Städtisches Geoinformationssystem – Beispiel Graz

Städtisches Geoinformationssystem – Beispiel Graz

Die Verwendung von städtischen Geoinformationssystemen für die Unterstützung von Verwaltungsprozessen ist ständig im Steigen begriffen. Eine Einbeziehung von Geodaten und Geoinformation in die Verwaltungsprozesse erlaubt eine effizientere Abwicklung und eine qualitative Verbesserung von Entscheidungsgrundlagen.

 

Einleitung
Die Bedeutung von städtischen Geoinformationssystemen (GIS) nimmt ständig zu. In vielen Bereichen der umfangreichen kommunalen Aufgaben werden Geodaten bzw. Geoinformationen durch die zunehmende Verfügbarkeit verwendet. Durch die technologische Entwicklung im Computerwesen und der Kommunikationsmöglichkeiten bieten sich vielfältige Möglichkeiten des Einsatzes von Geoinformationssystemen zur Unterstützung und Bewältigung der kommunalen Aufgaben.

Begriffsbestimmungen
Unter einem Geoinformationssystem versteht man ein System zur Bereitstellung, Bearbeitung und Analyse von Geoinformationen. Geodaten und Geoinformationen sind laut ÖNORM A 2260 Daten bzw. Informationen, deren Bezug zur Erdoberfläche ein wesentliches Kennzeichen ist. Aus dieser Definition geht eine klare Differenzierung zu Aufgaben der konventionellen Informationstechnologie hervor. Allerdings nutzen Geoinformationssysteme nicht nur grafische Daten, sondern sie bieten durch die Verknüpfung mit beliebigen allgemeinen Informationen eine effiziente und bedeutende Möglichkeit zur Erlangung von raumbezogenen Analysen und Grundlagen für Entscheidungen im Rahmen der kommunalen Aufgaben.

Entwicklung in Graz
Das Stadtvermessungsamt ist nicht nur für den Aufbau und die Fortführung des städtischen Geoinformationssystems zuständig, sondern auch für die digitale Datenabgabe sowie für die organisatorische und softwaremäßige Beratung und Betreuung der Dienststellen des Magistrates Graz. Bereits seit 1985 hat die Stadt Graz ein Geoinformationssystem in Verwendung. Begonnen wurde mit einem grafischen Arbeitsplatz, der mittels einer Standleitung mit dem Großrechner, auf dem die Software installiert war, verbunden wurde. Für den Aufbau dieses Geoinformationssystems wurde damals ein Konzept erstellt, welches vorsah, dass dieses System alle grafischen Daten enthalten sollte, welche von kommunalem Interesse sind. Die Einbeziehung von alphanumerischen Daten erweiterte das Konzept in Richtung Geoinformation. 1994 erfolgte der Umstieg von der Großrechnerlösung auf eine Lösung auf der Basis von Workstations. Damit verbunden war die Einführung eines relationalen Datenbanksystems. Die derzeitige IT-Infrastruktur im Bereich der Geoinformationsverarbeitung ist aus Abbildung 1 ersichtlich.

Nutzen eines Geoinformationssystems
Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass ein wesentlicher Aspekt bei der Verwendung von Daten und Informationen aus einem Geoinformationssystem die qualitative Verbesserung von Entscheidungsgrundlagen ist. Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Überlagerung von verschiedenen Datenbeständen können Zusammenhänge übersichtlich dargestellt werden. Interdisziplinäre Auswertungen eröffnen ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. Die Einbeziehung von fachspezifischen Daten und deren grafischer Darstellung eröffnet Auswertungsmöglichkeiten, die ohne ein Geoinformationssystem nicht denkbar wären und vor allem bei den immer komplexer werdenden Fragestellungen eine entsprechende Grundlage bieten. Die Nutzung von Geodaten und -informationen führt auch häufig zu einer effizienteren Abwicklung von Verwaltungsprozessen. Dieser Umstand wird noch an Hand von Beispielen näher erläutert.

Geobasisdaten
Geodaten lassen sich grundsätzlich – dem Konzept für eine österreichische Geodatenpolitik folgend – in Geobasisdaten und Geofachdaten einteilen. Die zu den Geobasisdaten gehörenden Katasterdaten bilden für zahlreiche kommunale Aufgaben einen wesentlichen Datenbestand. Digitale Katasterdaten liegen für Graz bereits seit dem Jahr 1987 vor. Über die Angabe von Katastralgemeinde und Grundstücksnummer ist ein komfortabler Zugriff nicht nur direkt auf die Katasterdaten, sondern auch auf diverse andere Geodatenbestände möglich. In diesem Datenbestand sind auch die vom Stadtvermessungsamt vergebenen geocodierten Adressen enthalten. Mit der Angabe von Straßennamen und Hausnummer wird eine zweite wesentliche Möglichkeit geboten, auf diverse Geodatenbestände gezielt zugreifen zu können.
Digitale Orthofotos haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen digitaler Höhenmodelle und digitaler Luftbilder, vorhanden sind. Auch die Durchführung der Berechnungen, gerade für große Gebiete, ist komfortabler und einfacher geworden.
Für das Stadtgebiet von Graz wurde ein 20-m-Höhenraster mit einer Genauigkeit von ca. ±20 cm gemessen. Die zugrunde liegenden Luftbilder haben einen Maßstab von 1.:.3500 bis 1.:.4000. Die Orthofotos für das gesamte Stadtgebiet von Graz wurden in 20 Tagen berechnet. Die Überlagerung von Katasterdaten mit den Orthofotos bietet für zahlreiche Anwendungen eine informative und übersichtliche Informationsquelle.
Darüber hinaus sind Naturbestandsdaten und der kartografische Stadtplan als weitere interessante Geobasisdaten einer kommunalen Gebietskörperschaft zu bezeichnen. Heute ist der Stadtplan im Internet bereits ein Standarddatenbestand, der nicht mehr wegzudenken ist, denn über 30.000 Zugriffe pro Monat werden diesbezüglich verzeichnet.
In einem gemeinsamen Projekt mit allen Leitungsbetreibern von Graz wurden in den Jahren 1995–1999 die Naturbestandsdaten des Straßenraumes des gesamten Stadtgebietes von Graz erfasst und in das Geoinformationssystem integriert. Über 1,6 Mio. Punkte wurden dabei von Ingenieurkonsulenten und Vermessungsbüros aufgemessen. Auf der Basis der ÖNORM A 2261-2 wurde durch einige Erweiterungen der Grazer Datenkatalog definiert, welcher als Grundlage für die Erfassung der verschiedenen Objekte diente (Tabelle 1).

Geofachdaten
Da die Städte ständig steigende Aufgabengebiete wahrzunehmen haben, wächst auch damit die Notwendigkeit, Geofachdaten aus den verschiedenen Fachgebieten in das städtische Geoinformationssystem zu integrieren. In der Tabelle 2 ist eine Zusammenstellung der verschiedenen im Geoinformationssystem erfassten Datenbestände enthalten. An Hand von drei Bespielen wird die Bedeutung und Nutzung eines Geoinformationssystems dargestellt.

Wahlsprengeleinteilung
Vor der Verwendung eines Geoinformationssystems konnte die Zuteilung neuer Siedlungen und Gebäude nur äußerst umständlich durchgeführt werden. Es entstanden unübersichtliche, nicht zusammenhängende Zuordnungen zu den einzelnen Wahlsprengeln. Mit der Nutzung eines Geoinformationssystems ist nun eine effiziente Möglichkeit gegeben, die Wahlsprengel einzuteilen. Grundlage für die Einteilung der Wahlsprengel bildeten die Gebäude und die Verkehrsflächen aus dem Datenbestand des Katasters, die Orthofotos, die geocodierten Adressen und die darauf aggregierte Anzahl der Wahlberechtigten aus dem örtlichen Wählerverzeichnis. Vorgegeben war die maximale Anzahl an Wahlberechtigten für den einzelnen Wahlsprengel. Auf Grund der grafischen Daten und der pro Adresse dargestellten Anzahl der Wahlberechtigten wurden die Wahlsprengelgrenzen festgelegt und sofort die Anzahl der Wahlberechtigten pro Wahlsprengel berechnet. Die Grenzen wurden daraufhin unter Berücksichtigung bereits geplanter Wohnbauvorhaben so angepasst, dass die Anzahl der Wahlberechtigten annähernd dem vorgegebenen Wert entsprach. Nach der Festlegung der Wahlsprengel erfolgte die Zuteilung zu den einzelnen Wahllokalen. Diese so erstellten Unterlagen dienen nun als Grundlage für die Beschlussfassung durch die Wahlbehörde.

Standortbestimmungen für Apotheken
Für die Bewilligung eines neuen Apothekenstandortes sind gewisse Voraussetzungen nachzuweisen. Eine Bedingung ist, dass die bestehenden Apotheken nicht unter 5500 Einwohner für ihr Versorgungsgebiet fallen, wobei die Entfernung jeweils bis zum Wegstreckenhalbierungspunkt zwischen den einzelnen Apotheken herangezogen wird. Früher war die Bestimmung der Einwohner eine mühsame und umständliche Arbeit. Es musste jeweils aus alphanumerischen Listen die Anzahl der Einwohner aufsummiert werden.
Mit Hilfe eines Geoinformationssystems können nun relativ einfach und schnell die gewünschten Ergebnisse berechnet werden. Grundlage hierfür sind die Straßenachsen sowie die Gebäude mit den geocodierten Adressen. Die Anzahl der Einwohner wird aus dem örtlichen Einwohnerverzeichnis auf die geocodierte Adresse aggregiert. Nach der Festlegung des Versorgungsgebietes der neuen Apotheke und Ermittlung der Halbierungspunkte zwischen benachbarten Apotheken werden die Versorgungsgebiete der bestehenden Apotheken neu definiert und die Anzahl der Einwohner in Bezug auf die Apothekenstandorte berechnet.

3D-Stadtmodelle
Das Stadtvermessungsamt beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit 3D-Stadtmodellen. Die Fragestellung dabei war, wie Planungsgrundlagen in einer anschaulichen Weise und auch in für Fachunkundige zugänglichen Form visualisiert werden können. Die Präsentation von Planungsgrundlagen in Form von dreidimensionalen Stadtmodellen eröffnet nicht nur ungeahnte Möglichkeiten, dem Bürger Projekte anschaulich näher zu bringen, sondern verbessert auch die Qualität von Entscheidungsgrundlagen. Begonnen wurde mit einer Machbarkeitsstudie, die dazu diente, die Möglichkeiten der dreidimensionalen Darstellung urbaner Stadtstrukturen aufzuzeigen. Im Jahr 2000 wurde in Kooperation mit verschiedenen Institutionen ein Forschungsvorhaben mit dem Ziel begonnen, dreidimensionale Stadtstrukturen einschließlich der Fassadenaufnahmen in einer Datenbank abzuspeichern und zu verwalten. Im Rahmen eines Pilotprojektes wurden die photogrammetrischen Auswertungen der Dachlandschaft automatisch in ein dreidimensionales Modell übergeführt. Nach einer Editierung des Geometriemodells wurde das Modell mit Fassadenaufnahmen zu einem fotorealistischen 3D-Stadtmodell ergänzt. Das Konzept und der Aufbau ist aus der Abbildung 5 ersichtlich und zeigt eine weitere Nutzung der im städtischen GIS befindlichen Daten.

Nutzung im Internet/Intranet
Der Publizierung vorhandener Datenbestände sowohl für den internen Gebrauch als auch extern für private Interessenten kommt immer mehr Bedeutung zu. Das Informationsangebot lässt sich über diese Kommunikationswege relativ einfach verbreiten. Wie aus der Abbildung für die IT-Infrastruktur betreffend Geodaten und -informationen ersichtlich ist, wurde dem Aspekt der Sicherheit entscheidend Rechnung getragen. Die Daten, die intern auf einem Datenbankserver verwaltet werden, werden mittels Replikation auf einen Datenbankserver außerhalb des magistratsinternen Netzes übertragen, wo sie dann über Internet abrufbar sind. Derzeit werden im Internet der Flächenwidmungsplan, das Stadtentwicklungskonzept und die Radkarte angeboten. Über eine Internetanwendung ist es auch möglich, Luftbilder in analoger oder digitaler Form zu bestellen. Das dreidimensionale Modell der Grazer Altstadt ist ebenfalls im Internet begehbar, wobei mit dieser Anwendung an die Grenzen der derzeitigen Möglichkeiten des Internets gegangen wurde. Das große Datenvolumen, das dabei übertragen wird, erfordert einen möglichst schnellen Internetzugang. Auch besondere Anforderungen an die Rechenleistung werden gestellt, da die Daten codiert übertragen werden und am Arbeitsplatz zur Darstellung decodiert werden müssen.
Im Intranet werden laufend weitere Dienste aufgebaut. Derzeit werden im internen Magistratsnetz Katasterdaten, geocodierte Adressen sowie die Orthofotos angeboten, wobei eine Überlagerung der Datenbestände möglich ist. Demnächst werden auch die terrestrisch erfassten Naturbestandsdaten über das Intranet abrufbar sein.

Ausblick
Nachdem sehr viele Datenbestände dynamischen Veränderungen unterliegen, steigt natürlich mit zunehmendem Datenvolumen, welches in Geoinformationssystemen vorgehalten wird, der Aufwand, diese Daten auch aktuell zu halten. Dem Thema Aktualität der Daten kommt in Zukunft eine wesentliche Bedeutung zu.
Um die Abspeicherung und Verwaltung von redundanten Datenbeständen zu verringern bzw. zu vermeiden, wird es erforderlich sein, im Rahmen einer Österreichischen Geodatenpolitik die Zuständigkeiten exakt festzulegen, wobei allerdings darauf Rücksicht zu nehmen sein wird, dass die Nutzer diejenigen Auswertungen, die sie für ihre Anforderungen und Aufgaben brauchen, über entsprechende Zugänge ohne großen Aufwand erhalten können (Web-Services).
In vielen derzeitigen Verwaltungs- und Geschäftsprozessen spielen Geodaten bzw. -informationen eine wesentliche Rolle. Deshalb wird auch in Zukunft die Nutzung von Geoinformation verstärkt in E-Government-Lösungen Eingang finden bzw. werden Geodaten eine nicht wegzudenkende Grundlage bilden.

Fehlende Tabellen und Grafiken finden Sie in der ÖGZ 2/04.

Literatur
[1] Konzept für eine Österreichische Geodatenpolitik, Bericht an die Landesamtsdirektorenkonferenz – September 2002.

[2] Johann Holzer, Konrad Karner, Günther Lorber, Heinz Rosmann, Digitale Stadtmodelle als Plattform für intuitive Planung und Information, Vortrag anlässlich der CORP 2002.

[3] Xiaoming Xu, Vortrag anlässlich der Städtebundtagung der Arbeitsgruppe Stadtvermessung 2003 in Graz.

OEGZ

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