Klimabonus-Kritik
Der regionale Klimabonus aus Sicht des Österreichischen Städtebundes
Der Klimabonus, Teil der ökosozialen Steuerreform, wurde 2022 eingeführt, um die durch die CO2-Bepreisung entstehenden Mehrkosten für Haushalte auszugleichen. Seit 2023 setzt sich dieser Bonus aus einem pauschalen Sockelbetrag und einem abgestuften Regionalausgleich zusammen, der vom Wohnsitz abhängt. Die Hauptwohnsitze werden je nach Urbanisierungsgrad und Öffi-Erschließung in vier Kategorien eingeteilt, eine Einstufung, die von der Statistik Austria vorgenommen wird. Dabei gilt: je schlechter der öffentliche Verkehr und die lokale Infrastruktur, desto höher ist der Regionalausgleich.[1]
Der Österreichische Städtebund kritisiert den „regionalen Klimabonus“ an drei zentralen Punkten:
- Ein neuer klimakontraproduktiver Anreiz wird geschaffen
- die Berechnungsmethodik ist unsachlich und führt zur Ungleichbehandlung der Bürger:innen
- der Klimabonus bindet 1,3 Mrd.€ - Mittel für Mobilitätswende fehlen nach wie vor.
Der Österreichische Städtebund unterstreicht die Kritikpunkte in seiner Stellungnahme zum Ökosozialen Steuerreformgesetz 2022 im Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2022, und in seinen Stellungnahmen zum Nationalen Klima- und Energieplan.
Klimakontraproduktiver Anreiz
Der Österreichische Städtebund kritisiert, dass der Klimabonus keine Anreize für umweltfreundliches Verhalten schafft, da klimafreundliches Siedlungs- und Verkehrsverhalten sich sogar negativ auf die Höhe des Klimabonus auswirkt. Je höher die Öffi-Qualität und je dichter die Siedlungsstruktur, desto weniger Klimabonus erhalten die privaten Haushalte. Der Klimabonus setzt somit einen weiteren Anreiz zur Zersiedelung, indem das Leben in nicht integrierten peripheren Standorten steuerlich begünstigt wird.
Auch Die TU Wien (Institut für Stadt- und Regionalforschung) kritisiert, dass beim Klimabonus „jeglicher Lenkungseffekt in Richtung klimafreundliches Verkehrsverhalten verpufft“.
So wirkt sich eine bessere ÖV-Güteklasse sogar negativ auf die Höhe des Klimabonus aus, wie ein Blick auf Nachbargemeinden von Kernstädten (Abb. 2) zeigt, deren Gemeinden in derselben Urban-Rural-Typologie wiederzufinden sind wie die Kernstadt, deren BewohnerInnen aber einen höheren Regionalausgleich als Bewohner:innen der Kernstadt erhalten.
Abb. 2 Statistik Austria (2024). Urban-Rural-Typologie der Gemeinden in Österreich. Online unter: www.statistik.at/atlas/
Unsachliche Berechnungslogik
Der Österreichische Städtebund kritisiert, dass durch die Unterscheidung im Klimabonus nach der „Urban-Rural Typologie“ der Statistik Austria eine unsachliche Ungleichbehandlung der BürgerInnen vorgenommen wird.
Wäre es dem Gesetzgeber ein Anliegen, jene Bevölkerungsgruppen einen finanziellen Ausgleich zu gewähren, die aufgrund des Wohnstandorts tatsächlich über eine mangelhafte Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln verfügen, so wäre eine direkte Kopplung des „regionalen Klimabonus“ an die „ÖV-Güteklasse“ des jeweiligen Standorts zweckmäßig gewesen. Die ÖV-Güteklassen hätte eine adressegenaue Zuordnung der ÖV-Erschließungsqualität ermöglicht. Doch diese sind nur unzureichend in bislang nicht dargelegter Art und Weise in die Ermittlung des „Regionalausgleichs“ eingeflossen. Siehe hierzu die Erläuterungen des Klimabonusgesesetzes[2]: „In den ersten zwei Schritten wurden die ÖV-Güteklassen auf regionale Gliederungen (Gemeinden, Politische Bezirke, Bundesländer) mittels räumlicher und statistischer Analyse umgelegt. Im dritten Schritt konnten dann die Ergebnisse auf Gemeindeebene mit der URT (=urban rural Typologie) zusammengeführt werden.“
Der Städtebund kritisiert, dass ein konkretes, adressgenaues Kriterium, zugunsten eines nur auf Gemeindeebene vorliegenden Kriteriums mit weniger Aussagekraft herangezogen wurde. Hier ortet der Städtebund eine unsachliche Ungleichbehandlung von Städterinnen und Städtern.
Während also für jede Adresse in Österreich ÖV-Güteklassen vorliegen (Abb.3), die eine quantitative Aussage zur Qualität des ÖV-Anschlusses adressgenau liefern, erfolgt die Verteilung des Klimabonus dennoch auf Gemeinde- bzw. Bezirksebene. Diese oberflächliche Differenzierung ist eine unsachliche Ungleichbehandlung.
Abbildung 3: ÖV-Güteklassen liegen adressgenau vor
Abb. 3 ÖROK (2022). Die österreichweiten ÖV-Güteklassen. Rahmen, Struktur & Beispiele. Online unter: www.oerok.gv.at/fileadmin/user_upload/publikationen/Broschueren/O__ROK-Broschuere_Heft_10_O__V-Gu__teklassen.pdf. S. 26
Klimabonus bindet 1,3 Mrd.€ - Mittel für Mobilitätswende fehlen
Mittel für den Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel fehlen nach wie vor – Klimabonus bindet 1,28 Mrd.€ pro Jahr. Über die CO2-Abgabe, die den Klimabonus speist, wurden 2023 1,28 Mrd.€ vom Bund eingenommen – und wieder verteilt. Von den 1,28 Mrd. Euro flossen KEINE Mittel in den dringend benötigten Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel In Allein im städtischen öffentlichen Verkehr erhöhten sich im Zeitraum 2016-2021 die Ausgaben für den ÖV um ein Viertel, wohingegen die Einnahmen stark zurückgingen, wie eine Untersuchung des KDZ im Auftrag des Städtebundes zeigt. Allein im Öffentlichen Verkehr der großen Landeshauptstädten ist nach Erhebungen des Städtebundes mit einem Finanzierungsbedarf von ca. 1 Mrd.€/Jahr zu rechnen, um die Klimaziele zu erreichen. Thomas Weninger, Generalsekretär des österreichischen Städtebundes, hebt in diesem Kontext hervor: „Mit dem Klimabonus fördert die Bundesregierung autozentriertes Mobilitätsverhalten im ländlichen Raum mit 1,4 Milliarden Euro pro Jahr, während in den Städten ca. 1 Milliarde Euro jährlich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehlt.“
Forderungen an die neue Bundesregierung:
- Eine Überarbeitung der Berechnungmethodik um ökologische und soziale Aspekte.
- Förderung nachhaltiger Verkehrssysteme: Die Einnahmen der CO2-Bepreisung soll für den Ausbau des Umweltverbundes (öffentlichen Verkehr, Fuß- und Radverkehr) genutzt werden.
Weiterführende Links zu bereits veröffentlichten Stellungsnahmen:
Die Presseaussendung zum Klimabonus vom August 2024: https://www.staedtebund.gv.at/services/aktuelles/aktuelles-details/staedtebund-kritisiert-klimabonus/#:~:text=Aktuelles.%20St%C3%A4dtebund%20kritisiert%20Klimabonus.%20Berechnung
Die Presseaussendung zum Klimabonus vom September 2024:
https://www.staedtebund.gv.at/services/aktuelles/aktuelles-details/staedtebundtu-wien-klimabonus-etikettenschwindel-ohne-lenkungseffekt/
Die Stellungnahme des Österreichischen Städtebundes anlässlich der Einführung des Klimabonus: Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teile I, II, ; Stellungnahme – Österreichischer Städtebund: https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/stellungnahmen/dokumente/2022_STN_Steuerreformgesetz.pdf
Der Tätigkeitsbericht des Österreichischen Städtebundes, zum Klimabonus ab S. 30: https://www.staedtebund.gv.at/ePaper/taetigkeitsbericht-2022/index.html#p=32
Die Forderungen des Österreichischen Städtebundes an die nächste Bundesregierung: https://www.staedtebund.gv.at/ePaper/forderungen_2024/#p=1
[1]Vgl. Bundeskanzleramt (2024): Klimabonus. Online unter:
https://www.oesterreich.gv.at/themen/umwelt_und_klima/klima_und_umweltschutz/klimabonus. Letzter Zugriff: 24.09.2024
[2]Zu §3 Zu Abs. 3, 1292 der Beilagen XXVII. GP)