Rechtsprobleme und Verfahrensfragen
Ein Artikel von Dr. Peter Mühlberger in der ÖGZ 7/2000 Finanzrechts- und Steueramt der Landeshauptstadt Linz (Die Verwendung des Artikels ist ausschließlich unter Hinweis auf Autor und ÖGZ 7/2000 des Österreichischen Städtebundes gestattet!!!)
Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Getränkesteuer ergeben sich eine Reihe von Rechtsproblemen und Verfahrensfragen. Im vorliegenden Artikel wird unter anderem zu den wichtigsten Punkten mit nachfolgendem Ergebnis Stellung genommen:
- Steuerpflicht der unmittelbar vor dem 9. März 2000 erzielten Umsätze kann behauptet werden, auch wenn die Getränkesteuer noch nicht bezahlt wurde.
- In der Frage des "entsprechenden Rechtsbehelfs" hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000 zugunsten einer weiten (extensiven) Auslegung entschieden: Auch Null-Erklärungen mit der Begründung der "EU-Widrigkeit" sind entsprechende Rechtsbehelfe.
- In der Frage der Bereicherung wird voraussichtlich von einer weitgehenden Überwälzung - allerdings auch prüfung im Einzelfall - ausgegangen werden können. Ein WIFO-Gutachten soll Hilfestellung geben.
1. EuGH-Erkenntnis vom 9.3.2000
1.1 Rechtsaussagen
Zur Rechtswirksamkeit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes wird bemerkt, dass er aufgrund mehrerer Indizien grundsätzlich keine rückwirkende Gemeinschaftswidrigkeit der Getränkesteuer erkennen wollte. Dafür spricht vor allem, dass
- sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 berufen könne, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie Getränkesteuer auf alkoholische Getränke, geltend zu machen (ausgenommen Anlassfälle),
- die österreichische Regierung aufgrund des Verhaltens der Europäischen Kommission annehmen konnte, dass die Vorschriften über die Besteuerung alkoholischer Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wären,
- zwingende Gründe der Rechtssicherheit es ausschließen, dass Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkung in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden und damit das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttert würde.
1.2 Rechtswirkungen
1.2.1 Abgabenfälligkeit
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes könne sich niemand auf die Gemeinschaftswidrigkeit (Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsteuer Richtlinie) berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie Getränkesteuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen.
Nach einem Gutachten des Bundeskanzleramtes ist Fälligkeit im Sinne des nationalen Rechts zu verstehen.
Dies würde argumentum e contrario bedeuten, dass hinsichtlich jener Abgabenschuldigkeiten, die nach dem 9. März 2000 fällig wurden, der Steuerschuldner EU-Widrigkeit geltend machen könnte.
Dazu muss allerdings entgegnet werden, dass
- in vielen EU-Staaten der Begriff der Fälligkeit im Sinne des nationalen Rechts nicht bekannt ist,
- die Fälligkeit von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ist und sogar unterschiedliche Fälligkeitsvereinbarungen innerhalb einer Gemeinde möglich sind (Gleichheitsproblematik),
- # in der Lehre ebenfalls die Rechtsauffassung vertreten wird, wonach die zeitliche Wirkung dieses Urteils auf Sachverhalte zu begrenzen ist, welche sich erst nach dem 9.3.2000 verwirklicht hatten (sh. Mag. Huber, Institut für Europarecht, Linz, "Getränkesteuer - eine (fast) unendliche Geschichte", ÖStZ Nr. 11/2000),
- im Hinblick auf die Bereicherungsregelungen (z.B. § 186 a Abs. 1 2. Satz Oö. LAO, LGBl.Nr. 19/2000) eine nachträgliche Abgabenvorschreibung auch nach dem 9. März 2000 rechtlich möglich ist.
- Daraus ist zu folgern, dass die Gemeinden für die vor dem 9.3.2000 realisierten Abgabentatbestände Getränkesteuer vorschreiben und einheben können.
1.2.2 Steuererhebung
Die Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke war rechtmäßig und gemeinschaftsrechtskonform und es erfolgt daher die Einhebung für Abgabenzeiträume bis zum 31.12.2000 (Gesetzesänderung) jedenfalls gesetzeskonform.
Die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke war für Abgabenzeiträume vor dem 9.3.2000 grundsätzlich rechts- und gemeinschaftsrechtskonform vorgeschrieben und eingehoben worden - hinsichtlich der vor dem 9.3.2000 entrichteten oder fälligen Abgabenschuldigkeiten kann sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchssteuer-Richtlinie berufen. (Urteil mit Ex-nunc Wirkung; siehe auch "Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben" von Univ.-Prof. Dr. Tanzer in "Das EuGH-Verfahren in Steuersachen" von Holoubek/Lang im Linde-Verlag, Wien 2000 S. 215)
Getränkesteuer auf alkoholische Getränke kann aber auch in den sogenannten Anlassfällen für Abgabenzeiträume vor dem 9.3.2000 nicht gutgeschrieben und nicht rückgezahlt (in Oberösterreich nicht erstattet) werden, wenn der Steuerpflichtige dadurch bereichert wäre, weil die Abgabe nicht von ihm wirtschaftlich getragen, sondern auf die Konsumenten abgewälzt worden war.
Die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke kann aber auch für Abgabenzeiträume vor dem 9.3.2000 nachträglich (in Anlassfällen - siehe etwa § 186 a Abs. 1 2. Satz Oö. LAO - unter dem Gesichtspunkt des Bereicherungsverbotes) vorgeschrieben bzw. nachgefordert werden.
Die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke kann für Abgabenzeiträume nach dem 9.3.2000 jedoch nicht mehr vorgeschrieben bzw. erhoben werden.
1.2.3 Anlassfälle
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9.3.2000 kann sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt (Anlassfälle).
Hinsichtlich des Begriffes Klage ist unbestritten, dass es sich dabei um Klagen vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof handelt, welche zum Zeitpunkt der Erlassung des EuGH-Urteils vom 9.3.2000 bereits bei diesen Höchstgerichten anhängig gemacht worden waren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in den für die Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof maßgeblichen Anlassfällen bereits eine entsprechende Entscheidung getroffen - so etwa auch im VwGH-Erkenntnis vom 30.3.2000, Zl. 2000/16/0116, wonach er beispielsweise den angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung, welcher die Abgabenvorschreibung für alkoholische Getränke bestätigt hatte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben hat.
Alle weiteren Anlassfälle, welche derzeit noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sind, werden analog entschieden - in all diesen Verfahren wird der Verwaltungsgerichtshof vorerst die Bereicherungsregelung nach den Landesabgabenordnungen (z.B. § 186 a Abs. 1 Oö. LAO) noch nicht berücksichtigen; dies vor allem deshalb, weil es nach der aus der ständigen Rechtssprechung des Höchstgerichtes resultierenden Rechtslage für den vom Höchstgericht anzuwendenden Prüfungsmaßstab unbeachtlich ist, dass der Gesetzgeber ein von der Behörde anzuwendendes Gesetz (z.B. Oö. LAO-Novelle vom 8. März 2000) nach Erlassung des angefochtenen Abgabenbescheides (z.B. Abgabenbescheid vom Februar 2000) aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Juli 2000) rückwirkend ändert; eine Änderung seiner bisherigen Spruchpraxis unter den besonderen Umständen der Vielzahl der Abgabenverfahren ist nicht sicher. Der Verwaltungsgerichtshof prüft den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit aufgrund der Gesetzeslage, die bei Erlassung des Bescheides bestand; Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - selbst wenn sie auf die Zeit vor der Erlassung des Bescheides zurückwirken sollten - sind bei seiner Entscheidung demnach nicht zu berücksichtigen. Nach Aufhebung des angefochtenen Abgabenbescheides durch das Höchstgericht hat jedoch die Abgabenbehörde im fortgesetzten Abgabenverfahren die Rechtslage auf der Basis der Novelle zur Landesabgabenordnung rechtlich zu beurteilen.
2. Gleichheitsgrundsatz
Es wird vereinzelt von Steuerpflichtigen und bereits in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf den Wegfall der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke die Einhebung der Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke trotz EU-Konformität gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig wäre.
Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof bereits mit Beschluss vom 15. Dezember 1999, B 1360/99-6, klargestellt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grund zu erkennen gäbe, der es verbieten würde, selbst bei Entfall der Gemeinde-Getränkesteuer auf alkoholische Getränke neben den auf gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen beruhenden Verbrauchsteuern des Bundes auf alkoholische Getränke (Biersteuer, Alkoholsteuer, Schaumweinsteuer) eine mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare Gemeindesteuer auf die Veräußerung von alkoholfreien Getränken zu erheben.
3. Rechtskraft
Grundsätzlich hat der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9.3.2000 festgestellt, dass sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 berufen kann, um Ansprüche betreffend Abgaben wie Getränkesteuer geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.
Bei vor dem 9.3.2000 rechtskräftigen Abgabenbescheiden ist daher die Getränkesteuer bereits vor dem 9.3.2000 fällig geworden und es ist auch kein Rechtsbehelf vor dem 9.3.2000 eingelegt worden, weshalb hier
- die Rechtskraft nicht durchbrochen werden kann (siehe auch VwGH-Erkenntnis vom 31.3.1999, Zl. 98/16/ 0297),
- eine Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt ist (Rechtsgründe rechtfertigen keine Wiederaufnahme),
- eine Abgabenexekution in voller Höhe möglich ist (Voraussetzung Rückstandsausweis).
Eine Grenze der Anfechtungsmöglichkeiten ist daher in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren und damit rechtskräftigen Abgabenbescheiden zu sehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind jene Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkung in der Vergangenheit erschöpft haben, nicht in Frage zu stellen (sh. Rechtsgutachten des Bundeskanzleramtes vom 6.4.2000, GZ BKA VA C-437/97/5-V/A/8/00 unter Berufung auf das EuGH-Erkenntnis vom 9.3.2000 Rs C 437/97 Rz 59).
Der Europäische Gerichtshof hat auch in dem in Fussballkreisen bekannten Bosmann-Urteil vom 15.12.1995, Rs C-415/93, ausdrücklich festgestellt, dass es zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit verbieten, Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, deren Wirkung sich in der Vergangenheit erschöpft hat; "ausnahmsweise könne sich der Gerichtshof in Anwendung eines zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehörenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit veranlasst sehen, die Möglichkeit für alle Betroffenen einzuschränken, sich auf eine von ihm ausgelegte Bestimmung zu berufen, um gutgläubig begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen."
Schließlich hat sich auch bereits der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31.3.1999, Zl. 98/16/ 0297, schon lange vor dem EuGH-Erkenntnis vom 9.3.2000, mit der Frage EU-Widrigkeit einerseits und Rechtskraft andererseits dezidiert mit dieser Rechtsfrage beschäftigt. Das Höchstgericht gelangte dabei zur Rechtsauffassung, dass der auch vom Europäischen Gerichtshof angesprochene Grundsatz der Rechtssicherheit es ausschließt, dass eine Verfahrenspartei in Fällen, in denen sie ihre Verteidigungsrechte in einem ordnungsgemäßen Verfahren hätte wahren können, eine allfällige materielle Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung, z.B. wegen Verstoss gegen Gemeinschaftsrecht, nach Belieben neu aufrollen könne. Die Befugnis, ein Rechtsmittel zu erheben, lässt den Steuerpflichtigen eine ausreichende Möglichkeit offen, ihre vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte wahrzunehmen, womit die im Abgabenverfahrensrecht geltende Bestandskraft (Rechtskraft) auch gemeinschaftsrechtlich abgesichert ist.
4. Rechtsbehelf
4.1 Fristgerechter Rechtsbehelf
Der Europäische Gerichtshof spricht im Zusammenhang mit Anlassfällen von jenen, in denen vor dem 9.3.2000 Klage erhoben oder ein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, d.h. dieser Rechtsbehelf hat vor dem 9.3.2000, also spätestens bis 8.3.2000, erhoben werden müssen. Die Tage des Postlaufs werden in Vorlagefristen in der Regel nicht eingerechnet (§ 82 Abs. 4 Oö. LAO, § 33 Abs. 3 AVG, Walter Mayer-Verwaltungsverfahrensrecht, Manz-Verlag, 7. Auflage, VwGH-Erkenntnis vom 7.5.1980, Zl. 893/80) - Rechtsbehelfe hätten zur Wahrung der Rechtzeitigkeit bis 8.3.2000 24:00 Uhr zur Post gegeben werden müssen.
4.2 Verspäteter Rechtsbehelf
Kein fristgerecht eingebrachter Rechtsbehelf liegt vor, wenn beispielsweise
- der Festsetzungs- bzw. Rückzahlungsantrag am bzw. nach dem 9.3.2000 eingebracht worden war, selbst wenn
- die Jahreserklärungsfrist oder bei Vorliegen eines Abgabenbescheides vor dem 9.3.2000 die Rechtsmittelfrist erst nach dem 9.3.2000 abläuft.
4.3 Restriktive Interpretation
Zur Frage des Rechtsbehelfes differieren die Rechtsmeinungen beachtlich, zumal vor allem die Kärntner Gemeinden ausschließlich durch eine restriktive Interpretation des Begriffes Rechtsbehelf (lediglich Klagen an Höchstgerichte sind als Rechtsbehelf zu werten) eine Chance darin sehen, die Rückzahlung vermeiden zu können.
4.4 Extensive Interpretation
4.4.1 Rechtslehre
Unter Rechtsbehelf kann man grundsätzlich alle Handlungen von Parteien, die zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche dienen und die Rechtskraft eines Verfahrens verhindern sollen, verstehen (extensive Interpretation). Nach einem Gutachten des Bundeskanzleramtes vom 6. April 2000 (GZ BKA VA C-437/97/5-V/A/8/00) wird dazu die Rechtsauffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (etwa EuGH-Urteil vom 15.9. 1998, Rs C-260/96) es keine Gemeinschaftsregelung über die Erstattung rechtsgrundlos erhobener nationaler Abgaben und Steuern gäbe und es daher Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten wäre, über die Gewährleistung der dem Schutz der Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte zu erkennen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien jedenfalls Berufungen gegen Bescheide (VwGH-Erkenntnis vom 28.9.1998, Zl. 98/16/0168) und Vorstellungen gegen Gemeindebescheide (VwGH-Erkenntnis vom 31.3.1999, Zl. 98/16/0297) als derartige Rechtsbehelfe zu qualifizieren. Ergänzend dazu ist zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof selbst in seinem Erkenntnis vom 28.9.1998, Zl. 98/16/0168, im Zusammenhang mit eingebrachten Rechtsmitteln gegen Steuerbescheide von Rechtsbehelfen gesprochen hat.
Nach dem Rechtsgutachten des Bundeskanzleramtes sind demnach unter Rechtsbehelfe neben den Klagen an Gerichtshöfe auch Festsetzungs- und Rückzahlungsanträge, Nullerklärungen, Rechtsmittel wie Berufungen und auch außerordentliche Rechtsmittel, wie Vorstellungen, zu verstehen.
In der herrschenden Rechtslehre wird dazu etwas einschränkend die Rechtsmeinung vertreten, dass aus dem Urteil vom 9.3.2000 Erstattungsansprüche nur insoweit abzuleiten seien, als die diesbezüglichen nationalen Verfahren im Rechtsmittel- oder Beschwerdeverfahren befindlich gewesen sind (siehe "Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben" von Univ.-Prov. Dr. Tanzer in "Das EuGH-Verfahren in Steuersachen" von Holoubek/Lang im Linde-Verlag, Wien 2000).
4.4.2 Rechtsprechung
Zu bedenken ist, dass die Anfechtung rechtswidriger Abgabenerhebungen oder die Erstattung rechtsgrundlos entrichteter Abgabenschuldigkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten und sogar innerhalb desselben Mitgliedstaates je nach Art der Steuern und Abgaben unterschiedlich geregelt ist (EuGH-Urteil vom 15.9.1998, Rs C 260/96). Daraus wäre aber auch zu folgern, dass der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit obgenannten Tatbestandsfällen den Begriff Rechtsbehelf im Sinne eines effektiven Schutzes des Gemeinschaftrechtes interpretieren und sich nicht auf bestimmte termini technici im Sinne der Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten festlegen wollte. Mit Klagen werden nicht nur privatrechtliche, sondern in einzelnen Staaten auch öffentlich-rechtliche Ansprüche durchgesetzt; in Österreich stellt die Klage an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im öffentlichen Recht einen Teil des Maßnahmenpakets der Steuerpflichtigen dar, die einen Rechtsanspruch durchzusetzen beabsichtigen.
Der Europäische Gerichtshof selbst hatte im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen und Anfechtungen die Erstattung von gemeinschaftrechtswidrig erhobenen Abgaben und Steuern im
- EuGH-Urteil vom 15.9.1998, Rs C 260/96, die bei der Steuerverwaltung einzulegenden Rechtsbehelfe und auch Klagen ausdrücklich den Klagen vor den ordentlichen Gerichten auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung und in einem weiteren
- EuGH-Urteil vom 9.2.1999, Rs C 343/ 96, Rechtsbehelfe auf die Erstattung gemeinschaftswidriger Abgaben den Klagen auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Abgaben gegenübergestellt.
Hinsichtlich der Verjährungsfristen unterschied der Europäische Gerichtshof neuerlich zwischen den Rechtsbehelfen einerseits und den vergleichbaren Klagen auf Abgabenerstattung andererseits.
Der Europäische Gerichtshof hatte mehrmals ausdrücklich festgestellt, dass die Anfechtung rechtswidriger Abgabenerhebungen oder die Erstattung ungerechtfertigter Abgabenzahlungen in den einzelnen Mitgliedstaaten je nach Art der Abgaben unterschiedlich geregelt sei, zumal es sowohl Anfechtungen in Form der bei der Steuerverwaltung einzulegenden Rechtsbehelfe und Klagen als auch Forderungen in Form von Klagen auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bei den ordentlichen Gerichten gäbe.
Beispielsweise wurde in Dänemark die Erstattung von ohne rechtlichen Grund bezahlten Abgaben vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Klage auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung geltend gemacht (EuGH-Urteil vom 27.2.1980, Rs 68/79). Im Zusammenhang mit dem Bosmann-Urteil vom 15.12.1995, Rs C 415/93, spricht der Europäische Gerichtshof von Klagen oder gleichwertigen Rechtsbehelfen, offensichtlich in Kenntnis des Umstandes, dass derartige privatrechtliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Transferrechten in allen Mitgliedstaaten ausschließlich vor ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden können und daher ein entsprechender Rechtsschutz in Form einer vor ordentlichen Gerichten üblichen Klage oder eines vor Gerichten gleichwertigen Rechtsbehelfes vorgesehen ist.
Schließlich hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 15.1.1986, Rs 41/84, die Rechtsmeinung vertreten, dass unter Rechtsbehelf alle "rechtzeitigen Schritte zur Wahrung der Rechte der Parteien" verstanden werden.
4.4.3 VwGH - weite Auslegung des "Rechtsbehelfes"
In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.6.2000, Zl. 2000/16/0296-7, eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass der Begriff "Rechtsbehelf" im Sinne des zu gewährleistenden Rechtsschutzes möglichst weit zu verstehen sei und dieser Begriff auch in der allgemeinen Verfahrensrechtslehre verwendet würde und zwar als jedes prozessuale Mittel zur Verwirklichung eines Rechtes. Daher wären die von Steuerpflichtigen in verschiedenen Wegen an die Abgabenbehörden erster Instanz gerichteten Anträge auf Abgabenfestsetzung und Abgabenrückzahlung als Rechtsbehelfe zu verstehen.
Daraus ist rechtlich zu folgern, dass - obwohl vom Höchstgericht nicht expressis verbis genannt - auch Nullerklärungen, soferne sie sich konkret auf einen Verstoß gegen die Mehrwertsteuerrichtlinien oder Verbrauchsteuerrichtlinien oder auch ganz allgemein auf die EU-Widrigkeit der Getränkesteuer stützen, rechtlich als Rechtsbehelfe zu beurteilen sein werden, soferne sie verfahrensrechtlich zur Berichtigung der Abgabenerklärung vorgesehen sind und fristgerecht eingebracht wurden; Rechtsmitteln und Vorstellungen kommt natürlich ebenfalls Rechtsbehelfcharakter zu (extensiver Rechtsbehelfbegriff). Nicht aus dieser Entscheidung des Höchstgerichtes ist allerdings zu entnehmen, inwieweit Nullerklärungen, welche
- sich nicht auf die EU-Widrigkeit beziehen, oder
- überhaupt keine Begründung enthalten,
ebenfalls unter derartige Rechtsbehelfe im Sinne des EuGH-Urteiles vom 9.3.2000 zu subsumieren wären.
Solchen unbegründeten, möglicherweise verfahrensrechtlich mangelhaften (verspäteten) Nullerklärungen könnte allerdings der Rechtsbehelfscharakter abgesprochen werden.
4.5 Rechtsmeinung Städte- und Gemeindebund
Demnach werden verschiedene Gemeinden versuchen, die Frage des Rechtsbehelfes vor dem Gerichtshof nach nationalem Recht klären zu lassen und den Begriff Rechtsbehelf restriktiv auf Klagen vor den Höchstgerichten einzuschränken.
4.5.1 Behördenverfahren
So wurde etwa in einem Bescheid der burgenländischen Vorstellungsbehörde (sh. Bescheid der burgenländischen Landesregierung vom 18. April 2000, Zl. 2-GI-G2077/3-1998) eine restriktive Interpretation des Rechtsbehelfes vertreten. Danach ist nach Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde bei der Auslegung des Begriffes "entsprechender Rechtsbehelf" von einem restriktiven Begriffsverständnis auszugehen - dafür sprechen im Wesentlichen nachfolgende Argumente und Indizien:
Während der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15.1.1986 Rs 41/84 zum begünstigten Personenkreis ganz allgemein alle jene Steuerpflichtigen rechnet, die "rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen hätten", spreche der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9.3.2000, C 437/97, im Zusammenhang mit dem begünstigten Personenkreis von jenen Steuerpflichtigen, die "Klage oder einen entsprechenden Rechtsbehelf erhoben" haben, weshalb der Europäische Gerichtshof im Falle der Getränkesteuerrückzahlung in Österreich den Kreis der von der Rückzahlungsverpflichtung begünstigten Steuerpflichtigen bewusst einschränken wollte.
Überdies habe der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9.3.2000 Rz 59/60 darauf hingewiesen, dass es zwingende Gründe der Rechtssicherheit ausschließen, jene Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkung in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage zu stellen, weil dies das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttern würde - der Gerichtshof gab damit klar zu erkennen, dass er Rückzahlungsverpflichtungen der Gemeinden aus Gründen der Rechtssicherheit in der Regel vermeiden will, die Auslegung Rechtsbehelf im Sinne einer extensiven Interpretation aber zur Folge hätte, dass die Rückzahlungspflicht der Gemeinden im Hinblick auf das gewaltige betroffene Abgabenvolumen in einem vom Europäischen Gerichtshof nicht beabsichtigten Ausmaß gegeben wäre.
Aus der Wortfolge "Klage oder entsprechender Rechtsbehelf" sei abzuleiten, dass dem Begriff das Erfordernis einer besonderen - eben einer gerichtlichen Klage vergleichbaren - rechtlichen Qualität eines Rechtsmittels innewohne. Daher könnten unter dem Begriff entsprechender Rechtsbehelf nur jene Rechtsschritte zu verstehen sein, mit denen der Steuerpflichtige die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens bewirkt und daher darunter nur die Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts subsumiert werden.
Schließlich würde eine französische Übersetzung nicht zu dem Ergebnis entsprechender Rechtsbehelf, sondern zu gleichwertiger Rechtsbehelf führen.
4.5.2 Gerichtshofverfahren
Seitens des Gemeindebundes wurde angeregt, negative Vorstellungsentscheidungen des Landes, welche nicht extensive Rechtsbehelfbegriffe beinhalten würden, mit Klage beim Verfassungsgerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) zu bekämpfen. Seitens des Oö. Gemeindebundes wird eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf autonome Abgabenfestsetzung wesentlich folgendermaßen begründet:
Für das nationale System der Rechtsdurchsetzung stünde fest, dass Anlassfälle, die von der Aufhebung einer generellen Vorschrift durch den Verfassungsgerichtshof profitieren, nur jene Fälle sind, die im Zeitpunkt der Aufhebung beim Verfassungsgerichtshof anhängig waren. Aufgrund der Regelung des Art. 140 Abs.7 B-VG - "... insoferne der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis Anderes ausspricht" kann der Verfassungsgerichtshof die Anlasswirkung ausnahmsweise durch besondere Entscheidung ausdehnen - in extremen Fällen verfügte der Verfassungsgerichtshof die Anlasswirkung auch für bereits rechtskräftig entschiedene Abgabenfälle. Daher könne im Zusammenhang mit Klage oder entsprechendem Rechtsbehelf nur die entsprechendem Anlassfallregelung im Sinne der Österreichischen Bundesverfassung gemeint sein.
Es gelte daher der Regelfall, dass die Anlasswirkung all jene Fälle erfasst, die am 9.3.2000 beim Verfassungsgerichtshof anhängig waren und es müsse die Wendung "Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt" dahingehend verstanden werden, dass die Anlasswirkung des Urteils nicht nur die beim Verfassungsgerichtshof, sondern auch die beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren erfasse, zumal die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes im Rechtsschutz bei der Bekämpfung genereller Rechtsvorschriften im nationalen System der Rechtsdurchsetzung als Einheit zu verstehen seien.
Der Europäische Gerichtshof begründet die Einschränkung seiner zeitlichen Wirkung damit, dass es Gründe der Rechtssicherheit ausschließen, Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkung in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage zu stellen, weil dies das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttern würde; dies müsste jedenfalls auch bei der Beurteilung des Rechtsbehelfsbegriffes berücksichtigt werden.
Die Aufsichtsbehörde hätte es außerdem verabsäumt, sich mit der Rechtsfrage "Klage oder entsprechenden Rechtsbehelf" auseinanderzusetzen. Sie hätte überdies lediglich eine Aufhebung für jenen Teil der angefochtenen Abgabenbescheide vornehmen dürfen, der sich auf die alkoholischen Getränke beziehe.
Damit wären die Gemeinden in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung, insbesondere auf Ausschreibung von Abgaben nach Art. 116 Abs. 2 B-VG und den im §§ 7 Abs. 5 bzw. auch 8 Abs. 5 F-VG 1948 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf autonome Abgabenfestsetzung verletzt worden.
4.5.3 Weitere Vorgangsweise
4.5.3.1 Vorschlag Städte- und Gemeindebund
Seitens des Städte- und Gemeindebundes wird angeregt, mit behördlichen Erledigungen - soweit verfahrensrechtlich möglich - bis zur Entscheidung des Höchstgerichtes über die Frage des Rechtsbehelfes zuzuwarten.
4.5.3.2 Aussetzung
In diesem Zusammenhang bieten sich einige verfahrensrechtliche Möglichkeiten an, um direkt oder indirekt eine Aussetzung des Abgabenverfahrens zu erreichen:
Obwohl die Landesabgabenordnungen grundsätzlich davon ausgehen, dass die Abgabenbehörden verpflichtet sind, über Anbringen ohne unnötigen Aufschub, jedenfalls innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen, zu entscheiden, wurden dennoch für den Bereich der Problematik der Getränkesteuerrückforderungen längere Entscheidungsfristen vorgesehen. So verlängert sich beispielsweise nach § 186a Abs. 2 Oö. Landesabgabenordnung - Novelle 2000, LGBl.Nr. 19/2000, die Frist von sechs Monaten auf zwölf Monate. Diese verlängerte, zwölfmonatige Entscheidungsfrist gilt allerdings lediglich im erstinstanzlichen Abgabenverfahren und damit vor allem für die im Laufe des März 2000 eingebrachten Festsetzungs- und Rückzahlungsanträge, nicht jedoch für den Bereich der Rechtsmittelinstanz oder der Vorstellungsinstanz. Die erstinstanzlichen Abgabenbehörden können daher für die vor allem im ersten Jahreskalenderviertel eingebrachten Anträge der Steuerpflichtigen innerhalb einer zwölfmonatigen Frist entscheiden - bis zu diesem Zeitpunkt ist mit einer endgültigen Entscheidung des Höchstgerichtes zur Frage der Auslegung des Rechtsbehelfbegriffes zu rechnen.
Soferne ein Abgabeverfahren, betreffend Rückzahlung, Nullerklärung oder Abgabenfestsetzung bereits vor der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, besteht die Möglichkeit der Aussetzung des Abgabenrechtsmittelverfahrens. So kann etwa nach § 210 Abs. 2 in Verbindung mit § 214 Oö. Landesabgabenordnung für den Fall, dass wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage vor einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren anhängig ist, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, die Rechtsmittelinstanz die Entscheidung über das Rechtsmittel unter der Mitteilung der dafür maßgebenden Gründe aussetzen. Nachdem die Entscheidung über die Interpretation des Rechtsbehelfbegriffes von wesentlicher Bedeutung für den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ist, könnten die Rechtsmittelinstanzen eine Aussetzung bescheidmäßig vornehmen, wobei in der Begründung ausführlich auf die Bedeutung der Entscheidung über den Rechtsbehelfbegriff unter Hinweis auf die Geschäftszahl eines bereits anhängigen Gerichtshofverfahrens einzugehen ist.
4.5.3.3 Materiellrechtliche Erledigung
Sollte eine Entscheidung der Höchstgerichte zur Frage der Auslegung des Begriffes Rechtsbehelf nicht mehr abgewartet werden können, weil
- die einjährige Entscheidungsfrist über Rückzahlungsanträge nach § 186 a Abs. 2 Oö. LAO bereits abgelaufen ist,
- die halbjährliche Entscheidungsfrist in fortgesetzten Verfahren (z.B. nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Anlassfällen) bereits abgelaufen ist,
- aufgrund von, wenn auch rechtlich unzulässigen
- Kompensationen
- Umbuchungsanträgen
- Zahlungsverweigerungen
im Bereich alkoholfreier Getränke oder Kommunalsteuer ein Handlungsbedarf auf behördliche Entscheidung besteht, wäre zu erwägen, materiellrechtlich in der Sache selbst unter Bedachtnahme auf das Bereicherungsverbot (z.B. § 186a Abs. 1 OÖ.LAO) erstinstanzlich zu entscheiden.
Damit könne erreicht werden
- # einer notwendigen Entscheidung fristgerecht zur Vermeidung von unrechtmäßigen Abgabenreduzierungen bzw. Abgabenkompensationen Rechnung zu tragen,
- # im Falle einer restriktiven höchstgerichtlichen Auslegung (Rechtsbehelfe sind ausschließlich Klagen) das Verfahren im Wege einer Berufungsvorentscheidung oder Rechtsmittelentscheidung formalrechtlich beenden zu können oder
- im Falle einer extensiven höchstgerichtlichen Interpretation (Rechtsbehelfe sind sämtliche Rechtsschritte) das Verfahren materiellrechtlich fortführen zu können.
Mit geänderter Rechtsauffassung (Rechtsinterpretation) zum Begriff Rechtsbehelf kann die Rechtsmittelinstanz ihre Rechtsmeinung und Rechtsbegründung in allen, daher materiellrechtlichen und auch formalrechtlichen Belangen anstelle der Erstinstanz setzen (siehe Stoll 1994 - BAO-Kommentar zu § 289 BAO, Seite 2790 und VwGH-Erkenntnis vom 15.6.1987, Zl. 86/04/0010).
Die Aufsichtsbehörde hätte eine zwischen Rechtsmittel- und Vorstellungsentscheidung ergangene Höchstgerichtsentscheidung mit dem Inhalt einer restriktiven Interpretation des Rechtsbehelfbegriffes unverzüglich zu berücksichtigen und die Vorstellung aus formalrechtlichen Gründen als unbegründet abzuweisen (sh. auch VwGH-Erkenntnis vom 18.3.1986, Zl. 85/14/ 0148 sowie Oberndorfer "Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit", Universitätsverlag Rudolf Trauner, 1983).
Soferne eine den Gemeindeabgabenrechtsmittelbescheid aufhebende Entscheidung der Aufsichtsbehörde (Vorstellungsbehörde) nicht angefochten wird und in Rechtskraft erwächst, tritt eine Bindungswirkung ein. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich die Bindung der Gemeindebehörde an die von der Vorstellungsbehörde in der Begründung ihres aufhebenden Bescheides geäußerte Rechtsansicht nur auf den Teil der Begründung, der die Aufhebung trägt (VwGH-Erkenntnis vom 4.10.1985, Zl. 85/17/0045). Soweit sich daher die aufhebende Vorstellungsentscheidung bloß auf das EuGH-Erkenntnis vom 9.3.2000 über die Unrechtmäßigkeit (EU-Widrigkeit) einer Getränkesteuer auf alkoholische Getränke stützt, wird zur Frage des Rechtsbehelfs keine Bindungswirkung eintreten und es kann daher im fortgesetzten Abgabenverfahren von der Gemeindebehörde der Rechtsbehelfbegriff restriktiv ausgelegt werden, sollte der Verwaltungsgerichtshof für einen restriktiven Rechtsbehelfbegriff entscheiden.
Nach den Vorstellungsentscheidungen der Oö. Landesregierung ist Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsteuerrichtlinie unmittelbar von den Behörden anzuwenden, weshalb, ohne auf die Thematik des Rechtsbehelfbegriffes einzugehen, die Vorschreibung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke im Hinblick auf die EuGH-Entscheidung vom 9.3.2000 ab 1.1.1995 nicht rechtmäßig war. Anders verhält es sich bei jenen Vorstellungsentscheidungen (etwa obzitierte Vorstellungsentscheidung der burgenländischen Landesregierung vom 18.4.2000), wonach eine Rechtsansicht zum Rechtsbehelf geäußert wurde, an welchen die Gemeindebehörde für den Fall der Rechtskraft des Vorstellungsbescheides gebunden wäre.
Obwohl die Behörden weiterhin grundsätzlich einen restriktiven Begriff "Rechtsbehelf" vertreten sollten, würden einzelne materiellrechtliche Entscheidungen dieser Grundlinie nicht entgegenstehen, wenn etwa
- # in den typischen Anlassfällen (anhängige Gerichtshofverfahren zum Zeitpunkt der EuGH-Entscheidung vom 9.3.2000) die Behörden in fortgesetzten Verfahren ohnedies materiellrechtlich zu entscheiden haben
- in Fällen, in denen Steuerpflichtige die behördliche Feststellung von Gutschriften verlangen oder von sich aus unzulässige Kompensationen vornehmen, eine materiellrechtliche Entscheidung opportun wäre.
4.5.3.4 Formalrechtliche Erledigung
Im Falle einer formalrechtlichen Erledigung könnte die Abgabenbehörde bei einer formalrechtlichen Abweisung eines Rückzahlungsantrages hinsichtlich entrichteter Abgaben aufgrund einer restriktiven Auslegung des Rechtsbehelfbegriffes folgendermaßen entscheiden:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) festsetzen,
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke festsetzen,
- Rückzahlungsantrag als unbegründet abweisen, weil er nicht als einer Klage entsprechender Rechtsbehelf im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 9.3.2000 zu werten ist. (Festsetzung bzw. Ablehnung der Rückzahlung aufgrund der bisherigen Verfahrensbestimmungen und nicht aufgrund der Rechtsnormen einer LAO-Novelle.)
Begründung:
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 9.3.2000 festgestellt, dass die Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke eindeutig EU-konform wäre und sich auch niemand auf Artikel 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen könne, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingebracht. Nachdem im konkreten Fall der Steuerpflichtige lediglich einen Rückzahlungsantrag, jedoch keine Klage fristgerecht vor dem 9.3.2000 bei einem österreichischen Gerichtshof erhoben hatte, war die Frage des Begriffes "entsprechender Rechtsbehelf" von entscheidender Bedeutung.
Aus der Urteilsbegründung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Republik Österreich im Hinblick auf der Rechtsmeinung der Europäischen Kommission auf die EU-Konformität der Getränkesteuer vertrauen konnte und überdies auch keine Vorabentscheidung bislang anhängig war, lässt sich eindeutig schließen, dass der Europäische Gerichtshof grundsätzlich bis zum 9.3.2000 die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Getränkesteuer erkennen und lediglich in wenigen Anlassfällen (Klagefälle vor den Höchstgerichten) die Berücksichtigung von Artikel 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie ins Kalkül ziehen wollte - der Europäische Gerichtshof wollte den Kreis der von der Rückzahlung begünstigten Steuerpflichtigen bewusst auf jene Anlassfälle einschränken, welche zum Zeitpunkt der Erlassung des EuGH-Urteils vom 9.3.2000 bereits bei einem österreichischen Höchstgericht, also dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof, anhängig waren. Ansonsten hätte dies zur Folge, dass die Rückzahlungspflicht der Gemeinden zu einem vom Europäischen Gerichtshof nicht beabsichtigten Ausmaß führen und die Erschütterung des Finanzierungssystems der österreichischen Gemeinden bewirken würde.
Wenn der Europäische Gerichtshof von einem einer Klage entsprechenden Rechtsbehelf spricht, so meint er damit sicherlich das Erfordernis eines besonderen, eben einer gerichtlichen Klage vergleichbaren Rechtsmittels - dies wird jedoch bei einem bloßen Rückzahlungsantrag nicht gegeben sein.
Sollten die Gemeindeabgabebehörden gegen negative Vorstellungsentscheidungen Beschwerde an die Höchstgerichte erheben, sollten den vom Oö. Gemeindebund vorgebrachten Argumenten in der Beschwerdeschrift Rechnung getragen werden (sh. oben 4.5.2.) - die Beschwerde bedarf überdies der Zustimmung und Unterfertigung der nach den Gemeindeordnungen oder Stadtstatuten zuständigen Organe.
4.5.3.5 Jüngste Rechtsentwicklung
Obige Rechtsausführungen erfolgten unter Bedachtnahme auf eine erwartete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Rechtsbehelfes, sind jedoch im Hinblick auf das zwischenzeitlich ergangene VwGH-Erkenntnis vom 19.6.2000, Zl. 2000/16/ 0296-7 teilweise, insbesondere hinsichtlich der angeregten formalrechtlichen Erledigung, überholt.
So wäre eine Aussetzung des Abgabenverfahrens der Rechtsmittelinstanz pro futuro nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn etwa die Frage der Bereicherung in einem analogen Abgabenrechtsmittelverfahren bei einem Höchstgericht anhängig wäre.
Die Rechtsausführungen zu einer materiellrechtlichen Erledigung haben zwar in grundsätzlichen Rechtsbelangen weiterhin Rechtsgültigkeit, sind jedoch in Getränkesteuerverfahren insofern nicht von Bedeutung, als bei Vorliegen eines entsprechenden Rechtsbehelfes (begründete Festsetzungs- und Rückerstattungsanträge, begründete fristgerechte Nullerklärungen, Rechtsmittel- und Vorstellungsanträge, fortgesetzte Verfahren nach Höchstgerichtentscheidung) in jeder Verfahrensinstanz materiellrechtlich zu entscheiden sein wird. Soferne bisher die Erstinstanz vor dem 9.3.2000 materiellrechtlich negativ, jedoch ohne Berücksichtigung der Bereicherungsfrage bereits entschieden hat und das Verfahren derzeit vor der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, könnte die Rechtsmittelinstanz unter Wahrung des Parteiengehörs über die Bereicherungsfrage absprechen und das Verfahren fortführen; es wird jedoch empfohlen, zur Vermeidung des Einwandes der Verfahrensverkürzung, die Angelegenheit an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidung unter Einbeziehung der Bereicherungsfrage zurückzuverweisen.
Den Rechtsausführungen zu einer formalrechtlichen bescheidmäßigen Erledigung könnte allenfalls nur insofern Bedeutung zukommen, falls einzelne Steuerpflichtige "Rechtsschritte", etwa in Form einer Nullerklärung gesetzt hätten, ohne jedoch auf die Rechtsgründe der Nullerklärung, nämlich gemeinschaftsrechtswidrige Abgabenberechnung bzw. Abgabenfestsetzung, einzugehen. Dies war allerdings in der Praxis nicht der Regelfall, weil die meisten Steuerpflichtigen ihre Nullerklärung mit EU-Widrigkeit der Getränkesteuer begründeten. In den wenigen Fällen einer Nullerklärung ohne Begründung könnte unter anderem bescheidmäßig argumentiert werden, dass eine solche Nullerklärung aus irgendwelchen, behördlich vorerst nicht feststellbaren Gründen abgegeben worden wäre, jedoch nicht als Rechtsschritt im Sinne eines wegen EU-Widrigkeit eingebrachten Rechtsbehelfes entsprechend dem EuGH-Urteil vom 9.3.2000 qualifiziert werden könnte.
5. Erstattungsansprüche
5.1 Rückzahlungsverpflichtung
Das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoss gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, ist Folge und Ergänzung der Rechte, die den einzelnen Steuerpflichtigen aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zustehen, welche solche gemeinschaftrechtswidrige Abgaben verbieten. Nach herrschender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein solcher Mitgliedstaat somit grundsätzlich verpflichtet, die unter Verstoss gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben zu erstatten (EuGH-Urteil vom 14.1.1997, Rs C 192/95). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Europäische Gerichtshof nicht von gutzuschreiben bzw. rückzuzahlen spricht, sondern lediglich den Begriff Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben verwendet.
5.2 Bereicherungsverbot -
EuGH-Rechtsprechung
5.2.1 Dieser Schutz der durch die Gemeinschaftsrechtsordnungen in diesen Abgabenbereichen garantierten Rechte verbietet es allerdings nicht, die Erstattung von unter Verstoss gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Steuern, Gebühren und Abgaben zu verwehren, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogenen Steuerpflichtigen diese Abgaben nachweislich tatsächlich auf andere Personen abgewälzt haben. Der Schutz der von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährleisteten Rechte verlangt keine Erstattung von ohne Rechtsgrund erhobenen Steuern unter Umständen, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden. Der Europäische Gerichtshof stellt es nämlich ausdrücklich frei, nach jeweiligem nationalen Recht den Umstand zu berücksichtigen, dass ohne rechtlichen Grund erhobene Steuern in die Preise des steuerpflichtigen Unternehmens einfließen und auf die Abnehmer abgewälzt werden konnten (EuGH-Urteil vom 27.2. 1980, Rs 68-79); es sollte jedoch der Schaden berücksichtigt werden, den beispielsweise ein Importeur möglicherweise erlitten hat, weil die diskriminierenden oder steuerlichen Maßnahmen im Ergebnis zu einem Rückgang der Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten geführt hätten.
5.2.2.So hat auch der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 9.11.1983 festgestellt, dass es den nationalen Gerichten (Behörden) freisteht, gemäß ihrem nationalen Recht den Umstand zu berücksichtigen, dass ohne rechtlichen Grund erhobene Abgaben in die Preise einfließen und auf die Abnehmer abgewälzt werden konnten. Gleichzeitig räumt er jedoch zur Frage, ob und in welchem Umfang eine einem Importeur auferlegte Abgabenlast tatsächlich auf die weiteren Wirtschaftsstufen abgewälzt werden konnte, eine Ungewissheit ein, die aber systematisch nicht zu Lasten desjenigen gehen darf, der zur Zahlung der gemeinschaftrechtswidrigen Abgabe herangezogen wird (EuGH-Urteil vom 9.11.1983, Rs 199/82). Wenn die Unvereinbarkeit der Abgabenerhebung mit dem Gemeinschaftsrecht feststeht, müsse daher das Gericht bei der Beurteilung der Frage freibleiben, ob die Abgabenlast auf andere Personen abgewälzt worden ist.
5.2.3Diese Rechtsmeinung wird in folgenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes immer wieder vertreten. Der Gerichtshof hat jedoch unmissverständlich klargestellt, dass selbst bei indirekten Abgaben, die nach nationalem Recht dazu bestimmt sind, auf die Endverbraucher abgewälzt zu werden und im Handel gewöhnlich auch ganz oder teilweise abgewälzt werden, nicht generell davon ausgegangen werden kann, dass die Abgabe tatsächlich in jedem Fall abgewälzt wurde. Denn die tatsächliche völlige oder teilweise Abwälzung hänge bei jedem Handelsgeschäft von mehreren Faktoren ab, die es von anderen Fallkonstellationen unterscheiden - somit fällt die Beurteilung der Frage einer Abwälzung oder Nichtabwälzung einer indirekten Abgabe in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts, das allerdings in der Beweiswürdigung frei ist (EuGH-Urteil vom 25.2.1988, Rs 331/85, 376/85, 378/85). Der Gerichtshof räumt jedoch selbst ein, dass sich die zahlreichen Faktoren von Fall zu Fall ändern, sodass es auch nach Ansicht des Gerichtshofes praktisch unmöglich ist, ihren jeweiligen tatsächlichen Einfluss auf die Abwälzung zu bestimmen. Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung jedoch im Wesentlichen ausdrücklich festgestellt, dass es je nach Marktstruktur mehr oder weniger wahrscheinlich ist, dass eine Abwälzung vorgenommen wird, (EuGH-Urteil vom 25.2.1988, Rs 331/85, 376/85, 378/85).
5.2.4Unter solchen Umständen der Abwälzung von rechtswidrig erhobenen Steuern und Abgaben auf die Letztverbraucher (Konsumenten) hat nämlich nicht der Steuerpflichtige die Steuerlast der ohne Rechtsgrund erhobenen Abgaben getragen, sondern der Abnehmer, auf den die Last abgewälzt worden ist. Würde daher dem Steuerpflichtigen der Abgabenbetrag erstattet, den er bereits beim Abnehmer (Konsumenten) eingehoben hat, käme dies einer Doppelzahlung an den Steuerpflichtigen gleich, die als ungerechtfertige Bereicherung beurteilt werden könnte, ohne dass damit die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabeneinhebung für den Konsumenten beseitigt würden (EuGH-Urteil vom 14.1.1997, Rs C 192/95 u.a.) Der Europäische Gerichtshof hat jedoch in dieser Entscheidung eine gewisse Konkretisierung des Bereicherungsverbotes insofern vorgenommen, dass auch bei indirekten Abgaben - selbst wenn sie nach nationalem Recht bestimmt sind, auf den Endverbraucher abgewälzt zu werden und in der Regel im Handel auch tatsächlich abgewälzt wurden - nicht generell vermutet werden dürfe, dass die Abwälzung erfolgt sei und den Steuerpflichtigen der Gegenteilsbeweis obliege. Es entspreche vielmehr gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen, wenn die beispielsweise mit Erstattungsklagen befassten Gerichte im Lichte der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen, ob der Steuerpflichtige die Abgabenlast ganz oder teilweise auf andere abgewälzt hat und ob damit die Erstattung an den Steuerpflichtigen gegebenenfalls eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen würde; der Steuerpflichtige hätte allenfalls Anspruch auf Abgabenerstattung, wenn er tatsächlich den Endabnehmern den Abgabenertrag erstatten muss und auch erstattet hat.
Es wäre aber beispielsweise auch jener Nachteil zu berücksichtigen, den ein Importeur möglicherweise erlitten habe, weil die diskriminierenden steuerrechtlichen Maßnahmen im Ergebnis zu einem Rückgang der Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten geführt hätten; unter diesen Umständen könnte der Steuerpflichtige zu Recht geltend machen, dass das Einfließen der Abgabe in den Selbstkostenpreis, das zur Erhöhung des Preises der Erzeugnisse und zur Verringerung des Absatzes geführt hatte, unabhängig von der Abwälzung der Abgabe auf den Abnehmer zu einem Nachteil geführt habe der eine ungerechtfertigte Bereicherung ausschließe - es stehe daher unabhängig von der Frage der Abwälzung der Abgabe dem Steuerpflichtigen frei, in Ausnahmefällen einen Ersatz des wegen der ohne Rechtsgrund erfolgten Erhebung der Abgabe erlittenen Schadens zu fordern. Diese Schadensproblematik wird jedoch im Zusammenhang mit den Abgabenverfahren betreffend Erstattungsansprüche hinsichtlich gemeinschaftrechtswidrig erhobener Getränkesteuer für alkoholische Getränke aus nachstehenden Gründen nicht zu berücksichtigen sein, weil
- es sich um ein französisches Erstattungsverfahren handelt, bei welchem die ordentlichen Gerichte über den Erstattungsanspruch absprechen, wobei ein solcher Schadensersatzanspruch zweifelsohne ein entsprechendes Verschulden voraussetzt, was jedoch der Republik Österreich im Hinblick auf ihr Vertrauen auf den Rechtsstandpunkt der Europäischen Kommission sicherlich nicht vorzuwerfen ist,
- die jüngsten Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofes und zuletzt die Entscheidung vom 9.2.1999, C 343/96, ausschließlich auf die Steuerabwälzung und damit auf die Aufrechnung von Rückerstattungsansprüchen mit Bereicherungsverboten und keinesfalls auf Schadenersatzansprüche abstellen,
- es sich beim Wettbewerbsnachteil bei Einfuhrzöllen um einen spezifischen Einzelfall handelt, der im Zusammenhang mit den Getränkesteuerpflichtigen in Österreich nicht zum Tragen kommen kann, weil hier sämtliche Inländer und Ausländer für gleiche Tatbestände einer gleichen Besteuerung zugeführt wurden,
- solche Wettbewerbsverzerrungen allenfalls in Grenzstädten zum Ausland gegeben sein könnten und bei derartigen Schadensbehauptungen die Steuerpflichtigen den entsprechenden Nachweis hiefür zu führen hätten,
- zusammenfassend für die Geltendmachung einer Staatshaftung ein Schaden der Steuerpflichtigen, ein Verschulden der Staatsbehörden und ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden und dem Schaden und damit drei Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssten (EuGH-Urteil vom 15.6. 1999, Rs C-140/97 und Mag. Huber, Institut für Europarecht, Linz, "Getränkesteuer - eine (fast) unendliche Geschichte", ÖStZ Nr. 11/2000).
' Schaden durch Kläger (Steuerpflichtigen) nachzuweisen.
' Verschulden aufgrund EuGH-Urteil vom 9.3.2000 auszuschließen.
5.2.5 Die rechtliche Anerkennung dieses Bereicherungsverbotes wird vom Europäischen Gerichtshof auch in seiner jüngsten Rechtssprechung vertreten (EuGH-Urteil vom 9.2.1999, Rs C 343/ 96), wonach es das Gemeinschaftsrecht nicht verbiete, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung zu Unrecht erhobener bzw. gemeinschaftrechtswidriger Abgaben ablehnt, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (Steuerpflichtigen) führen würde. Nichts schließt also aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts aus, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass zu Unrecht erhobene Abgaben möglicherweise in den Warenpreis einbezogen und so auf die Abnehmer (Konsumenten) abgewälzt worden sind. Nationale Rechtsvorschriften, die die Erstattung von unter Verstoss gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Steuern, Gebühren und sonstigen Abgaben ausschließen, wenn nachgewiesen wird, dass der zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Steuerpflichtige sie tatsächlich auf andere Personen (Konsumenten) abgewälzt hat, sind daher grundsätzlich nicht als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen. Damit ist der Europäische Gerichtshof von dem Grundsatz der Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben unter der Conditio abgewichen, dass eine solche Erstattung für die Steuerpflichtigen und damit Berechtigten zu einer ungerechtfertigen Bereicherung führen würde und hat damit das Prinzip des Bereicherungsverbotes geprägt.
5.2.6 Resümee aus EuGH-Rechtsprechung
Grundsätzlich hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass es einer ungerechtfertigten Bereicherung der Steuerpflichtigen gleichkommen würde, wenn der Steuerpflichtige eine gemeinschaftrechtswidrige Abgabe von den Abnehmern (Konsumenten) eingehoben und damit auf die Letztverbraucher überwälzt hat und in der Folge diese gemeinschaftsrechtswidrige Abgabe erstattet bekommen würde; die Abgabenerstattung ist mit dem Bereicherungsverbot aufzurechnen.
Dennoch könne auch bei indirekten Abgaben unter Bedachtnahme auf das Effektivitätsgebot und das Vereitelungsverbot nicht von einer grundsätzlichen absoluten Vermutung der Überwälzung an die Letztverbraucher ausgegangen werden, sondern es ist die Frage der Steuerüberwälzung in jedem Einzelfall zu prüfen. Damit soll verhindert werden, dass die Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit gemeinschaftrechtswidrig erhobenen Abgaben von vornherein jeder Möglichkeit einer Abgabenerstattung verlustig gingen.
Ungeachtet dieser verfahrensrechtlichen Überlegungen darf jedoch bei jeder Einzelprüfung in materiellrechtlicher Hinsicht nach Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes davon ausgegangen werden, dass indirekte Abgaben (wie Getränkesteuer) nach nationalem Recht dazu bestimmt sind, auf die Endverbraucher abgewälzt und von diesen getragen zu werden und im Handel auch tatsächlich überwälzt werden. Ein derartiger Nachweis der Abgabenüberwälzung durch die Behörde wäre primär aufgrund der Abgabenerklärungen, Preislisten oder bekanntgegebenen Preisänderungen zu führen; allfälligen Einflüssen der Marktwirtschaft auf die Preisgestaltung kommt lediglich subsidiäre Bedeutung zu.
Die vor allem im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren angesprochenen Schadenersatzforderungen aus dem Titel Wettbewerbsverluste durch Erhebung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben (Einfuhrzölle etc.) könnten allenfalls anlässlich der Besteuerung von Wareneinfuhren, nicht aber im Zusammenhang mit der entgeltlichen Lieferung von Getränken zum Tragen kommen, weil bei den Getränkelieferungen inländische und ausländische Steuerpflichtige einer gleichen Besteuerung zugeführt werden. Überdies erfordert ein Schadenersatzanspruch neben dem Nachweis des objektiven Schadens durch den geschädigten Unternehmer auch ein subjektives Verschulden, wogegen gerade ein Verschulden der Republik Österreich aufgrund der Begründung des Europäischen Gerichtshofes mit dem Hinweis auf den bisherigen Standpunkt der Europäischen Kommission nicht anzunehmen sein wird.
5.3 Bereicherungsverbot - Voraussetzung
Der Europäische Gerichtshof ist jedoch bei der Festlegung des Bereicherungsverbotes von zwei Grundprinzipien bzw. Grundvoraussetzungen ausgegangen und zwar vom Effektivitätsgrundsatz einerseits und dem Äquivalenzgrundsatz andererseits.
5.3.1 Effektivitätsgrundsatz
Nach dem Effektivitätsgrundsatz sind jedoch derartige nationale Rechtsnormen über das Bereicherungsverbot, welche die Ausübung der durch die Gemeinschaftrechtsordnung verliehenen Rechte über die Erstattung von gemeinschaftrechtswidrigen Abgaben praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, gemeinschaftsrechtswidrig (Vereitelungsverbot, sh. "Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben" von Univ.-Prof. Dr. Tanzer in "Das EuGH-Verfahren in Steuersachen" von Holoubek/Lang, Linde Verlag Wien, 2000). Es muss daher den Steuerpflichtigen, welche gemeinschaftsrechtswidrige Abgaben entrichtet haben, die Durchsetzung der Ansprüche auf Erstattung dieser Abgaben grundsätzlich möglich und nicht von Vornherein ausgeschlossen sein; gewisse Fristen für die Geltendmachung dieser Rechte beispielsweise sind jedoch durchaus zulässig.
Auch die in der Folge angesprochenen nationalen Rechtsnormen über das Bereicherungsverbot sehen formalrechtlich ganz konkrete abgabenrechtliche Verfahren für die Geltendmachung der Erstattungsansprüche und materiellrechtlich eine Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruches vor, wenn beispielsweise der Steuerpflichtige die gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgaben nicht abgewälzt hätte; die Rechtsnormen entsprechen daher dem Gemeinschaftsrecht.
5.3.2 Äquivalenzgrundsatz
Der Äquivalenzgrundsatz wiederum setzt voraus, dass die streitige Modalität für die Erstattung gemeinschaftrechtswidrig erhobener Abgaben ohne Unterschied für die Verletzung des Gemeinschaftsrechtes als auch für die Verletzung des nationalen Rechtes gilt. Dieser Grundsatz verlangt daher voraus, dass Verfahren und Voraussetzungen für die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben, Steuern oder Gebühren gleich sind jenen für die Erstattung nationaler rechtswidriger Abgaben, Gebühren und Steuern.
Auch dieser Grundsatz wurde im Zusammenhang mit den Bereicherungsverboten in den einzelnen Landesabgabenordnungen eindeutig gewahrt, weil diese Bereicherungsverbote generell und gleichermaßen für gemeinschaftsrechtswidrige als auch national rechtswidrige Abgaben gelten und keinesfalls ausschließlich auf die Erstattung von Getränkesteuer auf alkoholische Getränke eingeschränkt wurden.
5.3.3 Beweisverfahrensgrundsätze
Zum Beweisverfahren über die Erstattung von Abgaben bzw. konkret für die Abwälzung von Abgaben an die Konsumenten hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass auch im Zusammenhang mit indirekten Abgaben, welche in der Regel nach nationalem Recht dazu bestimmt seien, auf den Letztverbraucher (Konsumenten) abgewälzt zu werden und im Handel in der Praxis gewöhnlich auch abgewälzt werden, nicht generell ohne Prüfung vermutet werden kann, dass die Abgaben tatsächlich in jedem Fall auch an die Konsumenten abgewälzt worden wären (EuGH-Urteil vom 14.1.1997, Rs C 192/95). Daher sind solche Beweisvorschriften mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar, die dazu führen, dass eine Erstattung der unter Verstoss gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird - dies gilt insbesondere für Vermutungen oder Beweisregeln, die den Steuerpflichtigen die Beweislast dafür auferlegen, dass die zu Unrecht gezahlten Abgaben nicht auf andere Personen (Konsumenten) abgewälzt worden wären oder Beweisvorschriften, die besondere Beschränkungen hinsichtlich der Form der zu erbringenden Beweise vorsehen (EuGH-Urteil vom 9.2.1999, Rs C 343/96).
Auch diesbezüglich sind die Bereicherungsverbotsregelungen nach den Landesabgabenordnungen durchaus als EU-konform zu bezeichnen, weil hier keine Beweislastumkehr gegeben ist, sondern die Behörden den Beweis zu führen haben. Der Europäische Gerichtshof verlangt daher, dass die Behörden grundsätzlich in jedem Einzelfall und keinesfalls generell die Frage der Abwälzung oder Nichtabwälzung einer indirekten Abgabe als Sachverhaltsfrage prüfen, wobei jedoch jedenfalls den Behörden letztlich doch im Rahmen des Beweisverfahrens das Recht der freien Beweiswürdigung zusteht (EuGH-Urteil vom 14.1.1997, Rs C 192/95). Dies bedeutet, dass die Behörden grundsätzlich auch bei indirekten Abgaben nicht von einer generellen Überwälzung ausgehen dürfen, sondern in jedem Einzelfall genauest das Faktum der Überwälzung zu prüfen haben, jedoch im Rahmen ihrer Entscheidung darüber eine freie Beweiswürdigung durchaus rechtlich zulässig ist.
5.4 Bereicherungsverbot - Landesabgabenordnungen
Sämtliche Landesabgabenordnungen der einzelnen Bundesländer - ausgenommen Kärnten - sehen derartige Bereicherungsverbote vor: im Einzelnen gelten derzeit folgende gesetzliche Regelungen:
5.4.1 Wien: Ein Rückzahlungsanspruch steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben (Wiener Abgabenordnung; Änderung LGBl.Nr. 9/2000 vom 2.3.2000, § 185 Abs. 3 leg.cit.).
Novelle geplant.
5.4.2 Oberösterreich: Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grunde gemeinschaftsrechtlicher oder innerstaatlicher Vorschriften die Verpflichtung, eine durch Einreichung der Erklärung über die Selbstberechnung gemäß § 150 Abs. 1 festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder einen Abgabenbescheid mit Bescheid aufzuheben oder zu ändern, hat sie den Abgabepflichtigen ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht zu erstatten, als die Abgabe von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen wirtschaftlich getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben (Oö. Landesabgabenordnungs-Novelle 2000, LGBl. Nr. 19/2000 vom 8.3. 2000, § 186a Abs. 1).
Novelle: Landtagsbeschluss vom 8.6.2000
Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grund gemein-schaftsrechtlicher oder innerstaatlicher Vorschriften die Verpflichtung, eine durch Einreichung der Erklärung über die Selbstberechnung gemäß § 150 Abs. 1 festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder einen Abgabenbescheid mit Bescheid aufzuheben oder zu ändern, hat sie gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist
5.4.3 Niederösterreich: Besteht aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften die Verpflichtung zur Aufhebung oder Abänderung von Abgabenbescheiden, hat die Abgabenbehörde die von ihr erlassenen Abgabenbescheide aufzuheben oder abzuändern und gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabenpflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben (Änderung der Nö. Abgabenordnung 1977, LGBl. Nr. 3400-7 vom 31.1.2000, § 186a Abs. 1 legt.cit.).
5.4.4 Salzburg: Die Abgabenbehörde, die eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufhebt oder abändert, hat auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben (Slbg. Landesabgabenordnung; Änderung LGBl. Nr. 112/1999 vom 29.9.1999 - § 182a Abs. 1 leg.cit.).
5.4.5 Tirol: Besteht bei Selbstbemessungsabgaben für die Abgabenbehörde aus europarechtlichen Gründen oder nach dem Ausspruch der Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift die Verpflichtung, eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder einen Abgabenbescheid aufzuheben oder abzuändern, so hat sie dem Abgabepflichtigen ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht zu erstatten, als sie ihm nachweist, dass er die Abgaben auf andere überwälzt hat (Tiroler Landesabgabenordnung; Änderung LGBl. Nr. 1/2000 vom 4.11.1999 § 187a leg.cit.).
Novelle: Landtagsbeschluss vom 4.5.2000
Besteht bei Selbstbemessungsabgaben für die Abgabenbehörde aus europarechtlichen Gründen oder nach dem Ausspruch der Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm die Verpflichtung, eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder einen Abgabenbescheid aufzuheben oder abzuändern, so hat sie ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht mit Abgabenschulden zu verrechnen, zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschulden zu verwenden oder zu erstatten, als sie dem Abgabepflichtigen nachweist, dass er die Abgabe auf andere überwälzt hat. Dies gilt auch, wenn das Guthaben aufgrund einer Abgabenerklärung entstanden ist.
5.4.6. Steiermark: Ein Rückzahlungsantrag steht insoweit nicht zu, als die Abgaben wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurden. Soweit eine derart überwälzte Abgabe festgesetzt, fällig, aber noch nicht entrichtet ist, ist sie zu vollstrecken (Steiermärkische Landesabgabenordnung; Änderung LGBl. Nr. 13/ 2000 vom 16.11.1999 § 186 Abs. 3 leg. cit.).
Novelle: Landtagsbeschluss vom 18.4.2000
Ein Rückzahlungs- oder Verwendungsanspruch gemäß §163 steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist.
5.4.7 Burgenland: Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grunde der gemeinschaftsrechtlichen oder innerstaatlichen Vorschriften die Verpflichtung, eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder eine Steuervorschreibung mit Bescheid aufzuheben oder zu ändern, so hat sie dem Abgabepflichtigen ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht zu erstatten, als die Abgabe von einem anderen als dem Abgabepflichtigen wirtschaftlich getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben (Burgenländische Landesabgabenordnung; Änderung LGBL. Nr. 6/2000 vom 21.10.1999 § 187a Abs. 1 leg.cit.).
Novelle: Landtagsbeschluss vom 8.6.2000
Besteht bei Abgaben für die Abgabenbehörde aus dem Grunde gemeinschaftsrechtlicher oder innerstaatlicher Vorschriften die Verpflichtung, eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder eine Steuervorschreibung mit Bescheid aufzuheben oder zu ändern, so hat sie gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist.
5.4.8 Vorarlberg: Wenn eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufgehoben oder abgeändert oder eine aufgrund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes selbstbemessene Abgabe mit Bescheid festgesetzt wird, hat die Behörde auszusprechen, dass ein dadurch entstehendes Guthaben dem Abgabepflichtigen insoweit nicht zurückgezahlt wird, als die Abgabe wirtschaftlich von einem anderen getragen worden ist (Abgabenverfahrensgesetz; Änderung, LGBL. 9/2000 vom 29.2.2000, § 106a leg. cit.).
Novelle beabsichtigt.
5.5 Bereicherungsverbot - Rückwirkung
5.5.1 EU-Konformität
Alle diese in den Landesabgabenordnungen aufgenommenen, sogenannten Bereicherungsverbote entsprechen dem Effekitivitäts- und Äquivalenzgrundsatz, sehen eine Beweislast der Behörde vor und sind daher durchaus als gemeinschaftskonform zu verstehen. Zur Rückwirkung der nationalen Rechtsnormen wird bemerkt, dass die Bereicherungsregelungen nicht nur pro futuro, sondern vor allem rückwirkend gelten sollen, um bei allen Fällen gemeinschaftswidrig erhobener Abgaben in der Vergangenheit eine Bereicherung zu verhindern. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes ist ein derartiges rückwirkendes Bereicherungsverbot völlig problemlos, weil es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, nach dem Erlass von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt wurden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, soferne sich diese Änderung nicht speziell auf die als gemeinschaftsrechtswidrig erkannten Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteil vom 9.2.1999,C 343/96, Rz 43) - der Europäische Gerichtshof hat daher ein rückwirkendes Bereicherungsverbot grundsätzlich als gemeinschaftsrechtskonform erkannt.
5.5.2 Verfassungsmäßigkeit
Aus der Sicht des nationalen Rechtes ist diesbezüglich die herrschende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und auch die Rechtslehre zu berücksichtigen, wonach gesetzliche Vorschriften, die nachträglich an früher verwirklichte Tatbestände irgendwelche Rechtsfolgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition des Normunterworfenen in der Vergangenheit verschlechtern, nicht grundsätzlich unzulässig sind.
5.5.2.1 Derartige rückwirkende Rechtsnormen wären nur dann gleichheits- und damit verfassungswidrig, wenn die normunterworfenen Steuerpflichtigen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und eine solche Rückwirkung nicht durch besondere Umstände verlangt wird - für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit rückwirkender Gesetzesänderungen sind somit die Gravität des Eingriffs und des Gewichts der für diesen Eingriff sprechenden Gründe maßgeblich ("Rückzahlung der Getränkesteuer: Sind die landesabgabenrechtlichen Bereicherungsverbote gemeinschafts- und verfassungskonform?" Mag. Ehrke, ÖStZ Nr. 10/2000.).
Eine kritische Stellungnahme zu den rückwirkenden gesetzlichen Änderungen hinsichtlich Bereicherungsregelung wird jedoch unter Bedachtnahme auf den Vertrauensschutz in der Rechtslehre vertreten (Mag. Dr. Zorn/ Mag. Dr. Fraberger in "Gemeinschaftsrechtskonformität der rückwirkenden Sanierung der Getränkesteuer?" in SWK-Heft 22 vom 1.8.1999).
5.5.2.2 Der Verfassungsgerichtshof selbst hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Rechtsfrage der Rückwirkung von Rechtsnormen auseinander gesetzt. Danach wäre lediglich dann die Rückwirkung von Gesetzesnormen verfassungswidrig, wenn das rückwirkende Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung die steuerliche Situation für jene Steuerpflichtigen gravierend geändert hätte, die im Vertrauen auf die Rechtslage ihre Disposition getroffen hatten (VfGH-Erkenntnis vom 5.10.1989, G 228/89).
Dem gegenüber liegt keine Verletzung des Vertrauensschutzes vor, wenn eine Rechtsvorschrift nicht rückwirkend gravierend in vergangene Abgabentatbestände eingreift, sondern lediglich das Ergebnis eines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers darstellt; die Auffassung, dass dem Gesetzgeber ein Eingriff in die Rechtsposition der Normunterworfenen verwehrt wäre, entspreche nicht der bisherigen Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH-Erkenntnis vom 21.6.1993, B 2022/92). Der Umstand allein, dass die Steuerpflichtigen eine entsprechende Entscheidung eines Höchstgerichtes erwarteten, garantiert keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (VfGH-Erkenntnis vom 19.6.1996, B 2756/94). Das Faktum, dass etwa der Gesetzgeber durch eine Gesetzesnovelle auch für vergangene Abgabenzeiträume für eine Klärung der Rechtslage sorgen wollte, ist verfassungsrechlich anerkannt (VfGH-Erkenntnis vom 25.6.1998, G 384/96).
5.5.2.3 So sollte grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die normunterworfenen Steuerpflichtigen im konkreten Fall keinesfalls in ihrem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden, weil
- der Verfassungsgerichtshof bereits lange vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes erkannte (VfGH-Erkenntnis vom 2.10.1999, B 1620/97), dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke keinesfalls offensichtlich gemeinschaftsrechtswidrig wäre,
- der Europäische Gerichtshof selbst in seinem entsprechenden Erkenntnis klargestellt hat (EuGH-Urteil vom 9.3.2000, C 437/97 Rz 58), dass die österreichische Regierung aufgrund des Verhaltens der Europäischen Kommission annehmen konnte, dass die Vorschriften über die Besteuerung alkoholischer Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wären,
- ein großer Teil der Steuerpflichtigen trotz der bekannten Rechtsproblematik Getränkesteuer erklärt hatte und auch viele diesbezügliche Abgabenverfahren ungeachtet der bevorstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes noch vor diesem Zeitpunkt, aber auch in der Folge darauf in Rechtskraft erwachsen sind,
- die Steuerpflichtigen, die die Aufhebung der Getränkesteuer vermuteten bzw. erwarteten, jedoch keinesfalls mit einer Aufhebung im Hinblick darauf rechnen konnten, dass
- die Getränkesteuer jahrelang bereits Bestandteil des österreichischen Steuersystems war,
- in vielen Verfahren nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Höchstgerichte sich mit der Getränkesteuer auseinandersetzten, ohne jemals die EU-Konformität in Frage zu stellen,
- der Verfassungsgerichtshof selbst in seiner Entscheidung vom 2.10.1999, B 1620/97, festgestellt hat, wonach die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke offensichtlich nicht EU-widrig wäre,
- die Steuerpflichtigen selbst im Rahmen ihrer Abgabenerklärungen und auch in ihren Preislisten die Getränkesteuer ausgewiesen hatten.
5.6 Gutschrift - Rückzahlung
5.6.1 Rechtsproblematik
In der Rechtslehre wird die Auffassung vertreten, dass Rechtsnormen in den Landesabgabenordnungen, welche lediglich die Erstattung von Guthaben versagen, zur Folge haben, dass eine Verrechnung von Gutschriften aus der unrechtmäßigen Erhebung der Getränkesteuer und ebenso die Verwendung allfälliger Guthaben zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zulässig sein müsste.
5.6.2 Begriffsunterscheidung
Diesbezüglich muss bemerkt werden, dass die Landesabgabenordnungen, wie z.B. die Oö. Landesabgabenordnung, zwischen nachfolgenden Begriffen unterscheiden:
- Zahlungen und sonstige Gutschriften (§ 161 Oö. LAO) sind auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Schulden des Steuerpflichtigen zu verrechnen; Zahlungen führen zu Gutschriften, sonstige Gutschriften sind den Zahlungen gleichgestellt - es handelt sich hierbei um Gutschriften (Buchungsgrößen) aufgrund einer verminderten Abgabenfestsetzung, einer ersatzlosen Aufhebung oder Herabsetzung einer Abgabenvorschreibung, z.B. rechtliche Auswirkung aus der EuGH-Entscheidung vom 9.3.2000 in Anlassfällen, - derartige Gutschriften können zu Guthaben führen.
- Guthaben (§ 162 Oö. LAO) der Steuerpflichtigen sind zur Tilgung fälliger Schulden zu verwenden; unter Guthaben ist eine nach den vorerwähnten Grundsätzen berechnete Vermögensgröße zu verstehen, die geradezu die Umkehrung eines berechneten Rückstandes darstellt, - wenn keine Tilgungsverwendung, dann Rückzahlung.
- Rückzahlung von Guthaben auf Antrag der Steuerpflichtigen oder auch von amtswegen (§ 185 Oö. LAO)
- Rückzahlung einer zu Unrecht entrichteten oder abgeführten Abgabe (§ 186 Oö. LAO)
- Rückzahlung einer zu Unrecht zwangsweise eingebrachten Abgabe (§ 186 Oö. LAO).
5.6.3 Rechtskonsequenzen
Daraus wäre zu folgern, dass aufgrund einer Nullfestsetzung einer Getränkesteuer auf alkoholische Getränke aufgrund eines Anlassfalles im Sinne des EuGH-Urteils vom 9.3.2000 ex lege eine Gutschrift entstehen könnte und diese im Falle des Bestehens von Rückständen mit diesen zu verrechnen wäre und dann möglicherweise zu einem rückzahlbaren Guthaben führen würde (Mag. Ehrke in "Rückzahlung der Getränkesteuer: Sind die landesabgabenrechtlichen Bereicherungsverbote gemeinschafts- und verfassungskonform?", ÖStZ Nr. 10/2000) - kritisch dazu vor allem auch Univ.Prof. Mag. Dr. Taucher, Institut für Finanzrecht, Universität Graz, in "Neueste Rechtsentwicklungen bei Gemeindeabgaben" Verlag Österreich.
Soweit die Landesabgabenordnungen (z.B. Nö. Landesabgabenordung) unter das Bereicherungsverbot die Versagung der Gutschrift (Verrechnung) und der Rückzahlung subsumieren, entsteht ohnedies kein Rückzahlungsproblem.
Sofern dies nicht der Fall ist, ist zu bemerken, dass
- sich die landesgesetzlichen Rechtsnormen auf den in der ständigen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes verwendeten Begriff der Erstattung bzw. der Nichterstattung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben beziehen,
- der Europäische Gerichtshof mit dem Begriff Erstattung offensichtlich die Gutschreibung und damit die Rückzahlung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben behandelt und damit den Oberbegriff Erstattung für Gutschreiben und für Rückzahlen verwenden wollte,
- der Europäische Gerichtshof in keiner seiner Entscheidungen im Zusammenhang mit der Abweisung (Ablehnung) von Rückzahlungsansprüchen hinsichtlich gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben die Versagung der Gutschrift als Voraussetzung für die Verweigerung der Rückzahlung gefordert hatte,
- die Abgabenbehörden im Wege eines Feststellungsbescheides - unter Berücksichtigung der aufgrund der ständigen EuGH-Rechtssprechung ergangenen Novellierung der Landesabgabenordnung über das Bereicherungsverbot - die Versagung einer Gutschrift feststellen und in der Folge die Rückzahlung verweigern können.
Soferne daher die landesabgabenrechtlichen Vorschriften doch nicht wie in Salzburg und Niederösterreich expressis verbis die Ablehnung der Gutschrift und der Rückzahlung vorsehen, sollte zwecks Klarstellung in den Abgabebescheiden
- die Getränkesteuer für alkoholische Getränke in Anlassfällen aufgrund des EuGH-Urteils vom 9.3.2000 zwar mit Null festgesetzt werden,
- die auf alkoholische Getränke entfallene, überwälzte, entrichtete Getränkesteuer im Wege einer abgabenrechtlichen Feststellung aber nicht gutgeschrieben werden,
- der Rückzahlungsantrag hinsichtlich der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke entsprechend der landesabgabenrechtlichen Bestimmung über das Bereicherungsverbot daher als unbegründet abgewiesen und der Abgabenbetrag nicht erstattet werden.
5.7 Bereicherungsverbot - Prüfungskriterien
5.7.1 Mögliche Kriterien
Im Zusammenhang mit der Frage der Bereicherung des anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen hat der Europäische Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil vom 9.2.1999, Rs C 343/96, klargestellt, dass dieser Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung vor allem dann vorliegt, wenn zu Unrecht erhobene bzw. gemeinschaftsrechtswidrig erhobene Abgaben möglicherweise in den Warenpreis einbezogen und so auf die Abnehmer abgewälzt worden sind. Unter solchen Umständen hat nämlich nicht der Steuerpflichtige die Steuerlast der gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgaben getragen, sondern der Abnehmer (Letztverbraucher), auf den die Steuerlast abgewälzt worden ist. Würde man daher dem Steuerpflichtigen den Abgabenbetrag erstatten, den er bereits beim Abnehmer erhoben hat, käme dies einer Doppelbezahlung an ihn gleich, die als ungerechtfertigte Bereicherung beurteilt werden könnte, ohne dass damit die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabe für den Abnehmer beseitigt wären (EuGH-Urteil vom 14.1.1997, Rs C 192/95).
Die Bedeutung des wirtschaftlichen Tragens sollte daher primär dahingehend verstanden werden, dass die Abgabenbehörde vor allem zu prüfen hat, ob der anspruchsberechtigte Steuerpflichtige die gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgaben auf die Letztverbraucher (Konsumenten) abgewälzt hat. Für diese Beurteilung der Abwälzung auf die Konsumenten sind im Wesentlichen vier Kriterien maßgebend und zwar:
- Preislisten,
- Steuererklärungen,
- Preisveränderungen,
- Markteinflüsse,
wobei vor allem den Preislisten, Steuererklärungen und Preisveränderungen entscheidende Bedeutung als Nachweis der Überwälzung der Steuerlast auf die Letztverbraucher (Konsumenten) zukommt.
In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Rahmen eines anlässlich der Einführung des Mehrwertsteuersystems in Österreich vom Fachverband der Gast- und Schankbetriebe selbst herausgegebenem Merkblatts über die Mehrwertsteuer betriebsinterne Kalkulationsrichtlinien vorgegeben wurden, aus denen ganz klar die grundsätzliche Einbeziehung der Getränkesteuer in den Warenpreis ersichtlich ist.
Unabhängig davon sollte jedenfalls die Sachverhaltsfrage der Steuerabwälzung auf die Letztverbraucher (Konsumenten) in jedem Einzelfall anhand der Preislisten, Steuererklärungen etc. von der Abgabenbehörde geprüft werden.
5.7.2 Preislisten
Das Preisauszeichnungsgesetz gilt grundsätzlich für die Auszeichnung der Preise von Sachgütern und Leistungen (BGBl. Nr. 146/1992 i.d.F. BGBl. I Nr. 125/98). Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. sind die Preise einschließlich der Umsatzsteuer sowie aller sonstigen Abgaben und Zuschläge auszuzeichnen (Bruttopreise); sh. auch VwGH-Erkenntnis vom 27.1.2000, Zl. 97/16/ 0190-6.
Nach diversen getränkesteuerspezifischen Rechtsnormen (z.B. § 8 Abs. 1 Getränkesteuerordnung der Stadt Linz) haben die Steuerpflichtigen mindestens einmal jährlich während des ersten Kalendervierteljahres, jedenfalls aber bei einer allfälligen Preisänderung, der Abgabenbehörde Nachweise über die Preise der von ihnen veräußerten Getränke zu erbringen.
Derartige Preisauszeichnungen sind nicht nur der Behörde vorzulegen, wenn dies expressis verbis in den Getränkesteuer-Rechtsnormen vorgesehen ist, sondern es sind die Abgabenbehörden unter Bedachtnahme auf die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht jederzeit berechtigt, von den Steuerpflichtigen unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht die Vorlage derartiger Unterlagen, die für die abgabenrechtliche Beurteilung bedeutsam sind, zu fordern; so haben etwa nach § 97 Oö. Landesabgabenordnung die Steuerpflichtigen und die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichteten Personen jene Bücher oder Aufzeichnungen zu führen, die nach Maßgabe der einzelnen Abgabenvorschriften zur Erfassung der abgabenpflichtigen Tatbestände dienen. Derartige Preislisten sind jedenfalls unter solche Aufzeichnungen zu subsumieren. Im Übrigen sind die Steuerpflichtigen beispielsweise nach den Bestimmungen der Oö. Landesabgabenordnung zur Führung und Aufbewahrung derartiger Aufzeichnungen und damit auch von Preislisten verpflichtet. Die Nichtvorlage bzw. Nichtaufbewahrung dieser Preislisten - sei es fahrlässig oder vorsätzlich - kann daher von der Abgabenbehörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung für den Steuerpflichtigen nachteilig im Hinblick auf die Abwälzung von Abgaben gewertet werden.
Aus diesen Preisauszeichnungen ist jedenfalls im Einzelfall ersichtlich, ob die Getränke inklusive Getränkesteuer an die Konsumenten abgegeben und daher im Warenpreis inbegriffen waren und damit auf die Konsumenten abgewälzt wurden.
5.7.3 Steuererklärung
Aus den Steuererklärungen ist eindeutig zu entnehmen, welcher Schlüsselzahl sich der Steuerpflichtige im Rahmen der Selbstbemessung der Getränkesteuer bedient hat. So sind etwa für alkoholische Getränke als Inklusivpreis folgende Schlüsselzahlen vorgesehen:
wenn inkl. 10% Getränkesteuer, 12% Bedienungszuschlag und Umsatzsteuer ... Schlüsselzahl 6,76%,
wenn inkl. 10 % Getränkesteuer, 10,5% Bedienungszuschlag und Umsatzsteuer ... Schlüsselzahl 6,86 %,
wenn inkl. 10% Getränkesteuer und Umsatzsteuer (ohne Bedienungszuschlag) ... Schlüsselzahl 7,58 %
Aus diesen Schlüsselzahlen ist eindeutig ersichtlich, dass im Einzelfall der Inklusivpreis unter Berücksichtigung bzw. Beinhaltung einer Getränkesteuer erstellt wurde und damit die Getränkesteuer auf die Konsumenten abgewälzt worden war.
5.7.4 Preisveränderungen
Soferne infolge bzw. aufgrund des EuGH-Urteils vom 9.3.2000 diverse Supermarktketten eine Senkung des Getränkepreises aufgrund des Entfalls der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke offiziell ankündigten und die Behörde derartige Ankündigungen aufgrund entsprechender Ermittlungen, z.B. Inserate etc., nachweisen kann, ist diese Vorgangsweise ein eindeutiges Indiz, dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke bisher an die Konsumenten abgewälzt worden war.
5.7.5 Markteinflüsse
Nach den bisher zum Bereicherungsverbot ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes waren jedoch die bestenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände eines Einzelfalles wahrzunehmenden Markteinflüsse auf die Preisgestaltung für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob bzw. in welchem Umfang Steuerpflichtige die ihnen vorgeschriebenen Steuern und Zölle auf die Letztverbraucher (Konsumenten) überwälzt haben, keinesfalls von entscheidender Bedeutung.
Das WIFO wurde durch das Bundesministerium für Finanzen beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, ob bzw. welche konkreten Markteinflüsse preisbestimmend sein könnten - mit diesem Gutachten ist im Laufe des Juli zu rechnen.
Nach einem ersten Zwischenbericht des WIFO kann davon ausgegangen werden, dass im großen und ganzen die Getränkesteuer überwälzt wurde.
6. Fallbeispiele
Soferne verfahrensrechtlich (beispielsweise in Anlassfällen) materiellrechtlich zu entscheiden ist, wäre nachfolgende, vereinfacht dargestellte, verfahrensrechtliche Vorgangsweise möglich, wobei jedoch in jedem einzelnen Abgabefall im Zusammenhang mit der Bescheiderlassung spezifisch
- die jeweiligen landesabgabenverfahrensrechtlichen Bestimmungen,
- die jeweiligen Normen der Landesgetränkesteuergesetze,
- die jeweiligen Gemeindeabgabenverordnungen sowie
- allfällige Vereinbarungen mit den Steuerpflichtigen
zu berücksichtigen sein werden.
6.1 Fallbeispiel 1
- Festsetzungsantrag für 1999 vor dem 9.3.2000
- Rückzahlungsantrag wegen 1999 zu Unrecht entrichteter Abgaben vor dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) und alkoholische Getränke laufend entrichtet
Rechtsfolge:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) für 1999 nach den bisherigen Bestimmungen der Landesabgabenordnung festsetzen
- Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für 1999 nach LAO-Novelle in Verbindung mit dem EuGH-Urteil vom 9.3.2000 mit Null festsetzen
- Rückzahlungsantrag für 1999 nach LAO-Novelle als unbegründet abweisen
6.2 Fallbeispiel 2
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und alkoholische Getränke für 1999 vor dem 9.3.2000 durch Selbstberechnung oder Abgabenbescheid festgesetzt
- Rückzahlungsantrag wegen zu Unrecht entrichteter Abgaben erging für 1999 nach dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und alkoholische Getränke laufend entrichtet
Rechtsfolge:
Im Hinblick auf die nach bisherigen Verfahrensbestimmungen zu Recht erfolgte Abgabenfestsetzung den Rückzahlungsantrag als unbegründet abweisen, weil keine Klage oder entsprechender Rechtsbehelf vor dem 9.3. 2000 eingebracht worden war
6.3 Fallbeispiel 3
Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und alkoholische Getränke für 1999 bisher nicht festgesetzt
- Rückzahlungsantrag wegen zu Unrecht entrichteter Abgaben für den Abgabenzeitraum 1999 nach dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und alkoholische Getränke wurde laufend entrichtet
Rechtsfolge:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) und für alkoholische Getränke für 1999 nach bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Rückzahlungsantrag als unbegründet abweisen, weil keine Klage oder entsprechender Rechtsbehelf vor dem 9.3.2000 eingebracht worden war
6.4 Fallbeispiel 4
- Getränkesteuer für alkoholfreie und alkoholische Getränke wurde laufend festgesetzt und auch entrichtet
- Rückzahlungsantrag wegen zu Unrecht entrichteter Abgaben kurz vor dem 9.3.2000 für den Abgabenzeitraum 1995-1999
Rechtsfolge:
- Rückzahlungsantrag für den Zeitraum 1995 - 1996 als verspätet eingebracht zurückweisen (z.B. bei Dreijahresfrist für Rückzahlungsanträge)
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke für den Abgabenzeitraum 1997-1999 nach bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke für den Abgabenzeitraum 1997-1999 nach LAO-Novelle in Verbindung mit dem EuGH-Urteil vom 9.3.2000 mit Null festsetzen,
- Rückzahlungsantrag hinsichtlich des Abgabenzeitraumes 1997-1999 nach LAO-Novelle als unbegründet abweisen
6.5 Fallbeispiel 5
- Antrag auf Abgabenfestsetzung vor dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie und alkoholische Getränke für 1999 nicht entrichtet
Rechtsfolge:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) nach den bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Getränkesteuer auf alkoholische Getränke nach der LAO-Novelle (2. Satz) vorschreiben
6.6 Fallbeispiel 6
- Antrag auf Abgabenfestsetzung und Abgabenrückzahlung vor dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke für 1996-1999 gänzlich entrichtet
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1996-1997 gänzlich entrichtet
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1998-1999 nicht entrichtet<7li>
Rechtsfolge:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke (Speiseeis) für 1996 - 1999 nach den bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1996-1997 nach LAO-Novelle in Verbindung mit EuGH-Urteil vom 9.3.2000 mit Null festsetzen
- Rückzahlungsantrag hinsichtlich der für 1996 - 1997 entrichteten Getränkesteuer für alkoholische Getränke nach LAO-Novelle als unbegründet abweisen
- Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für 1998-1999 nach LAO-Novelle (2. Satz) vorschreiben
- Rückzahlungsantrag für 1998-1999 mangels zu Unrecht entrichteter Abgabe gemäß bisherigen Verfahrensbestimmungen als unbegründet abweisen
6.7 Fallbeispiel 7
- Getränkesteuer für alkoholfreie (Speiseeis) und alkoholische Getränke für 1995/1996 bereits rechtskräftig festgesetzt
- Festsetzungs- und Rückzahlungsantrag ab 1995 vor dem 9.3.2000
- Getränkesteuer für alkoholfreie und alkoholische Getränke laufend entrichtet
Rechtsfolge:
- Antrag auf Festsetzung hinsichtlich des bereits festgesetzten Abgabenzeitraumes 1995/1996 wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückweisen
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke für 1997-1999 nach den bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1997-1999 nach LAO-Novelle in Verbindung mit dem EuGH-Urteil vom 9.3.2000 mit Null festsetzen
- Rückzahlungsantrag für den Zeitraum 1997-1999 nach LAO-Novelle als unbegründet abweisen
6.8 Fallbeispiel 8
- Getränkesteuer für alkoholfreie und alkoholische Getränke für 1999 nicht entrichtet
- Kein entsprechender Rechtsbehelf vor dem 9.3.2000 eingebracht
Rechtsfolge:
- Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke entsprechend den bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen
- Getränkesteuer auf alkoholische Getränke entsprechend den bisherigen Verfahrensbestimmungen festsetzen, weil kein entsprechender Rechtsbehelf vor dem 9.3.2000 eingebracht worden war
7. Abgabenexekution
Hinsichtlich der Exekution der Getränkesteuer wird folgende Vorgangsweise vorgeschlagen:
- die bis zum 9.3.2000 bereits rechtskräftigen Abgabenbescheide sind sowohl hinsichtlich der Getränkesteuer auf alkoholfreie als auch auf alkoholische Getränke aufgrund vorliegender Rückstandsausweise in voller Höhe zu vollstrecken,
- die auch nach dem 9.3.2000 nunmehr rechtskräftig gewordenen Abgabenbescheide sind hinsichtlich der Getränkesteuer auf alkoholfreie und alkoholische Getränke in voller Höhe zu vollstrecken,
- sämtliche Forderungen betreffend die Getränkesteuer auf alkoholfreie und alkoholische Getränke, welche im Rahmen von Insolvenzverfahren angemeldet wurden, sind in voller Höhe aufrecht zu erhalten
- soweit von der Erstinstanz Abgabenvorschreibungen für Abgabenzeiträume vor dem 9.3.2000 hinsichtlich alkoholfreier und alkoholischer Getränke vorgenommen werden und sich die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung bereits auf die jeweilige LAO-Novelle stützt und damit über das Bereicherungsverbot befindet, sind die Rückstandsausweise unverzüglich in voller Höhe zu vollstrecken, selbst wenn der erstinstanzliche Abgabenbescheid angefochten würde (Berufung ohne Aufschiebung der Einhebung - sh. z.B. § 197 Oö. LAO),
- soweit die Getränkesteuer für den Abgabenzeitraum ab 9.3.2000 auf alkoholfreie Getränke für das Kalenderjahr 2000 pro futuro festgesetzt wird, ist auch dieser Abgabenbetrag in voller Höhe zu vollstrecken,
- soweit die Getränkesteuer für den Abgabenzeitraum vor dem 9.3.2000 vorgeschrieben wurde, jedoch die Abgabenverfahren hinsichtlich der Frage der Bereicherung noch nicht behandelt worden sind, d.s. all jene Verfahren, die in der Rechtsmittelinstanz, vor der Aufsichtsbehörde oder vor dem Verwaltungsgerichthof anhängig sind, sollte amtsintern nach Rücksprache mit der Titelbehörde folgende Vorgehensweise gewählt werden:
- der Getränkesteueranteil auf alkoholfreie Getränke ist unverzüglich zu vollstrecken,
- hinsichtlich des Getränkesteueranteiles auf alkoholische Getränke ist zuerst in einem erstinstanzlichen Abgabenbescheid bzw. im fortgesetzten Abgabeverfahren im Rahmen der Rechtsmittelinstanz die Frage der Bereicherung oder des Rechtsbehelfs zu klären und im Anschluss nach Ergehen eines Abgabenbescheides,
- ist diesbezüglich auch der Getränkesteueranteil auf alkoholische Getränke zu vollstrecken.
In allen Fällen sind jedoch die von der Titelbehörde gewährten Aussetzungen und Stundungen zu berücksichtigen.
8. Neues Vorabentscheidungsverfahren?
8.1 Offene Rechtsfragen
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2000 C 437/97 sind noch Rechtsfragen offen geblieben, wie
- die grundsätzliche Gültigkeit der Verbrauchsteuerrichtlinie für die Getränkesteuer als Verkehrsteuer,
- die Bedeutung der Beitrittsverhandlungen und abgeschlossener Beitrittsprotokolle für die Auslegung des EU-Vertrages.
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof zu diesen Rechtsfragen keine Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof verlangt hat, blieben diese Rechtsfragen auch im Rahmen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes unbeantwortet. Der Klärung der Rechtsfrage der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verbrauchsteuerrichtlinie und der Berücksichtigung der Beitrittsprotokolle durch den Europäischen Gerichtshof käme mehr als eine rechtstheoretische Bedeutung zu.
8.2 Zur Gültigkeit der Verbrauchsteuerrichtlinie
8.2.1 Funktionieren des Binnenmarktes
Nach Art. 93 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Die Notwendigkeit einer derartigen Harmonisierung ist vor allem darin begründet, die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion zu erreichen, wobei im Steuerrechtsbereich einerseits Diskriminierungsverbote nach Art. 90 EGV, andererseits Steuerharmonisierungs- gebote nach Art. 93 EGV dazu beitragen sollten. Die Mitgliedstaaten haben aber auf dem Gebiet der inländischen Abgaben grundsätzlich das Recht behalten, ihre Steuerpolitik selbstständig zu gestalten (vgl. Lenz, EG-Vertrag Kommentar, 2. Auflage 1999). Diese staatliche Steuerautonomie wird nur insoweit eingeschränkt, als dies zur Erreichung der allgemeinen Ziele des Vertrages erforderlich ist.
8.2.1.1 Diskriminierungsverbot
Beim Diskriminierungsverbot handelt es sich um einen Mindestkodex von Regeln, der für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr sicherstellen soll, dass die inländischen Steuersysteme neutral wirken und den inländischen Waren nicht zum Vorteil gereichen.
Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ist im Falle der Getränkesteuer nicht gegeben, weil hier Getränkelieferungen aus den anderen Mitgliedstaaten steuerrechtlich vollkommen gleich behandelt werden wie Getränkelieferungen von Österreich an andere Mitgliedstaaten; die steuerrechtliche Gleichbehandlung betrifft sowohl den Steuertatbestand als auch die Steuersätze.
8.2.1.2 Steuerharmonisierung
Eine ähnliche Funktion kommt dem Prinzip des Steuerharmonisierungsgebotes zu, welches darauf abzielt, die Verwirklichung einer echten Wirtschaftsgemeinschaft zu fördern, wobei mit diesen Harmonisierungmaßnahmen die drei wesentlichsten Ziele europäischer Steuerpolitik, nämlich die Stabilisierung der Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Förderung der Beschäftigung erreicht bzw. beibehalten werden sollten.
Dieser Begriff der Harmonisierung ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der Koordinierung und der Rechtsangleichung, keinesfalls jedoch unter dem Begriff der Vereinheitlichung zu sehen. Die Anwendung von Harmonisierungsrichtlinien scheint hinsichtlich der Getränkesteuer rechtlich äußerst problematisch, weil es sich bei dieser ausschließlichen Gemeindeabgabe weder um eine Umsatzsteuer (wie von der EU-Kommission selbst eingeräumt), noch um eine Verbrauchsteuer handelt; die Getränkesteuer ist jedenfalls eine Verkehrsteuer, weil sie an einen wirtschaftlichen Verkehrsvorgang anknüpft. Es ist daher schon von der Gesetzessystematik her rechtlich bedenklich, die Getränkesteuer, trotz ihrer ausdrücklichen gesetzesgemäßen Umwandlung von einer Verbrauchsteuer in eine Verkehrsteuer, unter die Verbrauchsteuerrichtlinien zu subsumieren.
8.2.2 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert, dass die Steuerharmonisierung kein Selbstzweck sein kann, sondern sich an der Notwendigkeit für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu orientieren hat. Die Harmonisierungsbestimmungen haben ausschließlich dann zur Anwendung zu kommen, wenn das Funktionieren des Binnenmarktes gefährdet wäre, wie dies etwa bei Differenzierung einer gleichen Abgabenform in den einzelnen Mitgliedstaaten oder des besonderen Nachweises von bestimmten Kriterien für Einfuhrprodukte der Fall wäre.
Auch unter diesem Gesichtspunkt scheint die Unterwerfung der Getränkesteuer unter die Harmonisierungsbestimmungen überzogen, weil durch die Einhebung einer Abgabe auf die Veräußerung von Getränken in Österreich eine potentielle Gefährdung des Binnenmarktes rechtstheoretisch nicht möglich erscheint und schon gar nicht praxisbezogen bisher jemals vorzuwerfen war.
8.3 Bedeutung der Beitrittsverhandlungen
8.3.1 Vertragsauslegung
Die Subsumtion der Getränkesteuer unter die Verbrauchsteuerrichtlinien ist eine Auslegungsvorgangsweise, welche nicht völlig konform mit Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), dem Vertragswerk über den Österreichischen EU-Beitritt vom 24.6.1994, und Art. 220 EGV erfolgt.
Nach Art. 31 WVK ist ein Vertrag grundsätzlich nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang kommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Danach versteht die Konvention nicht nur den Vertragstext im engeren Sinn einschließlich der Präambel und allfälliger Annexe, sondern auch alle, zwischen den Parteien aus Anlass des Vertragsabschlusses sonst noch geschlossener Übereinkommen und darauf bezogener Erklärungen, soweit diese von allen Vertragspartnern als solche angenommen wurden.
Die Vertragsauslegung des EG-Vertrages gründet sich im Besonderen auf Art. 220 EGV, wonach die Auslegung des Gemeinschaftsrechts primär im Wesentlichen an die aus dem innerstaatlichen Bereich bekannten Regeln anknüpft, wobei neben der Wortauslegung vor allem der systematisch-teleologischen Auslegung Bedeutung zukommt. Es war jedoch unbestritten Ziel und Absicht der Republik Österreich, ihre eigene Steuerhoheit zu bewahren und keine Destabilisierung ihrer Einnahmen zuzulassen.
8.3.2 Beitrittsprotokoll
Nach dem Vertragswerk über den österreichischen EU-Beitritt sind dem Beitrittsvertrag auch Beitrittsakte angefügt, denen wiederum Anhänge und Protokolle beigefügt sind, die Bestandteil derselben und somit ebenfalls dem Beitrittsvertrag zuzuordnen sind; Erklärungen der Vertragsparteien erlangen daher vor allem bei der Auslegung der Vertragsbestimmungen Bedeutung.
Anlässlich der Vorverhandlungen zum EU-Beitritt Österreich stand die Frage der EU-Konformität der Getränkesteuer sehr wohl zur Diskussion und es war seitens der Vertreter der Europäischen Kommission die EU-Konformität der Getränkesteuer in den Vorgesprächen anerkannt worden; diesbezüglich existieren auch Protokolle. Derartige Erklärungen, die eine vertragsschließende Partei bei Abschluss einer solchen Verhandlung abgibt, sind auch nach einer Rechtsentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 18. Februar 1970 (vgl. EuGH-Urteil vom 18.2.1970, Rs 38-69) nach den Normen des Internationalen Rechts sowie des Gemeinschaftsrechts integrierender Bestandteil eines in Folge abgeschlossenen Abkommens. Lediglich wenn offen auftretende Meinungsverschiedenheiten anlässlich der Vertragsverhandlungen bestehen, kann ein allfälliger Vorbehalt eines Vertragspartners nicht weiter Berückichtigung finden; dies war jedoch im Falle der Getränkesteuer keinesfalls gegeben.