um 13 bis 23 Prozentpunkte an.

Seit 2014 lässt sich hingegen ein deutlicher Rückgang erkennen: In Bezug auf Arbeitsplätze im Allgemeinen, Arbeitsplätze mit guter Bezahlung, das Angebot an Lehrstellen sowie soziale Aufstiegschancen sank die Zufriedenheit in den letzten zwei Jahren um rund 10 Prozentpunkte ab. Dabei sagen aktuell 62 Prozent der Befragten, dass sie sich Sorgen machen, was sichere Arbeitsplätze für Sie selbst oder die junge Generation betrifft. Schwerpunktthema 2016 „Aufnahme von Menschen auf der Flucht“
Das Flüchtlingsthema hat viele Menschen bewegt. Ein Großteil der Befragten hat sich in den vergangenen Monaten mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigt. Acht von zehn Befragten haben mit jemanden über die aktuelle Flüchtlingssituation diskutiert. Sieben von zehn haben sich aktiv zu dem Thema informiert. Rund ein Drittel hat für Flüchtlinge gespendet oder Kontakt zu Flüchtlingen gehabt. 14 Prozent geben an, dass sie sich aktiv an der Flüchtlingshilfe beteiligt und freiwillige Arbeit geleistet haben. Die Flüchtlingsdebatte 2015 und 2016 war von starken Emotionen geprägt. Zum Erhebungszeitpunkt im März und April 2016 war rund ein Drittel der Befragten zuversichtlich hinsichtlich der Flüchtlingssituation in und um Österreich und ebenso viele besorgt; ein Viertel war verärgert. Je lokaler die Fragestellung, desto optimistischer: Hinsichtlich der Flüchtlingshilfe in Österreich und der Wohngemeinde ist etwa die Hälfte zuversichtlich, die Anzahl der Besorgten und Verärgerten lag deutlich darunter. Dabei sind die Befragten hinsichtlich der Integration in Bezug auf die eigene Wohngemeinde zuversichtlicher (52 Prozent) als für Österreich insgesamt gesehen (41 Prozent). Sechs von zehn sehen gutes Zusammenleben
80 Prozent der Befragten geben an, dass in ihrer Wohngemeinde im letzten Jahr Flüchtlinge aufgenommen wurden. Zehn Prozent verneinen diese Frage und zehn Prozent geben keine Antwort. Von denjenigen, die eine Flüchtlingsaufnahme in ihrer Gemeinde wahrgenommen haben, sagen rund sechs von zehn (59 Prozent), dass das Zusammenleben in ihrer Gemeinde gut funktioniere. Drei von zehn sind hingegen nicht dieser Meinung.
Dabei beurteilen jene Personen die Flüchtlingsaufnahme positiver, die hinsichtlich sicherer Arbeitsplätze und einem angemessenen Lebensstandard im Alter zuversichtlich sind. Einstellungen überwiegend positiv
Etwa sieben von zehn Befragten fühlen sich dazu verpflichtet, Menschen auf der Flucht aufzunehmen und sie so vor Krieg und Verfolgung zu schützen. Ebenso viele sind von dem Hass schockiert, den manche Menschen den Flüchtlingen entgegenbringen.  Die Verteilung der Flüchtlinge auf die österreichischen Gemeinden entsprechend der EinwohnerInnenzahl wird von einem Großteil der Befragten (sieben von zehn) befürwortet. Weniger als die Hälfte der Befragten (vier von zehn) sprechen sich dafür aus, dass sich Österreich zuerst um die Probleme im eigenen Land kümmern sollte. Der Städtebarometer ist eine repräsentative Umfrage von SORA – Institute for Social Research im Auftrag des Österreichischen Städtebundes und wurde im Frühjahr 2016 unter 1.054 Personen österreichweit erhoben. Ausblick auf das Programm
Nach dem heutigen Eröffnungstag stehen am Donnerstag vier Arbeitskreise zu Themen wie „Finanzausgleich neu“, „Flüchtlingsintegration: Wege und Herausforderungen“, „Nutzung von Geoinformationen in der Stadt“ und „Stadtregionaler öffentlicher Verkehr" mit vielen interessanten ExpertInnen-Beiträgen auf dem Programm (www.staedtetag.at).
Die Tagung endet am Freitag mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Flüchtlingsaufnahme in Österreichs Städten – eine lösbare Aufgabe?“ u.a. mit Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, Klaus Bouillon, Minister für Inneres und Sport, Saarland (D) und der Wiener Frauen- und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger. Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden. Hinweis: Ein eigenes Pressebüro ist während des Kongresses für JournalistInnen eingerichtet (Congress Innsbruck, Raum Serles, Erdgeschoß). Druckfähige Fotos zum Download unter: http://markuswache.com/archiv/staedtetag_innsbruck_2016/ © Markus Wache
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