LOGON-Konferenz „EU-Verfassung und öffentliche Daseinsvorsorge“

LOGON-Konferenz „EU-Verfassung und öffentliche Daseinsvorsorge“

Am 3. und 4. November 2003 wurde mit der im Wiener Rathaus stattfindenden LOGON-Konferenz der erste inhaltliche Höhepunkt der neuen Projektperiode 2003–2005 erreicht, die mit einem Arbeitsgruppentreffen in Rom im September 2003 eingeläutet worden ist. Den knapp 150 Teilnehmern wurde von anerkannten Experten, wie Prof. Philippe Herzog, Generalberichterstatter des Europäischen Parlaments zu Daseinsvorsorge; Jeremy Smith, Generalsekretär des RGRE; Dr. Heinrich Hoffschulte, 1. Vizepräsident des RGRE; Dr. Rainer Plassmann, Generalsekretär des Europäischen Dachverbandes kommunaler Unternehmen (CEEP); Dr. Maria Berger, Mitglied des Europäischen Parlaments, sowie Dr. Caspar Einem, Mitglied des EU-Konvents, eine Fülle von Informationen zu den Konferenzthemen „Europäische Verfassung“ und „Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“ geboten.

 

LOGON – der Hintergrund
Das Projekt LOGON (Local Governments Network of Central and Eastern European Countries) wurde 1998 vom Österreichischen Städtebund gemeinsam mit dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas initiiert. Es ist ein Netzwerk von Städte- und Gemeindeverbänden aus sämtlichen Beitritts-/ Kandidatenländern und den Verbänden aus einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten. Seit kurzem nehmen auch die Verbände der Ukraine und Serbiens als Beobachter an den Aktivitäten teil.
Das Netzwerk hat zum Ziel, die Kooperation und den Erfahrungsaustausch zwischen den nationalen Gemeinde- und Regionalverbänden in den EU-Mitgliedstaaten, den neuen Mitgliedstaaten und den EU-Kandidatenländern zu fördern. Das Projekt LOGON wird aus Mitteln der EU durch INTERREG III C und durch die Österreichische Bundesregierung gefördert.

Thematische Schwerpunkte der Konferenz
Um der Komplexität der Themen gerecht zu werden, wurde die Konferenz in drei Abschnitte unterteilt. Einem ersten Teil über die EU-Verfassung und ihre Auswirkungen auf die Kommunen folgte Teil zwei, in dem versucht wurde, die Vielfältigkeit der Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse (DAI) darzustellen und diese in Bezug zur EU-Verfassung zu bringen. In einem dritten Teil wurden die DAI in Bezug zu den staatlichen Beihilfen und dem öffentlichen Beschaffungswesen gebracht.

Eröffnung durch Vizebürgermeister Dr. Rieder
Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder eröffnete die Konferenz und begrüßte im Namen der Stadt Wien die internationalen Gäste und den Vorsitzenden Jeremy Smith, Generalsekretär des RGRE.
Die Stadt Wien hat sich laut Dr. Rieder bereits von Beginn an für die Erweiterung der Europäischen Union eingesetzt, um in einem gemeinsamen Europa gemeinsame zentraleuropäische Interessen verfolgen zu können. Wien, bisher die östlichste Stadt Westeuropas bzw. die westlichste Stadt Osteuropas, wird durch die Erweiterung somit vom „Rande zum Herzen Europas“ wandern. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung sind daher sowohl der Wissensaustausch als auch die gemeinsamen gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte eines gemeinsamen Europa hervorzuheben.
Speziell die Neudefinition des Stellenwertes der Städte und Gemeinden in Europa wird auch für Wien eine wichtige Herausforderung sein. So ist die Stadt Wien für eine Ratifizierung der EU-Verfassung in der Fassung Juli 2003 durch die Regierungskonferenz und sie tritt für die absolute Wahlfreiheit der Städte und Gemeinden in Bezug auf die Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse (DAI) ein. Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung, wie im EU-Verfassungsentwurf verankert, ist laut Vizebürgermeister Rieder in jedem Fall zu befolgen. Städte und Gemeinden erfüllen in einem funktionierenden Staatenverbund wichtige Aufgaben, ohne die ein gemeinschaftliches Leben nicht vorstellbar ist. Sie können daher zu Recht als Motor für die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung in der europäischen Gemeinschaft bezeichnet werden.

Kommunale Selbstverwaltung in der EU 25
Eine der wohl ältesten Forderungen des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) ist die Verankerung kommunaler Selbstverwaltung und lokaler Autonomie im Vertrags- und Verfassungsrecht der Europäischen Union. Durch das einheitliche Auftreten aller europaweit agierenden Kommunal- und/oder Regionalverbände konnte der anfänglichen Skepsis und der Stimmung, dass „auf die Kommunen im Konvent niemand wartete“, erfolgreich begegnet werden. Letztendlich gelang es laut Dr. Hoffschulte, 1. Vizepräsident des RGRE, zum ersten Mal in der Geschichte der EU, dass im Verfassungsentwurf ausdrücklich die „lokale und regionale Selbstverwaltung“ respektiert wird. In Artikel 5 des ersten Verfassungskapitels heißt es:
„Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.“
Damit entschied sich die EU für die Anerkennung und Achtung der kommunalen Selbstverwaltung, wie sie sich im Lichte der Europäischen „Charta der Lokalen Selbstverwaltung“ (Charter of Local Autonomy von 1985) des Europarates entwickelt hatte. Diese Charta ist inzwischen quasi „acquis communautaire“ in der EU, nachdem alle Mitgliedstaaten und alle Beitrittskandidaten sie unterzeichnet haben.

Grundlage des erfolgreichen Lobbying
Grundlage dieses Erfolges war die Tatsache, dass die Kommunen vorbereitet waren und über ihren europäischen Dachverband (RGRE) Gesetzesvorschläge ausgearbeitet hatten, die tatsächlich in die Verfassung aufgenommen wurden. Dr. Maria Berger, Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP) und Mitglied im Konvent, bestätigte aus eigener Erfahrung, dass es einfacher war, Vorstellungen zu berücksichtigen, wenn den Konventsmitgliedern kurze, vorformulierte Textvorschläge für Verfassungsartikel geliefert wurden anstelle von umfangreichen Stellungnahmen.
Die europäische und die kommunale Ebene sind nicht als Gegensätze aufzufassen, sondern als Ergänzung. Zudem werden im europäischen Einigungsprozess laut MdEP Berger die europäische und kommunale Ebene die Gewinner sein, während als Verlierer die Nationalstaaten und die Regionen zu sehen sind.

Herzog’s Berichtsentwurf zu DAI
Ein absoluter Höhepunkt der Konferenz war der Bericht von MdEP Prof. Philippe Herzog, französischer Generalberichterstatter des Europäischen Parlaments, zum Grünbuch der DAI.
Prof. Herzog erläuterte den Teilnehmern seinen Berichtsentwurf, wobei er auf die Notwendigkeit eines umfassenden Aktionsprogramms auf europäischer Ebene für die DAI hinwies. Die Rahmenrichtlinie sollte die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse als die wesentlichen Dienstleistungen betrachten, über die alle Bürger, Anwender und Verbraucher, Einzelpersonen, Gemeinschaften und Unternehmen unter Bedingungen verfügen können sollten, die von den nationalen, lokalen und regionalen (gegebenenfalls europäischen) öffentlichen Behörden festgelegt werden.
Speziell die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien, die in den Mitgliedstaaten ein positives Recht begründen, müssten von der Europäischen Union anerkannt werden. Prof. Herzog vertrat die Auffassung, dass es weder möglich noch sinnvoll ist, gemeinsame Definitionen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und daraus ableitbare Verpflichtungen der öffentlichen Hand auszuarbeiten, dass aber die Europäische Union gemeinsame Grundsätze ausarbeiten muss, wie etwa Universalität und Zugangsgleichheit, Kontinuität, Sicherheit, Anpassungsfähigkeit, Qualität, Effizienz, Tarifzugang; Schutz der Anwender, der Verbraucher und der Umwelt sowie Bürgerbeteiligung. Es sei daher zu fordern, dass der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem „wirtschaftlichem“ und nichtwirtschaftlichem Interesse verdeutlicht, wo immer dies möglich ist.
Die Art, Gegenstand und Regeln, denen die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unterworfen sind, müssen berücksichtigt werden, weil das Kriterium des Vorhandenseins einer vergleichbaren Marktdienstleistung nicht ausreichend ist (Rechtsprechung Eurocontrol).
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die ja oft wesentliche Aufgaben der öffentlichen Hand sind, wie Bildung und Volksgesundheit, und die Dienstleistungen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, die die Aufgaben der sozialen Sicherheit und der Solidarität wahrnehmen, müssten jedoch vom Anwendungsbereich der Wettbewerbsbestimmungen und des Binnenmarkts ausgenommen werden. Das Gleiche müsse auch für jene Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gelten, die die Informationsvielfalt und die kulturelle Unterschiedlichkeit betreffen.
Eine Rahmenrichtlinie sei daher eine zu enge Vorstellung. Zugunsten der Rechtssicherheit seien Regelungen auf europäischer Ebene für die Private Public Partnerships, die Konzessionen, in-house etc. notwendig. Herzog meinte: „Je weiter die europäische Integration voranschreitet, um so mehr Verantwortungen müssen auf europäischer Ebene festgelegt werden, um (zum Schutz der Kommunen) ein wirksames Gegengewicht zum freien Markt zu bilden.“

Beratungen zum Grünbuch DAI im Ausschuss „Wirtschaft und Währung“ des EP
Schon einen Tag nach dem Vortrag in Wien, am 4. November 2003, stellte Prof. Herzog seinen Bericht im Ausschuss „Wirtschaft und Währung“ des Europäischen Parlaments vor. Der Bericht versucht laut Herzog, mehr Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für die DAI zu gewährleisten. Mit der geforderten Aussparung der bereits geregelten sektoriellen Bereiche zeigte sich Herzog nicht einverstanden.
Die Abgeordneten forderten die Kommission auf, dem Grünbuch rasch ein Weißbuch folgen zu lassen. In den anschließenden privaten Diskussionen gab es zwei Varianten: Weißbuch im Jänner/Februar oder nur eine Zusammenfassung der Position der Europäischen Kommission zum Frühjahrsgipfel, die wohl wahrscheinlichere Variante.

Vielfältigkeit der Standpunkte zu DAI
Im Grünbuch der Kommission wird der Versuch unternommen, in der Frage der Zukunft der DAI, der Politiken, die die EU entwickeln muss, und in welcher Weise eingegriffen werden soll (sektorspezifische Vorschriften oder allgemeiner Rechtsrahmen) Klärung in die Debatten der letzten Jahre zu bringen.
Der Generalsekretär des RGRE, Jeremy Smith, stellte den Teilnehmern der Konferenz das umfangreiche RGRE-Positionspapier zu den DAI vor. Dieses ist durch die Vielfältigkeit der Standpunkte der europäischen Kommunalverbände gekennzeichnet, was wiederum auf die Vielfältigkeit der Art der Leistungserbringung der DAI in den Mitgliedstaaten hinweist. Trotzdem ist allen Kommunen das Anliegen nach Rechtssicherheit und Anerkennung des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung auf europäischer Ebene gemein.

Antwort des CEEP zu DAI
Der CEEP, der die europäischen Unternehmen und Organisationen vertritt, die, ob mit öffentlicher Beteiligung, gemischt oder privat, hauptsächlich Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wahrnehmen, war bei der LOGON-Konferenz durch seinen Generalsekretär, Dr. Rainer Plassmann, vertreten.
Der CEEP hat in seinem Positionspapier zu DAI festgelegt, dass man gegen eine Rahmenrichtlinie zu DAI sei, wenn die Richtlinie darin bestünde:

- die Kompetenzen der EU zu Lasten der Mitgliedstaaten oder der lokalen Gebietskörperschaften auszuweiten,

- den Geltungsbereich des Wettbewerbsrechts zu Lasten der Aufgaben von allgemeinem Interesse zu erweitern,

- der Europäischen Kommission neue Befugnisse zu übertragen,

- den Rechten und Pflichten der Mitgliedstaaten oder der Gebietskörperschaften neue Beschränkungen aufzuerlegen,

- ihre Wahlfreiheit bei der Art und Weise der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu beschneiden,

- zu leugnen, dass bei einigen DAI Bedarf an einer spezifischen sektoriellen Regelung besteht.

Anschließend wurden die Binnenmarktstrategie und die Wettbewerbspolitik der Europäischen Kommission erläutert. Für die Kommunen sind dabei Bereiche, wie öffentliches Beschaffungswesen, die in Kürze zu erwartende Dienstleistungsrichtlinie, die Wasserwirtschaft und die Private Public Partnerships von besonderer Bedeutung.
Die Angst vieler Kommunen, dass eine europäischen Regelung zu den DAI eine Kompetenzverschiebung von kommunalen Zuständigkeiten auf die europäische Ebene bedeute, sei laut Plassmann kurzsichtig, da die Europäische Kommission schon längst alle Instrumente in der Hand hält, um diese Kompetenzverlagerung zu bewerkstelligen. Nach der geltenden Rechtslage ist sie auch nicht an das im EU-Verfassungsentwurf verankerte Konsultationsverfahren mit den Kommunalverbänden oder an das Mitentscheidungsverfahren mit dem Europäischen Parlament gebunden. Sie könnte dies im Alleingang mit Hilfe der Binnenmarkts- und Wettbewerbsregeln durchführen.
Inhaltlich wird der Bericht von MdEP Herzog vom CEEP voll unterstützt.

Rege Teilnahme Süd-Ost-Mitteleuropas
Unter dem Vorsitz von Ginka Tchavdarova, Generalsekretärin des Bulgarischen Kommunalverbandes, wurde der späte Nachmittag ausschließlich von Referenten aus den neuen Mitgliedstaaten und den Kandidatenländern bestritten.
Die Referenten gaben einen Einblick in die Situation ihrer Heimatländer, würdigten die Bedeutung des LOGON-Netzwerkes zum Austausch von Erfahrungen und die Vertreter der Kandidatenländer äußerten die Hoffnung, in Zukunft auch der Europäischen Union anzugehören.

Von der Theorie zur praktischen Anwendbarkeit
Dr. Caspar Einem, Abgeordneter zum Nationalrat und Mitglied des Konvents, führte als Vorsitzender durch den zweiten Tag.
Dieser dritte Teil der Konferenz befasste sich mit der praktischen Anwendbarkeit von europäischen Regelungen auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und auf die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.
Nach einer Einführung in die Materie wurde der Zusammenhang mit der EU-Verfassung hergestellt und von Einem nochmals auf die für die Kommunen verbesserte Rechtslage nach der Verfassung hingewiesen.

Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im EU-Verfassungsentwurf
Der Union sind durch die Verfassung keine Aufgaben der Erbringung von Leistungen oder Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zugeordnet worden. Sie sind daher ausschließlich von den Mitgliedstaaten zu organisieren und zu erbringen, wiewohl unter Beachtung von Unionsrecht, insbesondere dem Wettbewerbsrecht. Der Union ist allerdings durch Artikel I 5 loyale Zusammenarbeit und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei deren Aufgabenerfüllung aufgetragen. Das gilt auch für die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.
Dieses Argument erhält durch Artikel II 36 im Rahmen der Grundrechts-Charta noch weitere und entscheidende Verstärkung. Denn nach dieser Grundrechtsbestimmung „anerkennt und achtet [die Union] den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit der Verfassung geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“
Bereits im Rahmen der Diskussionen im Grundrechtskonvent war es laut Einem darum gegangen, der Union in ihrem Handeln Grenzen zu setzen und sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten in ihrem Recht, derartige Dienstleistungen zu regeln und zu gewährleisten, nicht beeinträchtigt würden. Natürlich war dabei in erster Linie an Regeln zur Schaffung des Binnenmarktes gedacht worden, die bei unbeschränkter Liberalisierung dazu führen könnten, dass bestimmte – vor allem wirtschaftlich oder sozial benachteiligte – Menschen oder solche in besonderen regionalen Randlagen dann von derartigen Dienstleistungen, etwa soweit sie sich unter Wettbewerbsbedingungen nicht profitabel erbringen lassen und daher nicht mehr erbracht werden, ausgeschlossen werden.
Zusammenfassend kann daher gesagt werden:

- Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse werden auch weiterhin von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Verfassungs- und Gesetzeslage und nach den dort bestehenden Gepflogenheiten organisiert und erbracht.

- Europäisches Wettbewerbsrecht ist anwendbar, soweit dadurch die Erbringung dieser Dienste nicht verunmöglicht wird.

- Die Union kann, im Wesentlichen zur Konkretisierung der Verwaltungserfordernisse bei der Erfüllung der Artikel III 55, vor allem seines Absatzes (2), 56 und 136 europäische Gesetze erlassen, deren Regelungsinhalt durch die Kompetenzzuordnung und durch Artikel II 36 und III 6 begrenzt ist.

- Durch den Verfassungsentwurf, wie er vorliegt, wird daher die Erbringung der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht beeinträchtigt. Die neu geschaffene Gesetzgebungsbefugnis der Union ermöglicht allerdings Erleichterungen in der konkreten Abwicklung im Spannungsfeld von Wettbewerbs- und Sozialinteressen.

Gerade dieses Spannungsfeld Binnenmarkt/Wettbewerb und DAI/sozialer Zusammenhalt ist nach wie vor vorhanden und konnte auch von den Konventsmitgliedern nicht ausgeräumt werden.
Eindringlich wandte Einem sich an die beiden Vertreterinnen der Kommission, nicht nur auf Kosteneffizienz in den Einzelfallprüfungen und der Ausarbeitung von Richtlinien/Verordnungen zu achten.

Vertreter der Europäischen Kommission
Mag. Renate Schohaj, Europäische Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, erläuterte den Zusammenhang zwischen staatlichen Beihilfen und den DAI. Dabei wurde besonders der für die Kommunen schwierige Bereich der Kompensationszahlungen aus der Sicht der Kommission erklärt und auf die vom EuGH zuletzt im Urteil zu Magdeburg/Altmark Trans festgelegten Leitlinien hingewiesen.
Mag. Angelika Koman, Europäische Kommission, GD Markt, spannte in ihrem Vortrag einen weiten Bogen vom europäischen Verfassungsentwurf, über den Bericht MdEP Herzog, zu den EuGH-Urteilen Teckal, Helsinki Bus bis zu den nicht so klar definierten Regelungen bezüglich Konzessionen, in-house oder Public Private Partnerships. Dabei wurde den Konferenzteilnehmern der schwierige Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens dargestellt. Koman erklärte nachdrücklich, dass für die Europäische Kommission der Art. 295 die stärkste Verpflichtung aus dem Vertrag sei, nämlich nicht in die Eigentumsverhältnisse der Mitgliedstaaten einzugreifen.

Internationale Anwendungsbeispiele
Im Rahmen der Konferenz wurden unterschiedliche Praxisbeispiele vorgestellt:

Compulsary Competitive Tendering (CCT)
Ein Beispiel aus Großbritannien ist die in den 80er Jahren unter Premierministerin Thatcher eingeführte verpflichtende Ausschreibung (CCT) aller kommunalen Tätigkeiten bis zum heute geltenden so genannten „best value“-Prinzip. Nach diesem Prinzip mussten im Vereinigten Königreich sogar Verwaltungstätigkeiten der Gemeinden ausgeschrieben werden! Zum Glück konnte dieses Prinzip mit seinen überspitzten Forderungen an die Kommunen überwunden wurden.
Allerdings gibt es auch bei „best value tendering“ einige Probleme, so ist es z. B. extrem schwierig, Kosten zu vergleichen. Besonders bei Leistungen, die von Personen erbracht werden, ist es schwierig, Evaluierungsmaßstäbe zu finden.

Concordia Bus Finnland
Dieses EuGH-Urteil (C-513/99 v. 17. 9. 2002) zu dem Fall „Concordia Bus Finnland“ führte zu einer Stärkung von Umweltbelangen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
Der Gerichtshof erkannte in diesem Fall, dass hinsichtlich der Frage des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ Umweltschutzkriterien als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden dürfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kriterien mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird, die Kriterien ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des Auftrags genannt sind und bei ihnen alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot, beachtet werden.

Altmark Trans
Das EuGH-Urteil (C-280/00 v. 24. 7. 2003) zu „Altmark Trans“ wurde von Dr. Ralf Resch, Berliner Verkehrsbetriebe, im Detail erklärt. Dabei ging es um ein Auslegungsproblem, nämlich, ob ein Zuschussbedarf die Eigenwirtschaftlichkeit eines Linienbetriebs in Frage stellt.
Dieses Urteil bestätigte die Wahlfreiheit der Kommunen und schuf in dieser Frage Rechtssicherheit. Der EuGH entschied, dass Verkehrsdienste nicht generell ausschreibungspflichtig sind und öffentliche Zuschüsse grundsätzlich als Ausgleich an Verkehrsunternehmen gezahlt werden dürfen, damit diese DAI erbringen können. Allerdings müssen folgende 4 Voraussetzungen erfüllt werden:

- Es müsse das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssten klar definiert sein.

- Die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet werde, müssen zuvor objektiv und transparent aufgestellt werden.

- Der Ausgleich dürfe nicht über das hinausgehen, was erforderlich sei, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu decken.

- Viertens sei die Höhe des Ausgleichs, wenn die Auswahl nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolge, im Vergleich mit den Kosten zu bestimmen, die ein gut geführtes durchschnittliches Verkehrsunternehmen zu tragen hätte (unter Berücksichtigung der Einnahmen und des angemessenen Gewinns aus der Erfüllung seiner Verpflichtungen).

Nur wenn diese vier Voraussetzungen erfüllt sind, kann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen „Vorteil“ erhalten habe, der bewirken würde, dass es gegenüber den mit ihm im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen würde, und der Ausgleich daher nicht den Charakter einer staatlichen Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags hat.
Bezüglich der Novellierung der Verordnung 1191/69 meinte Resch, dass die Europäische Kommission über gute Ideen und kompetente Unterstützung der Städte sehr erfreut wäre. Er hofft, dass die neue Verordnung unter irischer Präsidentschaft (Jänner bis Juli 2004) verabschiedet wird.

Schlussworte von Dr. Einem
Dr. Caspar Einem ermunterte die Teilnehmer aus den neuen und alten EU-Mitgliedstaaten und EU-Kandidatenländern, die EU-Verfassung auch als Chance für ihre Kommunen zu begreifen. Enthält sie doch vielfach mehr und größere Garantien für die kommunale Ebene, als dies in den meisten nationalen Verfassungen der Fall ist.

Weitere Infos unter www.ceec-logon.net

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