Steuerreform ohne Ausgleich? Attacke auf Lebensqualität und Arbeitsplätze in Städten und Gemeinden

Steuerreform ohne Ausgleich? Attacke auf Lebensqualität und Arbeitsplätze in Städten und Gemeinden

Die Städte und Gemeinden können sich eine Steuerreform dieses Ausmaßes nicht leisten,ist das Ergebnis einer ersten Bewertung der von der Bundesregierung am 9. Jänner bekannt gegebenen Daten über die voraussichtlichen Steuersenkungen. Das Volumen von 2,5 Mrd. Euro der Steuerreformetappe 2005 und 0,5 Mrd. Euro der bereits im Vorjahr beschlossenen Etappe 2004 gehen weit über die Maßnahmen früherer Jahre hinaus. Der bei den Gemeinden durch beide Etappen bedingte Ausfall beträgt im Jahr 2004 65 Mio. Euro und im Jahr 2005 rund 400 Mio. Euro. Gemessen an den Ertragsanteilen der Gemeinden sind das 1% im Jahr 2004 und 6,5% im Jahr 2005.

 

Bund „verschenkt“ Gemeindegeld
Durch die am 9. Jänner präsentierte Steuerreform sind die Gemeinden massiv betroffen. Die Reform erstreckt sich in erster Linie auf Einkommensteuer, Lohnsteuer und Körperschaftsteuer. An allen drei Abgaben sind die Städte und Gemeinden mit 13,168% beteiligt. Das bedeutet, dass sich eine Steuersenkung auch mit Mindereinnahmen in den Gemeindebudgets niederschlägt. Das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen, über die sich derzeit mangels genauerer Unterlagen von Seiten des Bundes nur – wenngleich ziemlich gute – Schätzungen vornehmen lassen, sieht so aus:
Danach entfallen auf die Gemeinden im Jahr 2004 aus der bereits am 1. Jänner 2004 wirksam gewordenen Steuerreform 2004 (32 Mio. Euro) und den vorgezogenen Maßnahmen der Steuerreform 2005 (33 Mio. Euro) Einnahmenverluste von 65 Mio. Euro. Im Jahr 2005 werden sich dann die Ausfälle der Steuerreform 2004 auf 66 Mio. Euro belaufen, die Ausfälle aus der Steuerreform 2005 auf etwa 335 Mio. Euro. In Summe ergeben sich damit für die Gemeinden Ausfälle bei den Ertragsanteilen von rund 400 Mio. Euro. Das sind im Jahr 2004 1% und im Jahr 2005 6,5% der den Gemeinden zufließenden Ertragsanteile.

Wie hoch sind die Ausfälle in einer bestimmten Gemeinde?
Jede Gemeinde hat die Möglichkeit, die sich aus der Steuerreform ergebenden Ausfälle größenordnungsmäßig selbst zu ermitteln. Der Einnahmenentgang ergibt sich dadurch, dass von den Ertragsanteilen 2003 1% für 2004 und 6,5% für 2005 zu veranschlagen sind. Diese Berechnung berücksichtigt allerdings noch nicht, dass die Steuerausfälle zum Teil nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Zuge des Jahresausgleichs bzw. der Veranlagung geltend gemacht werden. Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Vorschüsse auf die Ertragsanteile mit zweimonatiger Zeitverzögerung bei den Gemeinden eintreffen und dadurch auch die Wirksamkeit des Beginns der Steuerreform bei den Eingängen der Ertragsanteile – d. h., der Steuerausfall – erst zwei Monate später einsetzt.
Es ist aber anzunehmen, dass die Steuerpflichtigen für Zahlungen während des Jahres 2005 bereits Herabsetzungsanträge stellen werden und sich deshalb nur relativ wenig Verschiebungen ergeben werden. Nicht berücksichtigt ist dabei aber die Entwicklung der Konjunktur.

Verweigert Bund Finanzausgleichsmaßnahmen?
Gegenfinanzierung dringend erforderlich
Der Bundesminister für Finanzen hat im Dezember 2003 bei einer im Finanzministerium abgehaltenen Koordinierungsbesprechung zugesagt, dass nach Feststehen der Eckpunkte der Steuerreform noch im 1. Quartal 2004 Finanzausgleichsverhandlungen mit den betroffenen Gebietskörperschaften – Länder und Gemeinden – geführt werden. Medienberichten zu Folge werden jedoch seitens des Bundes derzeit Ausgleichsmaßnahmen abgelehnt.

Auswirkungen auf die Länder und indirekte Wirkungen auf die Gemeinden
Nicht unähnlich sind die Auswirkungen der Steuerreform auf die Länder. Ihr Anteil an der Einkommensteuer beträgt 14,941%. Sie haben 2004 66 Mio. und 2005 rund 450 Mio. Euro an Steuerentgängen zu tragen. Die prozentuelle Reduzierung der Ertragsanteile ist in den einzelnen Jahren gleich hoch wie bei den Gemeinden. Weiters kommt bei den Ländern noch hinzu, dass die derzeitige Regelung der Bedarfszuweisungen des Bundes an die Länder (insbesondere Wohnbauförderung) auf die beabsichtigte Steuersenkung sehr stark reagiert und die Länder einen Ausfall von 207 Mio., in Summe somit 657 Mio. Euro zu erwarten haben.
Für die Kommunalbudgets bedeutet dies, dass die Bedarfszuweisungen von den Ländern im gleichen Ausmaß wie die Ertragsanteile sinken und die Länder darüber hinaus wesentlich weniger Wohnbauförderungsmittel zur Verfügung haben. Da ein Teil der Länder die frei verfügbaren Wohnbauförderungsmittel für budgetäre Zwecke verwendet, wird der Druck zur Weitergabe von Lasten an die Gemeinden steigen bzw. die Möglichkeit, Entlastungsmaßnahmen zugunsten der Gemeinden zu treffen, weiter sinken.

Bund erspart sich Wohnbauförderungsmittel
Durch die Ersparnis bei den Bedarfszuweisungen (Wohnbauförderungsmittel) sinkt die Belastung des Bundes von 1.977 auf 1.770 Mio. Euro. Das bedeutet, dass von den im Jahr 2005 zu erwartenden Gesamtkosten der beiden Steuerreformetappen von 2.828 Mio. Euro der Bund nur 62,6% tragen würde, obwohl er einen Anteil am Ertrag der Einkommensteuern von 72% hat.

Keine Zusage des Städtebundes zur Mitfinanzierung der Steuerreform
Bei der im Dezember 2003 im Finanzministerium abgehaltenen Koordinierungsbesprechung wurde seitens des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes klargestellt, dass es keine Zusage der beiden Bünde zur Mitfinanzierung an den Kosten der Steuerreform gibt. Umso überraschender ist, dass der Bund dennoch von einer Mitfinanzierung ausgeht.

Handlungsmöglichkeiten für Städte und Gemeinden
Die den einzelnen Städten und Gemeinden zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten sind sehr beschränkt. Auf der einen Seite sind sie im Bereich der Gebühren durch das Kostendeckungsprinzip bzw. durch die Zielsetzung, soziale Dienste auch zu Sozialtarifen anzubieten, gebunden. Mindereinnahmen können auch nicht durch Bedarfszuweisungen ausgeglichen werden, da diese selbst rückläufig sind. Über die Rückzahlung von Verbindlichkeiten hinausgehende Schuldaufnahmen sind – zumindest nach dem derzeit geltenden Stabilitätspakt, der allerdings 2004 ausläuft – nicht möglich. Es bleibt somit – wenn seitens der Städte und Gemeinden keine wesentlichen Leistungseinschränkungen vorgenommen werden – nur die Option eines allfälligen Vermögensverkaufs mit allen damit verbundenen fragwürdigen Aspekten. Als Hauptoption verbleibt die weitere Reduzierung der Investitionen. Sie sind allerdings seit Mitte der 90er Jahre bereits von 1,4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf rund 1% gesunken. Die derzeit rund 2 Mrd. Euro ausmachenden kommunalen Investitionen werden derzeit nur mehr zu rund einem Drittel durch eigene Mittel, der Rest durch Dritte finanziert. Ein Einnahmenausfall von rund 400 Mio. Euro würde die zur Verfügung stehende freie Finanzspitze dramatisch vermindern, was sich notgedrungenermaßen in einem weiteren Rückgang der Investitionen auswirken müsste.

Selbstfinanzierung der Steuerreform?
Von Experten wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Steuerreform zusätzliches Wachstum auslöst, wodurch auch neue Arbeitsplätze geschaffen bzw. bestehende erhalten werden können. Dieser Effekt wird derzeit mit 0,35% zusätzlichem Wachstum und 12.000 Arbeitsplätzen angegeben. Ein Wachstumseffekt von 0,35% macht ein um rund 800 Mio. Euro erhöhtes Bruttoinlandsprodukt aus. Da die Steuerquote etwa 25% beträgt, ist mit einem Mehrertrag an Abgaben von 200 Mio. Euro zu rechnen. Von diesen entfällt auf die Gemeinden zwischen 11% (Umsatzsteuer) und 13% (Einkommensteuer). Insgesamt ergibt sich somit für die Gemeinden ein zusätzlicher Einnahmeneffekt von nicht einmal 30 Mio. Euro oder keine 10% dessen, was sie durch die Steuerreform verlieren.

Mittelfristige Finanzplanung ist Makulatur
Die Gemeinden sind laut Stabilitätspakt zur mittelfristigen Finanzplanung verpflichtet. Bei einem Einnahmenentfall dieser Größenordnung sind diese Pläne als Makulatur zu betrachten.

Verlust von 6.000 Arbeitsplätzen
Auch die Arbeitsplatzbilanz muss hinterfragt werden. Nach einer von der Technischen Universität durchgeführten Studie können im Kommunalbereich nämlich mit Investitionen von 1 Mio. Euro 20 Arbeitsplätze geschaffen werden. Selbst wenn die Gemeinden ihre Investitionen nicht um 400, sondern nur um 300 Mio. Euro reduzieren, bedeutet dies den Verlust von 6.000 Arbeitsplätzen. Auch aus diesem Grund wäre es notwendig, dass der Bund für die Gemeinden Sonderlösungen trifft. Das Hoffen auf einen Konjunkturaufschwung ist zu wenig!

Fehlende Tabellen finden Sie in der ÖGZ 2/04.

OEGZ

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