Plädoyer der Republik Österreich

Dr. Wolf OKRESEK, Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst

C-437/97

1. Vorbemerkung

Die österreichische Regierung hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausführlich dargelegt, warum ihrer Meinung nach die vom VwGH in seinem Vorlagebeschluß angesprochenen Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen. Ich möchte mich daher im folgenden darauf beschränken, die Position der Regierung vor dem Hintergrund des Art. 99 EGV kurz zu resümieren. Vor allem möchte ich gleich zu Beginn betonen daß die Getränkesteuer im Gesamtsystem der österreichischen Abgaben geradezu ein "essentiale" für die Finanzkraft der österreichischen Gemeinden darstellt.
Die Getränkesteuer stellt mit einem Gesamtaufkommen von 5.526 Mio. S (Daten zum Jahr 1996) eine der wichtigsten Gemeindesteuern dar: Das Aufkommen an Getränkesteuer macht bei einer Durchschnittsbetrachtung 14,8 % des Gesamtaufkommens der Gemeindesteuern aus; in 490 Gemeinden liegt der Anteil bei mehr als 25%, in 200 Gemeinden bei mehr als 33 % und in 24 Gemeinden sogar bei mehr als 50 %. Ich werde mich auf die dritte Frage des VwGH konzentrieren. Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres primär steuerrechtlichen Inhaltes von der Vertreterin des Bundesministeriums für Finanzen behandelt werden.

2. Zu Art. 99 EG-Vertrag

Nach Art. 99 EGV dieser Bestimmung erläßt der Rat die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, "soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes ... notwendig ist".
Sowohl die Mehrwertsteuer-Richtlinie als auch die Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie beziehen sich in ihren Erwägungen auf diesen Vertragsartikel, auf die Ziele der Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes und den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen inländischen Erzeugnissen und Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten. Jede Auslegung dieser Richtlinien muß die Grunde für die Erlassung dieser Richtlinien sowie die in Art. 99 EG-V festgelegten Grundlagen beachten.
Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Eine kommunale Steuer, die weder die Errichtung noch das Funktionieren des Binnenmarkts berührt, ist vom Harmonisierungsgebot des Art. 99 nicht erfaßt.
  • Da eine Harmonisierung von Steuern, die weder die Errichtung noch das Funktionieren des Binnenmarkts erfassen, nicht ,notwendig wäre", bestünde keine Kompetenznorm für eine solche Harmonisierung, da die Erlassung der Richtlinien nicht mehr auf Art. 99 EG-V gestützt werden könnte. (In diesem Sinne ist wohl auch Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl., Köln, 1996, § 15, Rz 2, zu verstehen, wenn er ausführt; daß die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern ohnehin nicht unter das Harmonisierungsgebot fallen).

Die Getränkesteuer stört nach Auffassung der Republik Österreich die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes nicht. Sie löst keine mit dem Überschreiten einer Grenze verbundenen Formalitäten aus. Erhebungsberechtigt ist die Gemeinde, in welcher der Ort der Veräußerung liegt. Es sind weder Grenzkontrollen erforderlich noch werden Waren oder Lieferungen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert. Nicht zuletzt deshalb sind auch keine gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten tangiert.

3. Zur dritten Frage des Verwaltungsgerichtshofes

Die dritte Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofes lautet: "Steht Art. 92 Absatz 1 EGV einer Ausnahmebestimmung entgegen, wonach der Ab-Hof-Verkauf von Wein von der Getränkesteuer befreit ist." Die österreichische Regierung bestreitet die Zulässigkeit dieser Frage. Dem Verwaltungsgerichtshof geht es offenbar um die Klärung der Frage, ob eine Befreiung von der Getränkesteuer für den Ab-Hof-Verkauf von Wein als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe anzusehen ist.
Bei der Formulierung dieser Frage scheint die Verwaltungsgerichtshof zu verkennen, daß im Bereich des Beihilfenrechtes nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes die Kommission und die nationalen Gerichte voneinander verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Nach dieser Judikatur ist es allein Sache der Kommission, vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof, eine Feststellung darüber zu treffen, ob eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist oder nicht (Rs C-44/93, Namur-les Assurances, Slg. 1194,I-3829, Rdn. 14). Dies ist u.a. dadurch begründet, daß der Kommission bei der Anwendung der Ausnahmetatbestände des Art. 92 Abs. 3 EGV, nachdem dabei vielfach die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten notwendig ist, ein Ermessensspielraum zugestanden wird. Die Entscheidungen in diesem Bereich unterliegen daher nur einer eingeschränkten Kontrolle durch den Gerichtshof, beschränkt auf die Prüfung der Fragen, ob die Verfahrens- und Begründungspflichten eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. Rs C-56/93, Königreich Belgien gegen Kommission, Slg. I-723, Rdn. 11). Würde der Gerichtshof auf die Frage des Verwaltungsgerichthofes nach der Vereinbarkeit der Getränkesteuerbefreiung mit dem Art. 92 Abs. 1 EGV eingehen, so müßte er eine umgehende Beurteilung des Sachverhalts einschließlich der Befreiungstatbestände des Art. 92 Abs. 3 EGV vornehmen. Diese Rolle, nämlich jene der Sachverhaltsfeststellung und der Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Befreiungstatbestände, soll nach der oz. Judikatur im Beihilfeverfahren jedoch allein der Kommission zukommen.
Die Frage nach der Vereinbarkeit einer Regelung mit Art. 92 Abs. 1 EGV kann daher nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein kann, weil durch eine Entscheidung des nationalen Gerichtes über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in die exklusiven Entscheidungsbefugnisse der Kommission in diesem Bereich eingegriffen würde. Dies bestätigt der Gerichtshof im oz. Urteil Namur-les Assurances, wo es heißt, daß: "sich die der Kommission vorbehaltene zentrale und ausschließliche Rolle bei der Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt grundlegend von derjenigen, die den nationalen Gerichten hinsichtlich des Schutzes der Rechte zukommt, die der Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des in Art. 93 Abs. 3 Satz 3 EGV enthaltenen Verbotes zieht, (unterscheidet)."
Die Rolle eines nationalen Gerichtes im Beihilfeverfahren beschränkt sich daher auf die Durchsetzung der unmittelbar wirksamen Bestimmung des Art. 93 Abs. 3 Satz 3 EGV, d.h. die Durchsetzung der Einhaltung der Notifikationspflichten durch die Mitgliedstaaten. Daß die Notifikationspflichten von der Republik Österreich bezüglich der Getränkesteuerbefreiung nicht eingehalten wurden, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht releviert und entspricht auch nicht den Tatsachen. Die Republik Österreich hat, obwohl sie der Auffassung ist, daß es sich bei der Getränkesteuerbefreiung für Ab-Hof-Verkauf um keine Beihilfe handelt, worauf ich in weiterer Folge noch eingehen werde, die betreffenden Regelungen unter dem Titel der loyalen Zusammenarbeit der Kommission mitgeteilt. Die Kommission geht im Tenor ihrer Entscheidung vom 3.2.1999, K (1999) 325, auf die ich später noch zurückkommen werde, auch davon aus, daß die Regelungen über die Getränkesteuerbefreiung von Österreich notifiziert wurden. Da die dritte Vorlagefrage des Verwaltungsgerichthofes jedoch nicht darauf abzielt, die Anwendung von Art. 93 Abs. 3 EGV sicherzustellen, sondern sich auf die Frage der Vereinbarkeit einer Regelung mit Art. 92 Abs. 1 beschränkt, erweist sie sich aus diesem Grund als unzulässig.
Zudem ist die Frage des Beihilfecharakters der Getränkesteuer für den Ab-Hof-Verkauf im vorliegenden Fall nicht unmittelbar entscheidungsrelevant. Selbst für den Fall, daß der EuGH zur Auffassung gelangen sollte, die Bestimmungen des Vertrages stehen der Befreiung des Ab-Hof-Verkaufs von der Getränkesteuer entgegen, hätte dies keinen Einfluß auf die Getränkesteuerpflicht der Beschwerdeführer in den diesen Verfahren jeweils zugrundeliegenden Ausgangsverfahren. Wie bereits oben ausgeführt, widerspricht die Getränkesteuerpflicht selbst nämlich nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Sollte die Befreiung von dieser Steuerpflicht - entgegen der Auffassung der Republik Österreich - nicht im Einklang mit Bestimmungen des Vertrages stehen, so hätte dies nicht eine Befreiung der Parteien im Ausgangsverfahren von dieser Steuer sondern allenfalls eine Einbeziehung des Ab-Hof-Verkaufes in die Steuerpflicht zur Folge.
Es handelt sich daher - bezogen auf den Rechtsstreit im Ausgangsverfahren - um eine allgemeine bzw. hypothetische Frage, die als unzulässig zurückzuweisen wäre. Ich möchte in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Urteile C-244/80, Foglia/Novello II, C-105/94, Celestini, und C-314/96, Djabali, hinweisen in denen der Gerichtshof ausdrücklich festgehalten hat, daß er nicht für Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen zuständig ist; die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens liegt vielmehr darin, daß das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist.

Zur Klage der Republik Österreich

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß die Regelung der Getränkesteuerbefreiung für Ab-Hof-Verkauf von Wein Gegenstand eines Hauptprüfverfahrens gemäß Art. 93 Abs. 2 EGV war. Im Zuge dieses Verfahrens kam die Kommission zu dem Schluß, daß die Getränkesteuerbefreiung für Ab-Hof-Verkauf von Wein mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. Gegen diese Entscheidung der Kommission vom 3.2.1999, K (1999) 325, hat die Republik Österreich Klage beim Gerichtshof erhoben. Diese wurde am 4.5.1999, also vor wenigen Tagen eingebracht, sodaß dieser Umstand noch nicht allen Beteiligten bekannt sein dürfte. Mit dieser Klage bestreitet die Republik Österreich die Anwendbarkeit des Art 92 Abs. 1 auf die Befreiungen von der Getränkesteuer. Die Getränkesteuerregelungen stellen vielmehr allgemeine Maßnahmen dar, die sich in das System des Österreichischen Steuerrechts einfügen, Nach der Systematik der österreichischen Getränkesteuergesetzgebung wird das erste lnverkehrbringen von Wein nicht von der Getränkesteuer erfaßt. So unterliegen Verkäufe österreichischer Winzer an den Handel ebensowenig der Getränkesteuer wie Direktverkäufe ausländischer Winzer an den Handel oder an Endverbraucher. Weinkauf in Österreich unterliegt erst dann der Getränkesteuer, wenn er auf der zweiten Handelsstufe getätigt wird, also bei Verkauf im Einzelhandel oder beim Ausschank durch Gastronomie oder im Buschenschank. Die Nichterfassung der Ab-Hof Verkäufe durch die Getränkesteuer ist daher in der Systematik der österreichischen Getränkesteuerregelung begründet und zudem aus Effizienzgesichtspunkten, um eine Belastung der Finanzbehörden durch die Erfassung geringer Erlöse von Klein- und Kleinstbetrieben hintanzuhalten, gerechtfertigt. Auch der Gerichtshof erkennt in seiner Judikatur an, daß steuerliche Maßnahmen dann nicht als Beihilfen anzusehen sind, wenn sie durch die innere Natur oder den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt werden können (Rs 173/73, Kommission/Italien, Slg. 1974, 709, Rdn. 33).
Weiters vertritt die Republik Osterreich in der oz. Klage die Ansicht daß eine Befreiung von der Getränkesteuer nicht zu einer beihilfenrechtlich relevanten Begünstigung der österreichischen Winzer führt. Die Getränkesteuer ist eine vom Konsumenten zu tragenden Steuer. Eine Befreiung von dieser Steuer begünstigt daher unmittelbar nur diese. Die Winzer können bestenfalls mittelbar von der Befreiung profitieren, indem sie bedingt durch die Getränkesteuerbefreiung für Ab-Hof-verkauften Wein niedrigere Preise verlangen als handelsüblich. Dies entspricht allerdings nicht den Tatsachen, wie die Republik Osterreich in ihrer Klage gegen die Kommissionsentscheidung ausführlich darlegt. Im Gegenteil die im Ab-Hof-Verkauf vertriebenen Weine sind durchschnittlich sogar teurer als die im Handel vertriebenen Weine. Eine beihilfenrechtlich relevante Begünstigung der Winzer ergibt sich daher nicht aus der Getränkesteuerbefreiung.
Abschließend erscheint es mir noch wichtig darauf hinzuweisen, daß die Europäische Kommission aufgrund der Stellungnahme der in den Verordnungen über gemeinsame Marktorganisationen vorgesehenen Verwaltungsausschüsse eine Entscheidung getroffen hat, der zufolge Osterreich als Übergangsmaßnahme gem. Art. 149 der Beitrittsakte jene gesetzlichen Vorschriften bis 31. Dezember 1998 beibehalten kann, gemäß denen die Erzeuger von Wein und anderen gegorenen Getränken von der Getränkesteuer befreit sind, die ihre Erzeugnisse unmittelbar am Erzeugungsort an Verbraucher verkaufen (Entscheidung der EK vom 24.7.1998, K(98) 2027 endg.). Damit dürfte die Zulässigkeit der Befreiung des Ab-Hof-Verkaufes von der Getränkesteuer zumindest für diesen Zeitraum außer Streit stehen.

Zur zeitlichen Wirkung einer Entscheidung des EuGH:

Die Regierung hat in der schriftlichen Stellungnahme beantragt, für den Fall der Feststellung einer Unvereinbarkeit der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht die Wirkung einer solchen Feststellung nur pro futuro anzuordnen. Sie hat dafür folgende Gründe vorgebracht: auf Grund von Erklärungen von Vertretern der Gemeinschaft vor dem Beitritt Österreichs mußte der Eindruck entstehen, daß die Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei

  1. eine Rückwirkung der Entscheidung des EuGH hätte äußerst schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzen der Gemeinden Österreichs
  2. eine Refundierung an die Konsumenten als den eigentlichen Steuerträgern wäre unmöglich; die Folge wäre eine ungerechtfertigte Bereicherung der Abgabenpflichtigen.

Gestatten Sie mir bitte dazu ein paar erklärende Hinweise: Nach Auffassung der Republik Osterreich handelt es sich bei diesen Gründen um besondere Umstände, welche nach der bisherigen Judikatur des EuGH eine Beschränkung der zeitlichen Wirkung rechtfertigen. Die Getränkesteuern der Länder sind als Selbstbemessungsabgabe konzipiert (vgl. z.B. § 11 Tiroler Getränkesteuergesetz). Der Steuerschuldner hat bis zum 31.3. des Folgejahres eine Jahreserklärung abzugeben (§ 12 Tiroler Getränkesteuergesetz). Die Abgabe gilt durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstberechnung als festgesetzt (§ 51 Abs. 1 TLAO). Die Abgabenbehörde hat die Abgabe nur dann mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabenpflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als unrichtig erweist (§ 151 Abs. 2 TLAO). Aus diesen Regelungen ergibt sich zunächst einmal eine gesetzliche Festsetzungsfiktion und in weiterer Folge die Möglichkeit einer bescheidmäßigen Berichtigung durch die Abgabenbehörde innerhalb der 5-jährigen Verjährungsfrist. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde dem Abgabenschuldner ebenfalls ein Berichtigungsanspruch (auf der Basis der Vorschrift des § 188 TLAO) zuerkannt. Danach sind zu Unrecht entrichtete Abgaben von der Behörde auf Antrag zurückzuzahlen (VfGH 30.1.1980, G 107/78, G 49/79, VfSIg. 8726.). Im Ergebnis führt dies dazu, daß - wenn es nicht ausnahmsweise zu einer bescheidmäßigen Berichtigung kommt - weder für die Abgabenbehörde noch für den Steuerschuldner die sonst bei (bescheidmäßigen) Steuerfestsetzungen übliche Bindungswirkung eintritt.

Konkret bedeutet dies folgendes:

Seit dem Zeitpunkt der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens hat eine große Anzahl von Abgabenpflichtigen Rückzahlungsanträge (etwa gemäß § 188 TLAO) mit der Begründung gestellt, im Fall der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit sei die Getränkesteuer als zu Unrecht entrichtet anzusehen.
Die zu diesem Begehren abzuführenden Verfahren sind derzeit wegen Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung durch den EuGH bzw. den VwGH (§ 212 TLAO) offen und müssen nach der Entscheidung von Amts wegen fortgesetzt werden. Was dies für die Gemeinden bedeutet möchte ich kurz am Beispiel der Stadt Innsbruck darstellen:
In Innsbruck beträgt der von den Steuerpflichtigen voraussichtlich geltend gemachte Rückzahlungsanspruch fast 60 % des Gesamtaufkommens an Getränkesteuer seit 1.1 .1995 (263 Mio. 5 von 465 Mio. 5). Für das Budget der Stadt Innsbruck würde das bedeuten, daß gerade die in den vergangenen Jahren erfolgreich betriebene Budgetkonsolidierung mit einem Schlag zunichte gemacht wäre. Die Getränkesteuer stellt in der Geschäftsübung einen Kostenbestandteil dar, der in der Kalkulation an den Abnehmer weitergegeben wird. In der Praxis wird dabei ein abgestuftes Kalkulationsschema für die Berechnung des Endpreises an den Konsumenten bzw. der Rückrechnung der Bemessungsgrundlage bei der Selbstberechnung der Steuer verwendet. Sowohl in den Getränkekarten der Gastronomie als auch auf den Rechnungen bzw. Preisaufzeichnungen im Handel wird regelmäßig auf die als Preisbestandteil enthaltene Getränkesteuer gesondert hingewiesen Die Rückzahlung einer als EU-widrig eingestuften Getränkesteuer hätte nach der Rechtslage an den Abgabenpflichtigen zu erfolgen. Realistischerweise besteht aber keine Möglichkeit, diese Steuer dem Konsumenten, auf den sie regelmäßig überwälzt wurde, rückzuerstatten.
Im Hinblick auf diese Situation plädiert die österreichische Regierung daher für eine Beschränkung der zeitlichen Wirkung, von der auch im Zeitpunkt der Entscheidung rechtsanhängige Verfahren erfaßt werden. Ich möchte daher beantragen, eine Rückwirkung der Entscheidung generell - d.h. für alle Anlaßfälle - auszuschließen.
Dem Einwand im Falle des Ausschlusses einer Rückwirkung werde die Republik trotz gemeinschaftswidrigem Verhalten mit Abgabeneinnahmen belohnt, möchte ich nochmals die begründete Annahme Österreichs entgegenhalten, die Getränkesteuer sei gemeinschaftsrechtskonform. Weiters möchte ich wiederholen, daß es im Falle von Rückzahlungen an den Abgabenpflichtigen zu einer Rückzahlung von ohnedies an den Konsumenten überwälzten Abgaben und somit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Abgabenpflichtigen käme.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Rückzahlung zu Unrecht eingehobener Steuern und Abgaben dann unterbleiben, wenn die zur Zahlung der Abgaben herangezogenen Personen diese tatsächlich auf andere abgewälzt haben. Die Abgabenerstattung würde nämlich in diesem Falle zu einer Doppelzahlung an den Abgabenpflichtigen und damit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen, ohne daß die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabe für den Abnehmer beseitigt wären. Im Verfahren C-192/95 u.a. hat der EuGH - in einer Abgabensache - folgendes ausgesprochen:
"Ein Mitgliedstaat kann einem Abgabenpflichtigen die Erstattung einer unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe nur verweigern, wenn die gesamte Abgabenlast nachweislich von einem anderen getragen worden ist und die Erstattung den Abgabenpflichtigen ungerechtfertigt bereichern würde."
Auf Grund all dieser Überlegungen erscheint es daher aus der Sicht der Regierung gerechtfertigt, die zeitlichen Wirkungen eines Urteils nur pro futuro unter Ausschluß der rechtsanhängigen Verfahren anzuordnen, sollte der EuGH eine Gemeinschaftswidrigkeit feststellen. Dafür spräche das Prinzip der Rechtssicherheit und es würde dadurch eine nicht gerechtfertigte Bereicherung der Abgabenpflichtigen vermieden. Vor allem aber würde ein Schaden für die Gemeinden hintangehalten werden, der diese geradezu "existentiell" treffen würde.

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