Stellungnahme der Republik Österreich
In der Rechtssache C-437/97
betreffend das dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. Dezember 1997 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen in den dort anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Dr. Wolf OKRESEK
1. Evangelischer Krankenhausverein Wien
gegen
Abgabenberufungskommission Wien
2. Ikera Warenhandelsgesellschaft m.b.H.
gegen
Oberösterreichische Landesregierung
beehrt sich die Republik Österreich zu den vorgelegten Fragen
- Steht Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe entgegen, die auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter Früchte oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließungen und des mitverkauften Zubehörs erhoben wird, und zwar im Ausmaß von 10 v.H. des Entgeltes bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und von 5 v.H. des Entgelts bei alkoholfreien Getränken, wobei das Entgelt im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts zu bemessen ist, die Umsatzsteuer, das Bedienungsgeld und die Getränkesteuer aber nicht zum Entgelt gehören?
- Steht Art. 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3, zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992, 92/12/EWG (Verbrauchsteuerrichtlinie) der Beibehaltung einer Abgabe entgegen, wie sie oben in Punkt 1) beschrieben ist?
- Steht Art. 92 Abs. 1 EGV einer Ausnahmebestimmung entgegen, wonach der Ab-Hof-Verkauf von Wein von der Getränkesteuer befreit ist?"
wie folgt Stellung zu nehmen:
I. Vorbemerkungen:
- Zur österreichischen Getränkesteuer
Die Getränkesteuer wird von den österreichischen Gemeinden seit dem Jahr 1940 erhoben. Mit einem Aufkommen von rund 5,5 Milliarden Schilling p.a. ist diese Abgabe neben der Kommunalsteuer (das ist eine Steuer auf die Lohnsumme, Aufkommen rund 20,2 Milliarden Schilling p.a.) und der Grundsteuer (5,4 Milliarden Schilling p.a.) eine der wichtigsten Gemeindeabgaben (alle Beträge gemäß dem Aufkommen im Jahr 1995).
Die Gemeinden sind ermächtigt, die Getränkesteuer durch Beschluß der Gemeindevertretung zu erheben; von dieser Ermächtigung wird in der Praxis von allen Gemeinden Gebrauch gemacht. Die gesetzliche Regelung erfolgt grundsätzlich durch das Land, jedoch sind die wichtigsten Bestimmungen der Getränkesteuer bereits bundesgesetzlich in den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen vorgegeben (derzeit im Finanzausgleichsgesetz 1997 – FAG 1997, BGBl. Nr. 201/1996 in der Fassung BGBl. Nr. I 130/1997).
Gemäß § 14 Abs. 1 Z 8, Abs. 2 und 3 sowie § 15 Abs. 3 Z 2, Abs. 4 und 5 FAG 1997 (diese Bestimmungen gelten im wesentlichen seit 1. Jänner 1992) unterliegt der Getränkesteuer die entgeltliche Veräußerung von Getränken, soweit die Veräußerung nicht für Zwecke des Wiederverkaufes im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Die Gemeinden sind zur Erhebung der Getränkesteuer im Ausmaß von 10 % des Entgelts bei alkoholischen Getränken und Speiseeis sowie von 5 % des Entgelts bei nichtalkoholischen Getränken ermächtigt. Die Getränkesteuer beträgt unter Berücksichtigung einer Umsatzsteuer von 20 % maximal 7,58 % des Einzelhandelspreises alkoholischer Getränke. - Zu den Verhandlungen über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union
Wegen der Bedeutung der Getränkesteuer für die österreichischen Gemeinden war die Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit den gegenständlichen Richtlinien bereits in den Verhandlungen über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wesentliches Thema sowie Gegenstand mehrerer Gespräche zwischen Vertretern Österreichs und Vertretern der Europäischen Gemeinschaft. Von den österreichischen Vertretern wurde dabei die Auffassung vertreten, daß die Einhebung der Getränkesteuer auch nach einem Beitritt Österreichs gewährleistet sein müsse. Diesbezüglich wurde von den Vertretern der Europäischen Gemeinschaft stets die Auskunft erteilt, daß die österreichische Getränkesteuer auch nach einem Beitritt Österreichs beibehalten werden könne, weil diese Abgabe nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße (vgl. z.B. Resümeeprotokoll der Besprechung zwischen einer österreichischen Delegation und Vertretern der GD XXI der Europäischen Kommission am 11. Jänner 1993 in der österreichischen EG-Mission). Diese Auskunft der Europäischen Kommission stimmt mit der in der Literatur vertretenen Ansicht überein, daß eine Getränkesteuer als kommunale Verbrauchsteuer nicht dem Gemeinschaftsrecht widerspricht (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl., Köln, 1996, § 15, Rz 2; ebenso Thömmes in: Lenz (Hrsg.), Recht im Binnenmarkt, EG-Handbuch, 2. Aufl., Herne - Berlin, 1994, 660).
Vor diesem Hintergrund stand im Rahmen der Beitrittsverhandlungen Österreichs die Gemeinschaftskonformität der Getränkesteuer außer Streit. Die Vertragspartner haben somit dem Vertrag über den Beitritt Österreichs das gemeinsame Verständnis zugrundegelegt, daß die österreichische Getränkesteuer in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht und daher eine Ausnahmeregelung im Beitrittsvertrag entbehrlich ist. - Zu Art. 99 EG-Vertrag
- Art. 99 EG-V bildet die Rechtsgrundlage sowohl für die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie als auch die Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie. Seit dem Wegfall der mißverständlichen Formulierung "unbeschadet der Artikel 100 und 101" in der alten Fassung ist nunmehr klargestellt, daß Art. 99 EG-V im Bereich der indirekten Steuern als lex specialis die ausschließliche Grundlage für die Harmonisierung der indirekten Steuern ist. Danach erläßt der Rat die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, "soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes ... notwendig ist".
- In der Darlegung der Gründe, die der Rat bei der Erlassung der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie erwogen hat, wird u.a. ausgeführt: "Die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes setzt den freien Verkehr der Waren einschließlich der verbrauchsteuerpflichtigen Waren voraus". Weiters: "Die Beibehaltung oder Einführung anderer indirekter Steuern darf keine mit dem Überschreiten einer Grenze verbundenen Formalitäten nach sich ziehen." In diesem Sinne enthalten auch "die Erklärungen für das Ratsprotokoll" zu Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie folgende Ausführungen: "Der Rat und die Kommission erklären, daß diese Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten unberührt läßt, für andere indirekte Steuern die Bedingungen der Erhebung, einschließlich der hierfür zuständigen Verwaltungsebene, sowie die Verwendung der Erträge festzulegen. Diese Richtlinie muß den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen inländischen Erzeugnissen und Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten wahren."
Gleichermaßen wird in der Präambel zur 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ausgeführt: "Dabei ist im Ziel zu behalten, die Besteuerung der Einfuhr und die steuerliche Entlastung der Ausfuhr im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen und zugleich die Neutralität des gemeinsamen Umsatzsteuersystems in Bezug auf den Ursprung der Gegenstände und Dienstleistungen zu wahren, damit schließlich ein gemeinsamer Markt verwirklicht wird, auf dem ein gesunder Wettbewerb herrscht und der mit einem echten Binnenmarkt vergleichbare Merkmale aufweist."
Jede Auslegung der Richtlinien muß diese Gründe für ihre Erlassung sowie deren in Art. 99 EG-V festgelegte Grundlagen beachten. Eine Auslegung mit dem Ergebnis, daß eine kommunale Steuer, die weder die Errichtung noch das Funktionieren des Binnenmarkts berührt, den Richtlinien widersprechen würde, wäre mit den dargelegten Gründen und Art. 99 EG-V unvereinbar. Bei einer derartigen Auslegung könnten die Richtlinien nicht mehr auf Art. 99 EG-V gestützt werden, weil eine derartige Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts nicht notwendig ist. In diesem Sinne ist auch Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl., Köln, 1996, § 15, Rz 2, zu verstehen, wonach die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern ohnehin nicht unter das Harmonisierungsgebot fallen. Verstärkt werden diese Überlegungen durch das in Art. 3b EG-V enthaltene Subsidiaritätsprinzip, wonach die Maßnahmen der Gemeinschaft nicht über das zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderliche Maß hinausgehen. - Die Getränkesteuer stört nach Auffassung der Republik Österreich die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes nicht. Erhebungsberechtigt ist die Gemeinde, in welcher der Ort der Veräußerung liegt. Wird der Gegenstand einer Veräußerung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet, so gilt die Veräußerung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Die Besteuerung erfolgt in der Gemeinde, in der das Getränk entgeltlich an einen Letztverbraucher geliefert wird. Mit anderen Worten wird die "Einfuhr" von Getränken in eine österreichische Gemeinde - aus dem Ausland oder einer anderen österreichischen Gemeinde - keiner Belastung unterworfen; die "Ausfuhr" von Getränken aus einer österreichischen Gemeinde löst keine Vergünstigung aus. Die Getränkesteuer löst daher keine mit dem Überschreiten einer Grenze verbundenen Formalitäten aus; es sind weder Grenzkontrollen erforderlich noch werden Waren oder Lieferungen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert. Auch wird nicht zuletzt deshalb keine der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten tangiert, weil der freie Warenverkehr über die Grenze in keiner Weise beeinträchtigt wird, und zwar weder für Wirtschaftstreibende noch für Privatpersonen, die Getränke für den eigenen Konsum erworben haben.
Diese Auffassung wird nicht zuletzt auch durch das "Inventory of Taxes" der Europäischen Kommission bestätigt, das eine jahrelange Existenz von Steuern auf Getränke in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union nachweist. Daraus ist zu schließen, daß die Getränkesteuer den Integrationsprozeß der Gemeinschaft im Sinne des Art. 99 EG-V und der beiden Richtlinien in keiner Weise beeinträchtigt.
II. Zu den Fragen des Verwaltungsgerichtshofes
1. Zur ersten Frage:
1.1. Allgemeines
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) beläßt Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern, 77/388/EWG, ABl. 1977 L 145 (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie), den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, wie z. B. von Verbrauchsteuern, sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, "die den Charakter von Umsatzsteuern haben" (vgl. insbesondere die Urteile vom 27. November 1985 in der Rechtssache 295/84, Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759, Randnr. 16; vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90, Bozzi, Slg. 1992, I-2947, Randnr. 9). Diese Bestimmung soll verhindern, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaates beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten.
Als solche Maßnahmen sind zumindest Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen Einzelheiten gleichen. Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, sind diese Merkmale folgende: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; sie ist proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben; und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d. h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist (vgl. die Urteile vom 26. Juni 1997 in den Rechtssachen 370/95 bis 372/95, Careda SA u.a., Slg. 1997, I-3721; vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnr. 15; vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 93/88 und 94/88, Wisselink u.a., Slg. 1989, 2671, Randnr. 18; vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90, Giant, Slg. 1991, I-1385, Randnrn. 11 und 12; vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11; und in der Rechtssache C-347/90, Bozzi, Randnr. 12). Der EuGH fordert dabei nicht nur das Vorliegen, sondern ein Überwiegen der erwähnten wesentlichen Merkmale, zumal von Steuern, Abgaben und Gebühren, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, anzunehmen ist, daß sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten. Steuern, Abgaben und Gebühren, denen diese wesentlichen Merkmale fehlen, steht Art. 33 somit nicht entgegen (vgl. dazu das Urteil in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit; vom 1. Dezember 1993 in der Rechtssache C-234/91, Kommission/Dänemark, Slg. 1993, I-6273; zuletzt das Urteil vom 19. Februar 1998 in der Rechtssache C-318/96, SPAR Österreichische Warenhandels AG, Randnr. 22).
1.2. Zu den einzelnen Merkmalen
Bei Beurteilung der Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ist zunächst zu prüfen, ob der Getränkesteuer nicht die wesentlichen Merkmale einer Steuer mit dem Charakter einer Mehrwertsteuer fehlen:
Sie ist keine allgemeine Steuer, da sie nur die Veräußerung von Speiseeis und Getränken betrifft; im übrigen wird sie nur auf einer Vertriebsstufe erhoben, so daß ihr nach Auffassung der Republik Österreich Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie nicht entgegensteht (vgl. Moritz, Die Vereinbarkeit österreichischer indirekter Steuern mit Art. 33 der 6. MWSt-RL, FJ 1996, 271; in diesem Sinne auch Matzinger, Getränkesteuer - nicht EU-widrig, RdW 1997, 363; Novacek, Ist die österreichische Getränkesteuer EG-widrig?, ÖStZ 1996, 230).
Wenn der Verwaltungsgerichtshof seine Bedenken insbesondere auf die in § 15 Abs. 4 Finanzausgleichsgesetz, § 3 Abs. 2 der Wiener Getränkesteuerverordnung und in § 4 Abs. 1 des Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetzes enthaltenen Verweis auf das Umsatzsteuergesetz 1994 stützt, ist zu bemerken, daß dieser Verweis lediglich zwecks vereinfachter Definition der Bemessungsgrundlage erfolgt und gleichzeitig auch Abweichungen von diesem Entgeltbegriff statuiert werden (Umsatzsteuer, Bedienungsgeld und Getränkesteuer selbst sind nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage). Daß damit unter anderem auf den Entgeltbegriff des Umsatzsteuergesetzes Bezug genommen wird, stellt kein Argument dafür dar, die Getränkesteuer der Umsatzsteuer gleichzuhalten.
Der Vollständigkeit halber sei weiters angemerkt, daß auf Grund von Änderungen des österreichischen UStG 1994 infolge des Urteil des EuGH vom 2. Mai 1996 in der Rechssache C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395, die bisherige Formulierung "Lieferung" im Finanzausgleichsgesetz rückwirkend ab 1995 durch den Ausdruck "Veräußerung" ersetzt wurde, ohne daß damit eine inhaltliche Veränderung erfolgt wäre (vgl. BGBl. I Nr. 130/1997).
1.3. Die österreichische Getränkesteuer hat daher nicht den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne der zitierten Judikatur des EuGH. Bestärkt wird das vorliegende Ergebnis auch durch die Mitteilung der Kommission auf eine parlamentarische Anfrage des MEP Nussbaumer, daß sie zur Annahme neige, die Getränkesteuer sei mit Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie vereinbar (vgl. ABl. C 319 vom 18. 10. 1997, S. 3).
2. Zur zweiten Frage:
2.1. Vorbemerkung
Die Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie findet gem. Art. 3 Abs. 1 unter anderem Anwendung auf Alkohol und alkoholische Getränke, wobei gem. Art. 3 Abs. 2 auf diese Waren ausdrücklich indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden können, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer beachten. Auf andere als in Art. 3 Abs. 1 genannten Waren - im Zusammenhang mit der österreichischen Getränkesteuer betrifft dies nicht alkoholische Getränke und Speiseeis - können gem. Art. 3 Abs. 3 Steuern erhoben werden, sofern diese den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundene Formalitäten nach sich ziehen. Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sind zulässig, soweit es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.
2.2. Zur Besteuerung von Alkohol und alkoholische Getränkenh
2.2.1. Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund
Bereits die Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie zeigt, daß gerade das Anliegen der Mitgliedstaaten, örtliche Verbrauchsteuern beibehalten zu dürfen, zu dieser Ausnahmeregelung geführt hat. Nach dem ersten Richtlinienvorschlag (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das allgemeine Verbrauchsteuersystem sowie über den Besitz und die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. C 322/1990) sollte es den Mitgliedstaaten untersagt werden, auf Waren, die einer harmonisierten Verbrauchsteuer unterliegen, andere indirekte Steuern zu erheben. Unter Berufung auf das Ziel der Verbrauchsteuerharmonisierung (Verwirklichung des Binnenmarktes und des freien Warenverkehrs ohne Grenzkontrollen) wurde von den Mitgliedstaaten (insbesondere Frankreich) gefordert, andere indirekte Steuern beibehalten oder einführen zu dürfen, sofern diese unter den gleichen Bedingungen wie die Verbrauchsteuern stehen und keine Grenzformalitäten verursachen. Die Bundesrepublik Deutschland forderte, daß die kommunalen Verbrauchsteuern (Getränke- und Schankerlaubnissteuern) durch die Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie nicht ausgeschlossen werden dürften. Italien schließlich nahm seine Präsidentschaft zum Anlaß, im Oktober 1990 einen neuen Richtlinienvorschlag vorzulegen, der es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollte, örtliche Verbrauchsteuern beizubehalten.
2.2.2. Besondere Zielsetzung der Getränkesteuer
Vorausgeschickt sei, daß ein zentrales Charakteristikum des Begriffes "Steuern", wie er in der Richtlinie verwendet wird, die Erschließung von Einnahmen für die öffentliche Hand darstellt. Daß durch die Besteuerung bestimmter Waren ein solcher allgemeiner fiskalischer Effekt eintritt, ist begriffsimmanent, wird von der Richtlinie vorausgesetzt und kann daher nicht schädlich sein. Was unter einer besonderen Zielsetzung zu verstehen ist, wird in der Richtlinie nicht geregelt. Sie enthält auch keine Formvorschriften darüber, woraus die besondere Zielsetzung erkennbar sein soll. Schließlich ist darin auch keine Einschränkung dahingehend erkennbar, daß die Steuer nur einer einzigen besonderen Zielsetzung dienen dürfe. Aus dem Umstand, daß zu diesen Punkten keine Anordnungen getroffen wurden, ergibt sich nach Auffassung der Republik Österreich zunächst, daß jede über den allgemeinen fiskalischen Zweck einer Steuer hinausgehende Zielsetzung geeignet ist, die Bedingungen der Richtlinie zu erfüllen. Die Republik Österreich ist weiters der Ansicht, daß es nicht erforderlich ist, daß die Zielsetzung von der Gemeinschaft in irgend einer Form bereits einmal anerkannt wurde. Weiters muß deren Erkennbarkeit als solche hinreichen; es kann weder gefordert werden, daß die Zielsetzung irgendwo förmlich niedergelegt und dokumentiert ist oder daß für den Ertrag der Abgabe eine Zweckbindung angeordnet ist. Und schließlich kann es für die Vereinbarkeit einer Steuer mit der Richtlinie nicht nachteilig sein, wenn sie mehr als einer besonderen Zielsetzung dient.
Die von Art 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie für die Besteuerung von alkoholischen Getränken erforderliche besondere Zielsetzung liegt der österreichischen Getränkesteuer in mehrfacher Hinsicht zugrunde.
a) In Art. 9 der "Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung", der Österreich als Mitgliedstaat des Europarates beigetreten ist (BGBl. Nr. 357/1988), wird verlangt, daß ein Teil der für die Aufgabenerfüllung der lokalen Gebietskörperschaften notwendigen finanziellen Mittel aus örtlichen Abgaben stammt. Für Österreich als föderaler Bundesstaat ist diese Verpflichtung ein besonderes Anliegen. Im Jahr 1995 (letztes vollständig erhobenes Jahr) stammen von den rd. 274 Mrd. ATS ordentliche Einnahmen der Gemeinden rd. 43 Mrd. ATS aus Gemeindeabgaben (ohne Benützungsgebühren). Die Getränkesteuer ist dabei mit rd. 5,5 Mrd. ATS Aufkommen die nach der Kommunalsteuer wichtigste und aufkommenstärkste Gemeindeabgabe. Österreich verfolgt mit der Getränkesteuer daher das besondere Ziel der Sicherstellung der finanziellen Gemeindeautonomie, wie es auch die Europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung fordert. Zur Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Begriff "indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung" mehr als die "bloße" Einnahmenbeschaffung für lokale Gebietskörperschaften voraussetze, wird abermals darauf hingewiesen, daß diese Zielsetzung gerade wegen der besonderen Bedeutung autonomer Einnahmequellen für die Kommunen über eine allgemeine fiskalische Absicht hinausgeht. Bei lediglich allgemeiner fiskalischer Zielsetzung wäre als durchaus effiziente Option auch die österreichweite Erhebung der Getränkesteuer durch den Bund und die Überweisung der Mittel an die Gemeinden möglich gewesen. Der österreichische Gesetzgeber hat aber in bewußter Systementscheidung die Getränkesteuer als Gemeindesteuer konstruiert, um den erwähnten föderalen Zielen, insbesondere der Stärkung der Eigenfinanzierungskraft der Gemeinden, zu entsprechen.
b) Ein wesentlicher Zweig der österreichischen Wirtschaft ist der Fremdenverkehr, der insbesondere als Devisenbringer zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz führt. Für 1995 werden rd. 77 Mrd. ATS Anteil des Beherbergungs- und Gaststättenwesens am Bruttoinlandsprodukt (2.272 Mrd. ATS) ausgewiesen, womit dieser Bereich vor Sektoren wie Landwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung oder Bergbau liegt. Für die Fremdenverkehrsgemeinden führt der Tourismus aber zu nicht unerheblichen finanziellen Belastungen: Einerseits ist die Bereitstellung spezifisch touristischer Infrastruktur erforderlich, andererseits müssen Anlagen für Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müllverwertung etc. darauf ausgerichtet sein, besondere Leistungen zu erbringen, zumal die für die ständigen Einwohner einer Gemeinde vorhandenen Kapazitäten für jene, die durch den Tourismus erforderlich werden, nicht ausreichen.
Dafür kann etwa St. Anton am Arlberg, eine bekannte österreichische Fremdenverkehrsgemeinde, als Beispiel herangezogen werden. Bei einer Zahl von 2.188 Einwohnern fallen rund 930.000 jährliche Übernachtungen an (1995), die noch dazu saisonal konzentriert sind. Die Getränkesteuer macht rd. 16,5 Mio. ATS aus, also rd. 7.500 ATS/Kopf. Der bundesweite Durchschnitt an Getränkesteuer/Kopf beträgt rd. 702 ATS (5.486 Mio. ATS/7,813 Mio. Einwohner Österreichs). Die Getränkesteuer beträgt rd. 37 % der gesamten Steuereinnahmen der Gemeinde St. Anton. Eine Budgeterstellung ohne Getränkesteuer wäre nicht möglich, zumal ein derartiger Einnnahmenausfall wohl nicht einfach durch Ausgabenkürzungen kompensierbar ist. Eine ähnliche Rechnung läßt sich für jede Fremdenverkehrsgemeinde Österreichs aufstellen, wobei St. Anton durchaus nicht die größte derartige Gemeinde ist. Wie sich zeigt, gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen den Einnahmen aus der Getränkesteuer, der touristischen Inanspruchnahme einer Gemeinde und auch den ihr erwachsenden Infrastrukturlasten. Eine Zweckwidmung der Getränkesteuer für die Förderung des Tourismus ist dabei nicht erforderlich, weil sich die Notwendigkeit des Einsatzes von finanziellen Mitteln von selbst durch die "unsichtbare Hand" des Marktes ergibt.
Dasselbe Argument gilt ganz allgemein für Gemeinden mit überregionaler Versorgungsfunktion. Die in Ballungsgebieten und Einkaufszentren bestehenden besonderen Lasten der Gemeinde werden zumindest teilweise aus entsprechenden Einnahmen der Getränkesteuer abgedeckt. Auch sei auf den zunehmenden Städtetourismus verwiesen, der auch in diesen Gemeinden eine wachsende Rolle spielt. Zur Einhebung der Getränkesteuer in Industriegemeinden ohne Fremdenverkehr ist zu bemerken, daß diesen damit - wie oben ausgeführt - eine gemeindeeigene Basisfinanzierung in Erfüllung von Art. 9 der "Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung" ermöglicht wird. Wie bereits erwähnt, sind mehrere besondere Ziele nebeneinander und einander ergänzend zulässig, wobei insbesondere bei Fremdenverkehrsgemeinden auch die besondere Zielsetzung einer verursachernäheren Finanzierung der besonderen finanziellen Erfordernisse des Fremdenverkehrs verfolgt und - wie die empirischen Ergebnisse zeigen - auch erreicht wird.
c) Eine weitere besondere Zielsetzung liegt in dem gesundheitspolitischen Effekt, der durch die Besteuerung von Alkohol erreicht werden soll. In Österreich wird dieser insbesondere durch die - bundesrechtlich vorgegebene - Struktur der Steuersätze und Befreiungen angestrebt: Die Getränkesteuerregelung sieht nämlich für alle Gemeinden Österreichs einheitlich niedrigere Abgabensätze für alkoholfreie Getränke, höhere Abgabensätze für alkoholhältige Getränke und Abgabenbefreiungen für Milch, wie z.B. auch für Schulmilch oder sonstige Schulmilchgetränke vor. Mittels landesgesetzlicher Regelungen werden auch Getränkeveräußerungen in Krankenanstalten befreit. Durch die im Rahmen der Getränkesteuer vorgesehenen höheren Besteuerung von Alkoholika und der gänzlichen Befreiung von Milch wird ein Beitrag zur Volksgesundheit geleistet.
Das Ziel einer gesundheitspolitischen Steuerung des Konsumverhaltens wird auch in den Materialien zu jenem Bundesgesetz ausdrücklich hervorgehoben, mit dem die bundesweit einheitliche Staffelung der Steuersätze eingeführt wurde (vgl. die Debattenbeiträge zum Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1989 geändert wurde, Sten.Prot. NR XVIII. GP, insbesondere S 5384). Diese steuerliche Lenkungsmaßnahme ist aber nicht isoliert zu sehen, sondern es ist dabei das Zusammenwirken und der gegenseitige Verstärkungseffekt mit der gewerberechtlichen Vorschrift zu beachten, daß von Gastgewerbetreibenden mindestens zwei Sorten nichtalkoholischer Getränke nicht teurer als das billigste alkoholische Getränk angeboten werden müssen (§ 150 Gewerbeordnung 1994). Die Einbeziehung von Speiseeis in den niedrigeren Satz schien aus fiskalischen Gründen unzweckmäßig und im Rahmen dieser Überlegung auch nicht erforderlich, da die Konsumentscheidung i.d.R. nicht zwischen Alkohol und Speiseeis, sondern zwischen Alkohol und nichtalkoholischem Getränk fällt.
Dieses Ziel wurde weiters von der Richtlinie 96/99/EG des Rates vom 30. Dezember 1996 zur Änderung der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie speziell für deren Anwendungsbereich durch die Verlängerung von Ausnahmen aus gesundheitspolitischen und sozialen Gründen anerkannt. Ergänzend wird auf die Präambel zur Richtlinie 96/99/EG hingewiesen, welche gleichfalls die Punkte "wichtige Einnahmequelle" sowie "gesundheits- und sozialpolitische Gründe" ausdrücklich anführt.
Wenn nun der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorlagebeschluß die Auffassung vertritt, daß der Normzweck des Schutzes des Verbrauchers vor möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Getränken mit geringem und mittlerem Alkoholgehalt nicht greife und zur Begründung dessen das Urteil des EuGH vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78, Rewe-Zentral, Slg. 1979, 649, ins Treffen führt, so ist dem entgegenzuhalten, daß dieser Vergleich in mehrfacher Hinsicht nicht zutreffend erscheint. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es in dem genannten Verfahren um die Verletzung von Art. 30 - 36 EG-V durch ein den Binnenhandel gefährdendes Einfuhrverbot ging, wogegen es im gegenständlichen Fall um eine Steuer geht, die keine grenzüberschreitenden Bezugspunkte aufweist (vgl. dazu oben). Weiters ist, wie erwähnt, das Instrument der Besteuerung aus gesundheitspolitischen Erwägungen gemeinschaftsrechtlich anerkannt. Diesen gesundheitspolitischen Zielsetzungen dient - wie ausgeführt - die gegenständliche Getränkesteuer insbesondere durch die Staffelung der Steuersätze zwischen alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken. Daß der EuGH in dem genannten Urteil in der Rechtssache 120/78, Rewe-Zentral, einem Einfuhrverbot von Getränken mit niedrigem Alkoholgehalt entgegentritt, vermag nach Auffassung der Republik Österreich keinen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob durch die Staffelung der Steuersätze den genannten gesundheitspolitischen Zielsetzungen gedient ist oder nicht. Zur Anerkennung des Schutzes der Volksgesundheit durch Steuerung des Alkoholkonsums als wichtiges öffentliches Ziel vgl. auch das Urteil des EuGH vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-189/95, Franzen, Slg. 1997, I-5909, Randnr. 41.
2.2.3. Zur Beachtung von Besteuerungsgrundsätzen
a) Wie erwähnt, läßt Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie in bezug auf die Besteuerung von alkoholischen Getränken die Erhebung anderer indirekter Steuern mit besonderer Zielsetzung zu, sofern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in bezug auf die Besteuerungsgrundlage, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachtet werden. Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie enthält somit eine Ausnahmebestimmung zu den allgemeinen Vorschriften der Richtlinie, die jedoch an die darauf gegründeten Regelungen nicht das Erfordernis stellen darf, sämtliche allgemeinen Vorschriften der Richtlinie zu erfüllen. Würde man dies verlangen, wäre die Ausnahmezulässigkeit inhaltsleer, da man dann ja gar keine Ausnahme bräuchte.
Unter Beachtung der Regelungsziele der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie und des durch Art. 99 EG-V beschränkten Regelungsumfangs kann nun die Voraussetzung der Beachtung von bestimmten Besteuerungsgrundsätzen nur so verstanden werden, daß andere Steuern die auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und der Verbrauchsteuern durchgeführte Harmonisierung nicht beeinträchtigen dürfen. In diesem Sinn ist die Formulierung zulässig, daß diese Steuern nicht so geartet sein dürfen, daß sie mit dem gemeinschaftlichen Verbrauchsteuersystem konkurrieren oder mit diesem in Konflikt geraten. Daß die Getränkesteuer diese Bedingungen erfüllt, wurde bereits ausgeführt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß - im Gegensatz zur englischen - die deutsche Fassung der Richtlinie davon spricht, daß andere Steuern die "... Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer ..." beachten. Aus diesem "oder" wird bisweilen abgeleitet, daß andere Steuern die Besteuerungsgrundsätze entweder der Mehrwertsteuer oder der Verbrauchsteuern beachten müssen und daß eine mehr oder weniger exakte Übereinstimmung mit einem dieser beiden Systeme vorliegen müsse. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch – wie bereits erwähnt – der Logik und Systematik der Richtlinie ebenso wie ihren Regelungszielen und den Vorgaben des Art. 99 EG-V, aber auch dem Wortlaut der Richtlinie, weil hier nur eine "Beachtung" der Besteuerungsgrundsätze verlangt wird, nicht jedoch eine "Übereinstimmung" mit diesen.
Nach der Judikatur des EuGH verbietet es die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und Auslegung der an alle Mitgliedstaaten gerichteten Rechtsakte, die Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, und gebietet vielmehr, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck im Lichte ihrer Fassung in allen authentischen Sprachen auszulegen (Urteil vom 12. November 1969 in der Rechtssache 29/69, Slg. 1969, 419). Daher ist der Regelungsinhalt des Art. 3 Abs. 2 auch im Lichte in seiner englischen Fassung auszulegen, die sich von der deutschen Fassung sprachlich in einem wichtigen Punkt durch eine präzisere Ausdrucksweise unterscheidet. Diese lautet:
"2. The products listed in paragraph 1 may be subject to other indirect taxes for specific purposes, provided that those taxes comply with the tax rules applicable for excise duty and VAT purposes as far as determination of the tax base, calculation of the tax, chargeability and monitoring of the tax are concerned."
Ziel und Zweck des Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie ist somit, daß andere Steuern sowohl mit den Besteuerungsgrundsätzen der Mehrwertsteuer als auch der Verbrauchsteuern in Einklang zu bringen sein müssen. Es liegt auf der Hand, daß eine Steuer nicht gleichzeitig die Bedingungen hinsichtlich der genannten Merkmale (Besteuerungsgrundlage, Berechnung, Steuerentstehung, steuerliche Überwachung) sowohl für die Mehrwertsteuer als auch für die Verbrauchsteuern erfüllen kann. Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie hat daher nicht die Bedeutung, daß andere Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Mehrwertsteuer und der Verbrauchsteuern übernehmen, sondern nur, daß andere Steuern so gestaltet sein müssen, daß sie nicht in Konflikt mit diesen beiden Systemen geraten dürfen. Derartige Konflikte bestehen bei der Getränkesteuer nicht.
b) Die in der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie und der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie festgelegten Besteuerungsgrundsätze haben das gemeinsame Ziel, einen freien Warenverkehr der mit indirekten Steuern belasteten Erzeugnisse zu gewährleisten. Die Voraussetzungen für einen freien Warenverkehr werden durch die österreichische Getränkesteuer in vollkommener Weise erfüllt. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie ist daher in Ausführung der Rechtsgrundlage des Art 99 EG-Vertrag als Absicherung der notwendigen Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern und die Verbrauchsteuern zu verstehen: Stört eine steuerliche Regelung das gemeinsame Mehrwertsteuersystem oder das System der Verbrauchsteuern, verstößt sie auch gegen die Richtlinie. In diesem Fall ist sie in Richtung Harmonisierung abzuändern oder abzuschaffen. Österreich hat dem etwa mit der Aufhebung der früheren Weinsteuer entsprochen. Läßt eine Steuer die erwähnten Systeme jedoch unberührt, ist eine Harmonisierung nach der Vorschrift des Art. 99 EG-V nicht notwendig. Es besteht daher kein Verstoß gegen die Richtlinie, die ja Ausnahmen ausdrücklich zuläßt.
2.3. Zur Besteuerung von nicht alkoholischen Getränken und Speiseeis
2.3.1. Wie erwähnt läßt Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie - gleichfalls als Ausnahmebestimmungen - einerseits Steuern auf andere als die in Abs. 1 genannten Waren (also unter anderem auf nicht-alkoholische Getränke) zu, sofern diese keine mit dem Grenzübertritt verbundene Formalitäten im Handelsverkehr nach sich ziehen. Andererseits sind Steuern auf Dienstleistungen gestattet, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt. Angemerkt sei dazu, daß der Ausdruck "umsatzbezogene Steuer" offensichtlich eine unpräzise Übersetzung ist, weil sowohl in der englischen als auch in der französischen Fassung der Mehrwertsteuer-Richtlinie als auch der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie die gleichen Formulierungen verwendet werden, nämlich "Charakter von Umsatzsteuern". Auch in der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH werden diese Begriffe verwendet (vgl. Pkt. 1.1.). Es ist daher nach dem bereits erwähnten Urteil vom 12. November 1969 in der Rechtssache 29/69 der Regelung nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck im Lichte ihrer Fassung in allen authentischen Sprachen, insbesondere auch im Lichte in ihrer englischen und französischen Fassung auszulegen.
2.3.2. Wie bereits oben ausgeführt werden durch die Getränkesteuer keine Formalitäten mit dem Grenzübertritt bewirkt, weshalb auch die Besteuerung der hier relevanten nicht-alkoholischen Getränke und von Speiseeis zulässig ist. Die Getränkesteuer entfaltet nämlich im gewerblichen Handel zwischen den Mitgliedstaaten auch deshalb keine Bedeutung, weil sie nur die Abgabe an den Letztverbraucher erfaßt. Auch bei Getränkekäufen Privater wird durch die Getränkesteuer keine Formalität beim Grenzübergang bewirkt. Das Erfordernis, daß keine Formalitäten mit dem Grenzübertritt verbunden sein dürfen, soll den freien Warenverkehr ohne Binnengrenzen gewährleisten, der allerdings durch die Getränkesteuer nicht beeinträchtigt ist, zumal - wie erwähnt - die Erhebung zu keinen Formalitäten beim Grenzübergang führt.
2.4. Zur Besteuerung von Dienstleistungen
Der Verwaltungsgerichtshof bringt in seinen Erläuterungen zur zweiten Vorlagefrage nun vor, daß die Getränkesteuer auch Dienstleistungen belaste. Diese Ausführungen haben vor dem Hintergrund des oben inhaltlich wiedergegebenen Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie überhaupt nur dann Bedeutung, wenn die Getränkesteuer den Charakter einer Umsatzsteuer hätte, was - wie oben zur 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ausgeführt - aber nicht der Fall ist. Aus der zitierten ständigen Judikatur des EuGH zu Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ergibt sich nämlich, daß die Getränkesteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat, weil sie in ihren wesentlichen Merkmalen nicht der Umsatzsteuer (gemeinsames Mehrwertsteuer-System) gleicht (vgl. die Ausführungen zu Pkt. 1.).
Durch die Getränkesteuer werden auch deshalb nicht Dienstleistungen besteuert, weil Gegenstand der Getränkesteuer nicht Dienstleistungen sind, sondern die Veräußerung von Getränken, somit von körperlichen Gegenständen, wobei das Entgelt die Bemessungsgrundlage ist, von dem jedoch das Bedienungsgeld abzuziehen ist. In dem vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, beschäftigte sich der EuGH mit der umsatzsteuerrechtlichen Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen in Restaurants. Der EuGH stellte dabei eine Betrachtung darüber an, welche Anteile im Hinblick auf die gesamten Restaurationsumsätze überwiegen. Er wies darauf hin, daß umsatzsteuerrechtliche Restaurationsumsätze durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet sind, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Zu betonen ist, daß dieses Urteil sich mit der Umsatzsteuer befaßte.
Dagegen können bei der Getränkesteuer nicht die gesamten Restaurationsumsätze betrachtet werden, sondern es müßte der Verkauf der Getränke isoliert darauf geprüft werden, ob er als Dienstleistung anzusehen ist. Im Zusammenhang mit Getränken ist nun darauf hinzuweisen, daß eine Reihe der vom EuGH im zitierten Urteil genannten Dienstleistungsvorgänge nicht auf die Veräußerung von Getränken zutrifft: Eine Zubereitung von Getränken wird sich in der Regel erübrigen. Die erforderliche organisatorische Gesamtheit ist bedeutend kleiner, weil der gesamte Küchenbetrieb eines Restaurants zur Verabreichung eines Getränks nicht erforderlich ist und somit kein diesbezüglicher Dienstleistungsanteil anfällt (siehe auch unten die Ausführungen zum Bedienungsgeld). Auch Gedeckauflage und wesentliche Teile des Geschirrs entfallen. Die Beratung mag zwar bei Getränken in Restaurants gehobeneren Standards eine Rolle spielen, nach der Lebenserfahrung wird aber bei der Verabreichung von Erfrischungsgetränken, Durstlöschern oder alkoholischen Getränken, die nicht in die Spitzenqualitätsklasse fallen, eine nennenswerte Beratung nicht erfolgen.
In Anbetracht all dieser Umstände kann festgehalten werden, daß die den Speisen zuzuordnende Dienstleistungskomponente wesentlich größer ist als bei Getränken, so daß die notwendige Aufspaltung der (für den Bereich der Umsatzsteuer einheitlichen) Dienstleistung "gesamter Restaurationsumsatz" eine Dienstleistung "Verkauf von Speisen" und eine Lieferung "Verkauf von Getränken" ergeben könnte.
Von wesentlicher Bedeutung dabei ist jedoch, daß der österreichische Gesetzgeber nicht die gesamte Leistung der Getränkesteuer unterwirft, die bei der Konsumation eines Getränks in einem Restaurant erbracht wird: Es wird vielmehr - wie erwähnt - derjenige Teil des Entgelts, den man der allfälligen Erbringung einer Dienstleistung zuordnen könnte, nämlich das Bedienungsgeld, von der Getränkesteuerpflicht ausdrücklich ausgenommen (§ 15 Abs. 4 Finanzausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 in der Fassung BGBl. Nr. I 130/1997). Dieser Teil des Entgelts ist somit nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer.
Die Beurteilung, ob eine Lieferung vorliegt, muß somit unabhängig von der umsatzsteuerlichen Betrachtung vorgenommen werden, weil auch eine andere Leistung, eine andere Bemessungsgrundlage gegeben ist. In pauschalierender Betrachtung wird in Zusammenhang mit der Getränkesteuer derjenige Teil einer Leistung, der anläßlich der Veräußerung eines Getränks in einem Restaurant erbracht wird und der Bemessung der Getränkesteuer zugrundegelegt wird, auf Grund des faktisch geringeren Anteils von Dienstleistungen und des Abzuges des Bedienungsgeldes als Lieferung anzusehen sein. Allerdings ist die Getränkesteuer - unabhängig davon, ob man die Veräußerung von Getränken nun als Lieferung oder als Dienstleistung ansieht - aus Sicht des Gemeinschaftsrechts auch deshalb unbedenklich, weil Art. 3 Abs. 3 zweiter Satz Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie Steuern auf Dienstleistungen (mit der genannten Einschränkung hinsichtlich der Umsatzsteuer) für zulässig erklärt.
Nicht unter den Begriff Dienstleistung fällt eindeutig die - vom Verwaltungsgerichtshof angesprochenen - Veräußerung von Getränken im Handel. Der Begriff Lieferung würde bei einer derart weiten Interpretation des Begriffs Dienstleistung inhaltsleer, da ja in die Produktion jeder Ware Dienstleistungen miteingehen. Auch in diesem Fall bestehen daher keine Bedenken gegen die Getränkesteuer.
2.5. Zum Zusammenhang zwischen Art. 99 EG-V und den Richtlinien
Auch wenn in Zusammenhang mit der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie und der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie viele Fragen im Einzelnen zu erörtern sind, leiten sich doch alle Bestimmungen aus Art. 99 EG-Vertrag ab und sollen die Harmonisierung zum Zweck des Funktionierens des Binnenmarktes sicherstellen. Auch nach der vorstehenden, eingehenden Untersuchung der einzelnen Bestimmungen ist kein Hinweis darauf ersichtlich, daß die Getränkesteuer das Funktionieren des Binnenmarktes stören würde.
Und selbst wenn man eine Auslegungsvariante der gegenständlichen Richtlinien fände, nach der die Getränkesteuer im Lichte einzelner Bestimmungen bedenklich erschiene, wäre doch nach dem Prinzip des effet utile derjenigen Interpretation der Vorzug zu geben, die den Richtlinien jene vom Gesetzgeber gewollte Wirksamkeit, nämlich die der Harmonisierung verleiht, soweit dies für das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Auch diese Überlegung spricht somit für die Unbedenklichkeit der Getränkesteuer.
3. Zur dritten Frage des Verwaltungsgerichtshofes
3.1. Zur Zulässigkeit
3.1.1. Die dritte Frage des Verwaltungsgerichthofes zielt nach ihrem Wortlaut auf die Klärung ab, ob eine Befreiung von der Getränkesteuer für den Ab-Hof-Verkauf von Wein mit Art. 92 Abs. 1 EG-V vereinbar ist. Nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes nehmen die Kommission und die nationalen Gerichte im Rahmen des Verfahrens nach Art. 92 EG-V voneinander verschiedene Aufgaben und Befugnisse wahr (Rechtssache C 44/93, Namur- les Assurances du Credit, Slg. 1993, I-3829, Randnr. 14). Es kommt nach der ständigen Rechtsprechung allein der Kommission zu, vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof, eine Feststellung darüber zu treffen, ob eine Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist oder nicht. "Dem einzelnen ist es daher verwehrt, sich auf Art. 92 allein zu berufen, um die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht vor einem nationalen Gericht geltend zu machen und zu beantragen, dieses möge eine solche Unvereinbarkeit unmittelbar oder inzidenter feststellen" (Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595, Randnr. 10). Die gegenständliche Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofes stellt aber darauf ab, die Unvereinbarkeit der Getränkesteuerbefreiung mit Art. 92 EG-V festzustellen. Eine solche Frage kann, wie oben ausgeführt, nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein, weil durch eine Entscheidung des nationalen Gerichtes über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in die exklusiven Entscheidungsbefugnisse der Kommission in diesem Bereich eingegriffen würde.
3.1.2. Auch aus einem weiteren Grund erscheint die dritte Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig: Gemäß Art. 177 EG-V entscheidet der Gerichtshof über die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere über Vorlage eines Gerichtes eines Mitgliedstaates, wenn dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteiles für erforderlich hält. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist das in Art. 177 EG-V vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten die Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechtes gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen (vgl. Urteil vom 12. März 1998 in der Rechtssache C-314/96, Djabali, Randnr. 17 mit weiteren Nachweisen). Voraussetzung für die Zuständigkeit des EuGH ist zunächst, daß die Vorlagefrage erkennbar die Auslegung bzw. die Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts betrifft. Die Beurteilung der Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens liegt zwar grundsätzlich beim innerstaatlichen Gericht, jedoch sind dem Beurteilungsspielraum des nationalen Gerichts gewisse immanente Schranken gezogen, die sich aus der Natur des Vorabentscheidungsverfahrens ergeben und deren Beachtung der Nachprüfung durch den EuGH unterliegen. Dabei achtet der EuGH auch darauf, daß seine Anwort auf eine Vorlagefrage der Lösung eines echten Rechtsstreites vor dem innerstaatlichen Gericht dient (vgl. Krück zu Artikel 177, in: Groeben/Thiesig/Ehlermann, Kommentar zum EU-, EG-Vertrag, 4. Aufl., 4/622 ff).
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens nämlich nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, daß das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines wirklichen Rechtsstreites erforderlich ist (vgl. abermals das Urteil in der Rechtssache C-314/96, Djabali, Randnr. 19, mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzung scheint im gegenständlichen Fall aber nicht vorzuliegen: Die Frage, ob die Getränkesteuerbefreiung dem Art. 92 EG-V widerspricht, ist offenkundig eine Frage von allgemeinem Interesse, entfaltet jedoch in keiner der dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreitigkeiten tatsächlich rechtliche Relevanz. Dies einerseits deshalb nicht, weil - wie oben ausgeführt - eine solche Frage nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein kann, zumal durch eine Entscheidung des nationalen Gerichtes über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in die exklusiven Entscheidungsbefugnisse der Kommission in diesem Bereich eingegriffen würde, andererseits deshalb nicht, weil dem Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, in welcher Weise die gestellte dritte Frage entscheidungsrelevant sein soll. Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung wird lediglich die Behauptung der Zweitbeschwerdeführerin wiedergegeben, daß die Getränkesteuer wegen der Befreiung des Ab-Hof-Verkaufes gegen Art. 95 EG-V verstoße; der Verwaltungsgerichtshof bezieht sich in seiner Fragestellung und deren Begründung aber ausschließlich auf die Zulässigkeit dieser Befreiung in Hinblick auf Art. 92 EG-V.
Zu der mangelnden rechtlichen Relevanz der dritten Frage für den Ausgangsrechtsstreit ist weiters zu bemerken, daß selbst im Falle, daß der EuGH zur Auffassung gelangt, daß Art. 92 Abs. 1 EG-V der genannten Ausnahmebestimmung entgegensteht, dies keinen Einfluß auf die Getränkesteuerpflicht der Zweitbeschwerdeführerin haben kann. Wie bereits oben ausgeführt, widerspricht die Getränkesteuerpflicht selbst nämlich nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Sollte die Befreiung von dieser Steuerpflicht - entgegen der nachstehend angeführten Gründe - nicht im Einklang mit Art. 92 Abs. 1 EG-V stehen, hätte dies allenfalls eine Einbeziehung des Ab-Hof-Verkaufes in die Steuerpflicht zur Konsequenz, nicht jedoch eine Befreiung von dieser. Es handelt sich - bezogen auf den Rechtsstreit im Ausgangsverfahren - daher um eine allgemeine bzw. hypothetische Frage. In der vorliegenden Konstellation besteht dabei zudem die Gefahr, daß das Vorabentscheidungsverfahren zu einem "verschleierten Vertragsverletzungsverfahren" benutzt wird (vgl. dazu Krück zu Artikel 177, in: Groeben/Thiesig/Ehlermann, Kommentar zum EU-, EG-Vertrag, 4. Aufl., S 4/627), was gewiß nicht dessen Natur bzw. dem Ziel und Zweck von Art. 177 EG-V entspricht.
Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Auslegungsrechtsstreits besteht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (vgl. Urteil vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-105/94, Celestini, Slg. 1997, I-2971, Randnr. 22; vom 28. März 1996 in der Rechtssache C-129/94, Ruiz Bern ldez, Randnr. 7, Slg. 1996, I-1829; vom 15. Jänner 1998, Rechtsache C-125/96, Simon, Randnr. 15).
Es wird daher primär beantragt, die dritte Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. Zu Art. 92 EG-V
3.2.1. Vorbemerkungen
Staatliche Beihilfen sind nach Art. 92 EG-V mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Getränkesteuer wird nur auf Getränkeveräußerungen im Inland erhoben, unabhängig davon, ob das Getränk aus dem Inland oder dem Ausland stammt. Veräußerungen im Ausland oder an das Ausland werden nicht besteuert. Durch diese Steuerkonstruktion wird sichergestellt, daß keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten oder eine Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten erfolgt.
3.2.2. Zum Umfang der Befreiung
Die Befreiung von der Getränkesteuer betrifft nicht generell die gesamte Produktion von Wein aus frischen Weintrauben, daher erscheint die vom Verwaltungsgerichtshof - als ungeprüfte Angabe der Beschwerdeführerin - bezeichnete Mengenangabe von 50% bei näherer Prüfung als absolut unrealistisch. Bei der Beurteilung des Ausmaßes der Befreiung ist eingangs zu prüfen, ob bei Veräußerung von Wein durch einen Weinbauern der Wein aus selbst erzeugten Trauben hergestellt wurde. Nur für diesen Fall kann eine Befreiung in Frage kommen. Bejahendenfalls ist weiter zu prüfen, ob die Veräußerung an einen Wiederverkäufer oder an einen Letztverbraucher erfolgt. Nur die Veräußerung an einen Letztverbraucher kann möglicherweise von einer Befreiung betroffen sein. Handelt es sich um die Veräußerung an einen Letztverbraucher, ist zu prüfen, ob eine Beförderung oder Versendung vorliegt, weil in diesem Fall Steuerpflicht besteht und keine Befreiung eintritt. Erfolgt keine Beförderung oder Versendung, kauft also ein Letztverbraucher Wein unmittelbar beim Weinbauern, ist noch einmal zu prüfen, ob der Wein - wie dies in Österreich häufig der Fall ist - sofort im Rahmen einer Buschenschank (Heuriger) konsumiert wird. Auch hier besteht Steuerpflicht.
Lediglich beim unmittelbaren Erwerb von Wein aus selbst erzeugten Trauben direkt beim Weinbauern durch den Letztverbraucher ohne sofortigen Konsum wird die Befreiung wirksam. Es wird somit vom Tatbestand her nur ein kleiner Ausschnitt des Produktionszweiges Wein aus frischen Weintrauben etc. von der Befreiung erfaßt.
3.2.3. Zur Verfälschung des Wettbewerbs
a) Zum Verhältnis zwischen Händlern (inländischer und Händler aus einem anderen EU-Mitgliedstaat) und inländischen Landwirten darf aus verfassungsrechtlicher Sicht bemerkt werden, daß eine Bevorzugung der österreichischen Landwirte durch die Befreiung des Ab-Hof-Verkaufs gegenüber dem Händler (auch ausländischem Händler) nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 27. November 1995, B 1648/94, VfSlg. 14.325/1995, nicht vorliegt, "da Weinproduzenten sich im Wettbewerb in einer grundsätzlich anderen Lage befinden als Weinhändler, weil sie einer Witterungsabhängigkeit sowie Restriktionen infolge knapper Ressourcen (wie etwa der Beschränkung auf die jeweilige Anbaufläche) ausgesetzt sind." Der VfGH stellt auch ausdrücklich fest, daß "eine im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgangsbasis von Weinproduzenten und Weinhändlern allenfalls verfassungsrechtlich bedenkliche gravierende Verzerrung der Wettbewerbssituation" nicht gegeben ist.
b) Zum Verhältnis zwischen Landwirten aus anderen Mitgliedstaaten der EU und inländischen Landwirten ist festzuhalten, daß durch die Steuerbefreiung für den Direktverkauf von Wein durch landwirtschaftliche Betriebe eine Gleichstellung der inländischen landwirtschaftlichen Betriebe mit jenen anderer EU-Staaten erfolgt, die keine Getränkesteuer kennen. Der Verkauf von Wein durch Landwirte ist nicht generell befreit, sondern lediglich der Ab-Hof-Verkauf. Verkauft ein inländischer Landwirt seinen Wein nicht Ab-Hof (z.B. Auslieferung, Verkauf am Bauernmarkt oder im Buschenschank oder über einen Händler), so ist er einem landwirtschaftlichen Betrieb in einem EU-Staat, der seinen Wein in Österreich absetzt, gleichgestellt.
3.2.4. Zu den zulässigen Ausnahmen vom Beihilfenverbot
Zu den in Artikel 92 Abs. 3 EG-V vorgesehen Ausnahmen ist es ständige Rechtsprechung des EuGH, daß die Mitgliedstaaten, nachdem die Gemeinschaft eine Regelung über die gemeinsame Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen hat, keine Maßnahme mehr treffen dürfen, die eine Abweichung von dieser gemeinsamen Marktordnung beinhaltet oder die Marktordnung beeinträchtigt. Für eine solche Maßnahme kann in keinem Fall eine der in Artikel 92 Abs. 3 EG-V vorgesehenen Ausnahmen geltend gemacht werden (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 25. Juni 1986, 86/561/EWG, ABl. L 327 vom 22.11.1986, S 44). Nun sind aber Kernelemente im Rahmen der gemeinsamen Marktordnung für Wein nicht direkte Preisregelungen, sondern Interventionsmaßnahmen (z.B. Rodung, Lagerhaltung, Destillation oder Traubensafterzeugung) sowie das Ein- und Ausfuhrregime. Die bisherigen Beihilfenentscheidungen der Kommission betreffen auch hauptsächlich diese Bereiche (z.B. Entscheidung der Kommission vom 20. Jänner 1993 über eine Beihilfenmaßnahme Deutschlands für die Destillation von Wein, 93/155/EWG). Die Sperrwirkung von Marktordnungen kann sich wohl nur auf Bereiche beziehen, die von diesen umfaßt sind. So stellt etwa die Entscheidung der Kommission vom 30. November 1988 über ein Gesetzesdekret der italienischen Regierung mit Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von Erzeugnissen des Weinbaus unter anderem fest, daß die italienische Festsetzung eines Höchstpreises für rektifizierten konzentrierten Traubenmost eine Maßnahme darstellt, die gegen die gemeinsame Marktordnung für Wein verstößt. Die Festsetzung von Höchstpreisen ist jedoch ein äußerst starker Eingriff in den Markt; sie kann nicht mit einer sachlich gerechtfertigten Steuerbefreiung verglichen werden.
Unbeschadet der unter Pkt. 3.1. abgehandelten Unzulässigkeit der dritten Vorlagefrage des VwGH kann für die Zulässigkeit der Getränkesteuerbefreiung als Beihilfe auch Art. 92 Abs. 3 lit. c des EG-Vertrages herangezogen werden, wonach Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können. Unter die Bezeichnung "Wirtschaftszweige" können sicherlich landwirtschaftlichen Betriebe subsumiert werden, die Wein oder Most erzeugen und diesen vorwiegend Ab-Hof verkaufen. Im Weinbau handelt es sich hier um ca. 7.000 Betriebe, die größtenteils in benachteiligten Gebieten oder Grenzgebieten Österreichs liegen und eine Klein- oder Kleinststruktur aufweisen. Diese Betriebe befinden sich meist in einer wirtschaftlich und finanziell angespannten Situation und sind oft nicht in der Lage, die auf den Getränkeverkäufen lastenden Abgaben auf die Abnehmer zu überwälzen. Daher erscheint auch aus diesem Grund die Getränkesteuerbefreiung gerechtfertigt.
III. Zur zeitlichen Wirkung der Entscheidung des EuGH
1. Beginnend mit dem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75, Defrenne, Slg. 1976, 445, machte der Gerichtshof mehrfach von der Möglichkeit Gebrauch, aus Gründen der Rechtssicherheit Vorabentscheidungsurteilen lediglich Wirkung ex nunc zu verleihen.
Eine solche Beschränkung der zeitlichen Wirkung wurde teils mit ausdrücklichem Hinweis auf die Analogie zu Art. 174 Abs. 2 EG-V sowohl bei Ungültigkeitserklärungen (vgl. Urteil vom 27. Februar 1985 in der Rechtssache 112/83, Societe de Produits de Mais, Slg. 1985, 719) als auch in Auslegungsurteilen, deren Ergebnis in Widerspruch zu einer langjährigen und als rechtmäßig empfundenen Übung stand, angeordnet. So beschränkte der Gerichtshof etwa die zeitliche Wirkung seines Urteiles vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, Slg. 1990, I-1889, oder vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-492, mit Argumenten der Rechtssicherheit.
3. Für den Fall, daß der Gerichtshof den vorstehenden Argumenten hinsichtlich der Unbedenklichkeit der Getränkesteuer insgesamt bzw. der Unbedenklichkeit der Ab-Hof-Befreiung nicht folgt und die Abgabe oder die Befreiung für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklären sollte, wird beantragt, eine zeitliche Begrenzung der Wirkung dieses Urteils und eine Unvereinbarkeit nur pro futuro auszusprechen.
Dieser Antrag ist in der Gutgläubigkeit Österreichs hinsichtlich der Vereinbarkeit der Getränkesteuer bzw. der Ab-Hof-Befreiung mit dem Gemeinschaftsrecht, den diesbezüglichen Auskünften von Vertretern der Gemeinschaft vor dem Beitritt, den dargestellten schwerwiegenden Auswirkungen eines solchen Urteils auf die Finanzen der Gemeinden Österreichs und der faktischen Unmöglichkeit, die Steuer den Konsumenten rückzuzahlen, begründet, zumal nur in den seltensten Fällen Aufzeichnungen der Getränkelieferanten über die Lieferung von Getränken existieren. Eine Rückzahlung an den Getränkelieferanten würde für den steuerpflichtigen Konsumenten keine Wiederherstellung des vom Gemeinschaftsrecht geforderten Zustandes bedeuten, sondern lediglich den Lieferanten zu Lasten der Gemeinden bereichern.
3. An dieser Stelle auch auf allfällige Auswirkungen einer Beantwortung der Vorlagefragen in der Richtung eingegangen, daß die Richtlinien beziehungsweise der EG-V der österreichischen Getränkesteuer entgegenstehe. Das Volumen einer allfälligen Rückzahlung bzw. des Ertragsausfalls würde bei einem durchschnittlichen Jahresaufkommen von rd. 5,5 Mrd. ATS etwa 22 Mrd. ATS für die Jahre 1995 bis 1998 (also seit dem EU-Beitritt Österreichs) betragen. Dieser Einnahmenausfall würde die Gemeinden in größte finanzielle Probleme bringen und darüber hinaus - da es sich um einen Betrag in der Höhe von rd. 0,9% des österreichischen Bruttoinlandsproduktes handelt - die weitere Einhaltung der haushaltspolitischen Zielsetzungen des Maastricht-Vertrages durch Österreich ernsthaft gefährden.
Wie das oben erwähnte Beispiel der Gemeinde St. Anton verdeutlicht, wäre auch eine Budgeterstellung bei einer Rückzahlungsverpflichtung von rd. 150 % der Steuereinnahmen (4 mal ca. 37%) nicht möglich. Eine Rückzahlung an den Steuerträger - den Konsumenten - könnte wegen des lediglich kalkulatorischen Charakters der Getränkesteuer und der fehlenden Aufzeichnungen über die Lieferungen gar nicht erfolgen. Darüber hinaus würde die eine somit erklärte Unvereinbarkeit der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht die Gemeindefinanzen in ganz Europa gefährden, zumal lokale Verbrauchsteuern ähnlicher Art auch in anderen Mitgliedstaaten - bislang unangefochten - existieren. Diese lokalen Steuern wären sämtlich in Frage gestellt, ohne daß eine binnenmarktpolitische Notwendigkeit dafür ersichtlich ist.
4. Zur den budgetären und fiskalischen Rahmenbedingungen des Ab-Hof-Verkaufes
4.1. Vorbemerkungen
Für den Bereich der Befreiung des Ab-Hof-Verkaufes von Wein werden die allfälligen Probleme beziehungsweise die Unmöglichkeit einer nachträglichen Ermittlung und Abfuhr der Steuer nachfolgend dargestellt: Der Getränkesteuer unterliegt die entgeltliche Veräußerung von Getränken, soweit die Veräußerung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Mit anderen Worten: Der Getränkesteuer unterliegen nur entgeltliche Veräußerungen von Getränken an Letztverbraucher, nicht jedoch an Wiederverkäufer. Ausnahmen von der Besteuerung bestehen für die Veräußerung von Milch, für den sogenannten Ab-Hof-Verkauf von Wein und für Veräußerungen von Getränken in Verkehrsmitteln. Wie erwähnt ist die Ausnahme für den Ab-Hof-Verkauf von Wein ist in § 14 Abs. 1 Z 8 des Finanzausgleichsgesetzes 1997 (FAG 1997) geregelt. Demnach sind Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 3 Z 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994) von der Getränkesteuer ausgenommen, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung und keine Versendung vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 12 % für die Lieferungen und den Eigenverbrauch von Wein aus frischen Weintrauben aus der Unterposition 2204 21 und 2204 29 der Kombinierten Nomenklatur, die innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes im Inland erzeugt wurden, soweit der Erzeuger die Getränke im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes liefert oder für Eigenverbrauchszwecke entnimmt. Dies gilt nicht für die Lieferungen und den Eigenverbrauch von Getränken, die aus erworbenen Stoffen (z.B. Trauben, Maische, Most, Sturm) erzeugt wurden oder innerhalb der Betriebsräume, einschließlich der Gastgärten, ausgeschenkt werden (Buschenschank).
4.2. Aufzeichungspflichten
Aufgrund dieser Bestimmungen über die Getränkesteuer ergeben sich aus den diversen Aufzeichnungen der Landwirte folgende Beschränkungen bei der Feststellung der genauen Beträge der Höhe der Steuerbefreiung, die den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben zugute kommt:
a) Kellerbuch
Gemäß § 51 des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444/1985, zuletzt geändert mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 201/1996, in Verbindung mit der Kellerbuchverordnung, BGBl. Nr. 471/1986, hat Eingangs- und Ausgangsbücher (Kellerbuch) zu führen, wer Wein und näher bezeichnete ähnliche Erzeugnisse in Verkehr bringt. Das Kellerbuch ist so zu führen, daß eine ordnungsgemäße Kontrolle und die Verleihung von staatlichen Prüfnummern, von Urkunden und die Ausstellung von Zeugnissen ermöglicht wird. In das Kellerbuch sind einzutragen: Die Größe und genaue Bezeichnung der bewirtschafteten Weingartenflächen, die Menge der eigenen Produktion von Wein- und Traubensaft als Zugang, die Menge der erworbenen oder abgegebenen Erzeugnisse, wobei beim Verkauf in Flaschen- und Faß-(Tank-)wein aufzuschlüsseln ist, das Datum des Zu- und Abgangs sowie die Namen und Anschriften der Unternehmer, von denen Erzeugnisse erworben oder an die Erzeugnisse abgegeben wurden, wobei bei Erzeugnissen, die in Mengen bis zu 50 Liter an Letztverbraucher abgegeben werden, deren Namen und Anschriften nicht eingetragen werden müssen; Verschnittmengen, Ausmaß der Aufbesserung, Schwund einschließlich der Menge des abgezogenen Gelägers und Eigenverbrauch; Betriebsnummern, Mostchargennummern (Nummern der Mostwägerbescheinigung) sowie Banderolennummern und staatliche Prüfnummern; die zum Stichtag 30. November vorhandene Menge an Erzeugnissen.
Die Angaben gemäß Z 2, 3 und 7 sind nach Weinarten, das sind Weineinheiten, die mit der gleichen Bezeichnung, wie Herkunft, Jahrgang, Sorte und Qualitätsstufe in Verkehr gesetzt werden sollen, aufzugliedern. Im Kellerbuch erfolgt somit lediglich eine mengenmäßige Erfassung des Bestandes und der Zu- und Abgänge, jedoch keine wertmäßige Erfassung und somit auch keine Erfassung des bei Ab-Hof-Verkäufen erhaltenen Entgelts. Aus den Aufzeichnungen gemäß Z 3 und 4 geht lediglich die Gesamtmenge der abgegebenen Erzeugnisse hervor. Diese Eintragungen werden auch nur im Hinblick auf die Mengenkontrolle und die Übersicht über die Weinbewegung vorgenommen. Eine Differenzierung im Hinblick auf die Umsatzsteuer oder die Getränkesteuer erfolgt nicht. Es erfolgt insbesondere auch keine Unterscheidung zwischen einem Ab-Hof-Verkauf und einem Verkauf durch Zustellung bzw. einem Verkauf an Wiederverkäufer. Darüber hinaus werden auch der Warenwert oder das Entgelt nicht aufgezeichnet.
b) Freiwillige Aufzeichnungen
Vom Österreichischen Agrarverlag werden Ergänzungsblätter zum Kellerbuch für Hilfsaufzeichnungen zur Berechnung der Umsatz- und Getränkesteuer herausgegeben, die von den Landwirten auf freiwilliger Basis verwendet werden könnten. Nach Auskunft der mit der Kontrolle der Kellerbücher aus der Sicht des Weingesetzes betrauten Bundeskellereiinspektion werden diese Aufzeichnungen nur von äußerst wenigen Landwirten, und zwar von weit unter 1 % der Landwirte, verwendet.
c) Handelsrechtliche und steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten
Soweit sich eine Verpflichtung zur Buchführung nicht schon aus § 124 der Bundesabgabenordnung (BAO) aufgrund des Handelsrechts (z.B. bei einer Landwirtschafts-Aktiengesellschaft, -Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder -Genossenschaft) oder anderer gesetzlicher Vorschriften ergibt, sind gemäß § 125 Abs. 1 lit. b BAO Unternehmer verpflichtet, für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Wert zum 1. Jänner eines Jahres 2 Millionen Schilling überstiegen hat, für Zwecke der Erhebung der Abgaben vom Einkommen Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen.
Die Wertgrenze von 2 Millionen Schilling richtet sich gemäß § 125 Abs. 1 dritter Unterabsatz BAO nach dem um den Wert der Zupachtungen erhöhten und um den Wert der Verpachtungen verminderten Einheitswert. Da der Einheitswert weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert liegt, ist der weitaus überwiegende Teil der Landwirte nicht buchführungspflichtig. Gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 können nicht buchführungspflichtige Landwirte zur Regelbesteuerung optieren; eine derartige Erklärung bindet den Unternehmer für mindestens fünf Kalenderjahre und verpflichtet ihn ebenfalls zu Aufzeichnungen für die Umsatzsteuer.
Gemäß der Umsatzsteuerstatistik 1993 sind 15.030 Landwirte bei einer Gesamtzahl (gemäß der Agrarstrukturerhebung 1995) von insgesamt 263.522 landwirtschaftlichen Betrieben nach dieser Regelbesteuerung veranlagt worden. Von diesen 15.030 Landwirten entfallen 5.274 auf den Bereich Wein-, Obst- und landwirtschaftlicher Gartenbau, von den 263.522 landwirtschaftlichen Betrieben sind 30.818 Weingärten-Betriebe und 19.762 Obstanlagen-Betriebe (zusammen somit 50.580 Weingärten- und Obstanlagen-Betriebe). Aufgrund des Verhältnisses von 5.274 regelbesteuerten zu insgesamt 50.580 Betrieben kann angenommen werden, daß rund 10 % der Weingärten-Betriebe buchführungspflichtige Landwirte sind. Buchführungspflichtige Landwirte unterliegen mit ihren Weinumsätzen, bei denen die Voraussetzungen des § 10 Ab. 3 Z 1 UStG 1994 zutreffen, ab dem Jahr 1995 dem Umsatzsteuersatz von 12 %. Bei dieser Gruppe von Weinbauern müßten aus den Aufzeichnungen im Unternehmen die Umsätze aus Ab-Hof-Verkäufen hervorgehen. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Umsätze an Wiederverkäufer, die von vornherein nicht der Getränkesteuer unterliegen konnten, und an Letztverbraucher, die nur aufgrund der Ausnahmebestimmung nicht getränkesteuerpflichtig sind, gesondert aufzuzeichnen.
Bei nichtbuchführungspflichtigen Landwirten wird die Umsatzsteuer gemäß § 22 UStG 1994 pauschal festgesetzt (Durchschnittssatzbesteuerung). Nichtbuchführungspflichtige Landwirte müßten zwar ab dem Jahr 1995 für Weinumsätze, bei denen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 zutreffen, eine Zusatzsteuer von 2 % entrichten (§ 22 Abs. 2 UStG 1994) und hierfür auch Aufzeichnungen führen; diese Zusatzsteuer entfällt jedoch für die Jahre 1995 bis – derzeit – 1999 (§ 22 Abs. 8 UStG 1994). Diese Weinumsätze finden daher keinen Niederschlag in der Umsatzsteuererklärung. Für die unter die Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 22 UStG 1994 fallenden Landwirte sind daher aus der Umsatzsteuererklärung die Weinverkäufe, bei denen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 zutreffen, überhaupt nicht ersichtlich.
Betreffend die Einkommensteuer ist festzuhalten, daß der Gewinn land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und Nebenbetriebe, deren Inhaber hinsichtlich dieser Betriebe weder zur Buchführung verpflichtet sind noch freiwillig Bücher führen, anhand von Durchschnittssätzen ermittelt wird (Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 107/1997, welche bei der Veranlagung für die Kalenderjahre 1995 und 1996 anzuwenden ist). Für Gewinne aus Weinbau gilt dabei folgendes: Wenn die weinbaulich genutzte Grundfläche 60 Ar nicht übersteigt, wird der Gewinn pauschal auf Basis des Einheitswertes ermittelt. Eine Verpflichtung zur Führung irgendwelcher Aufzeichnungen, aus denen Rückschlüsse auf die Getränkesteuerbefreiung gezogen werden könnten, besteht hier von vornherein nicht. Die Gewinne aus Buschenschank und Bouteillenweinverkauf sind jedoch auch in diesem Fall gesondert durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln. Wenn die weinbaulich genutzte Grundfläche 60 Ar übersteigt, ist der Gewinn aus Weinbau durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln; gleiches gilt für die Gewinne aus Buschenschank und Bouteillenweinverkauf auch bei einer geringeren Grundfläche. Im Rahmen der Einnahmenaufgliederung sind dabei auch Spalten für Erlöse aus Verkäufen an Letztverbraucher vorgesehen. Zu bedenken ist allerdings, daß keine Unterscheidung nach getränkesteuerpflichtigen und sonstigen Erlösen erfolgt. Wenngleich diejenigen Weinbau-Betriebe, die den Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln haben, auch Erlöse aus Verkäufen an Letztverbraucher anzugeben haben, erscheint aufgrund dieser Angaben im Hinblick darauf, daß hier keine Unterscheidung nach getränkesteuerpflichtigen und sonstigen Erlösen zu treffen ist, eine Feststellung der Auswirkung der Befreiung aufgrund der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten so gut wie unmöglich. Es wäre dafür nämlich erforderlich, die Aufzeichnungen, die der Einkommensteuer-Erklärung gegenüber dem Finanzamt zugrunde liegen, in äußerst mühevoller Kleinarbeit einzeln dahingehend durchzuarbeiten, ob diese Verkäufe und wenn ja, in welchem Ausmaß sie auch der Getränkesteuererklärung gegenüber der Gemeinde zugrundezulegen waren. Eine derartige Bearbeitung der Unterlagen müßte aufgrund des extremen Mißverhältnisses zwischen Arbeitsaufwand und Ergebnis als für den Steuerpflichtigen unzumutbar angesehen werden. Eine genaue Aussage darüber, bei wie vielen Weingärten-Betrieben die Grundfläche 60 Ar nicht übersteigt, ist nicht möglich: Gemäß der Agrarstrukturerhebung 1995 haben von den 30.818 Weingärten-Betrieben 7.381 eine Fläche von weniger als 100 Ar (= 1 Hektar); der überwiegende Teil der Weingärten-Betriebe ist somit größer als 60 Ar und hat den Gewinn daher durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln. Der Anteil der Verkäufe aus Bouteillenverkauf am Ab-Hof-Verkauf wird in der "Dokumentation österreichischer Wein" (Ausgabe Juli 1996, S 37/38) mit 16 % der Menge angegeben, der Rest entfällt auf Verkäufe in Flaschen von 1 Liter und 2 Liter.
Zu beachten ist außerdem, daß gemäß § 42 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 keine Steuererklärung abzugeben ist, wenn das gesamte Einkommen, in dem keine lohnsteuerpflichtigen Einkünfte enthalten sind, im abgelaufenen Kalenderjahr nicht mehr als 88.800,- S betragen hat. In diesem Fall sind nur insoweit Aufzeichnungen zu führen, als sie für die Feststellung, daß diese Grenze nicht überschritten wurde, erforderlich sind. Aufgrund der Kleinstrukturiertheit der Weinbau-Betriebe in Österreich ist davon auszugehen, daß der Gewinn in vielen Fällen keine ertragsteuerlichen Auswirkungen hat und daher de facto nur für etwa die Hälfte der Betriebe Aufzeichnungspflichten bestehen.
4.3. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist zu den Aufzeichnungspflichten festzustellen, daß alle Weinbau-Betriebe ein Kellerbuch zu führen haben, in dem die Abgaben von Wein an Letztverbraucher mengenmäßig erfaßt werden. Aus den einkommensteuerrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen ergeben sich unterschiedlich intensive Aufzeichnungspflichten, wobei rund 10 % der Weinbau-Betriebe buchführungspflichtige Landwirte sind, der überwiegende Anteil der Landwirte den Gewinn aus Weinbau durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln hat, beim kleineren Teil der Weinbau-Betriebe keine Aufzeichnungspflichten bestehen, weil die Grundfläche nicht größer als 60 Ar ist (Aufzeichnungen sind hier nur für Gewinne aus Buschenschank und Bouteillenweinverkauf zu führen), wobei aufgrund der Zahl der Weingarten-Betriebe bis 100 Ar laut der Agrarstrukturerhebung 1995 der Anteil dieser Landwirte mit 10 bis 20 % angenommen werden kann, oder weil das gesamte Einkommen unter 88.800,- S p.a. liegt.
Die Genauigkeit, mit der die Auswirkung der Befreiung von der Getränkesteuer ermittelt werden kann, hängt von der Intensität dieser Aufzeichnungspflichten ab. Eine vollständige und genaue Erfassung des Steuerertragsausfalls ist aufgrund dieser Aufzeichnungspflichten daher nicht möglich.
4.4. Zu einer allfälligen Rückabwicklung
Zur Frage einer allfälligen Rückabwicklung muß darauf hingewiesen werden, daß nach der Rechtsprechung des EuGH die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, wie sie in den nationalen Rechtsordnungen gelten, auch Bestandteil der Rechtsordnung der Gemeinschaft sind. Die Befreiung des Ab-Hof-Verkaufs von Wein beruht auf bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen, sodaß eine allfällige Rückabwicklung einer rückwirkenden Änderung dieser Rechtslage gleichkäme und die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz in besonderem Maße beeinträchtigen würde. Auch bei Hervorhebung der besonderen Bedeutung von Art. 92 und Art. 93 EG-Vertrag zur Durchsetzung des Gemeinschaftsinteresses ist jedoch auch Art. 144 der Beitrittsakte und die besondere Situation eines neuen Mitgliedstaates, aber auch seiner Bürger zu berücksichtigen. Da es dem neuen Mitgliedstaat nicht erkennbar war, daß es sich bei der schon vor dem Beitritt bestehenden Abgabenbefreiung um eine eventuelle Beihilfe (bestehende Beihilfe) handeln könnte, kann dies auch nicht dem Landwirt zugemutet werden. Der Landwirt konnte nicht nur nicht wissen, daß die gesetzliche Ausnahme von der Getränkesteuer als Beihilfe zu beurteilen ist, sondern er hätte sich auch nicht gegen die Inanspruchnahme der Beihilfe entscheiden können, weil er aufgrund der Rechtslage mangels Abgabentatbestand keine Getränkesteuer für seinen Ab-Hof-Verkauf zahlen konnte. In weiterer Folge bedeutet dies aber auch, daß die Landwirte nicht verpflichtet waren, Aufzeichnungen über eine Getränkesteuer vom Ab-Hof-Verkauf zu führen, sodaß es mangels geeigneter Unterlagen faktisch unmöglich sein dürfte, den vollständigen Steuerertragsausfall feststellen zu können.
IV.
Die Republik Österreich beantragt daher, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:
"1. Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) steht der Beibehaltung einer Abgabe nicht entgegen, die auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter Früchte oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließungen und des mitverkauften Zubehörs erhoben wird, und zwar im Ausmaß von 10 v.H. des Entgeltes bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und von 5 v.H. des Entgelts bei alkoholfreien Getränken, wobei das Entgelt im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts zu bemessen ist, die Umsatzsteuer, das Bedienungsgeld und die Getränkesteuer aber nicht zum Entgelt gehören.
2. Art. 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3, zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992, 92/12/EWG (Verbrauchsteuerrichtlinie) steht der Beibehaltung einer Abgabe nicht entgegen, wie sie oben in Punkt 1) beschrieben ist."
3. Es wird primär beantragt, die dritte Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.
In eventu:
"Art. 92 Abs. 1 EG-V steht einer Ausnahmebestimmung nicht entgegen, wonach der Ab-Hof-Verkauf von Wein von der Getränkesteuer befreit ist."
Wien, am 3. April 1998
Für die Republik Österreich:
Sektionschef Dr. Wolf OKRESEK