50 Jahre „Charta der Gemeindefreiheiten“ – Ansatzpunkte für Weiterentwicklung

50 Jahre „Charta der Gemeindefreiheiten“ – Ansatzpunkte für Weiterentwicklung

Das 50-Jahr-Jubiläum der „Charta der Gemeindefreiheiten“ legte es nahe, anlässlich einer gesamteuropäischen Jubiläumsveranstaltung die bisher erreichten Erfolge – nämlich die Mitte der 80er Jahre entwickelte „Charta der lokalen Selbstverwaltung“ und deren positive Auswirkung ab 1989 auf die Entwicklung der Gemeindeautonomie – wie in den Reformstaaten – zu würdigen als auch Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung zu diskutieren.

 

Am Anfang war Versailles
Als sich im Oktober 1953 Bürgermeister aus 16 europäischen Nationen im historischen Rathaus von Versailles trafen, um eine „Charta der Gemeindefreiheiten“ zu beschließen und als politischen Appell an ihre Regierungen zu veröffentlichen, konnten sie nicht ahnen, welch ein fulminantes Ergebnis dieser damalige Appell fünfzig Jahre später haben würde.
Es war immer noch Nachkriegszeit, die grauenvolle Geschichte des Zweiten Weltkrieges bewegte die Völker Europas zu ersten mutigen Schritten der europäischen Integration: „Nie wieder Krieg“ – das war das eigentliche Motiv nicht nur der in Versailles versammelten Bürgermeister, die ihre Demokratien „von unten auf“ stärken wollten und Städtepartnerschaften begründeten, als Regierungen noch nicht miteinander reden oder gar verhandeln konnten. Und sie antworteten mit dem Ziel starker kommunaler Selbstverwaltung auf die verheerenden Folgen des Nationalsozialismus und des stalinistischen Zentralismus.

„Success-Story“
Anerkennung der Gemeinderechte

Fünfzig Jahre danach, bei der Jubiläumsveranstaltung des RGRE am 16. Januar 2004, auf freundliche Einladung des Bürgermeisters von Versailles erneut im Festsaal des Rathauses von 1654, klang es in vielen Sprachen zum Lobe des Textes von 1953: „It is a success story!“ Drei große Erfolge lassen sich in der Tat aufzeigen, die auf den Forderungen der „Charta der Gemeindefreiheiten“ vom Oktober 1953 aufgebaut haben:

- die „Charta der Lokalen Selbstverwaltung“ (Charte de l’Autonomie Locale“) des Europarates von Madrid im Jahre 1985,

- die Anerkennung der Lokalen Selbstverwaltung im Verfassungsentwurf des EU-Konvents vom Juni/Juli 2003 mit der Stärkung der Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, neuen Konsultationsstrukturen zwischen Europäischer Kommission und Kommunalverbänden und einem besseren Schutz der europäischen Kommunen gegen Eingriffe und Bevormundung durch die EU sowie

- der Entwurf einer „Weltcharta der Lokalen Selbstverwaltung“ im Rahmen der Vereinten Nationen, der UNO.

Es ist ein langer Weg von 1953 bis 1985 – und noch länger jener bis zum Entwurf einer Verfassung der EU 2003. Schauen wir einmal kurz zurück:

Zentrale Rolle des Europarates
Es ist hier nicht der Ort, den gesamten Werdegang der mühsamen Verhandlungen im Europarat zu beschreiben. Aber die nationalen Regierungen betrachteten anfänglich jede Diskussion über ihre Haltung gegenüber Städten, Gemeinden und Kreisen als „unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten“ ihres Landes. Da war schon die Grundidee der Charta von Versailles „völlig unzumutbar“, weil sie sich natürlich über lokale Demokratie, Selbstverwaltung und die Rolle der Kommunen im jeweiligen Staatsaufbau aussprach. Konsequenterweise waren denn auch anfänglich die Kommunen offiziell nicht einmal Gesprächspartner des Europarates und seiner Gremien. Die Diskussion fand später eine Fortsetzung auch in den Vereinten Nationen, wo trotz der Fortschritte von „Habitat II“-Konferenz in Istanbul (Juni 1996) viele Regierungen keinen Platz für Vertreter der Kommunen und ihrer Weltverbände in der UNO sehen wollen. Das macht deutlich, welch ein Erfolg es 1985 war, dass die ersten Regierungen sich zu einer europäischen Konvention zum Schutz der Gemeindefreiheiten bekannt haben, trotz ihrer teilweise zentralistischen Traditionen und Vorbehalte.
Heute hat der Europarat nicht nur die Rolle der Kommunen anerkannt, sondern ihnen neben dem Ministerrat und der Parlamentarischen Versammlung mit dem „Kongress der Gemeinden und Regionen Europas“ (KGRE) und seinen beiden Teilkammern für die Gemeinden einerseits und die Regionen andererseits eine „dritte Säule“ innerhalb des Europarates und damit eine starke Stellung und wachsende Bedeutung gegeben. Der Kongress ist heute angesehener Partner der anderen Organe ebenso wie der inzwischen 45 Mitgliedstaaten des Europarates. Es entspricht dem internationalen und intergouvernementalen Charakter des Europarates in Straßburg, dass seine Konventionen erst Rechtsgeltung entfalten, wenn und soweit sie von den Regierungen der Mitgliedstaaten unterzeichnet und ihren Parlamenten ratifiziert sind.

Charta der lokalen Selbstverwaltung – „Just-in-time“ für Reformstaaten
Um so mehr ist es ein ungeahnter Erfolg der Kommunalcharta des Europarates, dass sie mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftsbereiches und des Totalitarismus kommunistischer Prägung in Mittel- und Osteuropa (MOE) Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine eminente Bedeutung für die Demokratisierung der Reformstaaten erhielt: Die Parlamentarische Versammlung des Europarates und der Ministerrat verkündeten nämlich 1989/90, dass alle (neuen) Kandidaten für eine Mitgliedschaft im Europarat zumindest zwei der vielen Konventionen des Europarates zu zeichnen und binnen Jahresfrist nach ihrem Beitritt ratifizieren sollten: die grundlegende Menschenrechtskonvention von 1948, mit der die Arbeit des Europarates quasi begonnen hat, und die „Charta der Lokalen Selbstverwaltung“ von 1985 als ein Basisdokument der Demokratie.
Im Nachhinein kann man somit sagen, dass die Charta 1985 „just in time“ kam, um beim Aufbau der Demokratie in den ehemals zentralistischen mittel- und osteuropäischen Staaten gleichsam als Mindeststandard, Messlatte und Anleitung für den Wandel zur Demokratie zu dienen.
So wundert es nicht, dass die Texte der Charta von Versailles von 1953 in der Ausprägung, die ihnen die Charta des Europarates 1985 gab, heute Eingang gefunden haben in die nationalen Gesetzgebungen der Reformstaaten – und nicht nur dieser –, ja oft sogar in deren Verfassungen. Auch ist mit Genugtuung festzuhalten, dass die Umsetzung dieser Grundsätze der Charta selbst regelmäßiger Gegenstand von so genannten „Monitoring“-Verfahren geworden ist, in denen sich die alten wie die neuen Mitglieder des Europarates einer oft peinlich genauen Abgleichung ihres politischen Alltags oder auch des Standes der Gesetzgebung mit der Charta stellen. Die einst verpönte „Einmischung“ ist gleichsam gemeinsames Anliegen geworden.

Gemeinderechte in der EU
Angesichts der wachsenden kommunalen Bedeutung des europäischen Rechts vor allem in der Europäischen Union verwundert es nicht, dass seit Jahren zusätzlich überlegt wurde und wird, wie die Charta einerseits vom Europarat für einen Beitritt der EU als supranationale Einheit geöffnet werden könnte – bisher war eine Zeichnung durch die EG oder heute EU nicht möglich – und andererseits die EU bewegt werden könnte, ihrerseits die Charta des Europarates zum geltenden Recht der EU zu machen, sei es durch Zeichnung und Ratifizierung, sei es durch Einbringung in die Verfassungsdebatte der EU selbst.
Vielleicht hat sich diese Frage aber auch inzwischen erübrigt. Zumindest aber erscheint sie heute weniger wichtig als eine unmittelbare Anerkennung der kommunalen (und der regionalen) Selbstverwaltung durch die EU. Und genau an dieser Stelle lässt sich festhalten, dass der Erfolg der Charta und der Arbeit des Europarates mit ihr in den Verhandlungen mit dem „Konvent zur Zukunft Europas“, der im Volksmund zu Recht längst als EU-Verfassungskonvent bezeichnet wird, eine riesige Bedeutung bekommen hat. Das war anfänglich, also noch im März 2002, ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen – und doch ist es gelungen.

Kommunale Selbstverwaltung und
die Europäische Verfassung aufnehmen

„Auf die Kommunen wartet im Konvent nun wirklich niemand“, so scholl es mir entgegen, als ich als Vizepräsident des RGRE die ersten Anläufe machte, das Thema der Sicherung kommunaler Selbstverwaltung in die Debatten des EU-Konvents einzubringen. Und diese negative Position hatte ja ihre Gründe: Zum einen fürchteten Regierungen, wie z. B. die Spaniens, dass jede Formulierung zugunsten der Kommunen immer auch gleiche Forderungen zugunsten der Regionen auslösen müssten – und das war gegen ihre Ziele. Andere hielten uns entgegen, dass eine „Garantie“ (der lokalen Selbstverwaltung) durch eine Verfassung der EU logischerweise eine Garantenstellung (der EU und ihrer Organe?!) zur Folge haben müsse. Und eine solche Ermächtigung zur Einmischung – darin waren sich alle einig – konnte nicht Ziel unserer Bemühungen sein.
Andererseits konnte ich früh in die Debatten in Brüssel den formal etwas kühnen Hinweis einbringen, dass die Charta des Europarates von 1985, nachdem sie von allen EU-Mitgliedstaaten ebenso wie von allen Beitrittskandidaten unterzeichnet und von fast allen (damals fehlten nur noch Frankreich und Belgien) ratifiziert worden ist, de facto acquis communautaire der EU ist. Der Begriff des „acquis communautaire“, des gemeinsamen Rechtsstandes der EU, hat seit Jahren einen geradezu katalytischen Wert.
Der „acquis“ spielte in der Verfassungsdebatte schon deshalb eine zunehmend große Rolle, weil man sich darauf verständigt hatte, die Chancen zum Konsens über einen Verfassungsentwurf dadurch zu erhöhen, dass man versuchte, die Kernbestände eben dieses acquis communautaire in den Entwurf zu integrieren, also auf schon geschaffene Bausteine bestehender Verträge zurückzugreifen.
Die gleiche Taktik hat sich für den RGRE auch in einem anderen Zusammenhang außerordentlich bewährt: Als der europäische Hauptausschuss des RGRE Anfang März 2002, als der EU-Konvent unter Vorsitz „unseres“ RGRE-Präsidenten Giscard d’Estaing gerade seine Arbeit aufgenommen hatte, in Valencia tagte, konfrontierten ihn viele unserer Freunde mit generellen Wünschen und Vorstellungen des Verbandes und seiner nationalen Gliederungen sowie mit Neuaufgüssen bisheriger Resolutionen und Appelle. Präsident Giscard d’Estaing reagierte mit dem berechtigten Hinweis, die Zeit für Resolutionen sei nun vorbei; davon flögen dem Präsidium des Konvents ebenso wie seinen Mitgliedern täglich Hunderte auf den Tisch und keiner könne sie mehr lesen. Stattdessen bat er um konkrete Formulierungsvorschläge. Die Reaktion des RGRE kam prompt: Ich verwies damals auf die unsere Anliegen betreffende Stellen bestehender Verträge und konkrete Wünsche, wie wir sie z. B. zur Einbeziehung der Kommunen in den Subsidiaritätsartikel (3 b) des Maastrichter Vertrages seit 1992 gestellt haben.

Gemeinsame Anstrengung und Erfolg
In den Folgewochen haben wir auf der Basis dieser Beratungen in Valencia eine Synopse mit konkreten Vorschlägen erstellt, der sich auch die übrigen europäischen Kommunalverbände (insbesondere Versammlung der Regionen Europas, Eurocities) angeschlossen haben. Alle zogen von da an, wie man so sagt, „an einem Strang“, was die Überzeugungskraft gegenüber dem Konvent nachhaltig erhöht hat.
Heute können wir mit Dankbarkeit feststellen, dass alle Forderungen im Kern im Verfassungsentwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Der Dank gilt dafür dem „Ausschuss der Regionen“ (AdR) der EU, der unsere Forderungen als Erster gegenüber dem Konvent übernahm, vor allem dem Berichterstatter des AdR, dem Briten Lord Tope, und dem Europäischen Parlament, das sich anschließend in einer Stellungnahme vom 14. Januar 2003 (Napolitano-Bericht zur „Rolle der Regionen und Gemeinden in der EU“, gleicher Titel wie der Vorbericht des AdR) ebenfalls unseren Forderungen und Vorschlägen weitestgehend angeschlossen hat. Damit war eine starke Vorgabe für den Konvent erstellt. Dank gilt dabei aber auch nicht zuletzt Mitgliedern des Konvents wie dem Spanier Mendez de Vigo, der als Vorsitzender der Arbeitsgruppe I des Konvents zum Thema der Subsidiarität unseren Vorstellungen breiten Raum verschafft hat. In diesem Zusammenhang sind auch die vielen ungezählten Initiativen einzelner Bürgermeister, Städte und Stadtverbände zu würdigen, die Konferenzen abhielten oder europäische Entscheidungsträger, insbesondere Konventmitglieder, kontaktiert haben. All diesen „kommunalen“ Vorstößen öffnete Präsident Giscard d’Estaing zumindest den Eingang der Argumente in die Debatten des Konvents und sein erster Vizepräsident und Bürgermeister der belgischen Stadt Vilvoorde, Luc Dehaene, übernahm unsere Argumente und setzte deren Einbeziehung in die Entwurfsarbeit durch.
An dieser Stelle könnten die „kommunalen“ Partien und Einzelheiten des Verfassungsentwurfes vorgetragen werden. Dazu fehlt der Raum. Aber – mit Rückblick auf den Appell von Versailles von 1953 – es kann gesagt werden, dass die Prinzipien und Kernaussagen der EU-Verfassung zur Rolle und zum Schutz der Kommunen ein weiterer Erfolg der Arbeit von nunmehr fünfzig Jahren sind. Und diese Teile sind auch in der Regierungskonferenz nicht mehr umstritten, werden also aller Voraussicht nach Eingang in die Verfassung der EU finden.
Mehr noch: Nunmehr stehen Klauseln der Anerkennung und Sicherung kommunaler (und regionaler) Selbstverwaltung in der Verfassung der EU, die an Präzision die seinerzeit notwendigerweise sehr generell gehaltenen Formulierungen der Charta von 1985 übertreffen. In den meisten Nationen können wir nur neidvoll auf das schauen, was nun Verfassungsrecht der EU wird. Vergleichbares fehlt in den meisten der seit Mai 2004 fünfundzwanzig Mitgliedstaaten der EU. Das gilt für die rechtzeitige Anhörung der Kommunalverbände, für die Konsultationspflichten der EU, vor allem aber für die im „Protokoll zur Anwendung der Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ (das Protokoll ist integraler Teil der EU-Verfassung) geschaffenen Regeln zur Transparenz, zur Erörterung, zum Frühwarnsystem („early warning system“) und zur Begründungspflicht (im „subsidiarity sheet“) hinsichtlich der organisatorischen und finanziellen Folgen der Rechtsetzung der EU und ihrer Programme.
Lange Zeit – seit Maastricht 1992 – war das Prinzip der Subsidiarität zudem ein „zahnloser Tiger“, da seine Missachtung durch die EU folgenlos blieb. Nun aber kann wegen Verletzung dieses Grundsatzes der EuGH angerufen werden, nicht nur von den nationalen Regierungen und Parlamenten, sondern auch vom AdR, in dem die Kommunen bekanntlich die Mehrheit haben.

Neue Herausforderungen für Städteverbände
Damit stehen wir, die kommunale Familie Europas, freilich vor ganz neuen Herausforderungen: Zum einen geht es um das Nutzen der neuen Rechte und Chancen, sobald die EU-Verfassung in Kraft tritt. Zum anderen aber muss es auch gelingen, den in der EU-Verfassung gesetzten neuen Standard auch zum Regelfall des nationalen Rechts in Verfassung, Gesetzgebung und dezentralem Alltag zu machen. Es kann auf die Dauer nicht hingenommen werden, dass der verfassungsrechtliche Schutz der Kommunen vor Regelungswut und Regelungsdichte der EU und vor zentralistischen Vorgaben aus Brüssel nicht gleichermaßen innerhalb der Nationen, also zum Schutz kommunaler Selbstverwaltung gegenüber Regierungshandeln des jeweiligen Staates, gilt. Schon seit der Einsetzung des AdR durch den Vertrag von Maastricht (1992), dem Ergebnis langjähriger Bemühungen des RGRE und dann auch der deutschen Bundesländer als Teilstaaten, ist es befremdlich, dass die Schaffung gleicher Gremien auf nationaler und/oder teilstaatlicher (z. B. Länder-)Ebene bislang verweigert wurde. Die oben genannten Regelungen des Verfassungsentwurfes können die nationalen Regierungen innerhalb ihrer Staaten nicht ernsthaft verweigern, nachdem sie daran mitgewirkt haben, dass der Konvent sie für Brüssel zum Standard gemacht hat.

Neue Schwerpunkte für Europarats-Charta
Für die Arbeit der Kommunen im Europarat wird es demnach eine Herausforderung sein, darüber nachzudenken, wie die Ergebnisse der EU-Verfassung, soweit es die Rolle der Kommunen angeht, zu einer Novellierung oder Ergänzung der Charta von 1985 genutzt werden können. Der Umgang mit bestehenden und von den Staaten ratifizierten Konventionen legt es nahe, dass dies in Form eines Zusatzprotokolls zur Charta der Lokalen Selbstverwaltung versucht werden sollte, mit dem diese um die Regelungen des EU-Verfassungsvertrages ergänzt werden sollten. Durch die Unterzeichnung eines solchen Zusatzprotokolls und dessen Ratifizierung sollten diese guten Ergebnisse auch in den Pflichtenkanon der Nationalstaaten eingebracht werden. Es war positiv festzustellen, dass die meisten Redner der Jubiläumsveranstaltung in Versailles am 16. Januar 2004 diese Anregung aufgegriffen und begrüßt haben. Vor allem die Ankündigung des Präsidenten des KGRE im Europarat, des langjährigen Bürgermeisters von Innsbruck und derzeitigen Landeshauptmanns von Tirol, DDr. Herwig van Staa, er werde diese Anregung auf die Agenda des Kongresses setzen, lässt auf einen baldigen Diskurs hoffen.

Weltcharta
Bleibt anzumerken, dass die Ideen des Appells aus Versailles im Oktober 1953 längst auch Gegenstand der Beratungen in den Vereinten Nationen sind. Die guten Ergebnisse der europäischen Charta des Europarates und die Forderungen der Kommunen des RGRE in Thessaloniki im Mai 1996, die in Istanbul während der Habitat-II–Konferenz der UNO präsentiert wurden, haben zum Entwurf einer „Weltcharta der Lokalen Selbstverwaltung“ geführt, der seither in den Kontinenten der Welt, in allen UNO-Regionen mit über einhundert Nationen diskutiert worden ist. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind in einen überarbeiteten Entwurf der Weltcharta eingeflossen und Gegenstand erster Beratungen der Völkergemeinschaft geworden. Nach anfänglichen Blockaden zeichnet sich ab, dass dieses Ziel mit der Hilfe einer steigenden Zahl von Nationen bzw. deren Regierungen weiter verfolgt werden wird. Der Europarat hat die Weltcharta wiederholt unterstützt. KGRE-Präsident van Staa kündigte in Versailles an, der Kongress werde die 45 Mitgliedsregierungen erneut aufrufen, sich für eine baldige Verabschiedung im Rahmen der UNO einzusetzen, möglicherweise schon im Rahmen des nächsten (3.) Regierungsgipfels des Europarates.

Auch Frankreich ratifiziert Charta
Nach alledem war es keine Überraschung mehr, sondern eher eine „Punktlandung“ zum Jubiläum im Rathaus von Versailles, als der Vertreter der französischen Regierung in seinem Schlussreferat ankündigte, nunmehr werde auch sein Land die schon 1986 unterzeichnete Charta des Europarates innerhalb des ersten Quartals 2004 ratifizieren, nachdem die französische Verfassung durch eine Änderung vom 28. März 2003 nicht mehr nur das Prinzip des Einheitsstaates proklamiere, sondern hinzugefügt worden sei, dass „seine Organisationsform die Dezentralisierung“ sei. Der „Geist von Versailles“, wo übrigens auch diese Verfassungsänderung beschlossen worden war, ist nunmehr der einer starken Dezentralisierung und der Stärkung und Sicherung lokaler Selbstverwaltung im Sinne der 1953 beschworenen „Gemeindefreiheiten“ – in Europa ebenso wie auch weltweit.

OEGZ

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