Tiroler Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2004

Tiroler Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2004

Am 7. März 2004 fanden in allen Tiroler Gemeinden mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Nach der IMAD-Studie vom Jänner 2004 (s. Abb. S. 20) haben für 53% der Bevölkerung Gemeinderatswahlen die größte Bedeutung, gefolgt von Landtagswahlen mit 45%. Erst mit großem Abstand folgen Bundespräsidentenwahl (15%) und EU- bzw. Europa-Wahlen (13%). Lediglich den Nationalratswahlen (60%) wird größere Bedeutung als Gemeinderatswahlen beigemessen. Im Folgenden sollen die Grundzüge des Tiroler Gemeindewahlrechts sowie die Ergebnisse der Gemeinderatswahl 2004 zusammengefasst dargestellt werden.

 

Die Tiroler Gemeindewahlordnung (TGWO) in Grundzügen
Am 7. März 2004 wurden in 278 der 279 Gemeinden Tirols die Gemeinderäte (GR) sowie die Bürgermeister für die Dauer von sechs Jahren gewählt. Für diese in 278 der 279 Tiroler Gemeinden stattfindenden Wahlen gelten die Bestimmungen der Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 (TGWO). Lediglich für die Landeshauptstadt Innsbruck wird jeweils ein separater Wahltermin festgelegt, für diese Wahl gilt die Innsbrucker Wahlordnung.
Nach den Bestimmungen der TGWO werden die Mitglieder des Gemeinderats und (seit 1994 auch) der Bürgermeister direkt gewählt; die Vizebürgermeister sowie die restlichen Mitglieder des Gemeindevorstandes werden hingegen vom neu gewählten Gemeinderat anlässlich seiner ersten Sitzung gewählt.
Die Anzahl der in jeder Gemeinde zu vergebenden Mandate richtet sich nach der Einwohnerzahl. Die Mindestanzahl an Gemeinderäten beträgt neun (in Orten bis zu 200 Einwohnern).
Die Durchführung der Wahlhandlungen und die Feststellung des Wahlergebnisses in jeder Gemeinde obliegt den Sprengelwahlbehörden bzw. Sonderwahlbehörden sowie den Gemeindewahlbehörden. Über Berufungen bzw. Einsprüche gegen Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde entscheidet die Bezirkswahlbehörde. Den Vorsitz in den Gemeinde- bzw. den Sprengelwahlbehörden führt der Bürgermeister oder ein von ihm Bestellter. Die Beisitzer werden von den Parteien nach Maßgabe ihrer verhältnismäßigen Stärke im jeweiligen Gemeinderat entsandt.
Die wahlwerbenden Gruppen (die TGWO spricht hier von „Wählergruppen“) haben ihren Wahlvorschlag spätestens am 23. Tag vor dem Wahltag schriftlich bei der Gemeindewahlbehörde einzubringen. Die Bezeichnungen müssen die Wählergruppen voneinander unterscheiden. Der Wahlvorschlag muss von der Anzahl Wahlberechtigter, die zumindest 1% der Anzahl der Einwohner (nicht nur der Wahlberechtigten!) der jeweiligen Gemeinde entspricht, unterstützt wer-den.
Einen – gleichzeitig einzubringenden – Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters darf nur eine wahlwerbende Gruppe einbringen, die auch einen Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates einbringt.
Durch die jüngste TGWO-Novelle vom 26. März 2003 wurde zum einen die bis dahin geltende Wahlpflicht aufgehoben, zum anderen der Kreis der Wahlberechtigten etwas erweitert: Musste bis dahin das 18. (bzw. 19.) Lebensjahr vor dem 1. Jänner des Jahres, in dem die Wahl stattfand, vollendet worden sein, so war bei dieser Gemeinderatswahl aktiv (bzw. passiv) wahlberechtigt, wer am Wahltag, da dieser gleichzeitig als Stichtag festgelegt worden war, diese Altersgrenzen erreicht hatte.
Grundsätzlich ist also jeder Unionsbürger, der die genannte Altersgrenze erreicht und seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde hat, wahlberechtigt, es sei denn, er hält sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde auf und sein Aufenthalt ist offensichtlich nur vorübergehend. Ausgeschlossen vom (aktiven und passiven) Wahlrecht ist weiters, wer für eine vorsätzlich begangene strafbare Handlung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Während auch nicht österreichische Unionsbürger zu Mitgliedern des Gemeinderates gewählt werden können, müssen der Bürgermeister, der/die Vizebürgermeister und die weiteren Mitglieder des Gemeindevorstandes die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Weiters darf der Bürgermeister nicht Mitglied der Landesregierung oder in den letzten sechs Jahren vor dem Wahltag seines Amtes als Gemeindevorstand verlustig erklärt worden sein.
Jede der wahlwerbenden Gruppen hat die Möglichkeit, für die Wahl des Gemeinderates bis zum 16. Tag vor dem Wahltag mit einer oder mehreren Listen zu koppeln. Durch solche Koppelungen steigt insbesondere die Chance, auf Grund von Reststimmen Restmandate zu erhalten. Ein etwaiges Restmandat bekommt dann die größere der beiden gekoppelten Listen.

Stimmabgabe
Jeder der Wahlberechtigten hat zwei Stimmen zu vergeben: Gewählt werden auf getrennten Stimmzetteln die Gemeinderäte und 278 Bürgermeister. Es handelt sich dabei um gesplittete Stimmen, d. h. man kann z. B. einen Bürgermeister der ÖVP wählen, aber dennoch eine rote, blaue oder grüne Liste ankreuzen. Ist einer der beiden Stimmzettel ungültig, bleibt der zweite trotzdem im Rennen.
Die Stimmabgabe hat vor der Gemeindewahlbehörde (wo solche eingerichtet sind, vor der Sprengelwahlbehörde) zu erfolgen; die Stimmabgabe in einer anderen Gemeinde als der, in deren Wählerverzeichnis der Wähler eingetragen ist, ist nicht möglich. Ebenso ist nach wie vor eine Briefwahl nicht vorgesehen. Dem Wahlberechtigten werden je ein Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates und einer für die Wahl des Bürgermeisters ausgehändigt. Auf dem Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates können innerhalb der gewählten wahlwerbenden Gruppe bis zu zwei Vorzugsstimmen vergeben werden.

Verteilung der Gemeinderatsmandate
- Die Verteilung der Mandate unter den wahlwerbenden Gruppen erfolgt nach dem d’Hondt’schen System (Anzahl der für die Wählergruppe abgegebenen gültigen Stimmen, darunter die Hälfte, ein Drittel, ein Viertel etc.; die Stimmenanzahl, die dem letzten zu vergebenden Mandat entspricht, ist die Wahlzahl).

- Innerhalb der wahlwerbenden Gruppe sind die Mandate wie folgt zu verteilen:
. Der direkt gewählte Bürgermeister erhält jedenfalls ein Mandat im Gemeinderat.

. Auf den Wahlwerberlisten an erster, zweiter, dritter … Stelle Gereihte, sofern sie mindestens die Anzahl an Vorzugsstimmen erreicht haben, die der Wahlzahl entspricht.

. Weitere Bewerber, die mindestens die Anzahl an Vorzugsstimmen erreicht haben, die der Wahlzahl entspricht.

. Auf den Wahlwerberlisten Genannte, die die oben genannte Anzahl an Vorzugsstimmen nicht erfüllt haben.

In Kleinstgemeinden reichen bereits vier Stimmen aus, um ein Mandat im Gemeinderat zu erobern.

- Die Bürgermeister-Direktwahl entscheidet für sich, wer

1. die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinen kann und

2. dessen Wählergruppe mindestens ein Mandat im Gemeinderat erringt.

Zu 1.: Wird die absolute Mehrheit von keinem der Kandidaten erreicht, so hat eine engere Wahl des Bürgermeisters zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen stattzufinden; kommt es bei der engeren Wahl zur Stimmengleichheit, so entscheidet die Anzahl der für die jeweilige wahlwerbende Gruppe abgegebenen gültigen Stimmen, ist diese gleich hoch, so entscheidet das Los.
Zu 2.: Erreicht keine der Wählergruppen der Bürgermeisterkandidaten ein Mandat im Gemeinderat, so wählt der neue Gemeinderat den Bürgermeister in seiner konstituierenden Sitzung.

Die Ausgangssituation vor dem 7. März 2004
Auf Grund der Gemeinderatswahl 1998 (Wahlbeteiligung: 86,77%) waren insgesamt 863 Gemeinderatsmandate zu vergeben.
Diese verteilten sich auf die politischen Parteien wie folgt:
Aus der dritten Spalte ist ersichtlich, dass die in den einzelnen Bezirken erreichten Ergebnisse um bis zu 20 Prozentpunkte auseinander klafften.
Auf Grund der Bürgermeisterwahl 1998 (eine engere Wahl des Bürgermeisters fand in 26 der 278 Gemeinden statt – das entspricht 9,38%) stellte die ÖVP 242 Bürgermeister, die SPÖ 25, FPÖ keinen, als unabhängig galten 11 Dorfchefs.

Die Wahlvorbereitung
Waren 1998 insgesamt 382.863 Personen wahlberechtigt gewesen, so stieg diese Zahl am 7. März 2004 auf 406.981. Dies dürfte zum Teil auf die oben genannte (geringfügige) Erweiterung des Kreises der Wahlberechtigten durch die TGWO-Novelle 2003 zurückzuführen sein (waren 51,5%).
Für die Gemeinderatswahl am 7. März 2004 haben sich insgesamt 2.900 nicht-österreichische EU-Bürger in die Wählerlisten eintragen lassen. Von der Möglichkeit, auch als nicht österreichischer Unionsbürger zum Gemeinderat zu kandidieren, machten 80 Personen Gebrauch.
Am Wahltag wurden tirolweit 3.676 Mandate vergeben. Um diese Mandate bewarben sich 19.981 Kandidaten (jeder 20. erwachsene Tiroler), darunter nur knapp 250 Frauen auf aussichtsreichen Plätzen.
Für die Wahl zum Gemeinderat wurden im ganzen Land 969 Listen eingereicht. Während die ÖVP in allen 278 Gemeinden mit zumindest einer Liste antrat, überließen SPÖ (trat in 137 Gemeinden an), FPÖ (in 65) und Grüne (in 50) das Gros der Gemeinden kampflos.
Das Erfordernis der TGWO, die Listen in unterscheidender Weise zu bezeichnen, führte zu Listennamen wie etwa „Aufwind“, „Giovannis Bürgerliste“, „Gleiches Recht für alle“, „Wirtschafta“ oder „Mia in Stanz“ ebenso wie zu sprechenden Abkürzungen wie „EVA – Engagiert-Vertrauensvoll-Aktiv“, „WAU – Wirtschaft-Arbeit-Umwelt“ oder „GEMMA – Gemeinsam Miteinander Aktiv“.
Von der Möglichkeit zu koppeln (diese Möglichkeit besteht naturgemäß nur bei der Gemeinderats-, nicht aber bei der Bürgermeisterwahl) machten Listen aller Couleurs Gebrauch. Während die ÖVP beim Koppeln zu 100% unter sich blieb, koppelte in mehreren Gemeinden Rot mit Grün ebenso wie Rot mit Blau.
Für das Amt des Bürgermeisters kandidierten insgesamt 551 Personen, darunter (nur) 22 Frauen. Von den im Jahre 1998 gewählten Bürgermeistern traten 57 (oder 20,5%) am 7. März 2004 nicht mehr an.
In 110 Tiroler Gemeinden (das entspricht fast 40%) stand der neue Bürgermeister mangels Gegenkandidat bereits vor dem Wahltag fest (auch wenn es im überwiegenden Teil dieser Gemeinden sehr wohl mehrere Listen für die Gemeinderatswahlen gab).

Ergebnisse vom 7. März 2004
Trotz Entfalls der Wahlpflicht und ungeachtet des hohen Prozentsatzes bereits vor dem Wahltag feststehender Bürgermeister machten am Wahltag 406.981 Personen (75,15%) von ihrem Stimmrecht Gebrauch (zur Landtagswahl im Vorjahr waren nur 60% der Wahlberechtigten gegangen). Auch der Prozentsatz der ungültigen Stimmen war gering (4,05% bei der Gemeinderatswahl, 9,15% bei der Bürgermeisterwahl).
Aber auch abseits der Wahlzelle war das politische Interesse an den Gemeinderatswahlen groß: Auf die entsprechende Internetseite des Landes wurde am Wahlsonntag 294.000 Mal zugegriffen, auf den Online-Dienst der Tiroler Tageszeitung 263.208 Mal.
Zwischen den mandatsstärksten Parteien ÖVP und SPÖ fand im Wesentlichen ein Nullsummenspiel statt, gleich viele bisher schwarze Gemeinden wurden rot wie bisher rote schwarz (um diese Aussage endgültig verifizieren zu können, müsste aber die engere Wahl des Bürgermeisters am 21. März abgewartet werden). Demgegenüber büßte die FPÖ am Wahltag die Hälfte ihrer Gemeinderatssitze ein, die Grünen konnten ihre Mandate verdoppeln. Die unabhängigen Listen blieben insgesamt in etwa gleich stark.
Die ÖVP hält nunmehr 2.655 Gemeinderatsmandate (1998: 2.540), die SPÖ 510 (1998: 428), die FPÖ 86 (1998: 200), die Grünen 54 (1998: 26) und die unabhängigen Listen 371 (1998: 385).
Während die ÖVP mit 578 Listen in allen 278 Gemeinden (statistisch gesehen mit zwei Listen in jeder Gemeinde) vertreten ist, bewarb sich die SPÖ wie oben erwähnt nur in einem Teil der Gemeinden. Die SPÖ war aber in sämtlichen dieser 137 Gemeinden erfolgreich, was auf ein gutes Gespür für Hoffnungsgebiete schließen lässt. Die FPÖ ist in 43 Gemeinden vertreten, die Grünen in 32.
In 24 Gemeinden verfügt die Liste des direkt gewählten Bürgermeisters nicht über die Mehrheit im Gemeinderat (in zwei Orten steht es sogar 4 : 9 gegen die Bürgermeisterliste).

Engere Wahl des Bürgermeisters
Die engere Wahl des Bürgermeisters wird am 21. März 2004 in 22 Gemeinden zwischen zwei ÖVP-Kandidaten stattfinden. Mit Spannung erwartet Tirol hingegen die Ergebnisse in den Bezirkshauptstädten Kitzbühel (Unabhängig gegen Rot), Lienz (Rot gegen Schwarz) und Reutte (Rot gegen Schwarz).
Unter Einrechnung der oben genannten schwarz-schwarzen Bürgermeisterduelle am 21. März stellt die ÖVP für die kommenden sechs Jahre 234 Bürgermeister, die SPÖ 22, die Freiheitlichen einen; elf Bürgermeister gelten als unabhängig,
In den Tiroler Gemeinden außerhalb von Innsbruck gibt es seit der Stichwahl am 21. März eine Bürgermeisterin.

„Wahlsplitter“
Mit 49,1% verfehlte in Lienz der regierende Bürgermeister mit denkbar geringem Abstand die absolute Mehrheit.
Wie die Feststellung des Ergebnisses drastisch beschleunigt werden kann, zeigt das Eintreffen des ersten Wahlergebnisses aus der Gemeinde Hinterhornbach kurz nach 11.30 Uhr, wo bei einer 96%igen Wahlbeteiligung 100% der abgegebenen gültigen Stimmen für die ÖVP und den einzigen Bürgermeisterkandidaten abgegeben wurden.

Reaktionen und Stellungnahmen
Sehr zufrieden fielen die Reaktionen der Parteichefs von ÖVP, SPÖ und Grünen aus, Enttäuschung gab es bei der FPÖ.
ÖVP-Parteichef Herwig van Staa zeigte sich überrascht von der hohen Wahlbeteiligung, da in vielen Gemeinden nur ein Bürgermeisterkandidat angetreten war. Die Kommunalpolitik werde weiterhin von der ÖVP dominiert, bei den Bürgermeistern sei sie nach wie vor Spitzenreiter. Das bestätige die kommunalpolitische Erfahrung der ÖVP.
SPÖ-Parteichef Hannes Gschwentner zeigt sich auf Grund der 82 dazugewonnenen Gemeinderatsmandate sehr zufrieden.
Laut FPÖ-Parteichef Willi Tilg habe der bundespolitische Trend voll auf die Gemeinden durchgeschlagen.
Der Parteichef der Grünen, Georg Willi, ist erfreut über das Abschneiden der 33 „rein grünen“ Listen. Auch wenn der Traum einer grünen Bürgermeisterin nicht in Erfüllung gegangen ist, so sei die österreichweite günstige Großwetterlage für die Grünen eine Wahlhilfe gewesen.

Fehlende Grafiken sind in der ÖGZ 4/04 ersichtlich.

OEGZ

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