Ausschreibung einer Getränkesteuer aus der Sicht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung

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Ein Artikel von Dr. Peter Mühlberger in der ÖGZ 2/2000

Neben dem schon längere Zeit laufenden Verfahren beim Europäischen Gerichtshof, betreffend die EU-Konformität der Getränkesteuer, sowie dem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich, betreffend die Einhebung einer Gemeindesteuer auf Getränke und Speiseeis, hat sich auch der Verfassungsgerichtshof in mehreren Verfahren mit diversen Rechtsfragen zur Getränkesteuer befasst. Hauptthema waren vor allem Rechtsfragen der Verfassungskonformität der Getränkesteuer, Abgabenausschreibung im Wege des freien Beschlussrechtes, Abgabenverordnungsrechte der Städte und Gemeinden sowie Rechtswirksamkeit von Abgabenverordnungen. In der Folge wird versucht, die zu diesen Rechtsproblemen bisher ergangene und vor allem jüngste höchstgerichtliche Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes und ihre Bedeutung für die Erlassung von Gemeindeabgabenverordnungen im Rahmen des freien Beschlussrechtes im Allgemeinen und zur Ausschreibung und Einhebung einer Getränkesteuer im Besonderen kurz darzuste

1. Verfassungskonformität der Getränkesteuer

1.1. Verfassungsrechtliche Bedenken

Neben den bereits hinlänglich bekannten Einwänden gegen die Einhebung einer Getränkesteuer wegen Verstoßes gegen die G.-Mehrwertsteuer-Richtlinie und die Verbrauchsteuer-Richtlinie haben die Rechtsvertreter der Steuerpflichtigen zuletzt versucht, ergänzend zur Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes, welche zu dem bekannten Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof führte (siehe VwGH-Beschluss vom 18.12.1997, Zl. 97/16/0221), nunmehr auch den Verfassungsgerichtshof mit der Frage der EU-Konformität der Getränkesteuer zu befassen.

In diesem Zusammenhang wurde auch vorgebracht, dass für sogenannte Restaurationsumsätze keine Getränkesteuerpflicht gegeben sei und überdies die rückwirkende Anwendung von Rechtsnormen verfassungswidrig wäre.

Außerdem wurden die bei der Getränkesteuereinhebung bekannten Bedenken eines Verstoßes gegen die Mehrwertsteuer- und Verbrauchsteuer-Richtlinie der Verfassungswidrigkeit von Rechtsnormen und als Verletzung von Grundrechten dargestellt.

1.2. Argumente zur Verfassungskonformität

1.2.1. Seitens der belangten Gebietskörperschaften wurde unter anderem hinsichtlich der sogenannten Restaurationsumsätze entgegnet, dass der Bundesgesetzgeber mit Bundesgesetz Nr. I 130/1997 im § 23 Abs. 3c des Finanzausgleichsgesetzes 1997 nunmehr authentisch und damit auch rückwirkend ab 1995 die Getränkesteuerpflicht für die sogenannten Restaurationsumsätze klargestellt und damit festgestellt hat.

In Entsprechung vorzitierter Rechtsnorm ist nunmehr ab dem Kalenderjahr 1995 die Getränkesteuerpflicht für diese Restaurationsumsätze auch in den entsprechenden Gemeinde-Getränkesteuergesetzen und den jeweiligen Getränkesteuer-Abgabenverordnungen der Gemeinden erfasst.

Zur aufgeworfenen Problematik einer angeblichen unzulässigen Rückwirkung dieser Regelung wurde seitens der Gebietskörperschaften klargestellt, dass der Finanzausgleichsgesetzgeber bereits im Jahre 1989 seinen Willen zum Ausdruck gebracht hätte, dass jede Form der Getränkeabgabe, egal ob Lieferung oder Leistung von Getränken, einer Besteuerung zu unterliegen hätte.

Im konkreten Fall wurde durch die rückwirkende Klarstellung von Rechtsnormen keine gleichheitswidrige Verschlechterung der Rechtsposition der Abgabenpflichtigen bewirkt, weil der Getränkesteuergesetzgeber von Anfang an Restaurationsumsätze in die Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer miteinbezogen haben wollte; dies war bereits seit dem Kalenderjahr 1995 geltende Verwaltungspraxis.

Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Umsatzsteuer betreffend Restaurationsumsätze musste im Getränkesteuerrecht lediglich eine Klarstellung im Wege einer authentischen Interpretation herbeigeführt werden.

Diese Rückwirkung hätte sich vor allem deshalb als notwendig erwiesen, um zu vermeiden, dass bestimmte Abgabepflichtige rechtskräftig aus dem Titel Restaurationsumsätze Getränkesteuer entrichtet hätten, andere Abgabepflichtige jedoch bei anhängigen

Getränkeabgabeverfahren betreffend Restaurationsumsätze steuerfrei bleiben würden.

1.2.2. Zur Frage der EU-Konformität wurde bemerkt, dass nach Art. 93 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften für die Umsatzsteuer, Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern erlassen werden können, soweit eine Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Obwohl die Mitgliedstaaten auf dem Gebiete der inländischen Abgaben grundsätzlich das Recht behielten, ihre Steuerpolitik selbstständig zu gestalten, wird diese Steuerautonomie im Hinblick auf das Funktionieren des Binnenmarktes von dem Diskriminierungsverbot nach Art. 90 EGV einerseits und dem Steuerharmonisierungsgebot nach Art. 93 EGV andererseits tangiert.

Das Gebot der Steuerharmonisierung dürfe allerdings nicht zu einer Destabilisierung der Steuereinnahmen eines Mitgliedstaates führen, weil dies kontraproduktiv zum Funktionieren des Binnenmarktes wäre; der von der Europäischen Kommission angeregte Entfall der Getränkesteuer unter dem Aspekt der Harmonisierung wäre aber eine solche Maßnahme, die aus haushalts- und finanzpolitischen Gesichtspunkten seitens der Kommunen Österreichs dem Funktionieren des Binnenmarktes nicht förderlich wäre.

Das Diskriminierungsverbot werde im Übrigen seitens der Abgabenbehörden der Kommunen strikt beachtet, weil nach Art. 7 B-VG das Gleichheitsgebot auch im Steuerrecht zum Tragen komme und ausländische Abgabepflichtige den inländischen Abgabepflichtigen gleichgestellt seien.

Nachdem die Getränkesteuer offensichtlich auch nach Rechtsauffassung der Europäischen Kommission selbst mit der Mehrwertsteuer-Richtlinie vereinbar sei und es sich bei dieser ausschließlichen Gemeindeabgabe um keine Umsatzsteuer, sowie unter Berücksichtigung der Finanzausgleichsgesetz-Novelle 1991, BGBl.Nr. 693/1991, auch um keine Verbrauchssteuer, sondern um eine Verkehrssteuer handle, sei die Anwendung der Verbrauchsteuer-Richtlinie rechtlich bedenklich.

Überdies sei auf die Harmonisierung nach der Verbrauchsteuer-Richtlinie nur dann Rücksicht zu nehmen, wenn dies für das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig wäre, was jedoch im konkreten Fall nicht erforderlich sei.

Nach Art. 31 der Wiener Vertragskonvention, dem Vertragswerk über den österreichischen EU-Beitritt und nach Art. 220 EGV ist für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich eine systematisch-teleologische Interpretation vorgesehen. Nach einhelliger Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes sind Erklärungen und Protokolle der vertragsschließenden Parteien bei Abschluß einer EU-Mitgliedschaft sehr wohl Bestandteil des in der Folge abgeschlossenen Übereinkommens, soferne bezüglich derartiger Erklärungen im Rahmen der Beitrittsverhandlungen Übereinstimmung zwischen den Vertragsparteien bestand. Dazu werde festgehalten, dass anlässlich der Vertragsverhandlungen zwischen den Vertretern der Republik Österreich einerseits und der Europäischen Union andererseits die Frage der Getränkesteuer ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen gewesen war und die EU-Konformität der Getränkesteuer unzweifelhaft feststand. Es sei daher unverständlich, dass nunmehr die Europäische Kommission die EU-Konformität der Getränkesteuer in Frage stelle, ohne dass jemals auch nur eine potentielle Gefahr für das Funktionieren des Binnenmarktes bestanden hätte.

1.3. Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes

1.3.1. Der Verfassungsgerichtshof setzte sich mit den Bedenken der Abgabepflichtigen und den Einwänden der Gebietskörperschaften auseinander und fasste mit Beschluss vom 29.11.1999, B 54/99-8, B 385/99-7, B 387/99-7, B 1051/99-7, B 1213/99-6, B 1241/ 99-7, B 1392/99-7, B 1408/99-7,
B 1680-99-4, B 1745/99-4, B 1788/
99-4, B 1790/99-3, B 384/99-7, B 386/ 99-6, B 388/99-7, B 1052/99-7, B 1240/99-7, B 1253/99-7, B 1407/
99-7, B 1643/99-4, B 1744/99-4,
B 1746/99-4, B 1789/99-4 eine Entscheidung dahingehend, dass die Behandlung der Beschwerden der Abgabepflichtigen abgelehnt werde.

Der Verfassungsgerichtshof führte in seiner Begründung aus, dass er die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen kann, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist.

Die vorliegenden Beschwerden würden die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte in Folge unrichtiger Anwendung von Gesetzesnormen rügen. Soweit die Beschwerden insofern verfassungsrechtliche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften behauptet würde, lässt ihr Vorbringen unter dem Hintergrund der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes vom 2.10. 1999, B 1620/97, (siehe unten) und angesichts des Umstandes, dass der Gesetzgeber mit § 23 Abs. 3c FAG 1997 BGBl.Nr. 201/1996 i.d.F. BGBl.Nr. I 130/1997 keine Erweiterung, sondern bloß eine authentische Interpretation des Begriffes der entgeltlichen Lieferung vorgenommen hat, die behauptete Rechtsverletzung als wenig wahrscheinlich erkennen, sodass die Beschwerden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätten.

1.3.2. Wie oben hingewiesen, hatte sich der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97, mit der Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des Getränkesteuerrechts unter den Aspekten des Gemeinschaftsrechts auseinandergesetzt und allfälligen diesbezüglichen Bedenken gegen die Getränkesteuer entgegnet, dass nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes selbst ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keine Verfassungsverletzung darstellt und daher vom Verfassungsgerichtshof nicht aufzugreifen ist, es sei denn, der Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht wäre offenkundig (ähnlich VfGH-Erkenntnis vom 26.6. 1997, B 877/96 zum Studienrecht) - ein offenkundiger Widerspruch treffe im Falle der Getränkesteuer jedoch nicht zu. Mit dem Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.1997 Zl. 97/16/0221, 97/16/ 0021, über den Antrag auf Vorabentscheidung sollte auf das Fehlen eines offensichtlichen Widerspruches zum Gemeinschaftsrecht hingewiesen werden.

Der Verfassungsgerichtshof hatte daher erstmals selbst zur EU-Konformität der Getränkesteuer eine gewisse positive Haltung eingenommen und jedenfalls einen offenkundigen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht negiert.

2. Abgabenausschreibung (Abgabenerhebung)

2.1. Verfassungsrechtliche Ermächtigungen

2.1.1. Grundsätzlich wird zwischen der Abgabenerhebung und der Abgabeneinhebung unterschieden; die Erhebung der Abgabe bedeutet die Erschließung einer Einnahmenquelle durch die Einführung einer bestimmten Abgabenart, die Einhebung einer Abgabe ist ein Teil der Verwaltung der Abgabe.

2.1.2. Nach Art. 116 Abs. 2 B-VG haben die Gemeinden das Recht der Abgabenausschreibung; dieses bundesverfassungsgesetzliche Recht der Abgabenausschreibung findet sich sowohl im § 7 Abs. 5 F-VG 1948 in der wortgleichen Determination "Abgabenausschreibung", als auch in der offensichtlich inhaltsgleichen Regelung des § 8 Abs. 5 F-VG 1948 in der "Abgabenerhebung". Gemäß § 7 Abs. 5 F-VG 1948 kann die Bundesgesetzgebung die Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung "auszuschreiben"; nach § 8 Abs. 5 F-VG 1948 kann die Landesgesetzgebung die Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu "erheben".

2.2. Freies Beschlussrecht

2.2.1. Die Abgabenausschreibung (Abgabenerhebung) als Bestandteil der Gemeindehoheit und damit Abgabenhoheit, Abgabenquellen zu erschließen und sie auch zu nutzen, dokumentiert sich im sogenannten freien Beschlussrecht der Gemeinden. Bereits im Rahmen seiner Entscheidung vom 1.10.1951, B 207/50, hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass den Gemeinden im Abgabenrecht innerhalb des im Finanzverfassungsgesetz und in den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen abgesteckten Rahmens das freie Beschlussrecht zusteht. Danach können Gemeinden aufgrund dieser Gesetze Beschlüsse über die Ausschreibung (Erhebung) von Gemeindeabgaben fassen; die Bindung derartiger Gemeinderatsbeschlüsse an die Zustimmung der Landesregierung sei nicht erforderlich. Das autonome und weisungsfreie Beschlussrecht der Gemeinden findet sich auch in der jüngsten höchstgerichtlichen Rechtssprechung wieder, wonach die Gemeinden im Rahmen des freien Beschlussrechtes durch selbstständige Verordnungen Abgabenquellen erschließen und auch nützen können (VfGH-Erkenntnis vom 10.10.1966, B 250/66, vom 28.9.1967, B 213/67, vom 29.9.1973, B 182/73, vom 7.12.1973, V 56/72, vom 2.10.1999, B 1620/97).

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat zum sogenannten freien Beschlussrecht auf der Basis der Finanzausgleichsrechtsnormen klargestellt, dass die bundesgesetzliche Ermächtigung zur Abgabenausschreibung im Rahmen des freien Beschlussrechtes dem Erfordernis einer inhaltlich gesetzlichen Determinierung nicht genügt und es sich bei dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung um eine formalgesetzliche Delegation handelt. Deshalb sei in dieser Ermächtigung eine Regelung zu erblicken, auf deren Rechtsgrundlagen die Gemeinden zur Schaffung von selbstständigem Verordnungsrecht befugt seien (so auch VwGH-Erkenntnis vom 26.6.1978, Zl. 1497/77). Während die ältere Rechtssprechung ein Recht der Gemeinden zur Setzung materieller Rechtsnormen in Frage stellt (VfGH-Erkenntnis vom 10.6.1959, B 273/58), wird in der jüngsten Rechtssprechung nicht nur ein Recht der Länder, sondern auch ein Recht der Gemeinden zur Erlassung allgemein verbindlicher Rechtsnormen auf dem Gebiete der ausschließlichen Gemeindeabgaben im Rahmen des freien Beschlussrechtes klar bejaht (VwGH-Erkenntnis vom 29.6.1964, 1808/61, VfGH-Erkenntnis vom 7.12.1965, B 221/65, VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97).

Auch die Rechtslehre schließt sich der jüngsten Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Recht der Gemeinden zur Schaffung materiellrechtlichen Steuerrechts an (Kathollnig "Zu den Abgabenverordnungen der Gemeinden aufgrund des freien Beschlussrechtes", Österreichische Gemeindezeitung 1975, Heft 6, und Hillingrathner "Das freie Beschlussrecht der Gemeinden in Abgabesachen", oö. Gemeindezeitung 1969, Heft 7/8). Es sei vor allem das Recht der Gemeinde zu bejahen, sämtliche zur Ausschöpfung des Abgabengegenstandes erforderlichen materiellrechtlichen Vorschriften selbst zu erlassen, ohne dass es hiezu des Landesgesetzgebers bedarf (Scharitzer "Abgabenhoheit der Gemeinden" aus ,Der Finanzausgleich und seine Bedeutung für die österreichischen Gemeinden', Schriften des Österreichischen Städtebundes, Wien 1979 und Horny "Der Finanzausgleich für die Jahre 1985-1988", Institut für Kommunalwissenschaften und Umweltschutz, Wien 1985).

2.3. Freies Beschlussrecht - Grenzen

2.3.1. Dieses freie Beschlussrecht der Gemeinden in Abgabesachen findet seine Schranken allerdings im § 8 Abs. 5 F-VG 1948, wonach die Landesgesetzgebung die Gemeinden ermächtigen kann, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben, und im § 15 Abs. 3 der zuletzt ergangenen Finanzausgleichgesetze, wonach die Gemeinden ermächtigt sind, durch Beschluss der Gemeindevertretung Abgaben wie Getränkesteuer, Lustbarkeitsabgabe, Hundeabgabe, Ankündigungsabgabe und Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen - vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung - auszuschreiben (siehe auch Wolny "Gebührenhoheit der Gemeinden", Institut für Kommunalwissenschaften und Umweltschutz, Linz 1986).

Landesabgabengesetze nach § 8 Abs. 5 F-VG 1948 müssen die wesentlichsten Merkmale der Gemeindeabgaben, inbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß, bestimmen. Dieses Gesetzespostulat wurde ursprünglich in der Rechtssprechung sehr umfangreich gesehen (VfGH-Erkenntnis vom 15.12. 1960, B 487/59), in der jüngsten Rechtssprechung jedoch auf ein Minimum, wie Abgabengegenstand, Bemessungsgrundlage und Abgabensatz beschränkt (VfGH-Erkenntnis vom 17.3.1966, V 40/65); so ist dem Determinierungsgebot des § 8 Abs. 5 F-VG 1948 mit der Festlegung der wesentlichsten Merkmale und sogar mit der bloßen Festsetzung des Abgabenhöchstsatzes Genüge getan (VfGH-Erkenntnis vom 3.12.1977, B 71/76).

2.3.2. Die verfassungsrechtliche Regelung des § 8 Abs. 5 F-VG 1948 ist grundsätzlich daher in Verbindung mit jener des § 15 Abs. 3 der Finanzausgleichgesetze zu sehen, wonach die Gemeinden durch den Bundesgesetzgeber ermächtigt werden, bestimmte Gemeindeabgaben, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung, auszuschreiben. Dieser "weitergehenden landesgesetzlichen Ermächtigung" kommt vor allem bei der Festlegung eines Abgabensatzes Bedeutung zu, wenn der Bundesgesetzgeber es unterlassen hat, anlässlich seiner finanzausgleichsgesetzlichen Ermächtigung einen Abgabensatz festzusetzen. Bei der Getränkesteuer bedarf es daher keiner landesgesetzlichen Regelung, um eine Abgabe erheben zu können, weil der Bundesgesetzgeber in seiner bundesgesetzlichen Ermächtigung bereits den Rahmen für den Abgabensatz vorgesehen hat. Die landesgesetzliche Ermächtigung kann aber auch für eine Erweiterung des freien Beschlussrechtes der Gemeinden Bedeutung haben, d.h. die Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber kann durch den Landesgesetzgeber erweitert werden (VfGH-Erkenntnis vom 15.12.1960, B 487/59 und vom 7.12.1973, V 56/72).

2.3.3. Der Abgabengesetzgeber hat demnach alleine aufgrund der Gesetzesformulierung "vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber" grundsätzlich das Recht, alle ausschließlichen Gemeindeabgaben näher zu regeln, d.h. es bleibt dem Landesgesetzgeber nach dieser Rechtslage überlassen, weitergehende Ermächtigungen zu erteilen und insbesondere auch materiellrechtliche Vorschriften in Ergänzung zur bundesgesetzlichen Ermächtigung zu erlassen; die bundesgesetzliche Ermächtigung bzw. die daraus resultierenden Gemeinderechte dürfen lediglich dadurch nicht eingeengt oder beschnitten werden (Kathollnig "Zu den Abgabenverordnungen der Gemeinden aufgrund des freien Beschlussrechtes", Österreichische Gemeindezeitung 1975, Heft 6 und VfGH-Erkenntnis vom 28.6.1977, B 34/76); vereinzelt wird in der Rechtslehre sogar die Meinung vertreten, dass der Landesgesetzgeber überall dort, wo der Bundesgesetzgeber ein Höchstausmaß der Abgaben festgesetzt hat, dieses Höchstausmaß noch erweitern könnte.

Die Befugnis des Landesgesetzgebers bezieht sich jedoch weniger auf die Erweiterung, sondern vor allem auf die Konkretisierung der bundesgesetzlichen Ermächtigung; dem Landesabgabengesetzgeber obliegt jedenfalls eine nähere Determinierung der materiellrechtlichen, aber auch verfahrensrechtlichen Rechtsnormen (VfGH-Erkenntnis vom 7.12.1965, B 221/65 und vom 28.6.1977, B 34/76). Die Befugnis des Landesgesetzgebers umfasst aber auch das Recht die Gemeinden zu ermächtigen, in den Abgabenbereichen, welche vom Bundesgesetzgeber nicht geregelt waren, entsprechende materielle oder formelle bzw. verfahrensrechtliche Rechtsnormen zu erlassen.

3. Abgabenverordnungsrecht der Städte und Gemeinden

3.1. Rechtsgrundlage

Im Rahmen der jüngsten Rechtsprechung hat sich der Verfassungsgerichtshof neuerlich mit der Rechtslage des freien Beschlussrechtes der Gemeinden auseinandergesetzt (VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97). Wie bereits in seiner früheren Rechtssprechung hat der Verfassungsgerichtshof nochmals ausdrücklich festgehalten, dass aufgrund der bundesgesetzlichen Ermächtigung des § 7 Abs. 5 F-VG 1948 Gemeinden zur Erlassung selbstständigen materiellen Steuerrechts ermächtigt seien, die Gemeinden also befugt seien, die für die Abgabenausschreibung (Abgabenerhebung) erforderlichen materiellrechtlichen Grundlagen selbst im Wege von selbstständigen Abgabenverordnungen zu schaffen.

3.2. Landesabgabengesetz - Rechtswirkungen

Die Landesgesetzgebung ihrerseits ist allerdings nicht gehindert, gesetzliche Regelungen bezüglich derartiger Abgaben zu treffen, sofern diese Regelungen die bundesgesetzlich erteilte Ermächtigung lediglich konkretisieren und nicht einschränken.

Eine solche landesgesetzliche Regelung tritt somit, soweit sie die bundesgesetzliche Ermächtigung lediglich konkretisiert, und unabhängig davon, ob sie zugleich eine Verpflichtung zur Abgabenerhebung ausspricht, anstelle einer allenfalls bereits vor ihrer Erlassung vorhandenen Abgabenverordnung der Gemeinde derart, dass ab Inkrafttreten des betreffenden Landesgesetzes die Abgabenerhebung der Gemeinde nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat und die Verordnung der Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich des Landesgesetzes unanwendbar ist (VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97).

Die Wirkung einer derartigen landesgesetzlichen Regelung hat damit mehrere Konsequenzen und zwar dahingehend, dass

  • die Gemeinden zwar grundsätzlich im Rahmen ihres auf grund bundesgesetzlicher Ermächtigung eingeräumten freien Beschlussrechtes berechtigt sind, Gemeindeabgabenrecht im Abgabenverordnungswege zu schaffen,
  • ab Inkrafttreten eines Landesabgabengesetzes die Abgabenerhebung der Gemeinde allerdings ausschließlich nach Maßgabe der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat,
  • ein Hinweis auf die bundesgesetzliche Ermächtigung notwendig ist, um das freie Beschlussrecht zum Ausdruck zu bringen, jedoch trotz Vorliegen eines Landesabgabengesetzes der Hinweis auf dieses entbehrlich ist, weil die landesgesetzlich vorgegebenen, materiellen Rechtsnormen bei der Administration der Gemeindeabgabe automatisch zur Anwendung kommen,
  • die Gemeinden bei Vorliegen eines Landesgesetzes dann aber auch der Notwendigkeit enthoben sind, selbst für die für eine Abgabeneinhebung erforderlichen materiellen Rechtsnormen Sorge zu tragen und lediglich einen Beschluss über die Ausschreibung (Erhebung) einer Gemeindeabgabe zu fassen haben.

3.3. Abgabensatz

Bereits mit Erkenntnis vom 3.3.1998, G 2/98, V 2/98 hat das Höchstgericht klargestellt, dass die den Gemeinden kraft § 7 Abs. 5 F-VG 1948 erteilten Ermächtigung Abgaben auszuschreiben, nicht bloß den Abgabengegenstand, sondern auch die Festsetzung des Abgabenausmaßes umfasst und eine Einschränkung des freien, auch die Abgabenhöhe umfassenden Beschlussrechtes der Gemeinden durch den Landesgesetzgeber rechtlich nicht zulässig ist.

Die Verfassungsvorschrift des § 8 Abs. 5 F-VG 1948 wiederum verpflichte den Landesgesetzgeber, die wesentlichen Merkmale von Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß zu bestimmen; die obzitierte Verfassungsbestimmung zählt also zu den wesentlichen Merkmalen der Abgaben auch deren zulässiges Höchstausmaß, bringt aber deutlich zum Ausdruck, dass dem Landesgesetzgeber eine vollständige (einschränkende) Festsetzung des Abgabenausmaßes verwehrt ist.

3.4. Abgabenverordnung - Ausschreibungsverordnung

Der Verfassungsgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/ 1997, eindeutig klar, dass im Falle des Vorliegens eines Landesabgabengesetzes die Gemeinden sich bei der Ausübung ihres freien Beschlussrechtes alleine und ausschließlich auf die Entscheidung (auf das Ob) der Abgabenausschreibung (Abgabenerhebung) beschränken können. Der Verfassungsgerichtshof unterscheidet neuerlich, wie bereits erstmals in seinem Erkenntnis vom 5.12.1991, Zl. 91/17/0110, zwischen einer

  • Abgabenverordnung, in deren Rahmen der Gemeindeverordnungsgeber bei der Handhabung des freien Beschlussrechtes formelle und materielle Bestimmungen in seiner Gemeindeverordnung regelt und einer
  • Ausschreibungsverordnung, in deren Rahmen der Gemeindeverordnungsgeber lediglich eine Entscheidung über das Faktum der Ausschreibung (Erhebung) einer Gemeindeabgabe trifft.

3.5. Kundmachung

Ebenso wie eine Abgabenverordnung bedarf auch eine derartige Ausschreibungsverordnung ihrer Kundmachung nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der Statuten bzw. der Gemeindeordnungen und nicht bloß eines, nach innen wirkenden Haushaltsbeschlusses. Das Faktum, dass eine Gemeinde im Rahmen ihrer Ausschreibungsverordnung lediglich von der Festsetzung der Hebesätze spricht, wie dies im Zusammenhang mit der Grundsteuer rechtlich vorgesehen ist bzw. mit der Gewerbesteuer rechtlich vorgegeben war, steht der Rechtsmäßigkeit einer entsprechenden Ausschreibungsverordnung keinesfalls entgegen, sofern sie sich auf die bundesgesetzliche Ermächtigung bzw. die Bestimmungen des Landesabgabengesetzes (Gemeinde-Getränkesteuergesetzes) bezieht (VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97). Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Gemeinderat einen Beschluss dahingehend fasst, der in Ausübung ihm durch § 15 Finanzausgleichsgesetz erteilten Ermächtigung erfolgt, und dass dieser Gemeinderatsbeschluss nicht bloß Innenwirkung entfaltende Teil des Gemeindevoranschlages ist.

3.6. Auswirkungen

Dem VfGH-Erkenntnis vom 2.10. 1999, B 1620/97 kommt hinsichtlich des Ausschreibungsrechtes der Gemeinden wesentliche rechtliche Bedeutung zu. Im Hinblick auf die Zuständigkeitsnorm des § 8 Abs. 1 F-VG 1948 ist es somit der Landesgesetzgebung anheim gestellt, gesetzliche Regelungen auch auf dem Gebiet von solchen ausschließlichen Gemeindeabgaben zu treffen, die der Bundesgesetzgeber gemäß § 7 Abs. 5 F-VG 1948 dem freien Beschlussrecht der Gemeinden zugeordnet hatte; solche Regelungen dürfen jedoch die bundesgesetzlich erteilte Ermächtigung lediglich konkretisieren und nicht einschränken. Soferne der Landesgesetzgeber derartige materiellrechtliche Rechtsnormen (z.B. OÖ Gemeinde-Getränkesteuergesetz) erlässt, ist es für eine Abgabenausschreibung rechtlich nicht erforderlich, dass die Gemeinden ihrerseits materiellrechtliche Gemeindeabgabenverordnungen beschliessen; die Gemeinden können an sich in diesem Fall bei der Ausübung des freien Beschlussrechtes auf die Entscheidung über die Abgabenausschreibung beschränken. Derartige Beschlüsse der Gemeinden im Rahmen des freien Beschlussrechtes besitzen die Rechtsnormqualität von Rechtsverordnungen und sind entsprechend kundzumachen. (sh. Erlass des Landes OÖ. vom 10.12.1999, Gem-020166/ 105-199-Keh)

4. Abgaben(ausschreibungs-)verordnung - Wirksamkeit

4.1. Kein Rückwirkungsverbot

4.1.1. Zur Rückwirkung im allgemeinen muss festgestellt werden, dass es für die österreichische Rechtsordnung kein ausdrückliches Rückwirkungsverbot für Steuergesetze gibt, sondern es hatte der Gesetzgeber im Art. 49 Abs. 1 B-VG im Zusammenhang mit der Regelung der Wirksamkeit von Rechtsnormen vorgesehen, dass die verbindende Rechtskraft von Rechtsnormen im allgemeinen nach Ablauf des Tages eintritt, an dem das Bundesgesetzblatt, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird, "wenn nichts ausdrücklich anderes bestimmt ist." Mit letzterem Hinweis hat der Bundesgesetzgeber nach einhelliger Rechtssprechung (VfGH-Erkenntnis vom 16.6.1995, G 192/94) und Rechtslehre (Doralt-Ruppe "Grundriss des österreichischen Steuerrechts", Band II, 3. Auflage, Seite 171) die rechtliche Möglichkeit der rückwirkenden Kraft von Rechtsnormen verfassungsrechtlich verankert.

4.1.2. Obwohl in der Regel jede Änderung der Rechtslage nur pro futuro wirkt, ist der Gesetzgeber aber nicht verhindert, Rechtsnormen mit rückwirkender Rechtskraft zu erlassen, wobei bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von rückwirkenden gesetzlichen Regelungen dem Vertrauensschutz große Bedeutung zukommt, d.h. ob eine rückwirkende Rechtsnorm vertrauensverletzend wirkt, hängt beispielsweise von der Klarheit der Rückwirkung für die Abgabepflichtigen, von der Gleichheitsmäßigkeit der Einbeziehung sämtlicher Abgabenverfahren, von der wirtschaftlichen Bedeutung der Rückwirkung für die Abgabepflichtigen und von der bisher geübten abgabenrechtlichen Verwaltungspraxis ab. In diese Richtung tendiert auch die Rechtssprechung, wonach Rechtsnormen, die nachträglich an früher verwirklichte Tatbestände abgabenrechtliche Rechtsfolgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition der Abgabepflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, gleichheitswidrig wären, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden (VfGH-Erkenntnis vom 14.3.1990, G 283/89); Rechtsnormen können demnach mit dem Gleichheitsgrundsatz in Konflikt geraten, insoweit Normunterworfene und im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage Handelnde nachträglich belastet würden. Das könne bei schwerwiegenden plötzlich eintretenden Rechtseingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der abgabepflichtige Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belasteten Eingriffes führen.

4.2. Finanzausgleich - Rechtswirksamkeit von Verordnungen

4.2.1. Zur gesetzlichen Klarstellung der Wirksamkeit bzw. Rückwirkung einer Abgabenverordnung wird bemerkt, dass nach § 15 Abs. 5 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl.Nr. 687/ 1988 i.d.F. § 15 Abs. 6 BGBl.Nr. 693/91 Verordnungen der Gemeinden aufgrund dieses Bundesgesetzes bereits nach dessen Kundmachung erlassen werden können, wobei diese Verordnungen frühestens mit dem Inkrafttreten des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes in Kraft gesetzt werden dürfen; werden derartige Verordnungen erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen, können diese rückwirkend mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft gesetzt werden.

4.2.2. Das im Bundesgesetz vorgesehene Rückwirkungsrecht für Gesetze gilt daher auch für Abgabenverordnungen, welche ebenfalls rückwirken können, sofern sie eine entsprechende gesetzliche Grundlage haben. Nach einhelliger jüngster Rechtssprechung sind rückwirkende selbstständige Abgabenverordnungen, die sich auf die im § 7 Abs. 5 F-VG 1948 beruhende Ermächtigung zur Abgabenausschreibung in den jeweiligen Finanzausgleichgesetzen stützen, als unbedenklich anzuerkennen, wenn die Rückwirkung nur bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ermächtigungsnorm (Inkrafttreten des Finanzausgleichgesetzes) zurückreicht, (VwGH-Erkenntnis vom 3.7.1978, Zl. 1205/77 und vom 30.7.1992, Zl. 87/17/0125).

4.2.3. Es ist sogar verfassungsrechtlich möglich, auch rechtskräftig abgeschlossene Abgabenverfahren von der Rückwirkung eines Gesetzes zu erfassen (VfGH-Erkenntnis vom 1.12.1966, B 254/66); für die verfassungsmäßige Zulässigkeit einer Regelung ist allerdings entscheidend, dass sie, am Gleichheitssatz gemessen, bestehen kann, d.h. dass die Regelung auf alle von ihr gleichermaßen berührten Fälle zutrifft (VfGH-Erkenntnis vom 1.12.1966 B 254/66); Argumentum e contrario ist zu folgern, dass die rückwirkende Gleichbehandlung sachlich differierender Tatbestände eine Gleichheitswidrigkeit mit sich bringen könnte. Dementsprechend wurde in der jüngsten Judikatur auch die Anerkennung eines Rückwirkungsrechtes bei Abgabenverordnungen von der Bedachtnahme auf das Gleichheitsgebot abhängig gemacht; so wurde in der Vergangenheit z.B. eine rückwirkende Getränkesteuerpflicht für solche Sachverhalte, hinsichtlich derer ein Verfahren zum Zeitpunkt des Geltungsbeginns einer Rechtsnorm anhängig war, deshalb als gleichheits- und damit verfassungswidrig erkannt, weil andere Sachverhaltsbereiche, wie z.B. das Unterlassen einer Abgabenerklärung oder die Abgabenhinterziehung von der rückwirkenden Abgabepflicht nicht erfasst waren und daher gewisse Abgabepflichtige sachlich nicht gerechtfertigt bevorzugt wurden (VfGH-Erkenntnis vom 7.3.1991, B 76/90).

Im konkreten Sachverhalt, der der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 2.10.1999, B 1620/97 zugrunde lag, hat das Höchstgericht das rückwirkende Inkraftsetzen der Abgabenverordnung im Hinblick auf die Regelung des § 15 Abs. 5 FAG 1989, BGBl.Nr. 687/88 i.d.F. § 15 Abs. 6 BGBl.Nr. 693/91 als unbedenklich erachtet, weil die Abgabenverordnung einer Gemeinde, die erst nach Inkrafttreten des Finanzausgleichgesetzes erlassen wurde, rückwirkend mit Inkrafttreten dieses Finanzausgleichgesetzes in Kraft gesetzt wurde.

4.2.4. Unter Berücksichtigung oben dargestellter Gesetzeslage (§ 15 Abs. 5 bzw. Abs. 6 Finanzausgleichsgesetz) und Rechtssprechung (VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97) ist auch jene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 18.3.1993, V 12/1992, zu interpretieren, wonach eine Abgabenverordnung aufgrund des freien Beschlussrechtes nicht zu "jeden beliebigen anderen Termin", sondern frühestens mit dem Inkrafttreten des ihr zugrunde liegenden Finanzausgleichgesetzes in Kraft gesetzt werden kann.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes sollen mit der Bestimmung des §15 Abs. 5 Finanzausgleichsgesetz Vorkehrungen getroffen werden, dass Abgabenverordnungen der Gemeinden aufgrund des freien Beschlussrechtes gleichzeitig mit der ihnen im Finanzausgleichsgesetz zugrunde liegenden Ermächtigung in Kraft gesetzt werden können und ein "regelungsloser Zustand" vermieden wird, selbst wenn das zugrunde liegende Finanzausgleichsgesetz zu einem späteren Zeitpunkt kundgemacht würde (siehe Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 12.10.1999, GZ 61 2124/83-II/11/99).

Eine Gemeinde kann daher lediglich zu einem im Rahmen der Wirksamkeitsperiode eines Finanzausgleichsgesetzes liegenden Termines ihre Abgabenverordnung in Kraft setzen, nicht aber zu jedem anderen beliebigen Termin, der etwa vor der Rechtswirksamkeit (Geltungsdauer) des anzuwendenden Finanzausgleichsgesetzes liegt. Das zeitliche Inkraftsetzen eines Finanzausgleichsgesetzes sollte daher lediglich als äußerster Rahmen für das Wirksamwerden einer Abgabenverordnung angesehen werden; eine Verpflichtung der Gemeinden, ihre Abgabenverordnungen mit Inkrafttreten des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes in Kraft zu setzen, kann daraus nicht abgeleitet werden. Jedenfalls ist rechtlich zu folgern, dass die Gemeinden dazu verhalten sind, jeweils frühestens zum Inkrafttreten des entsprechenden Finanzausgleichsgesetzes auch ihre Abgabenverordnungen in Kraft zu setzen.

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