Getränkesteuer - Neues aus Kommission und Europaparlament

Das Verfahren um die Getränkesteuer ist in diesem Herbst um einige Facetten reicher geworden.

Initiative im Europaparlament
Eine starke Unterstützung kam vom Abgeordneten zum Europaparlament, Mag. Herbert Bösch, der am 22. September 1999 eine parlamentarische Anfrage an den zuständigen Kommissar Monti gerichtet hat, die auf das für die Gemeinden äußerst unverständliche Verhalten der Kommission Bezug nimmt. Die Fragen lauten wie folgt:

  1. "Gibt es in der Kommission Unterlagen betreffend der Prüfung des österreichischen Steuersystems und insbesondere der Getränkesteuer auf Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht?
  2. Welche Haltung hat die Kommission in den Jahren 1991 und 1992 im Zusammenhang mit der deutschen Getränkesteuer eingenommen?
  3. Aus welchen Gründen ist es zu einem Meinungswechsel der Kommission zwischen Anfang der 90er Jahre und dem nunmehr anhängigen Verfahren vor dem EuGH gekommen?"

Mit einer Beantwortung ist üblicherweise nach rund 6 Wochen zu rechen. Grundlage für die Anfrage war u.a. die Berichterstattung in der Österreichischen Gemeinde-Zeitung (ÖGZ) 6, 7, 8 und 9/1999, in denen u.a. aufgezeigt wurde, daß der früher für Finanzen zuständige Kommissar Peter Schmidhuber beim Österreichischen Städtetag 1991 zur Getränkesteuer erklärt hatte, daß er keinen Grund sehe, "warum sie nicht EG-verträglich wäre", nunmehr aber die Kommission von den seinerzeitigen Aussagen ihres Kommissars nichts mehr wissen will und sich darauf zurückzieht, daß es keine diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen Österreich und der EG gäbe.

Überdies hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung behauptet, daß sie keine Unterlagen über seinerzeitige Erklärungen zur Getränkesteuerfrage gefunden habe. Dem Österreichischen Städtebund liegen jedoch Hinweise darüber vor, daß 1991/92 sehr wohl über die Getränkesteuerfrage in Ratsarbeitsgruppen unter Beiziehung von Mitgliedern der zuständigen Generaldirektion XXI beraten wurde und z.B. Klarstellungen zugunsten der deutschen Getränkesteuer getroffen wurden. Man darf somit auf die Antwort gespannt sein.

"Begründete Stellungnahme" der Kommission zur Getränkesteuer

Weiters hat die Kommission in der Angelegenheit Getränkesteuer zusätzlich zum Verfahren beim EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich angestrengt und - ohne die Entscheidung des EuGH abzuwarten - vor kurzem eine "begründete Stellungnahme" gegen die Getränkesteuer abgegeben. Darin fordert sie Österreich auf, innerhalb von zwei Monaten den EG-widrigen Rechtszustand zu beseitigen.

Es ist interessant, daß die Kommission die EG-Widrigkeit nur mehr darin erblickt, daß der Getränkesteuer eine "besondere Zielsetzung", wie z.B. eine wirtschafts-, sozial-, umweltpolitische oder sonstige Zielsetzung fehle.

Dies entspricht weitgehend den seinerzeit vom Generalanwalt genannten Zielen wie Umweltschutz, Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie Fremdenverkehr, Sport, Kultur oder Freizeitveranstaltungen.

Die Beschaffung von Einnahmen für die Gemeinden zur Finanzierung etwa der besonderen Fremdenverkehrsinfrastruktur wird als nicht ausreichend bezeichnet. Die früher von der Kommission geäußerte Haltung, die Getränkesteuer müßte die Grundsätze der Verbrauchsteuer-Richtlinie beachten (z.B. Berechnung auf Basis der Menge, Einhebung beim Produzenten) wird nicht mehr erwähnt.

Heißt das, daß die vom Österreichischen Städtebund ausgearbeitete Grundlage für die Gemeinden, für die Einnahmen aus der Getränkesteuer eine besondere Zielsetzung zu beschließen (siehe Rundschreiben Nr. 23 vom 2. September 1999), nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme gegen Rückforderungen für das laufende Jahr sondern unter Umständen bereits einen endgültigen Lösungsansatz darstellt? Ein derartiger Beschluß des Gemeinderates ist relativ leicht gefaßt und hat dann keinerlei negative Auswirkungen, wenn die Ausgaben, die als besondere Zielsetzung festgelegt werden, die Einnahmen aus der Getränkesteuer ohnedies übersteigen.

Während sich die Kommission in ihrer begründeten Stellungnahme vom 17. September 1999 eingehend mit Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie (besondere Zielsetzung) auseinandersetzte, hat sie nicht im geringsten den Art. 3, Abs. 3, 2. Satz erwähnt. Danach ist es den Mitgliedstaaten freigestellt "Steuern auf Dienstleistungen auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu erheben, soferne es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt." (Gemeint sind Umsatzsteuern; dies hat bereits der Generalanwalt festgestellt, der auch verneinte, daß die Getränkesteuer gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie verstößt.)

Diese Sonderbestimmung des Abs. 3 2. Satz wurde seinerzeit zum Schutz der deutschen Getränkesteuer, die primär als Schanksteuer ausgebildet ist, eingeführt.

Änderung von Landesabgabenordnungen

Eine Vielzahl von Reaktionen gab es zur gemeinsamen Initiative von Städtebund und Gemeindebund bei den Ländern, die ersucht wurden, ihre Landesabgabenordnungen für den Fall der Rückzahlung der Getränkesteuer zum Schutz der Gemeinden anzupassen, nachdem eine Initiative im Parlament nicht umgesetzt werden konnte. Die Mehrheit der Bundesländer ist diesbezüglich aktiv. Grundsätzlich kann jedoch bei einer entsprechenden Entscheidung des EuGH eine Rückzahlungsverpflichtung nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Zusammenfassung

  • Es gab seinerzeit so viele Erklärungen über die EG-Konformität der Getränkesteuer, daß die Gemeinden in dieser Frage guten Glaubens in die EU-Mitgliedschaft gegangen sind. Überdies ist die Kommission in der Angelegenheit einer allfälligen EG-Widrigkeit erst vor kurzem aktiv geworden. Daraus leitet sich zweifellos die Erwartung der Gemeinden ab, daß keine rückwirkende Aufhebung erfolgt.
  • Die Getränkesteuer im Gastronomiebereich ist jedenfalls unter die Besteuerung von Dienstleistungen einzuordnen.
  • Selbst wenn der EuGH die gesundheitspolitisch motivierte Differenzierung des Steuersatzes (10 % für alkoholische, 5 % für nicht-alkoholische Getränke) nicht von vornherein als besondere Zielsetzung gelten läßt, wäre somit nur für die auf Handelsumsätze entfallende Getränkesteuer eine deutlichere Ausprägung der besonderen Zielsetzung erforderlich. Diese könnten die Gemeinden durchaus mit einer Zweckbindung, etwa für gesundheits-, sozialpolitische oder sonstige Zwecke, die sich aus dem Charakter der Getränkesteuer ergeben, herstellen.
  • Schon im Artikel von Dr. Kamhuber in der ÖGZ 9/99 wurde darauf hingewiesen, daß die österreichische Getränkesteuer das Funktionieren des Binnenmarktes nicht stört und damit die Verbrauchsteuerrichtlinie überhaupt nicht anwendbar ist. Wenn eine Prüfung durch den EuGH dies bestätigt, könnte die Getränkesteuer unverändert beibehalten werden.
  • Die gesamte Frage ist auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität zu sehen. Insofern stellt die Vorabentscheidung des EuGH ein wesentliches Signal dafür dar, ob und inwieweit dem Prinzip der Subsidiarität und der Gemeindeautonomie Rechnung getragen wird.

Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes ist die österreichische Getränkesteuer EU-konform. Ob dies der EuGH auch so sieht, ist eine andere Frage.

OEGZ

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