Gemeinden und ihre Betriebe – gesellschaftsrechtliche Aspekte*

Gemeinden und ihre Betriebe – gesellschaftsrechtliche Aspekte*

Die Ausgliederung – d. h. die Übertragung von Gemeindevermögen auf eine Gesellschaft – bringt im Vergleich zu einem Eigenbetrieb Vorteile in organisatorischer, steuerlicher, haushaltsrechtlicher, finanzieller und personalpolitischer Hinsicht. Als Gesellschaftsformen bieten sich u. a. die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG) an, wobei die Höhe des Gründungskapitals und das Ausmaß der Einflussmöglichkeit noch wesentliche Fragen sind, die vom Gemeinderat erörtert werden müssen. Die Haftung, die Organe einer Gesellschaft und deren Besetzung sowie der Informationsfluss zur Gemeinde sind ebenfalls zu diskutieren.

 

Einleitung
Die Beteiligung der Gemeinde an Gesellschaften – in Form einer 100%igen Beteiligung, einer Teilbeteiligung oder einer bloßen Splitterbeteiligung – bietet unter anderem, aber nicht nur, den rechtlichen Rahmen für eine Ausgliederung gemeindlicher Wirtschaftsunternehmen. So ist beispielsweise die Stadt Innsbruck an insgesamt 25 Wirtschaftsunternehmen beteiligt, die größte dieser Beteiligungen ist jene an der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (zu rund 70% am Aktienkapital in Höhe von 10 Millionen €).
In den letzten Jahren haben Ausgliederungen – welche für die Gemeinden insgesamt die wesentliche interessantere Variante als die bloße Beteiligung darstellen – zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zum Eigenbetrieb kann die Ausgliederung Vorteile vor allem in organisatorischer sowie in steuerlicher, haushaltsrechtlicher, finanzieller, personalpolitischer, parteipolitischer, nicht hingegen unbedingt in vergaberechtlicher Hinsicht bringen.

Zum Wesen der Ausgliederung
Das Wesen der Ausgliederung besteht darin, dass Gemeindevermögen auf die Gesellschaft übertragen wird. Dadurch wird das Unternehmen vom Haushalt der Gemeinde abgekoppelt, das übertragene Gut scheidet aus dem Vermögen der Gemeinde aus. Die Gemeinde erhält dafür Anteile an der Gesellschaft.
Dies kann zu einer Entlastung des Gemeindehaushaltes führen, da Schulden, welche die Gesellschaft allenfalls in weiterer Folge erwirtschaftet, als Schulden der Gesellschaft – nicht mehr der Gemeinde – zu qualifizieren sind (anders zu beurteilen wäre hingegen die Übertragung „alter“ Schulden der Gemeinde auf die Gesellschaft: diese Übertragung ändert nichts an der Haftung der Gemeinde für diese).
Die Unternehmensleitung wird fortan durch eigene Organe der Gesellschaft wahrgenommen und erfolgt damit im Allgemeinen eher effizienzorientiert und nach privatrechtlichen Grundsätzen.
Die Gemeinde wird auch von den Personalkosten der Unternehmensführung entlastet, deren adäquate Besoldung („anreizorientierte Vergütung“) außerhalb des städtischen Besoldungsschemas leichter möglich ist. Die Postenbesetzung in der Gesellschaft wird politischem Einfluss weitgehend entzogen (so ist etwa die Position des Geschäftsführers auszuschreiben).
Entscheidungen werden nunmehr innerhalb der Organe der Gesellschaft getroffen, parteipolitischer Einfluss wird zurückgedrängt: Der Gemeinde verbleiben nur mehr die Rechte bzw. (Mit-)Entscheidungsbefugnisse, welche sich aus ihrer Eigentümerposition nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts und des Gemeindeorganisationsrechts ergeben. Insbesondere können bei der GmbH diese Rechte der Gemeinde teilweise durch die Satzung im Interesse der Gemeinde verändert werden. Auch der Abschluss von Sonderverträgen zwischen der Gemeinde und der Gesellschaft ist möglich.
Die Gesellschaft vollzieht Aufgaben der Gemeinde in Privatrechtsform und stellt dafür (statt Gebühren und Abgaben) in aller Regel ein Entgelt in Rechnung. Die freiere Preisgestaltung erleichtert häufig die Erzielung eines Gewinns, welcher für Investitionen verwendet oder an die Gemeinde abgeführt werden kann.
Strittig ist, ob das Gleichheitsgebot für ausgegliederte Unternehmen im selben Ausmaß gilt wie für die öffentliche Hand („Fiskalgeltung der Grundrechte?“); diese Frage wird zumindest bei einer Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand zu bejahen sein.
In vergaberechtlicher Hinsicht bringt die Ausgliederung nur zum Teil Vorteile in Form von Befreiungen, da das österreichische Bundesvergabegesetz (im Gegensatz etwa zum deutschen Vergaberecht) in aller Regel sowohl auf das Verhältnis zwischen Gemeinde und Gesellschaft als auch für Verträge der Gesellschaft mit Dritten anzuwenden ist.
Abgabenrechtlich ist die Gesellschaft selbständiges Steuersubjekt nach den einschlägigen Vorschriften; auf Fragestellungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Arbeitskräften wird im Rahmen dieses Vortrags nicht näher eingegangen.

Mögliche Rechtsformen
Als Rechtsformen für ausgegliederte Unternehmen kommen insbesondere die AG und die GmbH in Betracht (allenfalls auch die GmbH & Co. KG oder die GmbH & Co. KEG). Das Bundeshaushaltsgesetz fordert hier zum Einen eine Beschränkung der Haftung der öffentlichen Hand, zum Anderen auch die Sicherstellung einer angemessenen Einflussnahme auf die Gesellschaft. Im Folgenden werden die Charakteristika der beiden Rechtsfirmen dargestellt, wobei hinsichtlich des organisatorischen Aufbaus von AG und GmbH auf die Tabelle auf Seite 27 verwiesen wird.
Die AG ist insgesamt auf Grund ihrer Organisation selbständiger und unabhängiger von der Gemeinde (selbst wenn die Gemeinde zu 100% Eigentümerin der Aktien ist); auf die Geschäftsleitung der AG kann die Gemeinde daher nicht direkt und offiziell Einfluss nehmen. Das Mindestkapital der AG beträgt € 70.000 (deren Gründung ist also kostspieliger als die einer GmbH, andererseits eröffnen sich der AG in aller Regel bessere Kreditmöglichkeiten sowie die Zugangsmöglichkeit zum öffentlichen Kapitalmarkt).
Die AG kann nicht von der Gemeinde allein gegründet werden (in der Praxis wird diese Regelung aber durch AG-Gründungen mit Hilfe von Strohmännern ausgehöhlt). Zu allen Hauptversammlungen der AG muss ein Notar beigezogen werden. Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist unabhängig von der Größe der AG obligat. Die Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegen grundsätzlich der aktienrechtlichen Geheimhaltungspflicht. Werden Mitglieder des Gemeinderats in den AG-Aufsichtsrat entsandt, so kann diese Geheimhaltungspflicht zu einem Konflikt mit ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinderat führen.
Der Einfluss der Gemeinde auf die wirtschaftliche Tätigkeit einer GmbH ist generell wesentlich größer als auf die der AG. Die Gründung einer GmbH ist im Vergleich zur AG wesentlich billiger (Mindestkapital „nur“ € 35.000) und auch durch die Gemeinde als einziger Gesellschafterin möglich. Die Generalversammlung ist nicht notariatsaktspflichtig.
Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist erst ab 300 Arbeitnehmern verpflichtend. Weiters lässt die Satzung einer GmbH über das Gesetz hinaus Regelungen in nahezu jeder Richtung zu.
Zu betonen ist schließlich, dass ein Wechsel der einmal gewählten Rechtsform auch zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich ist.

Gründung der Gesellschaft
Sowohl die Gründung einer AG als auch einer GmbH durch eine Gemeinde erfordert einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss (der Gemeinderat erlässt aber für das ausgegliederte Unternehmen – im Gegensatz zum Eigenbetrieb – weder eine Satzung noch kann er hiefür einen gemeinderätlichen Ausschuss einrichten).
Während also bei der Gründung der Gemeinderat zu befassen ist, vertritt in weiterer Folge der Bürgermeister als Eigentümervertreter die Gemeinde im ausgegliederten Unternehmen nach Maßgabe der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen.
Bei der GmbH ist im Zuge der Gründung ein Geschäftsführer zu bestellen (dieser ist vom gewerberechtlichen Geschäftsführer zu unterscheiden, welcher auch ein Prokurist oder ein Angestellter des Unternehmens sein kann).
Besonderes Augenmerk ist auf die Einlage des Gesellschaftsvermögens und damit zusammenhängende Fragestellungen zu richten: Das Gründungskapital hat – wie oben bereits erwähnt – mindestens € 70.000 (bei der AG) bzw. € 35.000 (bei der GmbH) zu betragen. In der Satzung kann auch eine über diesen Betrag hinausgehende Kapitalerhöhung vorgesehen werden. Die in der Satzung vorgesehene Summe muss aber tatsächlich als Wert in die Gesellschaft eingebracht werden. Regelmäßig ist der Nettowert der Einlage einer Prüfung zu unterziehen.
Im Falle der Ausgliederung eines Eigenbetriebs erfolgt die Einlage des Gesellschaftsvermögens regelmäßig durch die Einbringung des bereits bestehenden Unternehmens als Sacheinlage. Die Sacheinlage ist im Interesse des Gläubigerschutzes zu bewerten, insbesondere auch, da von nun an nur mehr die Gesellschaft mit ihrem Vermögen (und nicht mehr die Gemeinde) haftet.
Während bei der AG eine Bewertung der Sacheinlage jedenfalls obligat ist, kann die Gründung einer GmbH, deren einzige Gesellschafterin die Gemeinde ist, ohne eine solche Gründungsprüfung erfolgen. Stellt sich aber innerhalb von fünf Jahren heraus, dass die Sacheinlage den Wert des einzubringenden Gründungskapitals nicht erreicht, so muss ein Wertausgleich geschaffen werden, ansonsten haftet die Gemeinde für diese Wertdifferenz („Gläubigerschutz“).
Mit der Übertragung der Einlage auf die Gesellschaft sowie die Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch ist die Gründung vollzogen.

Haftung der Gemeinde
Die Haftung der Gemeinde für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist regelmäßig auf den in der Satzung ausgewiesenen Einlagebetrag begrenzt: Wurde dieser Wert eingebracht, so trifft die Gemeinde grundsätzlich keine weitergehende Haftung.
Hier sind jedoch folgende Sonderkonstellationen denkbar, in denen eine Inanspruchnahme der Gemeinde über den Einlagebetrag hinaus möglich ist:

- Jeder von mehreren Gesellschaftern einer GmbH haftet für die Schulden der Mitgesellschafter in Form einer Ausfallshaftung, wenn die Einlage nicht in voller Höhe eingebracht wurde.

- Weiters haften alle Gesellschafter persönlich für Schulden, die das Unternehmen vor seiner Eintragung angehäuft hat.

- Bei Bewertungsfehlern trifft jeden Gesellschafter die Differenzhaftung.

- Unzulässigerweise ausbezahlte Ausschüttungen sind zurückzuzahlen; die Gemeinde als Gesellschafterin trifft hiefür eine Ausfallhaftung (da es sich bei diesen Ausschüttungen in vielen Fällen um so genannte „verdeckte Ausschüttungen“ handelt, kann diese Rückzahlungs- bzw. Haftungspflicht die empfangende Gemeinde vor große Probleme stellen).

- Im Falle der Vermischung des Vermögens der Gemeinde mit dem der anderen Gesellschafter geht die Beschränkung der Haftung in Höhe der Einlage verloren; die Gemeinde tut somit gut daran, ihr Vermögen klar von dem der übrigen Gesellschafter getrennt zu halten.

- Wer mit der Gesellschaft zu tun hat (als Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied, Gesellschafter) und schuldhaft seine Aufsichtspflicht verletzt, haftet; diese Haftung aus Verletzung der Aufsichtspflicht kann unter Umständen auch die Gemeinde treffen, sofern sie nicht genug Augenmerk auf die Gestion der Gesellschaft richtet.

- Erhält die Gesellschaft von der Gemeinde ein Darlehen, so kann dieses im Falle eines Konkurses der Gesellschaft zum Eigenkapital geschlagen werden, die Gemeinde riskiert den Verlust dieses Darlehens.

Ähnlich stellt sich diese Problematik bei der Gründung einer AG mit der Maßgabe dar, dass hier das Mindestkapital € 70.000 beträgt.
Trotz der unter dem Schlagwort „ökonomische Unterkapitalisierung“ geführten Diskussion, ob die Mindestkapitalausstattung (insbesondere die der GmbH mit € 35.000) in jedem Fall ausreichend sei, hat der Gesetzgeber bis dato keine weitergehenden rechtlichen Zwänge vorgesehen.

Organe der Gesellschaft/Besetzung
Die Gemeinde hat in erster Linie und fast ausschließlich als Gesellschafter Einfluss auf das Unternehmen nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts. Nach den Gemeindeorganisationsbestimmungen obliegt in der Regel dem Bürgermeister die Vertretung der Gemeinde nach außen und damit die Wahrnehmung der Eigentümerposition (sowohl in der GmbH als auch in der AG). In den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung (der Gemeinde) ist ihm die autonome Entscheidung vorbehalten, bei allen übrigen Entscheidungen ist nach den Bestimmungen des Gemeindeorganisationsrechts zu beurteilen, ob der Bürgermeister frei oder an die Beschlüsse anderer Organe der Gemeinde gebunden ist.
Die Befassung des Gemeinderates ist obligat bei der Gründung der Gesellschaft, bei (späteren) Kapitalerhöhungen, bei wichtigen Vermögensverschiebungen, bei der Abänderung der Gesellschaftsaufgaben sowie bei sonstigen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für die Gemeinde (siehe Tabelle).

Zum Informationsfluss von der Gesellschaft zu den Gemeindeorganen
Es ist vorauszuschicken, dass jeder Einfluss der Gemeinde auf die Gesellschaft auf Kosten der Autonomie der Unternehmensführung geht und dadurch die Steigerung der Effizienz als mögliches Ausgliederungsmotiv relativiert wird.
Wie aus der untenstehenden Tabelle ersichtlich, können in der GmbH die Gesellschafter (gemeinsam) jede Information verlangen. Bei der AG steht dieses Recht dem Aufsichtsrat zu, die einzelnen Aktionäre haben nur im Rahmen der Hauptversammlung Auskunftsrechte gegenüber dem Vorstand. Auch wenn de facto jeder Großaktionär alles im Wege der von ihm gewählten Aufsichtsratsmitglieder in Erfahrung bringen kann, so geht doch der Informationsfluss – wenn überhaupt – von den Aufsichtsratsmitgliedern (der AG) an den Bürgermeister. Die Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegen darüber hinaus der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht. Eine freiwillige Auskunftserteilung gegenüber der Gemeinde wird dann möglich sein, wenn diese als einzige Gesellschafterin auftritt.
Die Informationspflicht des Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat richtet sich nach den Bestimmungen des Gemeindeorganisationsrechts (z. B. Anfragerecht im Gemeinderat). Offen bleibt hier aber die Frage, wie gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten vom Bürgermeister bzw. von Gemeinderäten als Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber dem Gemeinderat geltend zu machen sind.
Gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Vorstand der AG oder auch dem Geschäftsführer der GmbH hat der Gemeinderat keinen Rechtsanspruch auf Information. Bei der GmbH ist seine Stellung etwas stärker, da die Gesellschafter grundsätzlich alle Informationen einfordern können.

Zusammenfassung und Wertung
Auch bei ausgegliederten Unternehmen sind Gemeinwohlbindungen grundsätzlich möglich, Kostengünstigkeit und Effizienz sollten aber jedenfalls im allgemeinen Interesse stehen. Demgegenüber ist die Erbringung sozialer Leistungen, die über Steuern finanziert werden, durch ein ausgegliedertes Unternehmen schwierig (verlustträchtige Zuschussbetriebe, Subventionsproblematik). Daher wird die Schaffung ausgegliederter Unternehmen in Bereichen, wo der Wirtschaftlichkeitsgedanke im Vordergrund steht, zu befürworten sein, für „Bürgerservicezwecke“ hingegen nicht.

Im Rahmen der anschließenden Diskussion wurden insbesondere Fragen

- der Haftung für ein Anfangsdefizit der Gesellschaft,

- der beihilfen-/steuerrechtlichen Bewertung verdeckter Gewinnausschüttungen,

- der Durchgriffs- und Informationsrechte der Gemeinde bei der AG und

- des Informationsflusses vom Aufsichtsrat an den Bürgermeister

erörtert.

Fehlende Grafiken finden Sie in der ÖGZ 2/04.

Fußnote:
* Dieser Beitrag basiert auf einem Referat, das von Univ.-Prof. Dr. Günter Roth anlässlich einer Informationsveranstaltung der Landesgruppe Tirol des Österreichischen Städtebundes am 6. 11. 2003 in Innsbruck gehalten wurde.

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