Qualitätsmanagement im öffentlichen Bereich mit dem CAF

Qualitätsmanagement im öffentlichen Bereich mit dem CAF

Das seit kurzem in deutscher Übersetzung vorliegende „Gemeinsame Europäische Qualitäts­bewertungssystem – CAF“ wird als ein sehr brauchbarer Ansatz für die Suche nach qualitätsvoller Aufgabenerfüllung im öffentlichen Bereich vorgestellt. Es ist nicht nur ein wichtiges Element der ­strategischen Arbeit (Feststellen eigener Stärken und Schwächen), sondern auch eine Möglichkeit, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Vorgesetzten zu gemeinsamen Lernerlebnissen zu verhelfen.



Wie kann man Qualität umschreiben und prüfen?
Die Qualität von privatwirtschaftlich erbrachten Leistungen, ebenso wie von öffentlichen Aufgaben, wird traditionellerweise über technische und rechtliche Normen, wie z. B. Sicherheitsvorschriften oder Verfahrensvorschriften, gesteuert. Seit einigen Jahren versteht man unter Qualität aber mehr, nämlich das Ausrichten von Produkten, von Prozessen und Verfahren auf die Erwartungen und Anforderungen der Kun­dinnen und Kunden, der Bürgerinnen und Bürger. Qualitätsmanagement in diesem Sinn kann beispielsweise dazu dienen, die Akzeptanz von Politik und Verwaltung – nach vorangegangenen Umfragen bei Nutzern – zu erhö­hen. Es kann aber auch darum gehen, durch Einbeziehen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von Kundinnen und Kunden die erbrachten Leis­tungen in verschiedener Hinsicht zu verbessern.

Zu den konzeptionellen Grundlagen im erwerbswirtschaftlichen Sektor zählen Qualitätssysteme, wie die ISO 9000 ff. Normen und die Weiterentwicklung als ISO/DIS 9001:2000, ebenso das – seit Anfang der 90er Jahre – von großen europäischen Konzernen angewendete Modell der „European Foundation for Quality Management“ (EFQM), das 2Q-System und verschieden andere. Die zuletzt genannten Systeme können als Konzepte des „Total Quality Management“ (TQM) angesehen werden. Nach Frey/Leopoldt/Mangold (1999, S. 8) sind dies „strategische, integrierte Managementsysteme zur Erreichung zufriedener Kunden …, die das gesam­te Unternehmen mit allen Aktivitäten, Mitarbeitern, Kunden und der übrigen Unternehmensumwelt einbeziehen …“ Praktisch arbeitet man etwa beim EFQM mit Leistungsmerkmalen in neun verschiedenen Bereichen, wobei jeweils mehrere Subkriterien angeben, worauf es bei der Suche nach und bei der Sicherung von Qualität ankommt.

Qualitätssicherung im Sinn einer Beschreibung des erreichten Standes, einer Betrachtung von Stärken und Schwächen einer Organisationseinheit, kann durch die Unternehmen selbst, durch Vorgesetzte und Mitarbeiter betrieben werden. Dies nennt man Selbstbeurteilung (self assessment) oder Selbsteinschätzung. Ebenso ist eine Beurteilung durch externe Fachkräfte möglich; auch eine Kombination beider Sichtweisen bringt Nutzen, weil es dann die Gegenüberstellung von Innensicht und dem Fremdbild erlaubt.

Dimensionen des öffentlichen Qualitätsmanagement
Qualitätsmanagement (QM) ist viel­schich­tig, dies gilt insbesondere für den öffentlichen Bereich, wo es neben dem individuellen Nutzen für Bürger und Kunden auch Kategorien bzw. Kriterien wie

O politischen Nutzen (politische Legitimation),
O Gemeinwohl (für die örtliche Gemeinschaft, für ein Land
insgesamt),
O Rechtmäßigkeit,
O Wirtschaftlichkeit (Effizienz), Zweckmäßigkeit (Effektivität),
O Zukunftssicherung, mit – erst zaghaft angewendeten –
neuen Standards, wie z. B. jenen der Nachhaltigkeit des
Wirtschaftens,

zu berücksichtigen gilt.

Schedler/Proeller (2000, S. 65 f.) unterscheiden in Anlehnung an M. Oppen ähnliche Kategorien, die sie Qualitätsdimensionen nennen, und zwar:

O produktbezogene Qualität,
O kundenbezogene Qualität,
O prozessbezogene Qualität,
O wertbezogene Qualität,
O politische Qualität.

Daraus wird deutlich, dass im öffentlichen Bereich die für die Erwerbswirtschaft entwickelten Kriterien nicht ohne Modifikationen herangezogen werden können. Weiters sind für öffentliche Verwaltungen – die untereinander nicht in einem marktmäßigen Wettbewerb stehen - zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: jener des „Lernens von den Besten“ (auch Benchmarking genannt) und jener des Vergleichens. Hierzu sind ein ähnliches Qualitätsverständnis, ähnliche Bewertungsregeln, also ein eigenes Qualitätssicherungssystem, Voraussetzung.

Der seit dem Jahr 1992 bestehende Speyerer Qualitätswettbewerb öffentlicher Verwaltungen (er wird bekanntlich alle zwei Jahre durchgeführt) hat unter der Leitung der Professoren H. Hill und H. Klages ein solches Sys­tem (insbesondere einen umfassenden Kriterienkatalog) aufgebaut und versucht, durch wettbewerbsmäßiges ­Vergleichen die Verwaltungen zu mehr Qualität anzuspornen. Als aktuellste Entwicklung kann das CAF der Euro­pä­ischen Union angesehen werden.

Was ist das CAF?
Die Europäische Union hat – beginnend mit der österreichischen Präsidentschaft im Jahr 1998 – im Frühjahr 2000 ein Beurteilungsschema zum Qualitätsmanagement und zur Qualitätsbewertung öffentlicher Verwaltungen herausgegeben. Ziel dieses öffentlichen Qualitätsbewertungssystems ist es, den „Verwaltungsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten ein Instrument zur Förderung des Verständnisses und der Anwendung von Qualitätsmanagementstrategien“ zur Verfügung zu stellen. Damit soll auch ein Signal zu vermehrtem Auseinandersetzen mit dem Erreichten (Vergleichen zwischen den Plänen und der Realisierung) sowie zu Vergleichen mit anderen, also einer bewussten Außenorientierung, gegeben werden. Last but not least ist es ein Zeichen für das Bemühen um eine neue Organisationskultur, wonach Fehler bzw. Schwächen nicht verurteilt (neue „Fehlerkultur“) werden, sondern Gelegenheit zum Lernen, zur Verbesserung bieten.

Das „Gemeinsame Europäische Qualitätsbewertungssystem – CAF“ (Common Assessment Framework) liegt seit kurzem auf Deutsch vor (CAF, 2001). Die Abteilung „Verwaltungsentwicklung“ des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport bemüht sich in Zusammenarbeit mit dem KDZ, dieses System Interessierten näher zu bringen und Unterstützung bei dessen Anwendung zu bieten.

Das CAF besteht im Wesentlichen aus 9 Kriterienfeldern (Bereichen der Einschätzung) mit jeweils mehreren Einzelkriterien, insgesamt sind es 42 (im Anhang, siehe Seite 25, befindet sich die Liste der Kriterien). Diese Kriterien bilden eine Mischung der Leis­tungs­merkmale des Speyerer Wett­bewerbes 1998 mit jenen des EFQM-Modells. Grundsätzlich sind für die Bewertung alle im CAF genannten Kriterien unverändert heranzuziehen; allenfalls kann eine Erweiterung des Kriterienkataloges vorgenommen werden.

Die Kriterienfelder des CAF
Kriterienfeld 1: Die Führungsebene
Kriterienfeld 2: Organisationspolitik und -strategie
Kriterienfeld 3: Personalmanagement
Kriterienfeld 4: Externe Partner­schaften und ­Ressourcen
Kriterienfeld 5: Prozess- und ­Veränderungs­management
Kriterienfeld 6: Kunden-/Bürger­orientierte Resultate
Kriterienfeld 7: Mitarbeiter, ­Mitarbeiterinnen­zufriedenheit
Kriterienfeld 8: Auswirkungen auf die Gesellschaft
Kriterienfeld 9: Die wichtigsten Leistungs­ergebnisse der
Organisation

Weiters werden zwei Beurteilungsschemata (Bewertungsskalen) vorgegeben, die zum einen das Einschätzen von Maßnahmen und Aktionen, auch „Befähiger“ genannt, und zum anderen Einschätzungen der erzielten Ergebnisse erlauben. Alle Organisationsmitglieder einzeln oder mehrere Arbeitsgruppen nehmen – jede für sich – die Bewertung vor. Zum Schluss sollte man sich um ein möglichst einheitliches Ergebnis der Selbsteinschätzung bemühen.

Beurteilungsschema 1: Einschätzungspanel für Maßnahmen/Aktionen
Punktwert 1: Relevante Maßnahmen/Aktionen wurden noch
nicht eingeleitet oder umgesetzt (oder sind nicht
bekannt).
Punktwert 2: Die Umsetzung von relevanten Maßnahmen/
Aktionen wurde erst vor kurzem in Angriff
genommen.
Punktwert 3: Die Maßnahmen/ Aktionen wurden teilweise
umgesetzt.
Punktwert 4: Ein Programm relevanter Maßnahmen/Aktionen
ist bereits umgesetzt.
Punktwert 5: Ein permanenter Qualitätsverbesserungszyklus,
der auf der Überarbeitung von vorhergehenden
Programmen beruht, wurde bereits eingeführt.

Beurteilungsschema 2: Einschätzungspanel für Ergebnisse
Punktwert 1: Es wurden bisher keine Ergebnisse gemessen
oder Ergebnisse sind rückläufig (oder nicht
bekannt).
Punktwert 2: Die Ergebnisse zeigen gewisse Verbesserungen.
Punktwert 3: Die Ergebnisse folgen einem mehrjährigen
Verbesserungstrend.
Punktwert 4: Die angestrebten ­Leistungsziele wurden erreicht.
Punktwert 5: Es werden in diesem Bereich konstant die
Ergebnisse auf höchstem Leistungsniveau erzielt
(unter Verweis auf Benchmarking,
Auszeichnungen, positive ­Prüfungen, Revision
oder andere externe Bewertungen).

Ergebnisse der Selbstbewertung
Die Grundidee des CAF besteht darin, die zu den einzelnen Kriterienfeldern entwickelten Subkriterien auf die eigene Verwaltung insgesamt bzw. auf die einzelne Organisationseinheit, die sich der Selbstbewertung unterzieht, anzuwenden. Zu jedem Kriterium sind dabei Überlegungen anzustellen, was man vorfindet, wie es im täglichen Verwaltungsbetrieb funktioniert, wie es gelebt und genützt wird; sodann sind Punkte oder Noten zwischen 1 (schlechteste) bis 5 (beste Note) zu vergeben. Eine schlechte Note bedeutet, dass Maßnahmen oder Ergebnisse bezogen auf das jeweilige Kriterien nicht vorliegen oder nicht bekannt sind. Die Note 3 beispielsweise kann vergeben werden, wenn die in Frage stehenden Maßnahmen/Aktionen nicht nur als Projekt bestehen, sondern bereits – wenigstens teilweise – in die Praxis umgesetzt worden sind. Im Bereich der Ergebnisse bedeutet die Note 3, dass Ergebnisse bereits festgestellt (gemessen) werden und sich Bemühungen zu einer anhaltenden Verbesserung der Ergebnisse zeigen (ablesen lassen).

Beispiel für das Kriterienfeld 7 – Mitarbeiterzufriedenheit:
Subkriterium 7.1 – Aktive Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Leben der Organisation
Sie wird durch regelmäßig (z. B. alle Jahre) stattfindende Erhebungen, etwa im Weg von Interviews, die von externen Kräften geführt werden, festgestellt. Die Auswertung der Interviews zeigt, dass bestimmte Mitarbeiterkategorien das Maß der Eigenverantwortung, den Umgang mit Verbesserungsvorschlägen aus dem Kreis der Mitarbeiter, Teilnahme an freiwillig zu besuchenden Veranstaltungen mit externen Experten, Weiterbildungsmöglichkeiten von Mal zu Mal besser beurteilen. Allerdings sind noch nicht alle Mitarbeiter von diesen Maßnahmen und Vorgängen erfasst worden.
Als Note ergibt sich daraus: 3
Die erteilten Noten können als Punktewerte nach Kriterienfeldern zusammengefasst oder als Profil von Stärken und Schwächen in verschieden detaillierter Weise sichtbar gemacht werden. Setzt man mehrere Arbeitsgruppen ein, lassen sich die Einschätzungen der einzelnen Gruppen gegenüberstellen, allfällige Unterschiede in der Bewertung können diskutiert und sodann ein Gesamtprofil erstellt werden.

In der Regel wird es mit einer einmaligen Selbstbewertung oder Selbsteinschätzung nicht getan sein. Insbesondere weniger befriedigende Ergebnisse werden Anlass zu Verbesserungen sein; diese gilt es, nach angemessener Zeit durch eine neuerliche Selbstbewertung zu erfassen und näher zu prüfen.

Selbstbewertung ganz allein?
Zum Unterschied vom Beurteilen einer Verwaltungseinheit durch externe Berater ist die Selbstbewertung in erster Linie von der jeweiligen Verwaltung, d. h. den Führungskräften und den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern selbst zu bestreiten. Dies bedeutet zum einen, dass der Bewertungsprozess – der mehrere gut vorzubereitende Schritte umfasst – selbst organisiert werden muss. Zum anderen heißt dies, dass die gedankliche Auseinandersetzung hauptsächlich im eigenen Haus erfolgen muss, dass die Akteure über ihr Tun teilweise selbst urteilen müssen, dass Mitarbeiter ihrem Management Noten geben. Dies ist sicher anspruchsvoll, da damit die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Vorgangsweisen, Resultaten, mit den eigenen Schwächen und Stärken gegeben sein sollte. Dies geht soweit, dass schließlich auch Überlegungen über den Stellenwert der erzielten Resultate angestellt werden sollten, dass über mögliche Verbesserungen und andere Konsequenzen aus der Selbstbewertung betriebsintern gesprochen wird. Gelingt dies, ist ein wichtiger Erkenntnisprozess über die weitere Entwicklung in Gang gesetzt worden. Hinweise zur zweckmäßigen Durchführung der Selbstbewertung sollen auch in Richtlinien enthalten sein, die in der nächsten Zeit publiziert werden.

Um ein Scheitern einer Selbstbewertung zu vermeiden, da damit auf längere Zeit die Personal- und Organisationsentwicklung gefährdet wird, sollte auf eine gewisse Unterstützung von außen nicht verzichtet werden. Diese Hilfe kann in zweifacher Sicht geboten werden:

1. die Themen, die Schlüsselfaktoren zur Qualitätsbeurteilung, die Subkriterien gilt es zu erläutern; darüber hinaus kann Hilfe geboten werden, wie in der Praxis gegebene Umstände in das Kriterienschema eingefügt werden können;

2. durch geeignete Begleitung (z. B. Moderation) der Selbstbeurteilung kann das Gewinnen der eigenen Standpunkte erleichtert, können Ergebnisse der Organisationsentwicklung von anderswo eingebracht und auch strategisch gut angelegte Schlussfolgerungen für die weitere Modernisierung gezogen werden.

CAF – Perspektiven
Das CAF bietet jedenfalls die Chance, verschiedene Selbstbewertungsergebnisse (auch anonym) national und international zu sammeln, um daraus Durchschnittswerte und später einmal auch Standards zu gewinnen, und dann zu ver­gleichen. Hierzu plant die Euro­päische Union in Zusammenarbeit mit den nationalen Partnern (Abteilung für Verwaltungsentwicklung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport, KDZ) den Aufbau einer Datenbank.

Die Möglichkeit mit der Selbsteinschätzung auf Basis des CAF der eigenen Organisations- und Personalentwicklung entscheidende neue Impulse zu verleihen, sollte genützt werden. Es gibt derzeit keine billigere Möglichkeit, die bereits geleisteten Fortschritte der Verwaltungsmodernisierung (selbst)kritisch zu betrachten und weiteren Elan für die Fortsetzung des Weges zu gewinnen. Das KDZ bietet bis auf weiteres jenen Organisationseinheiten, die ihre Selbsteinschätzungsergebnisse für den Aufbau der Datenbank zur Verfügung stellen, das Anfertigen eines Qualitätsprofils und eine kurze Interpretation bzw. einen Kurzkommentar – kostenlos. Sehen Sie sich dazu unsere Vorstellungen unter www.kdz.or.at an. Es ist zu erwarten, dass auf Basis von Selbstbewertungen ein Prozess des „Lernens von den Besten“ (Benchmarking) gestartet werden kann, der für die Entwicklung qualitätsvoller Lösungen sehr hilfreich sein wird.

Literaturhinweise
Frey, K.; Leopoldt, B.; Mangold, R.: Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung. Unveröffentlichte Studie erstellt im Auftrag des BMF, Wien 1999

Schedler, K.; Proeller, I.: New Public Management. Verlag Paul Haupt, Bern, Stuttgart, Wien 2000

Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport (Hrsg.): Gemeinsames Europäisches Qualitätsbewertungssystem – CAF (Common Assessment Framework). Wien 2001. Der Text des CAF ist auch von der homepage des KDZ herunterzuladen (www.kdz.or.at).

Anhang: CAF – Liste der Subkriterien
(die Bezeichnung des Kriteriums (K) drückt mit der 1. Zahl das Kriterienfeld aus, mit der 2. Zahl das Subkriterium)



08. Mai 2001

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