Digitale Kartographie

Digitale Kartographie

Das Geographische Informationssystem Bregenz (GIS) wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen und hat sich bislang bestens bewährt. Bei der Bewältigung des Bodensee-Hochwassers 1999 zum Beispiel war die digitale Kartographie sehr hilfreich. Und die Anwendungsmöglichkeiten sind noch lange nicht erschöpft.

 

Alle Daten auf Knopfdruck verfügbar
Bregenz – das sind gerade einmal 28.000 Einwohner auf knapp 30 km2 Fläche. Aber nicht nur die Größe, auch das Landschaftsbild spricht gegen den Hauptstadt-Charakter. Die räumliche Entwicklung der mit über 2.000 Jahren ältesten Stadt am Bodensee ist nämlich aufgrund des Engpasses zwischen dem Ufer und dem 1.064 m hohen Pfänder äußerst beschränkt. Angesichts dieser Gegebenheiten ist es umso wichtiger, über fundierte Datengrundlagen zu verfügen, damit Planungen auf engstem Raum auch optimal gelöst werden können. Wer hier technisch imstande ist, auf Knopfdruck alle notwendigen kartographischen und für eine Planung relevanten Infos zur Verfügung zu stellen, ist anderen einen Schritt voraus.
Das Geographische Informationssystem Bregenz – kurz GIS – wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen und seither ständig ausgebaut. Auf der Basis des vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zur Verfügung gestellten digitalen Katasters und der Grundstücks- und Eigentümerdaten wurden in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern sämtliche Naturbestände wie Bauwerke mit allen Details, Asphaltränder, Einfriedungen, Straßen, Einbauten wie Lichtmasten, Kanaldeckel, Gas- und Wasserschieber, Hydranten etc. in akribischer Kleinarbeit zu 100% terrestrisch eingemessen und im GIS erfasst und dargestellt. Auf digitaler Basis wurden Informationen wie Gebäudehöhen, Stockwerke, Dachformen, Gebäude- und Flächennutzungen, Betriebe, Bauflächenreserven und eine Fülle weiterer Informationen erfasst und im GIS digital verknüpft (Abb. 1).
Pläne, die früher nur auf dem Reißbrett gezeichnet und in platzraubenden Registern archiviert wurden, existieren jetzt auch in Form von Bits und Bytes auf einem leistungsfähigen Server, wobei sämtliche Daten – ganz anders als beim Papier – miteinander verknüpft werden und topaktuell für alle Planungsaufgaben verfügbar sind.

Bregenz als GIS-Vorreiter
Diese Vernetzung, in die auf Basis des Datenschutzes auch Informationen über die Bevölkerungsstruktur eingebunden werden können, ist einer der großen Vorteile des GIS. Seit drei Jahren gibt es eine Kooperation mit dem Land Vorarlberg hinsichtlich eines unentgeltlichen Datenaustausches im Sinne einer sparsamen Datenpolitik. Wenn zum Beispiel ein Bauwerber an einer bestimmten Stelle im Stadtgebiet ein Geschäftsgebäude errichten möchte, kann die Stadt per „Mausklick“ nicht nur Dinge wie Flächenwidmung, Verkehrsanbindung oder technische Infrastruktur prüfen, sondern auch feststellen, ob eine Niederlassung an der besagten Stelle unter Berücksichtigung des Einzugsgebietes überhaupt Sinn macht. Um solche Informationen jederzeit abfragen zu können, ist eine Datenaktualisierung von mehreren Stunden täglich notwendig.
1994 war Bregenz übrigens eines der ersten kommunalen Gemeinwesen im Bodenseeraum, das mit der Einrichtung eines GIS und dessen praktischer Anwendung begann, sei es beim stadteigenen Planen und Bauen, bei behördlichen Verfahren für andere Bauwerber oder bei allerlei sonstigen Gelegenheiten. Derzeit sind über 30 Anwender in den verschiedensten städtischen Dienststellen mit GIS-Arbeitsstationen ausgestattet. Ausbaustufe und Qualität der Abfragemöglichkeiten sind daher entsprechend hoch. Das beweist nicht zuletzt der bislang ungebrochene Andrang von Besuchern, die auf ihren fachspezifischen Exkursionen selbst sehr weite Reisewege nicht scheuen, um das Bregenzer GIS kennen zu lernen.

Probe aufs Exempel: Hochwasser 1999
Wie hilfreich eine digitale GIS-Planungsgrundlage ist, zeigte sich in Bregenz insbesondere auch 1999, als die Uferregionen des Bodensees von Pfingsten bis in den Sommer hinein von einem Jahrhunderthochwasser heimgesucht wurden. Als erster Schritt galt es, die exakten Überschwemmungsbereiche eines Zentimeter um Zentimeter ansteigenden Seepegels zu erfassen, um wirkungsvolle Schutzmaßnahmen treffen zu können. Aus ca. 350.000 Geländehöhepunkten wurden in 5-cm-Schichten Absoluthöhen errechnet und diese Bereiche mehrfarbig polygonal dargestellt. Somit konnten die Einsatzkräfte planlich genau ersehen, an welchen Stellen mit steigendem Wasserstand eine Objektsicherung notwendig war (Abb. 2).
Als nächster Schritt wurden mit dem GIS all jene Objekte (Trafostationen, Elektroschaltkästen etc.) ermittelt, die aufgrund ihrer absoluten Höhenlage dem stetig ansteigenden Hochwasser zum Opfer fielen. Hier konnten zeitgerecht Vorkehrungen getroffen werden, um einerseits diese Stationen außer Betrieb zu nehmen und andererseits über mobile Notstationen eine aufrechte Stromversorgung und Telefonverbindung zu gewährleisten.
Zur Absenkung des steigenden Grundwassers wurden mit dem Werkzeug GIS insgesamt 35 geeignete Pumpenstandorte ausgewählt und digital dargestellt. Mittels einer Hotlinkverknüpfung bzw. Dokumentenverwaltung wurden im GIS Informationen wie Pumpennummer, Pumpenleistung, Förderleistung, Anschlusspläne etc. hinterlegt und waren auf „Knopfdruck“ für die Einsatzkräfte verfügbar. Die dafür notwendigen lokalen Stromanschlusskästen, Leitungslegungen, Anschlussquellen wurden mit Hilfe des GIS dargestellt und ausgeplottet (Abb. 3).
Abschließend sei erwähnt, dass es zu diesem Thema noch viele andere Anwendungsbeispiele gegeben hat, bei denen das GIS der Stadt Bregenz unabkömmlich war. Bleibt nur zu hoffen, dass wir nie wieder von einem Jahrhunderthochwasser heimgesucht werden. Die GIS-Crew jedenfalls steht Gewehr bei Fuß.

Web-City und Geomarketing
Die Dienststelle GIS ist zur Zeit mit dem Aufbau einer Web-Applikation beschäftigt und wird Mitte dieses Jahres Bürgern die Möglichkeit bieten, online über das Internet nach einem Grundstück und dessen Widmung zu suchen. Weiters wird es möglich sein, nach Adressen mit Hausnummern, Straßen, öffentlichen Einrichtungen, Sehenswürdigkeiten, Parkzonen, Bewirtschaftungszonen, Veranstaltungsplätzen und dergleichen zu suchen und die Plandarstellungen auch zum Druck freizugeben. Das Suchergebnis kann dann anhand einer eigens dafür erstellten Stadtplanvariante auf Basis von Vektordaten oder anhand eines Luftbildes angesehen werden. Mit dieser Web-Applikation wird dem interessierten Planer, Architekten usw. auch die Möglichkeit geboten, Daten aus dem Internet im Originalformat im Sinne einer gemeinsamen Geodatennutzung käuflich zu erweben. Mit der Freischaltung der Web-City ist im zweiten Quartal 2004 zu rechnen.
Was die Zukunft des GIS angeht, so hat diese zwar schon begonnen, kann aber in jedem Augenblick in eine bestimmte Richtung gelenkt und damit gesteuert werden. Die rein theoretischen Möglichkeiten sind natürlich noch nicht ausgeschöpft. Vor allem die Einbindung demographischer Basisdaten über die Bevölkerung wie Alter, Geschlecht, Haushaltsgrößen etc. führt letztlich dazu, dass das GIS unter strikter Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen als geeignetes Analyse- und Prognoseinstrument verwendet werden kann, und zwar nicht nur bei der richtigen Standortwahl für Betriebe, sondern ebenso bei der Beantwortung der im Kommunikationszeitalter wohl wichtigsten Frage: Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort erreiche ich mit meiner Information die von mir avisierten Zielgruppe optimal?
Für diesen sich immer stärker abzeichnenden Trend existiert mit dem Begriff „Geomarketing“ auch schon ein entsprechender „Terminus technicus“. Und jeder weiß, wo es eine Worthülle gibt, gibt es bereits ensprechende Inhalte. Ganz so weit sind wir in Bregenz zwar noch nicht, aber das 21. Jahrhundert hat ja gerade erst begonnen.

Bregenzer GIS-Hilfe für Einsatzkräfte
Die Sicherheit und das Wohl der Bürger stehen in Bregenz an oberster Stelle. Deshalb ist die Dienststelle GIS einem langjährigen Anliegen von Feuerwehr, Rettung, Polizei und Gendarmerie nachgekommen und hat speziell für die Einsatzkräfte digitale Informationen und anwenderfreundliche Suchwerkzeuge zur Verfügung gestellt, um im Notfall schnell und auf kürzestem Wege zum Einsatzort zu gelangen. Noch diesen Monat werden zum Beispiel für die Bregenzer Feuerwehren GIS-Applikationen installiert. Neben hochauflösenden Orthophotos werden Themen wie öffentliche Einrichtungen, Brandschutzpläne und Hydranten mit speziellen Infos als Hilfestellung verfügbar sein, was schlussendlich wieder dem Bürger zugute kommt.

Fehlende Abbildungen finden Sie in der ÖGZ 5/04.

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