Konzept für eine österreichische Geodatenpolitik aus Sicht der Länder

Konzept für eine österreichische Geodatenpolitik aus Sicht der Länder

Die Geodatenpolitik hat das Ziel, die umfassende Verfügbarkeit von öffentlichen Geodaten sicherzustellen. Geodaten stellen eine tragende Säule der Informationen des öffentlichen Sektors dar und sind integrierter Bestandteil von Verwaltungsreformen und E-Government. Auf allen Ebenen der österreichischen Verwaltung werden seit über einem Jahrzehnt Geodaten erfasst und in Geografischen Informationssystemen (GIS) geführt. Zur Erfüllung maßgeblicher öffentlicher Aufgaben mit unmittelbarem Raumbezug, wie zum Beispiel in den Bereichen Raumordnung, Verkehr, Wirtschaft, Umweltschutz, Katastrophenschutz, Land- und Forstwirtschaft ist die Verwendung von öffentlichen Geodaten Voraussetzung.

 

Durch das Fehlen geeigneter Rahmenbedingungen entstanden aus gesamtstaatlicher Sicht Unzulänglichkeiten in der Erfassung und Führung, in der Qualität, in der Flächendeckung und bei den Zugangs- und Nutzungsbedingungen von öffentlichen Geodaten.
Der Prozess zur Abstimmung einer koordinierten Geodatenpolitik erlangte mit der Zustimmung der Landeshauptmänner zum „Konzept für eine Österreichische Geodatenpolitik“ im Herbst 2002 politische Bedeutung. Es ist nicht ausreichend, singuläre Maßnahmen lediglich auf Ebene einer Gebietskörperschaft zu setzen. Der Bund, die Städte und Gemeinden sind eingeladen, gemeinsam mit den Ländern die Umsetzung dieses Konzeptes in Angriff zu nehmen.
Als eine erste Kernmaßnahme wurde die Plattform Geodatenpolitik gegründet, deren temporärer Vorsitz dem Land Tirol übertragen wurde. Im Herbst 2003 wurde das Aufgabenfeld dieser Plattform der Österreichischen Raumordnungskonferenz übertragen.

Rahmensetzungen
Die Europäische Union befasst sich in einigen Richtlinien und Initiativen verstärkt mit der Rolle der öffentlichen Informationen, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der elektronischen Datenverarbeitung und Datenübermittlung. In Österreich tritt in letzter Zeit die gesamtstaatlich organisierte E-Government-Initiative als Träger moderner Kommunikationsbeziehungen zwischen Bürgern, Betrieben und Verwaltung in den Vordergrund.
Öffentliche geografische Informationen, das sind räumlich zugeordnete Sachverhalte der öffentlichen Verwaltungen, bilden nach Ansicht der Europäischen Kommission eine von „vier Säulen“ der öffentlichen Information. Das bedeutet, dass sich die geografische Information durch die ihr innewohnenden räumliche Zusammenschau besonders zur Bündelung der thematisch und hierarchisch zersplitterten Informationsflut eignet. Nach Einschätzung der EU-Initiative INSPIRE tragen die lokalen und regionalen Verwaltungen die weit überwiegende Hauptlast der geografischen Informationsvermittlung.
In Österreich sind die Geobasisdaten, wie diese sich durch die Digitale Katastralmappe, Orthophotos, digitale Höhenmodelle und digitale Kartenwerke darstellen, traditionell beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen angesiedelt. Diese Datenschichten sind häufig verwendete Grundlagen, auf denen fachspezifische Informationen aufsetzen und die auch zur grundsätzlichen Orientierung oder Identifikation für den Informationssuchenden dienen. Geobasisdaten stehen daher in allen Verwaltungsebenen in häufiger Anwendung.
Die österreichische Verfassung sieht in ihrer Betonung des föderalen Staatsaufbaues eine mehrschichtige Verwaltungsgliederung vor.
Zwischen diesen Ebenen findet eine durchaus rege Kommunikation mittels Geofachinformationen statt, am Beispiel der Raumordnung zwischen Gemeinden und Ländern oder am Beispiel von Materien der mittelbaren Bundesverwaltung mit Beziehungen der Landesverwaltungen zu den Ministerien leicht einsehbar. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Kommunikation zwischen den staatlichen Verwaltungsebenen wird auch nach einer Neuordnung der Bundesverfassung nicht in Frage gestellt werden.

Festgestellte Problemfelder
Die Zuständigkeit für einen jeden öffentlichen Geodatenbestand ist an sich durch die Bindung an das jeweilige Materiengesetz grundsätzlich definiert. Dennoch gibt es neben oder anstelle der zuständigen Institution weitere, untereinander unkoordinierte Erzeuger, Vorhalter, Anbieter von Daten und Betreiber von Informationsdiensten. Dies führt vielfach zu Doppelgleisigkeiten und volkswirtschaftlichem Schaden. Generell ist der Bedarf an Koordination bei Geofachdaten wesentlich höher als bei Geobasisdaten. Die Ursache dafür liegt in der vielfältigeren Verteilung der Zuständigkeiten.
Auch soll in Zukunft verhindert werden, dass öffentliche Geodaten, die entweder von Firmen bei Gebietskörperschaften erworben wurden oder von Firmen in öffentlichem Auftrag erstellt wurden, mehrfach an andere Dienststellen der öffentlichen Verwaltung verkauft werden. Im Falle der Erbringung von Dienstleistungen mit öffentlichen Geodaten sind der öffentlichen Hand ausschließlich die extern erbrachten Dienstleistungen zu verrechnen.
Bei sich gegenseitig ergänzenden Zuständigkeiten von mehreren Institutionen gibt es ungenügende Abstimmung.
Durch die in etlichen Fällen nicht bedarfsgerechte Weitergabe vorhandener Geodaten ist derzeit eine Vorhaltung bei den Nutzern nötig. Oft muss bei einer Aktualisierung der Gesamtdatenbestand neu eingespielt werden, weil eine ausschließliche Lieferung der geänderten Inhalte nicht möglich ist. Die wiederholte Einspielung und redundante Vorhaltung verursacht erhebliche Kosten infolge des Aufwands für Personal und technische Infrastruktur.
Die Vielfalt der Geofachdaten in Hinsicht auf Qualität und Verfügbarkeit im Zuständigkeitsbereich der unterschiedlich strukturierten Gemeinden sowie deren unterschiedliche IT-Infrastruktur (Hardware, Software, Netzanbindung, Personal) verhindern oftmals die übergreifende Nutzung dieser Daten. Wenn Geodaten von Gemeinden in anderen Bereichen verwendet werden sollen, kommt es daher oft zur Mehrfacherfassung oder zu hohem Konvertierungsaufwand.
Eine besondere Problemstellung ergibt sich des weiteren bei Geofachdaten, welche von ausgegliederten oder privatisierten Institutionen mit weiter bestehenden öffentlichen Aufgaben wahrgenommen werden. So ist beispielsweise nicht umfassend feststellbar, wo und nach welchem Datenführungsmodell Verkehrsnetze erzeugt und vorgehalten werden.

Konzepterstellung und beginnende Umsetzung
Die Konferenz der Landesamtsdirektoren hat am 20. September 2001 eine Arbeitsgruppe von GIS- und Vermessungsexperten der Länder beauftragt, ein Konzept für eine österreichweite Geodatenpolitik auszuarbeiten. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als primärer Ansprechpartner der Länder und größter Geodatenhalter des Bundes hat an der Konzepterarbeitung informell mitgewirkt.
Die Konferenz der Landeshauptmänner bestätigte am 16. Oktober 2002 die im Konzept erarbeiteten Ziele für eine österreichische Geodatenpolitik und lud den Bund, den Österreichischen Städtebund und den Gemeindebund zur gemeinsamen Umsetzung der dargelegten Maßnahmen ein.
Im März 2003 konstituierte sich unter interimistischer Leitung des Landes Tirol die „Plattform Geodatenpolitik“, welche die laufende Umsetzung der Geodatenpolitik auf gesamtstaatlicher Ebene begleiten soll. An den Sitzungen der Plattform und ihren eingesetzten Arbeitsgruppen nahmen Vertreter aus allen staatlichen Verwaltungsebenen teil. Die Anliegen der Geodatenpolitik wurden mit den Projekten im „E-Government-Masterplan“ abgestimmt.
Auf Veranlassung des Ministerrates hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit den Präsidenten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen mit der Koordination der Geodatenpolitik auf Bundesebene betraut und das von den Ländern vorgelegte „Konzept für eine Österreichische Geodatenpolitik“ als Grundlage weiterer Verhandlungen mit anderen Gebietskörperschaften anerkannt.
Am 21. Oktober 2003 beschloss die Stellvertreterkommission der Österreichischen Raumordnungskonferenz auf Antrag des Landes Tirol die „Plattform Geodatenpolitik“ als ständigen Unterausschuss einzurichten. Die Österreichische Raumordnungskonferenz bildet aufgrund ihrer Zusammensetzung, wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung und organisatorischen Möglichkeiten ein ideales Umfeld für die Übernahme der Aktivitäten der bestehenden „Plattform Geodatenpolitik“:

- Informationsaustausch zwischen den Gebietskörperschaften,

- Schaffung gemeinsamer Standpunkte und Vorhaben,

- Festlegung von Datenführungsmodellen, Standards, Nutzungsrechten und Weitergabebedingungen.

Dimensionen der Verfügbarkeit
Die Sicherstellung der umfassenden Verfügbarkeit von öffentlichen Geodaten wird als Hauptziel der Geodatenpolitik festgestellt. Dazu ist es notwendig, dass Bund, Länder und Gemeinden inhaltlich übereinstimmende Vereinbarungen treffen. Die Maßnahmen im Konzept gehen auf die dafür notwendigen Umsetzungsschritte näher ein.
Die Verfügbarstellung von öffentlichen Geodaten ist eine öffentliche Aufgabe, nur dadurch sind flächendeckende Bearbeitung, Rechtsgültigkeit und vergleichbare Qualität der Informationen nachhaltig sicherzustellen. Sofern keine besonderen Schutzgründe dagegen sprechen, dienen öffentliche Daten der allgemeinen, d. h. öffentlichen Information.
Die Verantwortlichkeiten für die Erzeugung, die Führung und Bereitstellung öffentlicher Geodaten sind eindeutig zu klären. Insbesondere ist es notwendig, sich in den einzelnen Materiengesetzen konkret mit diesen Erfordernissen auseinander zu setzen.
Die Datenführung für öffentliche Geodaten ist zu vereinheitlichen und verbindlich festzulegen. Die vereinbarten Inhalte und Strukturen sind von allen Gebietskörperschaften und beauftragten Datenverarbeitern anzuwenden.
Der Zugriff auf und die Nutzung von öffentlichen Geodaten sind allgemein und ohne besondere bürokratische und finanzielle Schranken zu regeln. Die Länder fordern zudem, dass der Datenaustausch zwischen Gebietskörperschaften kostenfrei sein soll.
Verfügbare Daten allein stellen noch keine Informationsvermittlung dar. Diese soll vermehrt durch öffentliche Geoinformation erfolgen, deren „Erstellung auf Abruf“ mittels elektronischer Dienste auf aktuellen Datensätzen verschiedener Vorhalter fußt.
Öffentliche Geodaten können Grundlage für weiterführende Bearbeitungen durch Wirtschaft und Wissenschaft sein. Dieses Potenzial ist konkret zu fördern.

Ausschau
Das Jahr eins nach der deutlichen Willenserklärung der Landeshauptmänner zur Österreichischen Geodatenpolitik diente vorrangig dem Aufbau organisatorischer Strukturen. Damit sind – im bildhaften Sinne gesprochen – die Schienen gelegt, auf denen nunmehr die Inhalte dieser Politik transportiert werden können.
Ein erster Schwerpunkt der gesamtstaatlichen Abstimmung wird die Klärung der derzeit aufgesplitterten Nutzungsrechte an öffentlichen Geodaten zum Inhalt haben. Jede Institution, ja vielfach einzelne Dienststellen behalten sich ihr Recht und ihre Bedingungen zur Datenweitergabe vor. Hier braucht es einen „Befreiungsschlag“, der die Bestrebungen auf EU-Ebene (z. B. Richtlinie über die Informationen des öffentlichen Sektors) aufgreift und gesamtstaatlich umsetzt.
In einem zweiten Schwerpunkt gilt es, den Rahmen für den Aufbau einer effizienten Infrastruktur für Geoinformationen einzurichten. Da steht die Knochenarbeit erst bevor! Metadatenkataloge, Harmonisierung, Standardisierung heißen die Schlagworte, wodurch die angestrebte Veredelung von vernetzt vorgehaltenen öffentlichen Daten zu zielgerichteten Informationen erst möglich wird.
Angesichts dieser gemeinsamen Herausforderungen sollte der Blick auf die jeweils eigenen Verantwortungsbereiche nicht getrübt sein: Die Erzeugung, Vorhaltung und Weitergabe rechtsverbindlicher und flächendeckender Geodaten wird in Verantwortung und Zuständigkeit der jeweiligen öffentlichen Einrichtungen bleiben. Erst auf dieser Grundlage kann die Mehrfachnutzung von Datenbeständen und Veredelung von Informationsprodukten durch die Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften und mit anderen Einrichtungen aufsetzen.
Geoinformation konnte in Österreich zu einem politischen Thema entwickelt werden. Dieser Umstand verpflichtet die Fachleute in der öffentlichen Verwaltung dazu, die Inhalte der Geodatenpolitik in sachlicher und kooperativer Weise tatsächlich umzusetzen.

Fehlende Grafiken finden Sie in der ÖGZ 2/04.

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