Rundschreiben 31/2000

Getränkesteuer-Rückzahlung - Besprechung im Finanzministerium am 30.6.2000 - Resümeeprotokoll

Wien, 5. Juli 2000
Dr. Pramböck/Hu, Klappe 89981, Zahl: 946-15/644/98

An die
Mitgliedsgemeinden
des Österreichischen Städtebundes

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin!
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Am 30. Juni 2000 fand im Bundesministerium für Finanzen eine weitere Besprechung zwischen Bund, Ländern (Gemeindereferate) sowie Städtebund und Gemeindebund zur Frage der Getränkesteuerrückzahlung mit folgendem Ergebnis statt:

Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Null-Erklärung (Festsetzungs- und Rückzahlungsantrag) mit behaupteter EU-Widrigkeit der Getränkesteuer bereits einen "entsprechenden Rechtsbehelf" darstellt.

Damit sind die - ohnedies nicht allzu hoch eingeschätzten - Hoffnungen, der Verwaltungsgerichtshof würde den "entsprechenden Rechtsbehelf" an das Vorliegen einer Klage vor den Höchstgerichten oder äußerstenfalls an eingebrachte Rechtsmittelanträge anknüpfen, zunichte gemacht.

Das Erkenntnis bedeutet, daß österreichweit in zumindest 60.000 Fällen mit einem Volumen von S 15 Milliarden der grundsätzliche Anspruch auf Rückzahlung besteht, sofern die Rückzahlung nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde. Nach einer Erhebung des Österreichischen Städtebundes könnten die genannten Zahlen sogar um bis zu 20 % höher liegen.

Eine Eingrenzung des Rechtsbehelfes auf die Form der Berufung hätte eine Reduzierung der Zahl der Fälle auf etwa 20.000 sowie auf ein Volumen von S 9 Milliarden an rückzahlbarer Getränkesteuer gebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung die Erwägung des Europäischen Gerichtshofes, daß die Gemeindefinanzen nicht zerrüttet werden sollen (weshalb die Formulierung "Klage oder entsprechender Rechtsbehelf" gewählt wurde) offensichtlich nicht in der Weise berücksichtigt, daß bereits die Zahl der grundsätzlich Anspruchsberechtigten eingeschränkt werden könnte.

Noch nicht geklärt ist die Situation betreffend einer Reihe von durch das Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis nicht erfaßten Verfahren, etwa Null-Erklärungen ohne den Hinweis auf die EU-Widrigkeit, doch ist davon auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof mit hoher Wahrscheinlichkeit auch diesen Fällen die Qualität eines "entsprechenden Rechtsbehelfes" zuerkennen wird. Eine konkrete Aussage kann jedoch erst nach entsprechenden Verfahren getroffen werden. Grundsätzlich ist dazu jedoch zu bemerken, daß die Zahl der durch das bisherige Erkenntnis nicht erfaßten Fälle von Anspruchsberechtigten relativ gering sein dürfte.

Vor einer Aussage über die weitere Vorgangsweise wurde deshalb in der Arbeitsgruppe geprüft, ob noch weitere Möglichkeiten bestehen, den Europäischen Gerichtshof zu befassen, bevor die Gemeinden in den anhängigen Verfahren aktiv werden müssen. Dies ist nicht sehr wahrscheinlich. Es ist nämlich davon auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof in der Frage des entsprechenden Rechtsbehelfs im Hinblick auf sein Erkenntnis vom 19. Juni im bereits anhängigen Verfahren keine Zweifel an der Auslegung hat und deshalb in dieser Angelegenheit bestimmt kein neues Ersuchen um Vorabentscheidung stellen wird.

Denkbar wäre jedoch, daß ein anderes Gericht im Sinne des Artikel 234 EG-Vertrag, das mit einem Getränkesteuerfall befaßt ist, zur Auffassung kommt, daß die Vorabentscheidung des EuGH nicht ausreichend klar ist und sich daher an den EuGH wendet. Solche "Gerichte" könnten unter Umständen Abgabenberufungskommissionen in den Städten oder die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) sein. Eine wissenschaftliche Analyse spricht von einem Überwiegen der Argumente, die für die Tribunalqualität von Abgabenberufungskommissionen sprechen. Den Unabhängigen Verwaltungssenaten wird diese Qualität jedenfalls zuerkannt.

Anregungen zu Anträgen auf Vorabentscheidungen könnten sich z.B. auf folgende Fragen beziehen:

  • Inwieweit verstößt die Verbrauchsteuerrichtlinie gegen das Pimärrecht (Art. 93 EG), da sie auch dort eingreift, wo - wie im Fall der Getränkesteuer - die Verwirklichung des Binnenmarktes nicht behindert wird.
  • Weiters ist die Frage der Besteuerung von Dienstleistungen (Restaurationsumsätze) nicht beantwortet worden. Nach Auffassung von Rechtsexperten müßte sie gerade nach den Erkenntnissen im EuGH-Urteil vom 9. März 2000 eigentlich erlaubt sein (siehe auch EuGH-Urteil vom 2. Mai 1996, RS C-231/94, Faaborg-Gelting und Argumentationen im Vorlagebeschluß des VwGH vom 28. Dezember 1997 zur Dienstleistungsfrage).

Es ist nicht bekannt, ob ein solches zweites Ersuchen um Vorabentscheidung, das zweifellos eine Voraussetzung für die Aussetzung von Verfahren bilden würde, gestellt wird. Damit würden jedoch eine Reihe von sehr berechtigten Fragen der Gemeinden unbeantwortet bleiben.

Es wird somit davon auszugehen sein, daß die Verfahren weiter geführt werden müssen. Einerseits werden sie rückverwiesen andererseits haben die Gemeinden in 8 Bundesländern die Bereicherungsfrage zu prüfen.

Aufgrund verschiedener Bemerkungen in Expertenkreisen betreffend die Zuständigkeit der Länder zur Regelung von Bereicherungsverboten (Argument, daß es sich um einen zivilrechtlichen Begriff handelt, wobei nach der Kompetenzverteilung dafür dem Bund die Zuständigkeit zukommt) vertrat das Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst die Auffassung, daß eine solche Argumentation nicht zutrifft, da auch sonst in den Landesabgabenordnungen breit angelegte Rückabwicklungsmöglichkeiten für Steuerguthaben bestehen. Dies aufgrund Artikel 15 Abs. 9 B-VG, der die Länder befugt, zur Regelung des Gegenstandes auch erforderliche zivilrechtliche Bestimmungen zu treffen. Überdies hat die Bundesregierung bei Erlassen der Bereicherungsregelungen keine Bedenken gemäß Artikel 98 B-VG geltend gemacht.

Zur Rückwirkungsregelung wurde in der Arbeitsgruppe festgestellt, daß sie kein Problem darstellen dürfte, sofern die Gerichte die rückwirkende Regelung des Bereicherungsverbots akzeptieren.

Hinsichtlich des Bereicherungsverbots wird mit einem neuen Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofs um Vorabentscheidung an den EuGH gerechnet. Ein solches Ersuchen wäre jedenfalls ein Grund, die Prüfungen auf Bereicherung auszusetzen, soferne nicht ein Handlungsbedarf auf Abgabenfestsetzung, z.B. aufgrund von ungerechtfertigter Kompensation, besteht.

Wichtig ist bei den Landesabgabenordnungen, daß die Bereicherungsregelungen der Länder keine Differenzierung zwischen einer Entscheidung des EuGH oder der österreichischen Höchstgerichte auf Rückzahlung von Steuerschulden vornehmen.

Um die österreichischen Gemeinden bestmöglich zu schützen, aber auch um sicherzustellen, daß sich nicht aus der unterschiedlichen Regelung in den einzelnen Bundesländern Nachteile für die Gemeinden ergeben, wurde von Städtebund und Gemeindebund eine einheitliche bundesweite Regelung gefordert. Damit wären auch die Gemeinden, für die das Land keine Bereicherungsregelung erlassen hat (Kärnten) - erfaßt.

Eine solche Regelung wäre - genauso wie eine allenfalls noch erfolgende Kärntner Regelung - möglichst noch vor dem Sommer zu beschließen, um sie so rasch wie möglich zur Grundlage der Weiterarbeit in den Gemeinden machen zu können.

Im Falle der Beschlußfassung einer Bundesregelung wäre allerdings sicherzustellen, daß diese nach dem 9. März kundgemachte Bundesregelung, die die Landesregelungen gewissermaßen überlagert, keine Nachteile für die Gemeinden in jenen Bundesländern verursacht, die bereits klare Landesregelungen vor dem 9. März erlassen haben.

Einer solchen Beschlußfassung werden jedoch nur geringe Realisierungschancen eingeräumt.

Weiters wurde angeregt klarzustellen (Erlaß des Finanzministers), daß die alkoholischen Getränke bis einschließlich 8. März getränkesteuerpflichtig waren und daß allein aufgrund der unterschiedlichen Regelung betreffend Fälligkeit der Getränkesteuer unter Anwendung des Gleichheitsgebotes nach Auffassung von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches und nicht auf die Fälligkeit abgestellt wird. Eine solche Regelung sollte insbesondere Signalwirkung gegenüber den Steuerberatern haben und eine Vielzahl von Verfahren vermeiden. Ein wichtiger Ansatz dazu kann in der Bestimmung über das Inkrafttreten der neuen Getränkesteuer-Ermächtigung in der FAG-Novelle (§ 23a Abs. 2) gesehen werden.

Zur weiteren Vorgangsweise wurde folgendes festgehalten:

Das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) versucht, mit einem Gutachten auf makroökonomischer Ebene zur Frage der Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten Aussagen zu treffen. Zwischenaussagen des Berichtes gingen dahin, daß die Überwälzung im allgemeinen angenommen werden kann. Ob dieses Gutachten für die Gemeinden eine Hilfestellung ist, wird erst bei Vorliegen der konkreten Ergebnisse festgestellt werden können. Es wird jedoch davon auszugehen sein, daß das Bereicherungsverbot im Einzelfall zu prüfen und deswegen einen erheblichen Arbeitsaufwand verursachen wird.

Eine vom Österreichischen Gemeindebund vorgeschlagene gesetzliche Vermutung der Überwälzung der Getränkesteuer widerspricht nach Ansicht des Bundeskanzleramts dem Gemeinschaftsrecht, da der Europäische Gerichtshof eine Prüfung im Einzelfall fordert. Es wird deshalb einer solchen Regelung seitens des Bundes auch nicht nahegetreten.

In der Frage der Art der Prüfung der Bereicherung - ob wirtschaftlich oder formalrechtlich - spricht sich der Bund eindeutig für eine formalrechtliche Prüfung aus, d.h., ob Preisankündigungen (Speisekarten) mit dem Hinweis "inklusive aller Steuern und Abgaben" vorliegen bzw. welche "Schlüsselzahlen" für die Berechnung der Getränkesteuer herangezogen wurden.

Eine endgültige Festlegung der Vorgangsweise wird erst nach Vorliegen des WIFO-Gutachtens erfolgen können.

Abschließend ist festzustellen, daß sich eine kleine Arbeitsgruppe mit den rechtlichen Fragen befassen wird. Seitens des Österreichischen Städtebundes werden in dieser Arbeitsgruppe (Dr. Mühlberger, Magistrat Linz, Finanzrechts- und Steueramt und seitens der Stadt Wien Dr. Kamhuber, Magistrat Wien, MA 4, Referat 7 tätig sein. Beide Herren stehen auch für allfällige Auskünfte zur Verfügung.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Dkfm. Dr. Erich Pramböck e.h.

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