Innenstadt hat Zukunft

Innenstadt hat Zukunft

Stadt- und Ortszentren sind wichtige Kristallisationspunkte europäischer Stadtkultur. Ihr besonderer Reiz liegt in der einzigartigen Nutzungs- und Funktionsvielfalt aus dem Nebeneinander von Handel, Arbeiten, Wohnen und Freizeitangeboten. Mit ihren stadträumlichen Qualitäten, dem historisch gewachsenen Ortsbild und der Architektur sind sie Teil der unverwechselbaren Identität von Städten und Regionen. Nirgendwo sonst jedoch haben sich die Städte in den letzten Jahren so dynamisch verändert wie im Zentrum. Licht und Schatten der Entwicklung liegen hier dicht beieinander.

 

Unter dem Titel „Innenstadt hat Zukunft“ fand am 23. Oktober 2008 in Wels eine gemeinsam vom Österreichischen Städtebund und der Wirtschaftskammer Österreich veranstaltete und vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung konzipierte und organisierte Fachtagung statt. Ein wichtiges Ziel der Veranstaltung war es, den in den Städten und Gemeinden mit der Stärkung der Zentren betrauten Akteuren neue Ideen aber auch ganz praktische Hilfestellungen zu vermitteln und darüber hinaus einen über die Landesgrenzen hinausgehenden, qualifizierten Dialog über mögliche Entwicklungsperspektiven zu führen. Dazu haben insgesamt 10 Referentinnen und Referenten aus Österreich und Deutschland ihr Wissen und ihre Erfahrungen präsentiert. Über 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind der Einladung nach Wels gefolgt und haben sich Anregungen zur weiteren Stärkung der Innenstädte respektive den Zentren der Städte und Gemeinden geholt. Die von Reinhard Seiß moderierte Tagung fand mit freundlicher Unterstützung der Stadt Wels statt.
Der Tagung vorausgegangen ist eine Studie des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung, die gemeinsam von WKO, ÖStB und BMWA in Auftrag gegeben wurde.1 Gegenstand der Studie war es, erstmals systematisch für ganz Österreich die grundsätzlichen Möglichkeiten der Städte und Gemeinden zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt/des Ortszentrums aufzuarbeiten sowie ferner der Frage nachzugehen, welchen Beitrag das Stadtmarketing bei der Stärkung/Entwicklung der Innenstädte leisten kann. Zeigt die Studie zum einen viele ganz praktische Ansatzpunkte für die kommunale Politik, so werden zum anderen auch ganz grundsätzliche Erkenntnisse deutlich:
- Es gibt keine Patentlösung! Die Studie eröffnet den Blick auf eine Vielzahl von Ideen und praktischen Maßnahmen zur Sicherung/Steigerung der Attraktivität der Zentren. Diese Beispiele können anregend sein und grundsätzlich zeigen, wie es generell gehen kann. Sie lassen sich aber nicht einfach kopieren und zwingen vielmehr dazu, dass jede Stadt/ Gemeinde ihren eigenen Weg der Entwicklung finden und gehen muss. Patentrezepte gibt es daher ebenso wenig wie Erfolgsgarantien.
- Die Autoren der Studie fordern weiterhin dazu auf, weder allein auf punktuelle, ausschließlich handelsbezogene Einzelmaßnahmen (z. B. den Bau eines Einkaufszentrums in der Innenstadt) noch ausschließlich auf Events zu setzen. Stattdessen gilt es auf der Grundlage eines eigenständigen und unverwechselbaren Profils nachhaltig die Innenstadt zu entwickeln und hier insbesondere die Multifunktionalität des Zentrums/der Innenstadt zu sichern und auszubauen: neben dem Einkaufen sollte die Innenstadt eben auch ein attraktiver Wohnort für Jung und Alt sein; sollte sie als gemeinsamer Bildungs-, Freizeit- und Kulturraum zur Verfügung stehen sowie den Einwohnern als „öffentlicher“ Raum gesichert bleiben.
- Des Weiteren wird in der Studie die große Bedeutung von Kooperation herausgestrichen, und zwar sowohl nach innen (mit allen, die ein Interesse an der Innenstadt haben und einen Beitrag zu deren Stärkung leisten können) als auch nach außen über die Gemeindegrenze hinaus (Ziel: regional abgestimmte Entwicklungsstrategien). Beides ist nicht einfach, aber auch nicht unlösbar. Und während es einige sehr gute Beispiele für eine funktionierende Kooperation in einer Stadt gibt, sind sich demgegenüber Städte und Gemeinden in einer „Region“ noch zu selten bewusst, dass sie in einem Boot sitzen und nur gemeinsam gewinnen können!
Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich die gemeinsame Fachtagung des Städtebundes und der Wirtschaftskammer insbesondere auf die beiden Themenschwerpunkte ganzheitliche Innenstadtstrategien und Möglichkeiten der Verbesserung der Kooperation.

Themen und Vorträge
Dass die Zukunft der Innenstädte nicht alleine eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, zeigte das von Christine Schweiger vorgestellte Projekt „Leben findet Innenstadt öffentlich-private Kooperationen zur Standortaufwertung“. Dieser vom Freistaat Bayern vor einigen Jahren ins Leben gerufene Projektwettbewerb hat die Zusammenarbeit aller Innenstadtakteure verbessert und durch Eigeninitiative, innovative Idee und neue Organisationsstrukturen Defizite und Stagnation in innerstädtischen Quartieren überwinden helfen können. Am Beispiel der Preisträgerstadt Fürstenfeldbruck präsentierte Manuela Skorka die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aktivitäten, wie z. B. städtebauliche Revitalisierungsmaßnahmen zur Ver¬besserung der Aufenthaltsqualität, die gezielte Aktivierung von innerstädtischen Brachflächen, aber auch Maßnahmen zur Qualifizierung des Einkaufsstandorts.
(Spannend waren für die TeilnehmerInnen aber auch die Erfahrungen aus dem Projektalltag, die letztlich für den Erfolg des Projekts sehr wichtig waren [z. B. ein externer Moderator, der zwischen Stadt und Privaten vermittelt, der helfen kann, ungelöste Konflikte und bestehende Kommunikationsblockaden aufzulösen; die Schaffung eines neutralen und für alle offenen Projektbüros].)
Im Anschluss daran wurden im Rahmen von sogenannten Werkstattberichten drei kommunale Beispiele für ganzheitliche Entwicklungskonzepte der Innenstadt präsentiert. Zu Beginn stellte Bürgermeister Matthias Stadler aus St. Pölten den Mas¬terplan 2020 vor. Das sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die einbezogenen Partner (neben Handel vor allem auch der Bereich der Dienstleister) breit angelegte Innenstadtentwicklungskonzept zielt darauf ab, in den nächsten Jahren mehrere innerstädtische Quartiere mit entsprechenden Schlüsselprojekten aufzuwerten. Daran anschließend stellte Peter Jungreithmair am Beispiel des Impulsprogramms Agenda 012 dar, wie die Stadt Wels die Herausforderung der Stärkung der Innenstadt angeht. Die Agenda 012 setzt sowohl auf spezielle Fördermaßnahmen, die Handelsentwicklung, Maßnahmen der Stadtgestaltung, der Verbesserung der Aufenthaltsqualität, der Verkehrsentwicklung als auch spezieller Events. Zum Schluss zeigte Markus Arberer am Beispiel der Stadt Dornbirn, mit welchen Maßnahmen die Stadt Dornbirn seit vielen Jahren ganz gezielt die Innenstadt fördert. Vor dem Hintergrund einer klaren strategischen Priorisierung zugunsten der Innenstadt wurden etwa architektonisch hochwertige Infrastrukturinvestitionen (öffentliche Bauten) ebenso realisiert, wie Maßnahmen im Bereich der Sicherung von Grünraum. Ein in Dornbirn seit vielen Jahren wichtiges Instrument der Innenstadtentwicklung ist die aktive Bodenpolitik, was – so Arberer – eine wichtige Voraussetzung für eine aktive Steuerung der Stadtentwicklung ist.
Die Werkstattberichte im zweiten Teil der Veranstaltung waren dem Thema „Kooperation nach innen und in der Region“ gewidmet. Den Auftakt zu diesem Themenblock machte Oskar Januschke mit der Präsentation seines Projekts „KEK“ kooperative Quartiersentwicklung „Obere Altstadt“ in Lienz. Dort ist es in den letzten Jahren nachweislich gelungen, Einzelhändler, Immobilieneigentümer und Bewohner eines Innenstadtquartiers zu mobilisieren und gemeinsam nachhaltige Aufwertungsmaßnahmen zu setzen. Dafür hat das Projekt unlängst den „European Enterprise Award“ gewonnen. Auch das von Bertram Vogel anschließend präsentierte Projekt „Der Regensburger Pakt für die Altstadt“ machte deutlich, dass es mit entsprechendem Engagement und guten Ideen gelingen kann, die verschiedenen innerstädtischen Akteure auf ein gemeinsames Ziel hin einzuschwören und erfolgreich die Innenstadt zu stärken (das Stadtmarketing Regensburg wurde für diese Aktivitäten in den letzten Jahren wiederholt ausgezeichnet). Im Anschluss daran haben dann Fredy Baumgartner vom Wiener Einkaufsstraßenmanagement und Bernhard Mayer vom Projekt „Lebendige Lerchenfelder Straße“ über Kooperationsprojekte aus Wien berichtet. Beim Projekt Lerchenfelder Straße wird – wie schon in den zuvor dargestellten Projekten – ebenfalls auf extern unterstützte Aktivierung der Bewohner, der Händler/Gewerbetreibenden und der Immobilienbesitzer gesetzt. Zum Schluss stellte dann noch Martin Assmann das viel beachtete Kooperationsprojekt „Vision Rheintal“ vor, bei dem – initiiert und unterstützt vom Land Vorarlberg – alle 29 Rheintalgemeinden vor dem Hintergrund eines gemeinsamen regionalen Bewusstseins zusammenarbeiten.

Podiumsdiskussion
In der abschließenden Podiumsdiskussion mit Bürgermeisterin Grete Gruber (Judenburg), Prof. Heiner Hierzegger (Graz), Hannes Mraz (WKO) und Generalsekretär Thomas Weninger (ÖStB) wurden die im Laufe des Tages vorgestellten Themen noch einmal aus der jeweiligen Perspektive der Diskutanten erörtert. Einig war man sich, dass der Wettbewerb weiter zunimmt und die Notwendigkeit einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit auch im Bereich der Handelsentwicklung wächst. „Keine Stadt kann allen lokalen Bedürfnissen entsprechen, durch Kooperation in der Region ist dies jedoch oftmals aber möglich“, so Weninger. Auch Hannes Mraz unterstreicht aus Sicht der WKO, dass es beides braucht: Eigeninitiative und Bündelung der Kräfte. Beidem kommt im Bemühen, die Stadtzentren und Ortskerne zum lebendigen Lebensraum für die Menschen zu machen, große Bedeutung zu. Auch wenn in letzter Zeit – nach Einschätzung der Diskutanten – durchaus positive Entwicklungen beim Raumordnungsrecht in einzelnen Ländern und beim Bewusstsein der regionalen Akteure erkennbar wird, besteht insbesondere im Hinblick auf regional abgestimmte Entwicklungsstrategien nach wie vor großer Handlungsbedarf.

Ausblick
Die zahlreichen positiven Rückmeldungen lassen den Schluss zu, dass es der Veranstaltung insgesamt gelungen ist, den Diskussionen in den Städten und Gemeinden neue Impulsen zu geben und gleichzeitig auch das Bewusstsein für Fragen der Stadtentwicklung im Allgemeinen und der Innenstadt im Speziellen zu stärken. Allen an Fragen der Innenstadtentwicklung Interessierten bietet sich als Nächstes die Möglichkeit, im Rahmen eines eintägigen Seminars des KDZ am 26. Jänner 2009 in Wien mehr über das kontroverse Thema „Innerstädtische Einkaufszentren“ zu erfahren.2
Die Präsentationen der Tagung sind auf der KDZ-Homepage (www.kdz.or.at) zum Download bereitgestellt.

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