Gewerberecht

Die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung, die permanente Rationalisierung, die Mobilität des Kapitals und der rasante technische Fortschritt bedingen eine flexible und wettbewerbsfähige österreichische Wirtschaft, um im Kreis der internationalen Marktteilnehmer gegen die Konkurrenz auf dem Weltmarkt bestehen zu können.

Die wichtigste Rechtsquelle für das Gewerberecht ist die Gewerbeordnung, die 1994 als „Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994“ wiederverlautbart wurde. Im Hinblick auf die geschilderten globalen Herausforderungen wurde die GewO 1994 in der Folge aufgrund der dynamischen Änderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände (ua. zur Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich) durch mehrere Novellen geändert und tiefgreifend reformiert.

Die Gewerbeordnung gilt für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten. Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbstständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen (Gewinnerzielungsabsicht).

Zum Gewerberecht gehören beispielsweise auch Regelungen zu den Öffnungszeiten (Öffnungszeitengesetz 2003, Sonn- und FeiertagsBetriebszeitengesetz), zur Ausbildung (Berufsausbildungsgesetz) und zur Beförderung von Gütern und Personen (Güterbeförderungsgesetz 1995 und Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996).

Bestimmte Tätigkeiten sind allerdings von der Gewerbeordnung ausdrücklich ausgenommen (zB Land- und Forstwirtschaft, Bergbau, Betrieb von Verkehrsunternehmen und von Theatern und Schaustellungen aller Art sowie selbstständige Berufe, die durch andere Gesetze geregelt sind, wie zB Ärzte, Apotheker, Notare, Rechtsanwälte, Ziviltechniker etc.). Insoweit unterliegt beispielsweise der Betrieb von Bankgeschäften und Versicherungsunternehmen bestimmten Sondergesetzen.

GEWERBE (Berufsrecht) Die Gewerbeordnung 1994 unterscheidet zwei Arten von Gewerben, und zwar das freie und das reglementierte Gewerbe.

Wer ein Gewerbe ausüben will, hat die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes (Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat) zu erstatten.

Grundsätzlich sind alle Gewerbe „Anmeldungsgewerbe“, dh bei Erfüllung der Voraussetzungen darf das Gewerbe in der Regel bereits aufgrund der Gewerbeanmeldung (vollständiges Einlangen der Unterlagen vorausgesetzt) ausgeübt werden (vgl. allfällige Ausübungsvorschriften). Für reglementierte Gewerbe ist allerdings ein Befähigungsnachweis zu erbringen (zB Meisterprüfung oder eine sonstige Befähigungsprüfung, Lehrabschlussprüfung). Allerdings gelten bestimmte Gewerbe als „Zuverlässigkeitsgewerbe“, sodass diese Gewerbe erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides über die Feststellung der besonderen Zuverlässigkeit ausgeübt werden dürfen (zB Baumeister, Brunnenmeister, Chemische Laboratorien, Elektrotechnik). Weiters sind anläßlich der Gewerbeanmeldung bei einzelnen Gewerben allfällige Haftpflichtversicherungen etc. nachzuweisen. Die reglementierten Gewerbe sind in der Gewerbeordnung (alphabetisch geordnet) ausdrücklich normiert.

Freie Gewerbe sind alle Tätigkeiten, die der Gewerbeordnung unterliegen und nicht einem reglementierten Gewerbe vorenthalten sind. Die Zahl der freien Gewerbe ist (theoretisch) unbegrenzt, eine Auflistung im Gesetz fehlt. Allerdings wird vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) seit 2013 eine bundeseinheitliche Liste der freien Gewerbe auf der Internetseite abrufbar zur Verfügung gestellt.

Grundsätzlich ist für den Umfang der Gewerbeberechtigung der Wortlaut der Gewerbeanmeldung im Zusammenhang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Neben diesen Hauptrechten haben die Gewerbetreibenden auch Nebenrechte betreffend Tätigkeiten, die ausgeübt werden dürfen, ohne dass hierfür eine zusätzliche Gewerbeberechtigung begründet werden muss.

Im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorschriften sind weiters die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in der Gewerbeordnung umgesetzt worden. Für die Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit sind die geltenden Voraussetzungen zu beachten (vgl. ua das „Herkunftslandprinzip“ und die Normen betreffend Anerkennung bzw Gleichhaltung von Befähigungsnachweisen).

BETRIEBSANLAGEN (Anlagenrecht) Eine gewerbliche Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist. Die Errichtung und der Betrieb einer Betriebsanlage bedarf unter bestimmten Voraussetzungen einer Genehmigung der Behörde. Die Frage einer Genehmigungspflicht ist davon abhängig, ob von der Anlage möglicherweise Gefährdungen, Belästigungen bzw Beeinträchtigungen bestimmter Schutzinteressen ausgehen können. Genehmigungsansuchen samt Unterlagen sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft bzw Magistrat) zur Entscheidung einzubringen.

Zur Beantwortung der Frage einer Genehmigungspflicht von Anlagen ist allerdings zwingend die 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung zu beachten. In dieser Verordnung sind Arten von Betriebsanlagen normiert, für die unter bestimmten Voraussetzungen keine Genehmigung erforderlich ist.

Mit Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 gilt für gewerbliche Abfallbehandlungsanlagen ein von der Gewerbeordnung grundsätzlich getrenntes Genehmigungsregime („Sondergewerberecht“ mit Ausnahme bestimmter Anlagen).

Im Kern haben die mit erheblichen Änderungen verbundenen Novellen der Gewerbeordnung 1994 samt den erlassenen Verordnungen zum Ziel, eine Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung zu bewirken sowie den Gewerbezugang und die Ausübung von Gewerben zu erleichtern (einschließlich Anpassungen an unionsrechtliche Bestimmungen).

Die wichtigsten Novellen der Gewerbeordnung im chronologischen Überblick:

Novelle 1997:
Weitere Maßnahmen zur Verfahrenskonzentration (auf dem Gebiet des Bundesrechts sowie Koordination mit landesrechtlichen Genehmigungsverfahren) und Verfahrensbeschleunigung (Betriebsanlagenrecht). Berufsrecht: ua. Reduzierung der Zahl der Gewerbe, Schaffung sog. verbundener Gewerbe, Erleichterungen des Zuganges zum Gewerbe bzw Unternehmertum, Maßnahmen zur Verwaltungsentlastung und Entbürokratisierung.

Novelle 2000:
ua. Betriebsanlagenrecht: Gewerbebehörde ist als einheitliche Anlagenbehörde nicht nur für die Erteilung der Genehmigung zuständig, sondern bleibt auch nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens für die BA zuständig (etwa für die Überwachung).

Novelle 2002:
Bezirksverwaltungsbehörde (BVB) wird als „one-stop-shop“ für gewerbliche Betriebsanlagen vorgesehen. Berufsrecht: ua. Begründung aller Gewerbe durch Anmeldung bei der BVB; Einheitliche Anlaufstelle („One-Stop-Shop“) in Verbindung mit dem Ausbau des E-Governments; Änderung der Struktur des Befähigungsnachweissystems und Vereinfachung des Anmeldungsverfahrens; Einheitliche Liste der reglementierten Gewerbe; Vereinfachung und Vereinheitlichung der Nebenrechte für alle Gewerbetreibenden.

Novelle 2010:
Berufsrecht: ua. Änderung des Zugangs zum Rauchfangkehrergewerbe bzw Anpassung an Unionsrecht; Überführung der Gastgartenregelung aus den Ausübungsregeln der GewO in das gewerbliche Betriebsanlagenrecht (in Form einer Ausnahme von einer Genehmigung bzw Normierung einer Anzeigepflicht).

Novelle 2012:
Änderungen im Berufszugangsrecht bzw Anpassungen an Gemeinschaftsrecht; Modernisierung der Kundmachungsvorschriften im gewerblichen Betriebsanlagenrecht; Erweiterung des Maßnahmenregime des § 360 Abs. 1 GewO 1994 in Bezug auf den Einzelfall.

Novelle 2013:
Fortsetzung der Deregulierungsmaßnahmen und Vereinfachungen in Form eines Maßnahmenpaketes (zur Erleichterung von Unternehmensgründungen und Betriebsübergaben), wie etwa die Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides in Bezug auf Aufhebung bzw Abänderungen von Auflagen und Abweichungen vom Konsens sowie Anpassung der Parteistellung von Nachbarn; Anlagenänderungen von vorübergehender Dauer sollen unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungsfrei sein; Vereinfachung der örtlichen Zuständigkeit; Änderungen bzw Erleichterungen im Anzeigeverfahren (bei nachbarneutralen Änderungen einer Betriebsanlage); Weitere Änderungen bzw Präzisierungen im Berufszugangsrecht; Anpassung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012.

Novelle 2015:
Schaffung des Gewerbeinformationssystems Austria (GISA); Anpassungen im Berufsrecht an unionsrechtliche Vorgaben; Umsetzung von unionsrechtlichen Vorgaben bzw Richtlinien („Seveso III - RL“); Umsetzung mehrerer Richtlinien (Wohnimmobilienkreditverträge, Reform der Berufsanerkennungsrichtlinie und Anpassung an die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken). Erlassung der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung (2015) sowie Änderung (2018) - Mit dieser Verordnung werden bestimmte Arten von Betriebsanlagen unter konkreten Voraussetzungen genehmigungsfrei gestellt (zB Einzelhandelsbetriebe bis 600 m2, Bürobetriebe, Lager bis 600 m2, bestimmte Beherbergungsbetriebe).

Novelle 2017 („Gewerberechtsreform 2017“):
Mit dieser Novelle werden wesentliche Reformschritte sowohl im Bereich des Berufszugangsrechts als auch im Bereich des Anlagenrechts normiert. Im Berufsrecht ist die Freigabe von Teilgewerben sowie die Erweiterung und Klarstellung des Umfangs der Nebenrechte hervorzuheben. Weiters die Änderungen bei freien und reglementierten Gewerben, die Einführung einer Gewerbelizenz (die nun alle Gewerbeberechtigungen zusammenfasst) und einer generellen Gebührenbefreiung, Modifikation von Berufsausbildungsbestimmungen. Modernisierung bzw Verkürzung der behördlichen Entscheidungsfristen im Anlagenrecht; Reform bzw Neugestaltung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens im Sinne einer häufigeren Anwendung dieser Verfahrensart zur Verfahrensbeschleunigung; Erweiterung der Verfahrenskonzentration des einfach gesetzlichen One-Stop-Shop für Betriebsanlagen auf der Ebene der bundesgesetzlichen Vorschriften (um Bereiche des Forst- und Wasserrechtes); Freistellungen für Änderungen der Anlage; Erleichterungen für vorübergehende Aktivitäten; Regelungen auf dem Gebiet der Geldwäsche.

Im Ergebnis haben die Novellen der GewO 1994 eine erhebliche Vereinfachung beim Zugang zum Unternehmertum bewirkt und wesentliche Schritte zu einem modernen Gewerberecht durch Abbau von Hürden im gewerblichen Arbeitsumfeld gesetzt. Mit den Regelungen der Gewerbeordnung soll in diesem dynamischen Prozess des Wirtschaftslebens im globalen Umfeld eine hohe Qualität der Produktion und der Ausbildung im gewerblichen Bereich erhalten bleiben. Die legitimen Anliegen des Umwelt- und Klimaschutzes sollen im Fokus der vielschichtigen Aktivitäten verankert sein und durch legistische Maßnahmen stets gewahrt werden. Dazu gehört auch die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft sowie die Schaffung und Erhaltung neuer Arbeitsplätze.

Verfasst von Mag. Felix Holzmannhofer (Stand: 8. Dezember 2022)

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