Wie spricht Wien? KundInnenfreundliche Sprache in der öffentlichen Verwaltung

Wie spricht Wien? KundInnenfreundliche Sprache in der öffentlichen Verwaltung

Der mehrjährige Prozess „Wien spricht anders“ verfolgt seit 2003 das Ziel, den sprachlichen Auftritt der Stadt Wien auf seine Serviceorientierung und KundInnenfreundlichkeit hin zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

 

Während der Dienstleistungsbegriff in der Privatwirtschaft bereits seit langem thematisiert und weiterentwickelt wird, beschäftigt sich die öffentliche Verwaltung erst seit einigen Jahren mit Begriffen wie Serviceorientierung im Sinne von „Dienst an den KundInnen“. Lange Zeit stellte man sich dabei die Frage, ob und warum sich die öffentliche Verwaltung überhaupt mit Qualitäts- und Dienstleistungsaspekten auseinandersetzen muss. Vielfach müssen die BürgerInnen die Leistungen der Städte und Kommunen ohnehin zwangsläufig in Anspruch nehmen bzw. sind sie auf diese angewiesen.
BürgerInnen haben in den letzten Jahren jedoch durch Erfahrungen mit anderen Dienstleistern ihre Erwartungshaltung kontinuierlich nach oben geschraubt und übertragen diese auch auf die Verwaltung. Warum sollten sie in einem Amtszimmer nicht genauso behandelt werden wie in einer Bank? Laut Studien über die Zufriedenheit von KundInnen verschiedener Branchen ergibt sich nach wie vor, dass Städte und Gemeinden eher auf den hinteren Plätzen liegen. Die Unzufriedenheit zeigt sich dabei insbesondere auch an der geringen Verständlichkeit von Formularen und Bescheiden sowie der Serviceorientierung der MitarbeiterInnen.

Sprache als Imagefaktor
Wenn man davon ausgeht, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin im KundInnenkontakt immer auch eine persönliche Visitenkarte der gesamten Organisation ist, kommt der dabei gewählten Sprache eine hohe Bedeutung zu. „Die Einführung unseres Wording ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem gewisse Leitlinien für eine einheitliche und in erster Linie kundInnenorientierte Unternehmenssprache entwickelt werden. Neben der Verbesserung der Verständlichkeit und Dienstleistungsqualität haben wir uns von dem Projekt „Wien spricht anders“ jedoch auch von Anfang an positive Auswirkungen auf das Image der Stadt Wien als Dienstleister erwartet“, berichtet die für den Prozess verantwortliche Projektleiterin im Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, Waltraud Rumpl.
Tatsächlich identifizieren sich BürgerInnen, deren Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden, stärker mit ihrer Verwaltung und sind in weiterer Folge auch eher dazu bereit, sich für kommunale Probleme zu interessieren und Verantwortung für örtliche Entwicklungen zu übernehmen. Geschieht dies nicht und werden die Erwartungen enttäuscht, nehmen das Unverständnis und die Entfremdung zwischen dem Staat und den BürgerInnen zu. KundInnenorientierung ist somit auch ein entscheidender Faktor für die Legitimation der öffentlichen Verwaltung gegenüber ihren KundInnen – den BürgerInnen.

Zielsetzungen des Projektes
Der Startschuss für das Projekt „Wien spricht anders“ fiel im Jahr 2003. Der für vorerst zwei Jahre angesetzte Prozess zur gemeinsamen Entwicklung und Implementierung einer kundInnenorientierten Organisationssprache verfolgt dabei folgende zentrale interne Zielsetzungen unter den MitarbeiterInnen:
1. Bewusstseinsbildung für einen kundInnenorientierten sprachlichen Auftritt
2. Identifikation mit dem Konzern Stadt Wien als Dienstleistungsunternehmen
„Ohne das interne Bewusstsein für KundInnen- und Dienstleistungsorientierung in der Sprache ist auch der Imagetransfer nach außen nicht möglich. Die MitarbeiterInnen fungieren dabei als entscheidende Multiplikatoren für den Auftritt und das Image des gesamten Konzerns Stadt Wien“, erläutern Susanne Delle Karth und Alexander Raffeiner von der Agentur SVWP Kommunikationsmanagement, die den Prozess von Beginn an konzipiert und begleitet hat.

Von MitarbeiterInnen für MitarbeiterInnen
Sprache ist immer auch etwas Persönliches und letztendlich Ausdruck der vorherrschenden Organisationskultur. „Ein Prozess, der sich mit der Weiterentwick¬lung der Sprache auseinandersetzt, kann somit niemals von außen verordnet oder den MitarbeiterInnen „übergestülpt“ werden. Es gilt, die MitarbeiterInnen von Beginn an einzubinden und die Inhalte mit ihnen gemeinsam zu erarbeiten“, sind sich Rumpl und Delle Karth einig.
Aus diesem Grund wurden von Beginn an Arbeitsgruppen aus MitarbeiterInnen gebildet, die sich mit den verschiedenen Formen der Sprache, sowohl im geschriebenen als auch im gesprochenen Wort, beschäftigt haben:
1. E-Mail
2. Fax, Brief, Aussendung
3. Formular
4. moderne Legistik (z. B. Bescheide inkl. Beiblätter)
5. Telefon
6. persönlicher Kontakt
Zielsetzung der jeweiligen Arbeitsgruppen war die Erarbeitung von Bausteinen und Handlungsanleitungen als Tipps und Tricks für sämtliche MitarbeiterInnen der Stadt Wien.
Die LeiterInnen der Arbeitsgruppen wiederum trafen sich regelmäßig in der Koordinationsgruppe, um die gesammelten Tipps und Tricks zusammenzufassen und daraus ein Wording-Handbuch zu erarbeiten. „Nach der Formierung der Arbeitsgruppen haben wir im Rahmen einer großen Auftaktveranstaltung im Wappensaal des Rathauses auch alle anderen MitarbeiterInnen der Stadt Wien über den Start des Prozesses informiert, selbstverständlich wurden diese auch durch regelmäßige Newsletter auf dem laufenden gehalten“, berichtet Waltraud Rumpl (Abbildung 2).

Innensicht und Außensicht
Um den Wording-Leitfaden auch tatsächlich so kundInnennah wie möglich zu erarbeiten und zu verfassen, holte man sich auch das direkte Feedback der BürgerInnen. So wurden die WienerInnen auf verschiedenen Wegen gebeten, die Kommunikationsarbeit der Stadt Wien zu bewerten:
- Befragung und Diskussion zur allgemeinen Kommunikationserfahrung mit der Stadt Wien
- Vorlage und Bewertung ausgewählter Schriftstücke der Stadt Wien
- Überarbeitung der Schriftstücke gemeinsam mit Fachleuten
- Mystery Calls zur Reflexion eines professionellen Telefonverhaltens
- MigrantInnenbefragungen
- Internetplattform als zentrale Anlaufstelle für Anregungen von BürgerInnen
Selbstverständlich wurden auch alle internen Abteilungen regelmäßig über den Fortgang des Prozesses informiert und erhielten neben Newslettern Plakate zum Aushang an den jeweiligen Informationstafeln.

Testphase und Projektabschluss
Vor der endgültigen Zusammenstellung des Wording-Leitfadens wurden auch die MitarbeiterInnen der Stadt Wien nochmals um ihre Rückmeldung zu den Inhalten gebeten.
Fünf Testgruppen mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Magistrats, die am Ausarbeitungsprozess nicht unmittelbar beteiligt waren, beurteilten die in den Arbeitsgruppen entwickelten Ergebnisse auf Anwendbarkeit und Nutzen für den Arbeitsalltag:
- Übersichtlichkeit/Orientierung
- Verständlichkeit
- Nutzen im Alltag
- Nutzen für NeueinsteigerInnen
Die Kritikpunkte und Ergebnisse flossen in die Redaktion des finalen Wording-Leitfadens ein, der allen MitarbeiterInnen wiederum in einer Großveranstaltung im Juni 2004 präsentiert wurde.

Der Prozess geht weiter
Auch im Anschluss an die Ausarbeitung des Leitfadens wurde das Projekt „Wien spricht anders“ fortgesetzt. Im Rahmen ausgewählter Seminare an der Verwaltungsakademie wurden die Inhalte des Leitfadens immer wieder aufgefrischt und auf für die MitarbeiterInnen wichtige Themen wie beispielsweise „Kriterien für Verständlichkeit“ und „Beschwerdemanagement“ heruntergebrochen.

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