Eine Stadt im Aufwind

Eine Stadt im Aufwind

Bregenz ist durch seine besondere geographische Lage seit jeher begünstigt. Dies alleine erklärt aber noch nicht den wirtschaftlichen Boom, der die Stadt seit einigen Jahren erfasst. Der Blick über den Tellerrand hinaus hat sich gelohnt und trägt Früchte. Doch wie anderswo kämpft man auch bei uns mit einem immer engeren budgetären Korsett und daher mit immer weniger finanziellen Möglichkeiten.

 

Aurea conca – goldene Schale
Bregenz – die älteste Stadt am Bodensee – ist im Laufe seiner mehr als 2.000-jährigen Geschichte schon von vielen Malern, Dichtern und Denkern in Bildern voll schillernder Farben und in Büchern voll salbungsvoller Worte beschrieben worden. Der irische Mönch Kolumban zum Beispiel bezeichnete die Stadt, als er sie 612 nach längerem Aufenthalt verließ, als „aurea conca“, als „goldene Schale“. Alexandre Dumas der Ältere, der 1932 vom Arlberg her durch das Land zog und an den Bodensee kam, sah vor sich „eine große Wasserfläche, die wie ein Stück Himmel aussieht, in Erde gerahmt, um Gott als Spiegel zu dienen“.
Ähnliche Beschreibungen – wenn auch wesentlich weniger pathetisch – gibt es bis in die Gegenwart herauf. Im Bregenzer Wirtschafts- und Tourismusleitbild etwa, das man Ende der 90er Jahre entwickelt hat, wird unserem Gemeinwesen als „Stadt der Begegnung“ Internationalität attestiert. Und das hängt keineswegs nur von den überaus erfolgreichen Festspielen ab, die hier Jahr für Jahr vor der Naturkulisse des Bodensees über die Bühne gehen.
Überhaupt muss man sagen, dass die topographische Lage von Bregenz dessen Bewohner seit jeher bevorzugt hat. Schon in der ältesten Straßenkarte des Abendlandes, in der „Tabula Peutingeriana“, ist Brigantium als wichtiger militärisch-strategischer Punkt an der Römerstraße Mailand–Chur–Kempten– Augsburg eingezeichnet. Und gegen Ende des 12. Jahrhunderts waren es ähnliche ökonomisch-strategische Interessen, die die Neugründung der Stadt durch die Grafen von Montfort bewirkten. Später blühte in Bregenz der Holz-, Korn-, Wein- und Salzhandel, der teilweise über den Bodensee lief.

Kulturelle Entwicklung nicht dem Zufall überlassen
Die Einbettung zwischen dem Pfändermassiv, der höchsten Erhebung im gesamten Bodenseeraum, und dem Seeufer ergibt auch heute ein natürliches Ambiente, wie man es selbst nach allen Regeln der Kunst nicht besser schaffen könnte. Diese Rahmenbedingung war und ist wichtig, aber eben nur das Eine. Auf der anderen Seite verzeichnet Bregenz seit ein paar Jahren eine Entwicklung, einen Boom, der angesichts einer Kleinstadt-Einwohnerzahl von nicht einmal 28.000 Menschen geradezu faszinierend ist. Was sich seit einiger Zeit auf den verschiedensten gesellschaftlichen Ebenen bei uns abspielt – von der Kultur über den Sport bis hin zur Wirtschaft –, ist andernorts nur wesentlich größeren Städten vorbehalten, wenn überhaupt.
Die Entwicklung hin zur Kulturmetropole im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz wurde durch die bereits erwähnten Bregenzer Festspiele eingeläutet, die 1946 erstmals an den Start gingen und 2003 mit der „West Side Story“ alle bisherigen Besucherrekorde brachen. 1979 wurde die größte Seebühne der Welt eröffnet, ein Jahr später das Festspiel- und Kongresshaus, das in den Jahren 1995 bis 1997 durch Zubauten auf die doppelte Kubatur vergrößert wurde und heute für Events aller Art einen besonderen Anziehungspunkt im Bodenseeraum darstellt. In den kommenden Jahren sind noch einmal größere Umbau- und Sanierungsmaßnahmen am Altbestand vorgesehen.
Die Festspiele waren und sind nicht nur kultureller Imageträger, sondern auch so eine Art „Katalysator“ für die Entstehung eines reichhaltigen kulturellen Lebens in der Stadt. Im Sog dieses Festivals wurden Veranstaltungsreihen wie der „Bregenzer Frühling“, die „Meisterkonzerte“ und vieles mehr geboren. Dazu kam 1997 die Eröffnung des Kunsthauses, das seit der Wiener Sezession 1898 das erste neue Museum dieser Art ist.

Blühendes Leben auf Schritt und Tritt
Eine ganz wichtige Wegmarke findet sich 1999. Damals wurde die Bregenz Tourismus & Stadtmarketing GmbH gegründet, um Bregenz im internationalen Wettbewerb noch wirksamer zu positionieren. Durch zahlreiche Projekte und Events, die von unserer Tochtergesellschaft (51%-Beteiligung) begleitet wurden, spürt man in der Zwischenzeit nicht nur im Sommer auf Schritt und Tritt das blühende Leben. So etwa hat sich eine phänomenale Gastronomieszene entwickelt, die Bregenz Tag für Tag im Aufwind pulsieren lässt.
Auch im Sport ist Bregenz mittlerweile zu einer Top-Adresse geworden. In rund ein Drittel der 260 Vereine werden von Jung und Alt alle möglichen sportlichen Disziplinen trainiert und bei nationalen wie internationalen Veranstaltungen als Höchstleistungen „made in Bregenz“ vorgeführt. Dabei geht es nicht nur um die sportliche Spitze. Natürlich sind wir im Fußball und Handball durch die „Aushängeschilder“ Casino SW Bregenz und A1 Handball Bregenz in den jeweils höchsten österreichischen Ligen vertreten. Hier entstehen aber vor allem auch Breitenwirkungen, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können.
Zahlreiche sonstige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und Erholung runden das Bild ab, ob am Seeufer, das Anfang der 90er Jahre teilweise unter Naturschutz gestellt wurde, in den rund 150.000 m2 großen Seeanlagen oder am 1.064 m hohen Pfänder, der zur Fahrt mit der Kabinenseilbahn, zum Wandern und manchmal auch zum Schifahren einlädt.

Wirtschaftsmotor wieder angesprungen
Und auch der sekundäre Wirtschaftssektor gibt in Bregenz wieder kräftige Lebenszeichen von sich. Nachdem sich Bregenz seit Jahrzehnten immer mehr zu einer Dienstleistungs- und Handelsstadt entwickelt hat und die wenigen Flächenreserven für mögliche Betriebserweiterungen durch sehr intensiven Wohnbau reduziert wurden, gibt es in jüngerer Zeit so eine Art „kopernikanische Wende“. Begünstigt durch verschiedene Grundstückstransfers, geschickte Flächenwidmungspolitik und die Schaffung der nötigen Verkehrsinfrastrukturen ist es gelungen, den ortsansässigen Industriebetrieben entsprechende Expansionen zu ermöglichen.
Positive Entwicklungen brauchen natürlich gute Fundamente. Um sie sind wir seit einiger Zeit mit großen Anstrengungen bemüht. Deshalb zum Beispiel investieren wir viel Geld in die Neugestaltung von öffentlichem Raum oder in den Bau eines Parkhauses am Hafen mit 300 öffentlichen Stellplätzen oder bereiten alles vor für die künftige Bebauung der „Seestadt“, einem 9.000 m2 großen „Hoffnungsgebiet“ im Herzen der Stadt, wo potenzielle Generalinvestoren ideale Bedingungen für die Schaffung eines Einkaufszentrums mit entsprechendem Branchenmix vorfinden.

Finanzielle Benachteiligung aufheben
Bregenz stößt aber trotz aller Kreativität und trotz des erfreulichen Aufschwungs auch zunehmend an die Grenzen des ökonomisch Machbaren. Die wirtschaftliche Entwicklung ist exzellent, nur werden wir dafür nicht belohnt und befinden uns diesbezüglich sicher in bester Gesellschaft mit anderen österreichischen Landeshauptstädten.
Das Volkszählungsergebnis von 2001 führt zu massiven Einbußen beim Finanzausgleich. So steht bei der Zumessung der Ertragsanteile durch den Bund auch 2004 wieder ein Minus von 0,15% ins Haus. Damit ist nicht einmal die Inflationsrate abgedeckt. Und dass wir in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen wie Kultur, Sport und Freizeit teure Infrastruktur-Einrichtungen für eine Region mit nahezu 150.000 Einwohnern zur Verfügung stellen, findet keine finanzielle Honorierung und Abgeltung. Dazu kommen Kostensteigerungen deutlich über der Teuerungsrate bei Kinderbetreuung, Sozialhilfe, Spitalsbeiträgen, Mieten und ähnlichen Ausgaben. Die Summe all dessen führt zu einer äußerst angespannten Budgetsituation.
Natürlich heißt das für uns in erster Linie, auch weiterhin möglichst sparsam mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Die Frage der Neugestaltung des Bundes-Finanzausgleiches ist aber nicht bloß rhetorischer Natur, sondern in höchstem Maße berechtigt. Außerdem braucht die besondere Situation unserer Stadt auch landesintern mehr Rücksichtnahme, zum Beispiel durch einen interkommunalen Finanzausgleich, der die zentralörtlichen Aufgaben von Bregenz miteinrechnet.
Dem griechischen Philosophen Heraklit wird der Ausspruch „panta rhei – alles fließt“ zugesprochen. Er besagt, dass es keine festgeschriebenen Zustände gibt, sondern nur ständige Bewegung und Entwicklung. Das will ich auch für die künftige finanzielle Zusammenarbeit von Bund und Land mit Österreichs Städten und Gemeinden hoffen.

OEGZ

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