Atempause für Gemeindefinanzen Die Rechnungsabschlüsse 20021 präsentieren sich überraschend gut

Atempause für Gemeindefinanzen Die Rechnungsabschlüsse 20021 präsentieren sich überraschend gut

Die österreichischen Gemeinden (ohne Wien) nahmen 2002 14,8 Milliarden Euro (+4,9%) ein und gaben 14,6 Milliarden Euro (+5,6%) aus. Die kommunalen Finanzschulden stiegen im Berichtsjahr auf 10,1 Milliarden Euro (+1,6%), der Verschuldungsgrad der Gemeinden ging zum zweiten Mal in Folge zurück und sank auf 68,2%. Das Maastricht-Ergebnis betrug +212 Millionen Euro, die Investitionen stiegen erstmals seit Jahren, und zwar um 11,2%.

 

Erstmals seit 1997 investierten die Gemeinden mehr als im Vorjahr. Für Investitionen und Investitionsförderungen wurden 2002 3,1 Mrd. E ausgegeben, um 11,2% mehr als 2001. Die Investitionsquote stieg auf 20,9%. Der langfristige Vergleich zeigt, dass trotz des Anstieges das nominelle Investitionsvolumen des Jahres 2002 dennoch um 2,4% unter dem des Jahres 1995, dem Jahr mit den bisher höchsten Investitionen, liegt.
Mit einem „Maastricht-Überschuss“ in Höhe von 212 Mio. E (+0,10% des BIP) trugen die Gemeinden auch 2002 wesentlich zum niedrigen gesamtstaatlichen Defizit von 0,16% bei.

Abermals starke Anstiege bei Einnahmen und Ausgaben
Die (ordentlichen und außerordentlichen) Einnahmen der österreichischen Gemeinden betrugen 2002 14,8 Mrd. E, ihnen standen (ordentliche und außerordentliche) Ausgaben in Höhe von 14,6 Mrd. E gegenüber. Im Vergleich zu 2001 sind die Einnahmen um 693 Mio. E (+4,9%) und die Ausgaben um 494 Mio. E (+5,6%) gestiegen. In diesem Ergebnis spiegelt sich die Auslaufphase der „Anspruchsverzinsung“ wider.
Von den Gesamtausgaben der Gemeinden entfielen 2002 3,05 Mrd. E (+308,2 Mio. E; +11,2%) auf kommunale Investitionen und Investitionsförderungen. Die Investitionsquote (prozentueller Anteil der Investitionen an den Ausgaben) stieg im Berichtsjahr zum ersten Mal seit 1997 und durchstieß von unten die magische 20-Prozent-Marke. Trotz dieser relativ erfreulichen Entwicklung soll daran erinnert werden, dass die Investitionsquote in der ersten Hälfte der 90er Jahre jeweils deutlich über der 25-Prozent-Marke gelegen war.
Der Personalaufwand für aktive Mitarbeiter und Pensionisten machte 2002 2,72 Mrd. E aus, das sind 23,1 Mio. E oder 0,9% mehr als im Jahr 2001.
Die Gemeinden nahmen 2002 Kredite in Höhe von 990 Mio. E auf, um rund 94 Mio. E mehr als im Jahr zuvor. Die aufgenommenen Kredite entsprachen 6,7% der Einnahmen (2001: 6,3%). Die Finanzschulden betrugen zum Ende des Berichtsjahres 10,1 Mrd. E, das sind 157 Mio. E oder 1,6% mehr als 2001. Der Verschuldungsgrad entsprach rechnerisch 68,2% der Einnahmen, er ist gegenüber dem Vorjahr um 2,2% gesunken.

Wie erwartet – schwache Zunahme der Ertragsanteile
Die Gemeindeeinnahmen erfuhren 2001 eine vom Finanzminister ungewollte Förderung, weil Teile der 2001 zur Budgetsanierung erhöhten Steuern über den Finanzausgleich den Gemeinden in Form von Ertragsanteilen zuflossen und wesentlich zum höchsten Einnahmenzuwachs (+573 Mio. E oder +4,2%) seit 1995 beitrugen. Da die Mehreinnahmen zum Teil durch Vorzieheffekte bewirkt wurden, waren für 2002 Einnahmenausfälle programmiert. Tatsächlich betrugen dann die Gemeindeeinnahmen (ohne Wien) aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben 4,07 Mrd. E, was gegenüber 2001 einen nur mäßigen Zuwachs um 2,0% oder um 78 Mio. E bedeutete. Die Zunahme war die geringste seit 1995, damals waren die Ertragsanteile gegenüber dem Vorjahr sogar gesunken.
Die Gemeindeabgaben betrugen 2,2 Mrd. E (+32 Mio. E; +1,5%). Zu den Gemeindeabgaben trug die Kommunalsteuer mit 61% oder 1,33 Mrd. E (+54,3 Mio. E; +4,3%) den mit Abstand größten Teil bei. Die Kommunalsteuer gewann in den letzten Jahren stark an Bedeutung, seit 1997 stieg ihr Anteil an den Gemeindeabgaben jährlich um rund zwei Prozentpunkte. Nach der Kommunalsteuer erbrachten die Grundsteuer B (376 Mio. E; +1,9%) und die Interessentenbeiträge (235 Mio. E; –4,6%) die höchsten Beiträge zu den Gemeindeabgaben.
Die Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen erbrachten 2002 1,23 Mrd. E, um 31,2 Mio. E oder 2,6% mehr als 2001.
Ein langfristiger Vergleich der Einnahmekategorien zeigt, dass in den Jahren von 1993 bis 2002 die Gemeindegebühren mit 59,3% und die Ertragsanteile mit 41,8% ein recht dynamisches Wachstum aufwiesen, die Gemeindeabgaben mit einer Zunahme von nur 9,7% hingegen deutlich an Bedeutung verloren. Darin spiegelt sich allerdings auch der Verlust der Getränkesteuer und etwa der Hälfte der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe wider.
Die geringe Dynamik der Gemeindeabgaben hat in den letzten zehn Jahren eine Umstrukturierung der (ordentlichen) Gemeindeeinnahmen gebracht. Die Gemeindeabgaben steuerten 1993 noch 17,7% zu den ordentlichen Einnahmen bei, 2002 hingegen nur mehr 14,8%. Der Beitrag der Gebühren stieg im gleichen Zeitraum von 6,9 auf 8,3%, der der gemeinschaftlichen Bundesabgaben von 25,4 auf 27,5%. Die „übrigen“ ordentlichen Einnahmen trugen 1993 25,3%, 2002 hingegen 27,3% zum ordentlichen Haushalt bei. Es ist anzumerken, dass die Gewichte der Einnahmekategorien im Verlauf des letzten Dezenniums stark schwankten.

Ausgaben und Ausgabenentwicklung
Die österreichischen Gemeinden gaben 2002 in den ordentlichen und außerordentlichen Haushalten insgesamt 14,6 Mrd. E aus, um 776 Mio. E oder 5,6% mehr als 2001. Die Ausgabensteigerung ist die höchste seit Mitte der 90er Jahre.

Die Ausgabenarten
Auf die wichtigsten Ausgabenpositionen verteilten sich die Gesamtausgaben wie folgt: Auf den Personalaufwand (für Aktive und Pensionisten) entfielen 2002 18,7% der Ausgaben, das waren 2,72 Mrd. E, um 23 Mio. E oder 0,9% mehr als 2001. Für Investitionen und Investitionsförderungen (20,9% aller Ausgaben) wandten die Gemeinden 3,05 Mrd. E (+308 Mio. E; +11,2%) auf. 1,14 Mrd. E (7,8% aller Ausgaben) mussten zur Bedienung der Finanzschulden aufgewendet werden, das sind 85 Mio. E oder 8,1% mehr als 2001. Auf die „übrigen Ausgaben“ entfielen 7,77 Mrd. E, um 360 Mio. E oder 4,9% mehr als 2001.

Starker Anstieg der Investitionen
Die österreichischen Gemeinden gaben 2002 für Investitionen und Investitionsförderungen 3,05 Mrd. E aus, das sind 308,2 Mio. E oder 11,1% mehr als 2001. Die Investitionsquote der Gemeinden (Ausgaben für Gemeindeinvestitionen und Investitionsförderungen in Prozent der Gesamtausgaben) stieg auf 20,9% und durchstieß so die magische 20-Prozent-Marke. Dennoch sei daran erinnert, dass in der ersten Hälfte der 90er Jahre noch weit mehr als 25% der Ausgaben in Investitionen und Investitionsförderungen flossen.
Bemerkenswert ist eine Betrachtung kommunaler Investitionsausgaben der letzten Jahre: 1995 tätigten die Gemeinden mit 3,13 Mrd. E die höchsten Ausgaben aller Zeiten. Der Investitionsaufwand des Jahres 2001 (2,74 Mrd. E) stellt hingegen den niedrigsten Wert seit 1993 (2,80 Mrd. E) dar. Die Zunahme der Investitionen im Jahr 2002 auf 3,05 Mrd. E stellt den ersten Investitionsanstieg seit vier Jahren dar, der mit 11,2% noch dazu auffallend hoch ausfiel.

Bildung von Bruttosachvermögen
Ein großer Teil der Gemeindeausgaben wird zur Schaffung von kommunalem „Sachvermögen“ verwendet. Die so genannte Bruttosachvermögensbildung umfasst die Bruttoinvestitionen (in bewegliche und unbewegliche Güter), den Erwerb von Liegenschaften, Wertpapieren und Beteiligungen sowie den Erwerb aktivierungsfähiger Rechte. 2002 schufen die Gemeinden Sachvermögen in Höhe von 2,34 Mrd. E, das sind 201,6 Mio. E (+9,4%) mehr als 2001.
Die verstärkte Sachvermögensbildung betraf die einzelnen Teilbereiche in wenig unterschiedlichem Umfang: Hoch- und Tiefbauinvestitionen (2002: 1,91 Mrd. E) nahmen um 8,8%, Investitionen in bewegliche Güter (231 Mio. E) um 6,9% und der Erwerb von Liegenschaften (198 Mio. E) um 18,7% zu. Lediglich der Erwerb von Wertpapieren und Beteiligungen (98 Mio. E) nahm volumensmäßig um 12,0% ab.
Der Begriff der Bruttosachvermögensbildung umfasst sowohl die Neubildung (Nettoinvestition) als auch die Ersatzinvestitionen ins Sachvermögen, die Gebarungsübersichten lassen eine zahlenmäßige Differenzierung nicht zu. Der fünfmalige, mitunter gravierende Rückgang der Bruttosachvermögensbildung in den Jahren von 1995 bis 2001 lässt den Schluss zu, dass das kommunale Sachvermögen in den letzten Jahren abgenommen hat.

Kommunale und volkswirtschaftliche Investitionen
Zu interessanten Ergebnissen führt ein Langfristvergleich zwischen der Entwicklung der kommunalen Investitionstätigkeit, des Bruttoinlandsprodukts und des gesamtösterreichischen Investitionsvolumens im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung:
Im Berichtsjahr 2002 entsprach das Investitionsvolumen der Gemeinden 4,38% der österreichischen Bruttoinvestitionen und 0,98% des Bruttoinlandsprodukts. Beide Kennzahlen hatten 2001 mit 3,99% und 0,93% „Allzeit-Tiefstände“ erreicht. 2002 brachten der abermalige Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Investitionsvolumens und der Anstieg der Gemeindeinvestitionen eine Trendumkehr, beide Kennzahlen stiegen erstmals nach 1997 wieder an.

Starker Anstieg der Investitionsförderungen
Die Aus- und Umgliederungen von Betrieben haben in den kommunalen Haushalten zur Zunahme der Investitionsförderungen in Form von Darlehen und Zuschüssen geführt. Das Förderungsvolumen nahm im Jahr 2002 um 24,5% zu, nachdem bereits 2000 (+18,7%) und 2001 (+22,4%) auffallend hohe Anstiege festgestellt wurden (Grafik 2).

Höhere Finanzschulden, aber Rückgang der Verschuldung
Die österreichischen Gemeinden haben in der zweiten Hälfte der 80er Jahre und am Beginn der 90er Jahre mit massiven Sparprogrammen ihre Verschuldung von 77% im Jahr 1982 auf 56% im Jahr 1992 zurück geführt. In den folgenden Jahren stieg die Verschuldung wieder an und erreichte schließlich 2000 mit 70,9% einen neuen Rekordwert. Die – überwiegend auf die Budgetsanierung der Bundesregierung zurückzuführenden – hohen Einnahmenzuwächse des Jahres 2001 ließen die Verschuldung auf 70,4% sinken. Trotzdem stieg der Schuldenstand auf 9,9 Mrd. E. 2002 stieg der Schuldenstand noch einmal auf 10,1 Mrd. E, der Verschuldungsgrad ging hingegen auf 68,2% zurück (Grafik 3).
Der Aufwand für Finanzschulden (Tilgungen und Zinsendienst) belastete im Jahr 2002 die Gemeindebudgets mit 1,14 Mrd. E und band so 7,7% der Einnahmen. Vom gesamten Schuldendienst entfielen 803 Mio. E auf Tilgungen und 339 Mio. E auf Zinszahlungen.
Die österreichischen Gemeinden nahmen im Jahr 2002 Kredite in Höhe von 990 Mio. E auf, um 93,5 Mio. E oder 10,4% mehr als 2001. Die Neuverschuldung als Differenz zwischen Tilgungen und Schuldaufnahmen betrug 186 Mio. E und lag rund 17% unter dem Vorjahreswert.

Sinkende Überschüsse
„Maastricht“: Gemeinden erwirtschafteten Überschuss
Die Budgetäre Notifikation ergab zum 29. 8. 2003 für das Berichtsjahr 2002 im „Maastricht“-Ergebnis einen kommunalen Finanzierungsüberschuss von 212 Mio. E oder von 0,10% des Bruttoinlandsprodukts. Für 2003 – endgültige Daten fehlen naturgemäß noch – wird mit einem Maastricht-Defizit der Gemeinden im Ausmaß von 89 Mio. E oder 0,04% des BIP gerechnet. Auch 2004 und 2005 ist mit Defiziten zu rechnen, die Gemeinden verlieren durch die Steuerreform heuer 65 Mio. E und ab 2005 jährlich rund 400 Mio. E an Ertragsanteilen. Es ist davon auszugehen, dass die österreichischen Gemeinden im Zuge der Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich die ihnen aus der Steuerreform entstehenden Verluste beim Finanzminister einmahnen werden.

Überschuss der primären Gebarung
In der primären Gemeindegebarung (Gesamtgebarung ohne Schuldenaufnahmen und -tilgungen) übertreffen ebenso wie 2001 die Einnahmen die Ausgaben. Der „primäre Überschuss“ betrug 39 Mio. E, lag aber deutlich unter dem Ergebnis des Vorjahres (84 Mio. E). Es soll daran erinnert werden, dass in den Jahren vor 2001 regelmäßig Primärdefizite in der Größenordnung zwischen 23 Mio. E (1997) und 268,9 Mio. E (1995) eingefahren worden waren. Die Erzielung primärer Einnahmenüberschüsse gilt als unabdingbare Bedingung für die Reduktion der Schuldenstände.
Eine weitere Kennzahl zur Beschreibung der Budgetsalden, die so genannte „freie Finanzspitze“, kann zur Zeit auf Grund der abermaligen Datenumstellung in der Statistik Austria nicht ermittelt werden.

Fehlende Grafiken finden Sie in der ÖGZ 3/04.

Fußnote:
1 Der vorliegende Beitrag beruht auf den Datenbeständen der Datenbank ISIS der Statistik Austria. Die Gebarungsübersichten 2002, die zusätzliche Informationen beinhalten, liegen zur Zeit noch nicht vor, so dass im Rahmen des vorliegenden Artikels auf die Ermittlung diverser Kennzahlen verzichtet werden muss.

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