E-Government: Auf dem Weg zur gläsernen Verwaltung?

E-Government: Auf dem Weg zur gläsernen Verwaltung?

Dipl.-Ing. Eberhard Binder leitet die Gruppe IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) in der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Die Österreichische Gemeinde-Zeitung führte mit dem Vorsitzenden des Fachausschusses Informationstechnologie (FIT) im Österreichischen Städtebund ein Interview über die Stärken der Städte, die Beziehung zwischen den Gebietskörperschaften punkto E-Government, die Rolle des FIT und seine Vision einer „gläsernen Verwaltung“.

 

ÖGZ: Herr Dipl.-Ing. Binder, wo stehen eigentlich Österreichs Städte punkto E-Government?
Grundsätzlich muss man sehen, dass die Städte bei E-Government die wichtigste Position haben. Sie sind jene Einrichtungen, die dem Bürger am nächsten stehen und die meisten Dienstleistungen für den Bürger und für die Wirtschaft abwickeln. Und wenn sie dies dann elektronisch, einfach, rasch und aufwandschonend machen können, ist das natürlich ein besonderer Vorteil für die Betroffenen. In der Umsetzung muss man sagen, dass in ganz Europa große Unterschiede bestehen. Da gibt es Regionen, Städte, die sehr weit sind, und andere wieder erst am Beginn. So ist es auch meiner Ansicht nach in Österreich, dass halt hier einige Kommunen schon sehr früh begonnen haben, andere eher noch etwas zurückhaltender sind.

ÖGZ: Können Sie uns „Best practices“ nennen?
Tendenziell sind natürlich die größeren Städte etwas im Vorteil, weil sie auch meistens über eine größere EDV-Mannschaft verfügen. Aber es gibt auch ganz hervorragende Entwicklungen in kleineren Städten. Zum Teil auch in kleinen Gemeinden, was aber immer sehr stark auf initiative Einzelpersonen, initiative Magistratsdirektoren oder initiative Bürgermeister zurückzuführen ist. Mir schwebt beispielsweise Zeltweg vor, wo schon gezeigt wurde, was alles machbar ist, aber das ist sicherlich nicht erschöpfend. Es gibt eine Reihe von kleineren Städten, die hier schon sehr weit sind.

ÖGZ: Das E-Government-Gesetz ist mit 1. März in Kraft getreten. Ist der rechtliche Rahmen okay?
Das E-Government-Gesetz ist ein großer Fortschritt und weitestgehend okay. Es gibt ein paar kleine Bereiche, wo man noch etwas tun muss. Ich denke da beispielsweise an den Meldebereich, wo die Unterschrift des Unterkunftgebers ein formales Hindernis ist, um die Ummeldung elektronisch abzuwickeln. Aber das E-Government-Gesetz hat vieles ermöglicht und wird vieles ermöglichen und schon der Prozess war sehr positiv, weil die Städte und Gemeinden auf breiter Front ihre Erfahrungen und ihr Wissen einbringen konnten. Allerdings haben wir derzeit ein Problem mit der Abgrenzung bereichsspezifischer Personenkennzeichen.

ÖGZ: Es wird eine Reihe von Registern seitens des Bundes zentral geführt. Wie würden Sie die Zusammenarbeit zwischen den Städten, den Ländern und dem Bund im Rahmen von E-Government beurteilen? Wo könnte es hingehen, wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?
Als technisch-organisatorische Aussage dazu: Ich begrüße solche Register ausdrücklich, wenn sie Mehrarbeiten vermeiden helfen sowie eine hohe Qualität der Daten und damit der Erledigung sichern. Differenzierter muss man die Frage der Kostentragung sehen, weil hier immer wieder versucht wird, Lösungen zu Lasten der Städte und Gemeinden zu schaffen. Die Städte und Gemeinden sind in der Regel diejenigen, die die Daten erfassen, zusammentragen, damit die Register befüllen und aktuell halten. Dann gibt es immer wieder Tendenzen, die Städte auch noch für die Nutzung dieser zentraler Register zur Kassa zu bitten, wenn sie selbst Daten brauchen. Das ist schlichtweg falsch und zwar auch deshalb, weil dieser Weg geeignet ist, die Nutzung dieser sinnvollen Einrichtungen zu bremsen.

ÖGZ: Was braucht eigentlich eine Stadt oder eine Gemeinde, um E-Government umzusetzen?
Also zuerst braucht es ein Konzept, ein Ziel. Was will ich machen, was will ich erreichen, was ist für meine Stadt und für die Aufgabenstellung meiner Stadt, meiner Bürger, meiner Wirtschaft wichtig und dienlich? Wenn man dann E-Government umsetzt, dann muss klar sein, dass man im Hintergrund einige Voraussetzungen erfüllt haben muss. Es müssen die wesentlichen Daten elektronisch vorliegen: Entweder ich kann auf zentrale Daten, wie eben das Zentrale Melderegister, zugreifen oder die Daten liegen lokal vor, beispielsweise Daten meiner Wirtschaftskunden oder Ähnliches. Abwicklungen und Informationen sonstiger Art müssen elektronisch verfügbar sein, dann können sie über das Internet präsentiert werden. Man kann das auch zur Bereitstellung von interaktiven Anwendungen nutzen.
Bei der Umsetzung möchte ich darauf hinweisen: Ich halte die Bereitstellung von Informationen für einen großen, sehr wichtigen Teil. Das ist relativ kostengünstig und bringt dem Bürger und der Wirtschaft sehr viel. Also wenn Städte und Gemeinden mit relativ geringem finanziellen Spielraum E-Government-Aktivitäten setzen, so würde ich dringend raten, einmal auf Information – in Form einer Homepage im Internet – zu setzen.
Was habe ich für Voraussetzungen, was brauche ich für Unterlagen, damit ich irgend ein Verfahren anstoßen kann? Wer ist dafür zuständig? Wie schaut die Gebührenfrage aus? Was sind die rechtlichen Grundlagen? Wann sind die Öffnungszeiten? Wo kann ich schon anbieten, über das Internet Termine zu vereinbaren, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Hilfreich ist auch die Bereitstellung von Formularen, die man sich herunterladen kann und gegebenenfalls elektronisch wieder übergeben kann.
Ich denke, dass man in diesem Bereich durch relativ geringen Mitteleinsatz viel erreichen kann. Städten und Gemeinden, die nur wenig Geld in einen E-Government-Ausbau investieren können, würde ich empfehlen, zumindest verwaltungstechnische und rechtliche Informationen, Formulare, Terminvereinbarungen und ähnliche Dinge anzubieten.

ÖGZ: Wo sehen Sie die technischen Schwierigkeiten für Kommunen im Bereich der Anwendungen? Gibt es möglicherweise Barrieren?
Die größte Herausforderung beim E-Government-Ausbau ist die Interaktivität. Da können unter Umständen die Projektkosten schon recht stark in die Höhe gehen. Eine große Barriere ist hier immer wieder, den Kunden, den Bürger über das Internet zu identifizieren, weil er ja zunächst völlig anonym herantritt. Das mag bei einigen Anwendungen auch kein Problem darstellen, bei anderen muss man da aber eine sichere elektronische Identifizierung durchführen. Hier sollte vor allem der Einsatz der Bürgerkarte helfen. Dabei haben wir zwar alle technischen, organisatorischen, rechtlichen Vorarbeiten, wir haben aber keine große Verbreitung und Benutzung dieser Karte.

„Die Banken sollten im Telebankingbereich dazu übergehen, anstelle von PIN und TAN die Bürgerkartenfunktion zu verwenden.“

ÖGZ: Für den Frühsommer ist die Ausgabe neuer Bankomatkarten geplant und damit die Möglichkeit einer stärkeren Verbreitung der Bürgerkarte?
Das ist zunächst auch wieder ein guter Schritt nach vorwärts, heißt aber noch nicht, dass Sie sich, wenn Sie Ihre neue Bankomatkarte holen, auch Ihre Bürgerkartenfunktion aktivieren lassen und letzten Endes dafür die notwendigen Beträge zahlen. Dann brauchen Sie einen Kartenleser, den Sie auf Ihrem PC installieren müssen. Ein wesentlicher Schritt wäre, wenn die Banken dazu übergingen, im Telebankingbereich anstelle von PIN und TAN die Bürgerkartenfunktion zu verwenden. Dann wäre es für jeden ein täglicher Vorteil, diese Funktion zu haben und es wäre dann auch in der Frage der Kostentragung mit Hilfe der Banken eine akzeptable Lösung zu finden. Also wenn es gelingt, dieses Konzept der Bürgerkartenidentifikation in einem alltäglichen Prozess zu verwenden, dann sehe ich eine große Chance. Wenn es nur für den Kontakt zu Behörden verwendet wird, dann muss man sich eingestehen, dass Normalbürger vielleicht ein-, zweimal jährlich Kontakt mit der Behörde haben. Die Bürgerkartenfunktion zahlt sich in diesem Fall nicht aus.

ÖGZ: Was könnten die Kommunen anbieten, um einer breiten Öffentlichkeit Internetzugänge zur Verfügung zu stellen?
Was grundsätzlich getan werden kann und was schon getan wurde, in Wien auf jeden Fall: Die Möglichkeiten müssen zur Verfügung gestellt werden, damit alle Schüler von Anfang an auch mit dem Medium umzugehen lernen. Auch jene Kinder, die zuhause über keinen Internetanschluss verfügen, müssen die Möglichkeit haben, wenigstens in der Schule diese Technologie kennen zu lernen, sie zu nutzen.
Weiters bieten wir in Wien, beispielsweise in den städtischen Bibliotheken, Internetzugänge an und eröffnen damit auch Möglichkeiten.
Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass wir auch Public Terminals installiert haben, die im öffentlichen Raum einen Internetzugang anbieten. Wir haben jetzt eine Partnerschaft mit der Wirtschaft abgeschlossen, von der wir uns erhoffen, dass sie die Anzahl dieser öffentlichen Terminals noch weiter steigert. In Wien entstehen zunehmend Internet-Cafés – in einem natürlich von Marktmodellen getragenen Wettbewerb, die auch zu erschwinglichen Kosten die Nutzung des Internet anbieten.

ÖGZ: Welche Services sollte der Bund anbieten?
Der Bund muss zunächst seine Aufgabe als Gesetzgeber, als der große Rahmengeber, erfüllen. Da hat er mit dem E-Government-Gesetz einen großen Schritt gemacht.
Er soll auch die notwendigen Grundlagen für Infrastruktur schaffen und allgemeine Architekturregeln entwerfen, die es gestatten, dass man Anwendungen breiter einsetzen kann. Weil sonst die Gefahr besteht, dass jede der 2.359 Gemeinden Österreichs einen eigenen Weg bei der Implementierung geht und das Rad in jedem Dorf neu erfunden werden muss.
Es gibt auch von der EU Normen, Entwicklungen, die man hier beachten kann. Also dies ist eine der Aufgaben des Bundes. Der Bund muss aus meiner Sicht auch für eine gewisse Mindestdotierung dieser zentralen Aktivitäten sorgen. Ich halte es für einen wirklichen Nachteil Österreichs, dass wir das einzige EU-Land sind, wo vom Staat keine zusätzlichen Mittel für E-Government einsetzt werden. Ich will gar nicht nach Deutschland schauen, wo wirklich Riesenbeträge vom Bund zur Verfügung gestellt werden.

ÖGZ: Welche Rolle sehen Sie für die Länder?
Also ich denke, dass auch die Länder gewisse gemeinsame Strukturen zur Verfügung stellen können und das auch tun, beispielsweise die Steiermark. Die Länder können auch hier ein Vermittler sein – zwischen ihren Gemeinden und dem Bund. Sie können auch in den Abstimmprozessen und den Koordinationsprozessen mithelfen.

ÖGZ: Welche Aufgabe könnte der FIT erfüllen im Rahmen des Austausches zu E-Government?
Eine der wesentlichen Dinge im FIT ist sicherlich, diese Zweiwegkommunikation zu bieten. Auf der einen Seite bietet der FIT Informationen über die ganzen Entwicklungen, die sich in den Arbeitskreisen auf Bundes- und Länderebene ergeben, wo auch der Städtebund stark mitarbeitet. Und umgekehrt erfolgt aus dem FIT, aus der Gruppe der EDV-Fachleute der Städte heraus die Rückkoppelung ihres Bedarfes – und wie weit diese Entwicklungen auch passend sind.
Aus meiner Sicht ist der FIT ein ganz wesentlicher Transmissionsriemen, um diesen Prozess in beide Richtungen wirken zu lassen.

ÖGZ: Könnten einzelne Städte als EDV-Dienstleister für andere Städte auftreten?
Von den Strukturen der Städte her: unglaublich schwierig. Es sind eigentlich in allen Städten die Kapazitäten sehr knapp bemessen und reichen kaum aus, um die Aufgaben in der Stadt selbst zu erfüllen. Mit großem Einsatz der handelnden Personen kann ein gewisser Wissenstransfer organisiert werden oder allenfalls ein gemeinsames Vorgehen. Aber eine Stadt als Serviceprovider für andere Städte? Dafür sind die Städte nicht organisiert. Ich denke, das müsste dann über eine dritte Organisation erfolgen, eine außenstehende Organisation. Ob der Städtebund hier eine stärkere Rolle spielt, ob man mit der Wirtschaft allenfalls gemeinsam Organisationen findet? Aber eine Stadtverwaltung hat einfach nicht die Struktur, um als Berater oder EDV-Entwickler für andere in großer Form aufzutreten. Andererseits kann man sich überlegen, ob hier nicht auch in der Art eines Application-Service-Providing Anwendungen einer Stadt bei einer anderen Stadt laufen könnten. Das würde aber bedeuten, dass die Anwendung, auch die Anwendungsarchitektur darauf Rücksicht nehmen muss, also die Trennung von Präsentation, Verarbeitung und Daten sehr sauber vorliegt. Ob in der Zukunft eine bestimmte Abrechnung oder ein Rechenvorgang auf einem Computer im Ort A oder im Ort B abläuft, wird völlig nebensächlich werden und nur mehr von Fragen der Wirtschaftlichkeit und Sicherheit bestimmt.

„E-Government ist dann
gelungen, wenn wir es geschafft haben, zu einer gläsernen Verwaltung zu kommen.“


ÖGZ: Wie sieht die Zukunft von E-Government nach 2005 aus?
Für mich ist E-Government dann gelungen, wenn wir es geschafft haben, zu einer gläsernen Verwaltung zu kommen. Wenn eine Verwaltung für den Bürger wie ein offenes Buch daliegt. Wenn der Bürger das Gefühl hat, nicht nur gut serviciert zu werden, sondern auch weiß, was hier passiert. Wenn er auch eingebunden ist, wenn er im Sinne von Demokratie sehr viel Information über seine Region, seine Stadt findet. Wenn er sich einbringen kann, wenn er Möglichkeiten hat, seine Positionen auch der Verwaltung und letzten Endes auch der Politik zu übermitteln. Wenn wir hier zu einer völlig anderen Form der Sicht der Verwaltung kommen. Nicht irgendwo eine dunkle Tintenburg, von der niemand weiß, warum dort so viele Leute irgendetwas machen, sondern wenn klar ist, was geschieht, wie die Prozesse und Abläufe gestaltet werden. Wenn ich mich jederzeit über den Status meines persönlichen Anliegens informieren kann. Aber auch generell: Wenn feststellbar ist, wo das Geld hinfließt. Welche Vorhaben sind hier in meiner Region unterwegs, warum ist in meiner Straße ein Halteverbot, was sind die Hintergründe für die Kostenerhöhung in der Müllabfuhr?
Das ist meine Vorstellung von E-Government – nicht nur Service. Service sollte selbstverständlich sein. Die Möglichkeiten dieser neuen Technologie müssen wir nutzen und vor allem hinsichtlich der Einbindung, Mitwirkung des Bürgers am kommunalen Geschehen voranzukommen. Das alles ermöglicht uns diese Technologie. Wir sind, wenn wir ein perfektes Service bieten, in E-Government einen guten Schritt weiter gekommen. Aber wir sind bei weitem noch nicht am Ende der Möglichkeiten von E-Government.

ÖGZ: Herzlichen Dank für das Interview.

OEGZ

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