Die Getränkesteuer auf Dienstleistungen?

Ein Artikel von Mag. Helmut Moritz in der ÖGZ 10/98

Mag. Helmut Moritz, derzeit karenzierter Assistent am Institut für Finanzrecht der Universität Graz, ist Mitarbeiter der Kanzlei Leitner & Leitner in Linz.

In ihrer Stellungnahme im Verfahren zur Getränkesteuer geht die Europäische Kommission davon aus, daß die Getränkesteuer gegen Art 3 Abs 2 der Richtlinie 92/12 (Verbrauchsteuersystemrichtlinie) verstoße. Eine Analyse der Entstehungsgeschichte zeigt jedoch, daß es sich bei der Getränkesteuer um eine Steuer auf Dienstleistungen Isd Art 3 Abs 3 der Richtlinie handelt. Das bedeutet jedoch, daß die Getränkesteuer nicht die restriktiven Anforderungen des Absatz 2 zu erfüllen hat, sondern daß lediglich sichergestellt sein muß, daß sie keine Steuer mit dem Charakter einer Umsatzsteuer ist und zu keinen Formalitäten beim Grenzübertritt führt.

Wie bereits in der Literatur dargestellt1, hat der VwGH mit dem Beschluß vom 18.12.97, 97/16/0221 und 97/16/0021 dem EuGH 3 Fragen bezüglich der Auslegung von Art 92 EGV, Art 33 der 6. MwSt-Rl und Art 3 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie vorgelegt. Gegenstand des Verfahrens war die europarechtliche Zulässigkeit der Getränkesteuer. Bezüglich dieses Ersuchens um Vorabentscheidung liegt nun die Stellungnahme der Europäischen Kommission vor. In dieser Stellungnahme geht die Kommission davon aus, daß die Getränkesteuer zwar keine mehrwertsteuergleiche Abgabe iSd Art 33 der 6.MwSt-Rl ist, wohl aber gegen Art 3 Abs 2 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie verstößt, insoweit sie auf alkoholische Getränke erhoben wird.

In bezug auf Art 33 folgt die Kommission der in der österreichischen Literatur2 vertretenen Ansicht, daß die Getränkesteuer zwar einige Ähnlichkeiten mit der Mehrwertsteuer aufweise, ihr insgesamt jedoch einige Merkmale der Umsatzsteuer fehlen. Als besonders schwerwiegend erachtet die Kommission, daß die Getränkesteuer keine allgemeine Steuer ist und verweist dabei auf das Urteil "Facenda Pública"3, in welchem der EuGH die Prüfung einstellte, nachdem sichergestellt war, daß es sich bei der in Frage stehenden Abgabe nicht um eine allgemeine Steuer handelte.

Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Konformität der Getränkesteuer mit der Verbrauchsteuerrichtlinie stellt die Kommission explizit die Frage, ob die Getränkesteuer eine Steuer auf Dienstleistungen ist und daher nach Art 3 Abs 3 der Verbrauchsteuersystemrichtline zu prüfen ist, kommt jedoch zu dem Ergebnis, das dies nicht der Fall ist. Das bedeutet jedoch, daß die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke die restriktiven Anforderungen des Art 3 Abs 2 zu erfüllen habe. Nach Art 3 Abs 2 ist eine Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren nur zulässig, wenn sie eine besondere Zielsetzung verfolgt, sowie die Grundsätze der Mehrwertsteuer oder der Verbrauchsteuern beachtet. Die Getränkesteuer entbehre jedoch nach Ansicht der Kommission jeglicher besonderer Zielsetzung und folge weder den Besteuerungsgrundsätzen der Mehrwertsteuer, da (unter anderem) das Bedienungsgeld von der Bemessungsgrundlage ausgenommen ist, noch den Grundsätzen der Verbrauchsteuern, da die Steuer proportional zum Preis erhoben wird und nur einen Steuersatz für alkoholische Getränke kennt.

Bei der Befreiung der Ab-Hof-Verkäufe handele es sich nach Ansicht der Kommission sowohl um eine unerlaubte Beihilfe iSd Art 92 EGV, als auch um einen Verstoß gegen die gemeinsame Marktorganisation für Wein4, da eine Befreiung die gleiche Wirkung habe, wie eine entsprechende Preiserhöhung. Der von der Bf im innerstaatlichen Verfahren vorgetragene Verstoß gegen Art 95 EGV wird von der Kommission nicht geprüft.

Im Zusammenhang mit den Ab-Hof-Verkäufen ist der Kommission mE zuzustimmen, nicht jedoch den Ausführungen im Zusammenhang mit der Verbrauchsteuersystemrichtlinie, wonach die Getränkesteuer keinesfalls eine Steuer auf Dienstleistungen sei. Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer hat der EuGH5 bereits ausgesprochen, daß Restaurationsumsätze als Dienstleistungen zu behandeln sind. Es ist dem Meinungsstand in der Literatur jedoch zu folgen, daß die Einordnung von Restaurationsumsätzen als Dienstleistung für Zwecke der Umsatzsteuer keine Auswirkungen auf die Interpretation für Zwecke außerhalb der Umsatzsteuer haben kann6. Wohl aber kann sich aus der Entstehungsgeschichte der Verbrauchsteuersystemrichtlinie ergeben, daß die Getränkesteuer als eine Steuer auf Dienstleistungen iSd Art 3 Abs 2 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie anzusehen ist:

Grundsätzlich wollte die Kommission im Zuge der Harmonisierung der speziellen Verbrauchssteuern jegliche zusätzlichen Steuern auf Waren verbieten, die einer harmonisierten Steuer unterliegen. Dieser Ansicht wurde jedoch von den Mitgliedstaaten nicht gefolgt. Insbesondere sollten die Getränkesteuer sowie eine sogenannte Tankstellensteuer beibehalten werden dürfen.

Der nächste Kompromißvorschlag ging davon aus, daß es auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zwar nur eine Steuer geben dürfe, diese harmonisierte Steuer jedoch spezifische Bestandteile zu "sektoriellen Zwecken" (Umwelt, Gesundheit, Verkehr) oder zum Zwecke der Finanzierung von regionalen oder lokalen Körperschaften aufweisen könne, sofern diese spezifischen Bestandteile die im Rahmen der Mehrwertsteuer und der Verbrauchsteuern anwendbaren Besteuerungs- und Beförderungsregeln wahren. Teilweise fand dieser Gedanke in Art 3 Abs 2 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie Eingang, der nun andere Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zuläßt, sofern diese eine besondere Zielsetzung verfolgen und die Grundsätze der Mehrwertsteuer oder der Verbrauchsteuern beachten.

Die lokalen Steuern, insbesondere die Getränkesteuer, sollten hingegen nicht in Art 3 Abs 2, sondern an anderer Stelle, im Zusammenhang mit Steuern auf Dienstleistungen, behandelt und für zulässig erklärt werden, was implizit in Art 3 Abs 3 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie auch getan wird. Daher kann mE durchaus davon ausgegangen werden, daß es sich bei "Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren" (auch) um die Getränkesteuer handelt.

Die Einordnung der Getränkesteuer unter Art 3 Abs 3 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie bedeutet jedoch, daß diese nicht die restriktiven Anforderungen des Art 3 Abs 3 zu erfüllen hat, sondern daß lediglich sichergestellt sein muß, daß die Steuer keine Steuer mit dem Charakter einer Umsatzsteuer ist und sie zu keinen mit dem Grenzübertritt zusammenhängenden Formalitäten führt. Betrachtet man die Judikatur des EuGH zu diesen Erfordernissen, so dürfte davon ausgegangen werden können, daß die Getränkesteuer diese Anforderungen erfüllt.

1) Kamhuber, Prüfung der Getränkesteuer auf EU-Konformität; ÖGZ 4/1998, 10.
2) Moritz, Die Vereinbarkeit österreichischer indirekter Steuern mit Art. 33 der 6. MwSt-RL, FJ 1996, 271.
3) EuGH 17.9.1997, Rs C-130/96, Slg I-5067.
4) Verordnung (EWG) Nr. 822/87.
5) EuGH 2.5.1996, Rs C 231/94, Slg I-2395
6) Beiser, Die Getränkesteuer im Licht der EU, SWK-Heft 35/36, 714.

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