Vereinbarungen über Getränkesteuer

Dr. Peter Mühlberger,
Finanzrechts- und Steueramt der Landeshauptstadt Linz

Die derzeitige Rechts- und Verfahrenssituation im Zusammenhang mit der Vielzahl von Festsetzungs- und Rückzahlungsanträgen betreffend Getränkesteuer hat Anlass zu Überlegungen gegeben, Vereinbarungen mit den Steuerpflichtigen über eine Getränkesteuerreduzierung bei gleichzeitiger Verfahrenseinstellung zu schließen – die Frage der rechtlichen Zulässigkeit solcher Vereinbarungen ist sehr eng und soll nachfolgend kurz erörtert werden.

1. Abgabenfestsetzung

Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe, wie etwa Getränkesteuer, durch den Steuerpflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstberechnung als festgesetzt, ansonsten hat die Abgabenbehörde Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

Wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenverwaltung nicht ermitteln oder berechnen kann, so hat sie diese zu schätzen und damit festzusetzen.

Im Zusammenhang mit den einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Landesabgabenordnungen sind für die Festsetzung der Abgabenschuld keine Vereinbarungen zwischen Behörde und Steuerpflichtigen vorgesehen.

2. Verwaltungsvereinbarungen

Vereinbarungen zwischen einem Verwaltungsorgan in abgabenbehördlicher Funktion und einem Privaten bzw. Rechtsträger im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung werden als öffentlich-rechtliche (verwaltungsrechtliche) Verträge bezeichnet. Derartige Verwaltungsverträge sind vor allem im Bereich des Abgabenrechtes und somit als ein Instrument der Hoheitsverwaltung vorgesehen – damit gilt auch für sie das Legalitätsprinzip nach Artikel 18 B-VG. Für die rechtliche Zulässigkeit eines Verwaltungsvertrages im Abgabenrecht bedarf es daher einer gesetzlichen Ermächtigung und es muss sein Abschluss ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sein (Antoniolli-Koja „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Manz Verlag Wien 1986).

Nach den Rechtsnormen vieler Getränkesteuer-Landesgesetze sind solche Verwaltungsverträge über die Getränkesteuerschuld rechtlich zulässig (sh. § 4 Abs. 4 OÖ. Getränkesteuergesetz). Danach kann die Behörde mit dem Steuerpflichtigen (Steuerschuldner) Vereinbarungen über die zu entrichtende Getränkesteuer bezüglich der Berechnung, der Fälligkeit, der Einhebung, der Pauschalierung treffen, soweit sie das Verfahren der Einhebung vereinfachen und die Höhe beim Steuerschuldner nicht wesentlich verändern.

Daraus ist rechtlich zu folgern, dass vor allem Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Einhebung der Abgabe und damit zur Vereinfachung des Verfahrens, jedoch auch Vereinbarungen über eine Pauschalierung der Getränkesteuerschuld rechtlich zulässig sind. Rechtsvoraussetzung für eine Pauschalierung der Getränkesteuerschuld ist jedoch, dass sich die Pauschalierungsvereinbarung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen bewegt.

3. Abgabenschätzung

3.1 Rechtsthematik

Um die für kleine Gemeinden schwer zu bewerkstelligenden Rückzahlungsverfahren zu vermeiden und die Steuerpflichtigen von weiteren Verfahrensanträgen zur Rückzahlung der Getränkesteuer abzuhalten, wird eine Reduzierung der Getränkesteuerschuld im Wege einer Schätzung in Erwägung gezogen – Argument für die Schätzung wäre die Annahme, dass der jeweilige Steuerpflichtige nicht in allen Fällen die Getränkesteuer auf die Konsumenten überwälzt, sondern teilweise auch selbst wirtschaftlich getragen hätte.

3.2. Schätzungsverfahren

Zielsetzung einer Schätzung ist es, zu einer Bemessungsgrundlage zu gelangen, die der Gesamtsumme der abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte entspricht, ohne dass die Behörde im Einzelnen erheben und nachweisen wird müssen, d.h. es sind nicht jene Sachverhalte der Besteuerung zu Grunde zu legen, deren Vorhandensein nachgewiesen ist, sondern jene Sachverhalte, von denen anzunehmen ist, dass sie sich tatsächlich ereignet haben. Soferne daher im Rahmen eines durchgeführten Ermittlungsverfahrens

  • die objektiv nachvollziehbare Überzeugung von abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhalten besteht,
  • auf Grund eines Wahrscheinlichkeitsschlusses anzunehmen ist, dass weitere Sachverhalte noch vorliegen, jedoch
  • sich diese Sachverhalte nicht zu einer Bemessungsgrundlage umsetzen lassen,

ist lediglich mit einer Schätzung das Ziel einer Festsetzung der Bemessungsgrundlagen zu erreichen.

Die Schätzungsgründe sind in den Bestimmungen der einzelnen Landesabgabenordnungen taxativ aufgezählt. Danach ist zu schätzen, wenn

  • die Abgabenbehörde die Bemessungsgrundlage nicht ermitteln (berechnen) kann,
  • der Steuerpflichtige keine ausreichenden abgabenrelevanten Informationen zu geben vermag oder solche verweigert,
  • der Steuerpflichtige die nach den Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen nicht vorlegt oder wenn diese sachlich unrichtig sind oder solche Mängel aufweisen, die ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel ziehen.

Im Zusammenhang mit der initiierten Schätzung der Getränkesteuerschuld als quasi „Vereinbarungsersatz“ wäre ohnedies nur der erstgenannte Schätzungsgrund zu diskutieren. Danach ist aber eine Schätzung erst möglich, wenn trotz intensivstem Bemühen der Abgabenbehörde im Ermittlungsverfahren die Feststellung der Bemessungsgrundlagen nicht möglich ist – das Recht und damit auch die Verpflichtung zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit der Ermittlung oder Berechnung der Bemessungsgrundlagen (Stoll „Bundesabgabenordnung – Kommentar“ Orac Verlag Wien 1994). Eine Schätzung ist keine Ermessensentscheidung (VwGH-Erkenntnis vom 15.7.1986, Zl. 83/14/0203), sondern die Abgabenbehörde hat primär den Sachverhalt, welcher die tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Schätzung bildet, in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren zu gewinnen (VwGH-Erkenntnis vom 23.9.1988, Zl. 85/17/ 0132) und insbesondere ein ausreichendes Ermittlungsverfahren unter Wahrung des Parteiengehörs zu führen (VwGH-Erkenntnis vom 12.2.1965, Zl. 2097/63 und vom 16.12.1983, Zl. 82/17/0162), bevor sie eine Schätzung vornehmen kann. Zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung zählen daher

  • die Ermittlung der tatsächlichen Gegebenheiten und Sachverhalte sowie
  • die Zurechnung des festgestellten Sachverhaltes zu den abgabenrechtlich bedeutsamen Tatbeständen.
  • Der Schätzungsumfang umfasst die auf der Basis des Ermittlungsergebnisses resultierende Schätzung der Bemessungsgrundlagen und zwar in der Form, dass das Ergebnis die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat (VwGH-Erkenntnis vom 18.12. 1973, Zl. 887/72 und Stoll „Bundesabgabenordnung – Kommentar“ Orac Verlag Wien 1994). Rechtlich unzulässig ist die Schätzung, wenn die Abgabenbehörde
  • die notwendigen Ermittlungen unterlässt,
  • die Schätzung als Druckmittel einsetzt, um Steuerpflichtige zur Mitwirkung zu zwingen (Dr. Ritz „Schätzung trotz bestehender Ermittlungsmöglichkeiten?“, SWI 1997),
  • nicht die Bemessungsgrundlagen, sondern die vorgelagerten Sachverhalte einschätzt oder
  • nicht die Bemessungsgrundlagen, sondern die Abgabenschuld selbst einschätzt.

3.3 Schätzungsproblematik

Daraus ist rechtlich zu folgern, dass eine bloße Schätzung der Bemessungsgrundlagen zur Vermeidung von Steuervereinbarungen und mit dem Ziel einer Reduzierung der Getränkesteuerschuld unter der Annahme (ohne Behördenermittlung), dass einzelne Steuerpflichtige die Getränkesteuer in gewissem Umfang nicht an die Konsumenten überwälzt hätten, rechtlich unzulässig ist. Eine solche Schätzung ist rechtlich bedenklich, weil

  • das Schätzungsziel, der Wahrheit möglich nahe zu kommen, nicht erreicht wird,
  • die Abgabenbehörde die einer Schätzung vorauszugehenden Ermittlungen, die möglich und zumutbar sind, unterlassen würde,
  • auf Grund der bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten der gesetzlich in den Abgabenordnungen vorgesehenen Schätzungsgrund nicht vorliegt,
  • gleichsam eine Schätzung der Abgabenschuld und nicht der Bemessungsgrundlagen erfolgt und
  • sie nachträglichen Anfechtungen der Steuerpflichtigen ausgesetzt wäre.

4. Zusammenfassung

4.1

Vereinbarungen über die Getränkesteuer (Pauschalierungsfestsetzungen) sind nach den einschlägigen Getränkesteuerrechtsnormen (Getränkesteuergesetze, Getränkeabgabeverordnungen) nur bis zum gesetzlich vorgesehenen Höchstausmaß, in der Regel 10 %, möglich.

4.2

Eine Schätzung der Bemessungsgrundlage zur Reduzierung der Getränkesteuerschuld widerspricht den Zielsetzungen der Schätzung und ist auch als Schätzungsgrund nicht gerechtfertigt, weil die Abgabenbehörde die notwendigen Ermittlungen unterlassen würde.

4.3

Eine Reduzierung der Getränkesteuerschuld auf dem Schätzungswege würde der vorgesehenen Verfahrensstrategie widersprechen, wonach

  • man grundsätzlich bei indirekten Steuern, wie Getränkesteuer, von einer Überwälzung auszugehen hat,
  • in jedem Einzelfall anhand der Abgabenerklärungen, Preislisten und Preiskarten, allfälligen Kundeninformationen über eine Preissenkung etc. von der Abgabenbehörde die Sachverhaltsfrage der Steuerüberwälzung als Voraussetzung für die Rechtsfrage der Rückzahlung in einem ordentlichen Ermittlungs- und Abgabenverfahren abzuhandeln ist.

4.4

Soferne die Abgabenbehörde im Rahmen ordnungsgemäßer Abgabenverfahren feststellt, dass einzelne Steuerpflichtige tatsächlich die Getränkesteuer wirtschaftlich selbst getragen hätten, liegen ohnedies die Rechtsvoraussetzungen für eine Reduzierung der Bemessungsgrundlagen und damit der Getränkesteuer vor.

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