Rundschreiben 11/2000

Stand der Angelegenheit und weitere Vorgangsweise

Wien, 13.3.2000/GS Dr. Pramböck/RS_11.doc/
Klappe: 899 81/Zahl 946-15/644/98

An die
Mitgliedsgemeinden des
Österreichischen Städtebundes

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2000, das den Mitgliedsgemeinden des Österreichischen Städtebundes bereits als Rundschreiben übermittelt wurde und das auch im Internet, ausgehend von der Städtebund-Homepage (www.staedtebund.at [Top News]) nachgelesen werden kann, hat der EuGH in der Angelegenheit Getränkesteuer wie folgt entschieden:

  • Die auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis erhobene Steuer ist mit der Mehrwertsteuerrichtlinie und der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar, d.h., dass sie EU-konform ist und damit weiter eingehoben werden kann.
  • Die derzeitige Form der Besteuerung von alkoholischen Getränken ist ebenfalls mit der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar, doch steht ihr die Verbrauchsteuerrichtlinie (Regelung der Besteuerung von Mineralöl, Tabak und Alkohol) entgegen, d.h., dass die Besteuerung von alkoholischen Getränken im Rahmen der Getränkesteuer ab sofort EU-widrig ist.
  • Rückzahlungsansprüche (für die Zeit ab dem Beitritt zur EU) können insoweit gestellt werden, wenn der Kläger vor dem 9. März 2000 Klage vor einem österreichischen Gericht erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf bei der zuständigen österreichischen Behörde eingelegt hat.

Auf Grund dieses Urteils hat noch am Donnerstag, dem 9. März 2000, ein Gespräch bei Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser mit Vertretern von Städtebund und Gemeindebund, der Bundeswirtschaftskammer, des Fremdenverkehrs und der Landwirtschaft sowie der Verbindungsstelle der Bundesländer stattgefunden. Städtebund und Gemeindebund haben dargelegt, dass das Urteil nach einer ersten eingehenden Durchsicht grundsätzlich zwei Möglichkeiten einer Adaptierung der Getränkesteuer zur Sicherung der Gemeindefinanzen erlaubt.

  • Ausrichtung auf die Verbrauchsteuerrichtlinie: Diese erlaubt eine Mengenbesteuerung, das heißt, dass die Steuer in Schilling je Liter ausgedrückt werden muss. Eine Mengensteuer wird allerdings nicht bei der Abgabe an den Konsumenten sondern nur bei der erstmaligen Verbringung des Produkts in den Verkehr, d.h. beim Produzenten (Bierbrauereien, Schnapsbrennereien, Weinhauer), eingehoben. Der Fixbetrag pro Liter hat jedoch den großen Nachteil, dass er entweder im Einzelhandel zu starken Preiserhöhungen führt oder insgesamt ein nur geringer Steuerertrag erzielt wird. So würde eine aufkommensneutrale Lösung beim Kauf einer Flasche Bier im Supermarkt zu einer Preiserhöhung von 20 % führen. Abgesehen davon, dass die Abgabe nicht an die Preisentwicklung gebunden ist, wäre bei ihrer Einführung ein erheblicher Widerstand der Zahlungsverpflichteten zu erwarten. Dies waren auch die Gründe, warum schon in der Vergangenheit eine Veränderung bei der Getränkesteuer nicht möglich war.
  • Ausrichtung auf die Mehrwertsteuerrichtlinie: Damit ist die Besteuerung des Wertes eines Produkts (wie bisher bei der Getränkesteuer) möglich. Sie hat jedoch nicht nur bei der Abgabe an den Letztverbraucher sondern auf allen Wirtschaftsstufen, d.h. sowohl auf der Stufe der Produktion als auch des Großhandels und des Einzelhandels sowie der Gastronomie zu erfolgen. Dabei kann auch jeweils ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Städtebund und Gemeindebund haben letztere Variante zur Weiterverfolgung durch eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, was im Wesentlichen akzeptiert wurde. Darüber hinaus wurde die Arbeitsgruppe beauftragt, eine möglichst effiziente und leicht zu administrierende Lösung zu finden.

Bei jeder Art von Neukonstruktion der Besteuerung alkoholischer Getränke ist eine Zweckbindung des Ertrags der Abgabe erforderlich, weil der EuGH die von der Republik Österreich vorgebrachten Argumente für die besondere Zielsetzung, nämlich

  • Stärkung der finanziellen Gemeindeautonomie,
  • Ausgleich für die erheblichen finanziellen Belastungen der Gemeinden durch ihre touristischen Einrichtungen oder
  • Gesundheitsschutz durch die unterschiedliche Besteuerung von alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken

nicht gelten ließ.

Die Arbeitsgruppe hat den Gedanken einer an der Mehrwertsteuerrichtlinie orientierten Abgabe in der Zwischenzeit weiterentwickelt. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass, wenn die neue EU-konforme Abgabe eine Gemeindeabgabe bleiben sollte, wegen des Vorsteuerabzugs alle Gemeinden verpflichtet werden müssten, diese Abgabe einzuheben und dass in jeder Gemeinde auch eine vom EuGH akzeptierte Zweckbindung der gesamten Mittel vorliegen müsste, was als schwer umsetzbar erscheint. Es wurde in der Arbeitsgruppe daher folgende Neuregelung diskutiert:

  • Der Bund hebt selbst eine Sonderabgabe auf Getränke als ausschließliche Bundesabgabe ein, die nach der Art der Mehrwertsteuer konstruiert wird.
  • Da es nicht vernünftig erscheint, dass die Gemeinden daneben eine eigene Getränkesteuer auf nicht-alkoholische Getränke und Speiseeis einheben, wird die Besteuerung der nicht-alkoholischen Getränke in die vom Bund erhobene Steuer eingegliedert.
  • Die Sätze mit 10 und 5 % bleiben gleich.
  • Bemessungsgrundlage und Besteuerungsgegenstand bleiben ebenfalls gleich.
  • Für den alkoholischen Teil der "Getränkesteuer neu" legt der Bund die Zweckbindung (vermutlich Gesundheit) fest.
  • Der Gesamtertrag der bisherigen Getränkesteuer in Höhe von 5,6 Mrd Schilling im Jahr 1997 wird in einen Prozentsatz des Aufkommens an Umsatzsteuer im Jahr 1997 umgerechnet. Dieser Prozentsatz wird in den Folgejahren für die Ermittlung des den Gemeinden zufließenden zusätzlichen Steuerertrags verwendet. Damit ist die Teilnahme an der Dynamik des Umsatzsteueraufkommens gewährleistet.
  • Für die Einhebung erhält der Bund - wie bei der Grunderwerbsteuer - eine Vergütung von 4 % des Ertrags.
  • Die Aufteilung auf die einzelnen Gemeinden erfolgt nach ihrem durchschnittlichen Anteil am gesamtösterreichischen Getränkesteueraufkommen in den Jahren 1994 bis 1998.
  • Die Verteilung der Mittel auf die Gemeinden erfolgt im Wege der Länder. Nach dem Vorbild der Spielbankenabgabe erfolgt keine Einbehaltung von Abzügen für Landesumlage und Bedarfszuweisungen.
  • Es wird sichergestellt, dass in regelmäßigen Abständen - Vorschlag 5 Jahre - eine Feststellung des in den einzelnen Gemeinden erfolgten Getränkeumsatzes erfolgt, um Anpassungen des Verteilungsschlüssels an die jeweilige örtliche Dynamik vornehmen zu können.
  • Offen ist noch, inwieweit das Modell von Wirtschaft und Landwirtschaft akzeptiert wird, obwohl es unbestreitbare positive Merkmale hat.
  • Für die Gastronomie ergibt sich immerhin der Vorteil, dass die Zahllast um die Vorsteuer reduziert wird, wobei sogar damit zu rechnen ist, dass durch den hohen Wettbewerb zumindest ein Teil der Vorsteuer von den vorgelagerten Wirtschaftsstufen übernommen wird. Desgleichen könnte bei entsprechenden Einkäufen der Gastronomie in Supermärkten in Zukunft "Getränkevorsteuer" geltend gemacht werden.
  • Bei der Landwirtschaft ist zu berücksichtigen, dass die meisten Weinhauer als "Kleinunternehmer" im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gelten bzw. pauschaliert sind und damit aus der Steuerpflicht herausfallen dürften.
  • Das Modell, dass der Bund die neue Getränkesteuer als ausschließliche Bundesabgabe einhebt, ermöglicht erstmals, dass allfällige wirtschaftsfördernde bzw. steuerliche Entlastungsmaßnahmen im Wege des Steuerrechts ausschließlich zwischen den Interessensvertretungen der Wirtschaft und dem Bund verhandelt werden können, ohne dass die Gemeindefinanzierung dadurch beeinträchtigt ist.
  • Für die Konsumenten ergibt sich der Vorteil, dass bei gleich bleibender finanzieller Leistungsfähigkeit der Gemeinden für die örtlichen Strukturen trotz EU-konformer Gestaltung der Abgabe die Preise keinesfalls negativ berührt werden.

Für die Gemeinden bedeutet die Aufgabe der nach dem EuGH-Urteil an und für sich verbliebenen Gemeindesteuer auf nicht-alkoholische Getränke und Speiseeis eine Beschneidung eines Teils ihrer Finanzautonomie, allerdings sind sie dadurch dem zweifellos zu erwartenden Druck enthoben, der sich auf den verbleibenden Teil der Getränkesteuer ergeben würde. Rein rechtlich gesehen hat der Verfassungsgerichtshof bereits Mitte Februar 2000 festgestellt, dass eine solche Besteuerung von nicht-alkoholischen Getränken sehr wohl verfassungskonform wäre.

Rückzahlung von Getränkesteuer

Diesbezüglich haben alle Bundesländer mit Ausnahme von Kärnten Regelungen in ihren Landesabgabenordnungen mit dem Inhalt aufgenommen, Rückzahlungen dann zu verhindern, wenn die Steuer seinerzeit weitergewälzt wurde. Dies ist von der Abgabenbehörde im Einzelfall zu prüfen. Entsprechende Vorgangsweisen werden derzeit noch beraten.

Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Frage der Anwendbarkeit der Landesregelungen wiederum beim Verwaltungsgerichtshof und allenfalls auch beim Europäischen Gerichtshof anhängig gemacht wird. Dabei ist allerdings zu bemerken, daß der EuGH in seinem Urteil ausdrücklich darauf hinweist, dass die österreichische Regierung annehmen konnte, die Vorschriften über die Besteuerung alkoholischer Getränke seien mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gewesen. Weiters hat er die Rückzahlungsansprüche begrenzt, weil sonst das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttert würde.

Weitere Vorgangsweise - theoretischer Ablaufplan

Ein auf den oben angeführten Eckpunkten basierender Gesetzesentwurf wird am 13. März 2000 vorliegen. Er könnte bereits am 14. März 2000 in das Plenum des Nationalrats eingebracht und noch am gleichen Tag dem Finanzausschuss zur Beratung zugewiesen werden. Eine Beschlussfassung im Nationalrat wäre in der darauf folgenden Woche, im Bundesrat sodann Anfang April möglich. Die Neuregelung könnte theoretisch mit 1. Mai 2000 in Kraft treten.

Verhandlungen

Die Vertreter des Österreichischen Städtebundes werden die Verhandlungen auf der Basis des obigen Berichtes weiterführen und im Sinne einer bestmöglichen Absicherung der Gemeindefinanzen auch die Zustimmung zu den erforderlichen neuen gesetzlichen Regelungen geben.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Dkfm. Dr. Erich Pramböck
Generalsekretär

Auskünfte erteilt Herr Friedrich Bucek,
Telefon: 01/4000/899 94.

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