Marktgerecht planen mit mehr Bürgerbeteiligung

Marktgerecht planen mit mehr Bürgerbeteiligung

Verbessert sich die Akzeptanz des Planungsergebnisses, wenn Investor, Stadt sowie potenzielle Bewohner und Anwohner frühzeitig in die Planung einbezogen werden? Diese Frage stand am Beginn des Modellprojektes „Urbanes Wohnen Jahnplatz“, mit dem die Stadt Osnabrück (156.000 Einwohner, im Nordwesten Deutschlands gelegen) am Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) im Rahmen des vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) initiierten Forschungsfeldes „3stadt2 – Neue Kooperationsformen im Städtebau“ teilnahm1. Der zweijährige innovative Kooperationsprozess wurde vom Institut für Öffentliches Management wissenschaftlich begleitet.

 

Was ist das Besondere am neuen Kooperationsprozess?
In der bisher üblichen Praxis, z. B. bei der Erstellung von Bebauungsplänen, führt die Stadt jeweils bilaterale Verhandlungen mit dem Investor und mit den Anwohnern im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung. Im Unterschied dazu verfolgt das Forschungsfeld „3stadt2“, dessen Name bereits auf die Erweiterung der Kooperationspartner von zwei auf drei hinweist, eine „trilaterale“ Kooperation, die eine frühzeitige und gleichzeitige Einbindung der drei Akteure „Investor“, „Bürger“ (Anwohner/potenzielle Bewohner) und „Stadt“ vorsieht. Die nebenstehende Grafik stellt die beiden Beteiligungsansätze noch einmal gegenüber.
Idee des trilateralen Kooperationsverfahrens ist, dass sich Bürger und Investor gemeinsam mit der Stadt in einem diskursiven Prozess auf die zentralen Nutzungsanforderungen einigen. Die Stadt gibt die städtebaulichen Rahmenbedingungen vor und die Bürger, differenziert in Anwohner und potenzielle Bewohner, haben die Chance, ihre Interessen und Erwartungen mit dem Investor zu diskutieren. Von der frühzeitigen Zusammenführung der Vorstellungen der drei Akteure verspricht man sich eine deutliche Erhöhung der Bedarfsgerechtigkeit der Planung, die mittlerweile im Städtebau den zentralen Erfolgsfaktor darstellt, sowie eine Entschärfung von Interessenkonflikten.

Wie läuft der trilaterale Kooperationsprozess ab?
Der neue trilaterale Kooperationsprozess wurde in Osnabrück im Rahmen der Umwandlung eines bislang durch einen Abfallwirtschaftsbetrieb in Zentrumsnähe genutzten Geländes in ein Wohngebiet erprobt (Flächenrecycling). In insgesamt sieben Workshops in der Zeit von Mai 2002 bis September 2003 auf dem Gelände des ehemaligen Abfallwirtschaftsbetriebes haben sich interessierte Bürger, der Investor und Vertreter der Stadt auf die Leitlinien der künftigen Bebauung geeinigt. Die gesamte Organisation des Kooperationsprozesses wurde vom Fachbereich Städtebau der Stadt Osnabrück übernommen, die wissenschaftliche Begleitforschung erfolgte durch das Institut für Öffentliches Management an der FH Osnabrück.
Neben der klassischen Beteiligung der Anwohnerschaft gelang es über intensive Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch, potenzielle neue Bewohner für den Planungsprozess zu aktivieren. Im Rahmen der moderierten Quartiersversammlungen formulierten die drei Akteursgruppen den Auslobungstext für den im Dezember 2002 durchgeführten Architektenwettbewerb, bei dem auch ein Vertreter der Bürger im Preisgericht vertreten war. Als wichtiger Erfolgsfaktor für den Prozess erwies sich das einstimmige Urteil im Architektenwettbewerb. Der Entwurf wurde nach den anschließenden Diskussionen mit den Anwohnern und den potenziellen Bewohnern bedarfsgerecht weiterentwickelt.

Vermarktung durch den Investor
schon während der Planungsphase

Der Investor wurde über eine Ausschreibung des Grundstücks in lokalen und überregionalen Medien gefunden. Auflage für den Grundstückskauf war die Verpflichtung, den „trilateralen Beteiligungsprozess“ zu unterstützen und einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben. Durch den frühzeitigen Kontakt zu den potenziellen Bewohnern über die Quartiersversammlungen konnte der Investor seine Vermarktung während der Planungsphase beginnen.
Bereits vor Abschluss des B-Plan-Verfahrens hat er den direkten Kontakt zu ca. 170 ernsthaften Interessenten aufgebaut und die Planung auf die Bedürfnisse der Interessenten abgestimmt („interaktive Planung“). Durch dieses Vorgehen konnte der Investor sein wirtschaftliches Risiko stark minimieren, denn zu Beginn der Bauphase im März waren bereits 12 der 15 Wohneinheiten, die im ersten Bauabschnitt realisiert weden sollten, verkauft.

Welche Vorteile und welche Nachteile hat der trilaterale Kooperationsprozess?
Im Rahmen der Begleitforschung wurden Vertreter aller beteiligten Gruppen zu ihrer Einschätzung des neuen Verfahrens befragt, dabei zeigten sich die Interviewpartner aus Politik und Verwaltung sowie der Investor über den konkreten Kooperationsprozess positiv überrascht. Weder wurden von Seiten der Bürger utopische Vorstellungen entwickelt, die bar jeder wirtschaftlichen Realisierungschancen waren, noch entstanden Zeitverzögerungen gegenüber traditionellen Verfahren. Auch die Sorge eines Teiles der Politik, für ein derartiges Verfahren fände sich kein Investor, hat sich nicht bestätigt. Allerdings muss in diesem Zusammenhang auf die außergewöhnlich gute Lage des Objektes hingewiesen werden, die den Ausschlag für die Entscheidung des Investors gab.
Die städtischen Vertreter waren insbesondere durch das große Interesse der Bürger und die konstruktive Zusammenarbeit der Akteure in den Quartiersversammlungen überrascht. Als größten Gewinn des neuen Verfahrens verbuchten sie, dass die Gefahr von Fehlplanungen und aufwendigen Korrekturen durch die frühzeitige Einbeziehung der Nutzerpräferenzen minimiert werden könne.
Die gleichzeitige Beteiligung der Anwohner und potenziellen Bewohner an dem Gestaltungsprozess erwies sich in Bezug auf die Konfliktentschärfung als sehr vorteilhaft. Im Unterschied zu der sonst bekannten Konstellation standen sich hier nicht die Interessen eines Investors und die der Anwohner gegenüber, sondern die Investoreninteressen wurden zum Teil von den potenziellen Bewohnern vertreten.
Damit änderte sich sowohl die Art des Konflikts als auch die Form der Konfliktaustragung. Weitreichende Anwohnerinteressen wie Gemeinschaftsflächen und Anwohnerparkplätze konnten ungleich schwieriger gegenüber den als gleichberechtigt betrachteten Interessen der künftigen Bewohner durchgesetzt werden. Für Verfahren, bei denen sich ein starker Konflikt zwischen Interessen von Anwohnern und potenziellen Bewohnern abzeichnet, birgt das trilaterale Verfahren ein großes Konfliktentschärfungspotenzial.

Mehrkosten in Form von Mehrbelastung
für das Projektmanagement

Als wesentlichen Schwachpunkt bei der bisherigen Durchführung sehen die städtischen Vertreter v. a. die Mehrkosten in Form der Mehrbelastung für das Projektmanagement an. Die Schwierigkeit bei der Einschätzung der tatsächlichen Mehrkosten des neuen Verfahrens besteht darin, inwieweit es gelingt, die Kosten der traditionellen Verfahren und die des trilateralen Verfahrens zu quantifizieren und einander gegenüberzustellen.
Nach anfänglicher Skepsis scheint der Investor in Osnabrück am stärksten von den Vorzügen des trilateralen Verfahrens überzeugt zu sein. Der entscheidende Vorteil liege für ihn nach eigenen Worten darin, dass potenzielle Bewohner ihre Wünsche und Vorstellungen artikulieren könnten. Dadurch verändere sich die Planung nachhaltig. Während im traditionellen Verfahren der Investor nach seinen Vorstellungen plane und anschließend einen Nutzer bzw. Käufer suche, würden diese nun von Anfang an in die Planung integriert, so dass die Vermarktung zeitlich parallel erfolgen könne.
Hier sieht der Investor auch das wesentliche Potenzial in Bezug auf eine Beschleunigung des Prozesses gegenüber traditionellen Verfahren, da die späteren, oft zeitraubenden Einsprüche und Änderungswünsche seitens der Anwohner und möglichen Bewohner entfallen könnten. Als Erfolg verbuchte der Investor auch die städtische Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt, die sich für ihn als „Türöffner“ für die Vermarktung erwies.
Übereinstimmend stellten alle Interviewpartner fest, dass das neue Beteiligungsverfahren nicht generalisierbar sei, sondern auf städtebaulich wichtige Projekte bzw. auf Projekte mit hohem Konfliktpotenzial beschränkt bleiben sollte.
Die Bewertung des trilateralen Prozesses durch die Akteursgruppe „Bürger“ konnte nicht so eindeutig ermittelt werden und stellt sich im Vergleich zu dem Urteil der anderen Akteure auch deutlich kritischer dar. Neben der ausgesprochen regen Teilnahme einer recht großen Gruppe von Bürgern – zwischen 45 und 100 Teilnehmern je Quartiersversammlung – besteht ein weiterer Zufriedenheitsindikator im Ergebnis einer schriftlichen Befragung einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Bürgern (n = 16), die angesichts der geringen Fallzahlen nicht verallgemeinerbar ist.
Diesen Befragungsergebnissen zufolge waren Anwohner wie potenzielle Bewohner zwar mit einzelnen Zwischenergebnissen des Beteiligungsprozesses wie Auslobungstext und Architektenentwurf im Wesentlichen zufrieden, ihre Zufriedenheit mit dem Gesamtprozess kann allerdings nur als mäßig eingestuft werden.
Es kann aber vermutet werden, dass sich an dieser Befragung in erster Linie diejenigen Bürger beteiligt haben, deren Interessen im Prozess nicht hinreichend Berücksichtigung fanden. Die hohe Nachfrage nach den geplanten Wohneinheiten legt den Schluss nahe, dass eine große Anzahl der Bürger mit dem Planungsergebnis sehr zufrieden ist. Eine abschließende Beurteilung der Zufriedenheit der Bewohner und Anwohner kann erst einige Zeit nach Bezug des neuen Wohngebiets erforscht werden, augenblicklich ist es dafür noch zu früh.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann festgehalten werden, dass die identifizierten Vorteile des trilateralen Verfahrens im Fall des Osnabrücker Modellprojektes4 deutlich überwiegen.
Die einzelnen Verfahrensschritte und die Ergebnisse der empirischen Begleitforschung sind vom Institut für Öffentliches Management ausführlich dokumentiert und in dem Buch „Urbanes Wohnen Jahnplatz – Ein Beispiel für innovative Kooperation in der Stadtentwicklung“ veröffentlicht worden.

Fehlende Abbildungen finden Sie in der ÖGZ 6/04.

Fußnoten:
1 Das Forschungsfeld „3stadt2“ wird auf der Internetseite (Stand 17. 2. 2004)
www.bbr.bund.de/exwost/forschungsfelder/ff_index.html. ausführlich dokumentiert.
Vgl. auch Jakubowski, P. (2002): Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung, in: BundesBauBlatt (BBauBl.), Heft 6/2002, S. 16–19, oder derselbe (2001): Stadt-Wandel erfolgreich gestalten (1) – Trilaterale Kooperation zwischen Bürgern, Investoren und Verwaltung, in: Die Wohnungswirtschaft, Oktober 2001, S. 33–36.

2 Hohn, Stefanie; Wortmann, Rolf: Urbanes Wohnen Jahnplatz – Ein Beispiel für innovative Kooperation in der Stadtentwicklung, Osnabrück, 2004, S. 9.

3 Stadt Osnabrück, Foto: Pentermann, Montage: sec agentur.

4 Neben Osnabrück wurden Modellvorhaben in Bielefeld, Bonn, Gelsenkirchen und Bonn im Rahmen des Forschungsfeldes „3stadt2“ durchgeführt.

5 Vgl. Hohn, Stefanie; Wortmann, Rolf: Urbanes Wohnen Jahnplatz – Ein Beispiel für innovative Kooperation in der Stadtentwicklung, Osnabrück, 2004, S. 62.

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