Arbeitskreis III „Verwaltungsreform – leistungsfähige Gemeinden durch kommunale Zusammenarbeit“

Arbeitskreis III „Verwaltungsreform – leistungsfähige Gemeinden durch kommunale Zusammenarbeit“

Unter dem Vorsitz von Bürgermeister Dr. Peter Koits, Wels, wurden verschiedene Formen der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) diskutiert. Mag. Peter Biwald referierte über „Interkommunale Kooperationsmodelle im Überblick“, Dr. Heinz Christen präsentierte „Erfahrungen aus der Schweiz“, Dipl.-Ing. Dr. Werner Heinz stellte „Interkommunale Kooperation in baden-württembergischen Stadtregionen“ vor und Bürgermeister Johann Spatzenegger zeigte gemeinsam mit Ing. Gerold Daxecker anhand des erfolgreichen Modells „Salzburger Seengebiet“ Wege für IKZ in Österreich vor.

 

Kooperationsmodelle in Österreich, Deutschland bzw. der Schweiz
Mag. Peter Biwald, KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung
Leistungsfähige Gemeinden
durch interkommunale Zusammenarbeit – ein Projektbericht

„Das KDZ erstellte für den 54. Österreichischen Städtetag ein Grundlagenpapier1, in dem der Stand der interkommunalen Zusammenarbeit in Österreich wie auch in Deutschland, der Schweiz und im skandinavischen Bereich beleuchtet werden. Der anschließende Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und liefert einen Ausblick zu diesem in Zukunft stark an Bedeutung gewinnenden Thema.
Unter interkommunaler Zusammenarbeit versteht man die gemeinsame Erfüllung von Aufgaben durch zwei oder mehrere Gemeinden, die mindestens zwei Gemeinden dient. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass die Bandbreite der möglichen Kooperationsformen grundsätzlich groß ist, beginnend mit der informellen Kooperation, über privatrechtlich organisierte Formen, Gemeindeverbände sowie institutionalisierte Formen bis hin zu Gemeindezusammenlegungen. Die Zusammenarbeit kann flächendeckend sowohl in den Stadtregionen bzw. Ballungsräumen als auch zwischen den kleinen ländlichen Gemeinden und in den unterschiedlichsten Bereichen der Gemeindeaufgaben, wie im Hoheitsbereich, im Leistungsbereich oder in den Systemleistungen stattfinden.“

Ausgangssituation und Rahmenbedingungen
„Die Ausdünnung der kommunalen Finanzen bei wachsenden Aufgaben bzw. steigender Inanspruchnahme von kommunalen Leistungen bildet eine wichtige Rahmenbedingung. Im Detail zeigen sich dabei folgende Entwicklungen:

- Seit bald zehn Jahren ist eine Verschiebung des Anteils am gesamten Abgabenertrag zugunsten des Bundes zu beobachten – der Anteil der Länder und Gemeinden ist signifikant gesunken.

- In den letzten Jahren wurden vermehrt Aufgaben auf die städtische Ebene übertragen (Bsp. Meldewesen, Passwesen, Fundwesen); aus Sicht des Bürgerservice sind diese äußerst positiv zu beurteilen, eine finanzielle Abgeltung war damit jedoch meist nicht verbunden.

- Mit den aktuellen Steuerreformen 2004 und 2005 wird auch die kommunale Ebene wieder massiv belastet – alleine aus der Reform 2005 ist eine Reduzierung der Ertragsanteile im Ausmaß von mehr als 5% zu erwarten.

- Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Belastungen in zentralen Leistungsfeldern (Kinderbetreuung, Sozialhilfe, Altenpflege und Gesundheitswesen als wichtigste Beispiele) wirken sich die stagnierenden bzw. real sogar rückläufigen Einnahmen nachteilig auf das Investitionsvolumen der kommunalen Ebene und damit die gesamtstaatliche Konjunkturentwicklung aus.

- Während auf der kommunalen Ebene Leistungsumfang und -intensität aufgrund demografischer, gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen weiterhin steigen, zeigt sich auf Bundesebene – beispielsweise im Zollbereich aufgrund der EU-Integration – ein Wegfall von Leistungen.

Verwaltungsreformen haben in den letzten Jahren auf kommunaler Ebene zu Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen geführt. Die Fortschritte wurden im Rahmen des Österreichischen Städtetages 2003 diskutiert2 und im letzten Jahr fortgesetzt. Dies zeigt sich einerseits bei der kontinuierlichen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bei hoher Akzeptanz aus Bürgersicht. So sind trotz wachsender Leistungen in einzelnen Bereichen die Personalaufwendungen auf kommunaler Ebene zwischen 1998 und 2002 real um 1% gesunken3, 4.
Aus der diesjährigen Umfrage5 können zwei maßgebliche Erkenntnisse gewonnen werden.

- An Dominanz haben Schwerpunkte wie Haushaltskonsolidierung, Bürgereinbindung und Personalmanagement gewonnen. Weiters haben die Verbesserung des Bürgerservice sowie eine Optimierung der Verwaltungsstrukturen und -abläufe einen hohen Stellenwert.

- Interkommunale Zusammenarbeit wird von einem Drittel der Städte als sehr wichtig eingeschätzt und liegt damit deutlich über den Werten für Leistungsausgliederungen, Public Private Partnership, Outsourcing und Privatisierung. Österreichs Städte geben somit der IKZ eine höhere Präferenz als der Ausgliederung; dahinter scheint das Ziel zu stehen, wichtige Leistungen der Daseinsvorsorge selbst effizient für die Bürger zu erbringen.“

Diskussion von IKZ im Österreich-Konvent
„Im Österreich-Konvent werden derzeit die künftige Aufgabenverteilung sowie Strukturen im Bundesstaat diskutiert und erarbeitet. Schwerpunkte bilden dabei folgende Themen:

- Die Neuverteilung der Verantwortlichkeiten betrifft die kommunale Ebene insbesondere hinsichtlich des künftigen Verhältnisses zwischen den Bezirksverwaltungsbehörden und den Gemeinden. Eine stärker zentralistische Position möchte sämtliche behördlichen Agenden auf die Bezirksverwaltungsebene konzentrieren und die Bezirkshauptmannschaften als allzuständige Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung (d. h. exklusive Finanzverwaltung) ausbauen. Dem gegenüber steht der stärker dezentrale, bürgerorientierte Ansatz, vermehrt Aufgaben auf die kommunale Ebene zu delegieren.

- Mit dem letztgenannten Ansatz ist natürlich die Frage verbunden, ab welcher Gemeindegröße eine weitere Delegation – aus Sicht der Wirtschaftlichkeit wie auch der Ergebnisqualität, überhaupt vertretbar ist. Damit eng verbunden ist das Thema der interkommunalen Kooperationen, nachdem Strukturbereinigungen in Form von Gemeindezusammenlegungen politisch schwer umsetzbar sind. Im Mittelpunkt stehen dabei neue Formen der Kooperation in Form von Regionalverbänden, die auch bezirks- und landesübergreifend zur Besorgung einzelner oder mehrerer sachlich zusammenhängender Angelegenheiten eingerichtet werden.“

Neu- und Umverteilung kommunaler Mittel im kommenden Finanzausgleich
„Die bevorstehenden Finanzausgleichsverhandlungen haben ebenfalls wichtige kommunale Themen zum Inhalt. So geht es insbesondere um die Neuverteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben zugunsten der kommunalen Ebene. Weiters steht auch die Verteilung zwischen Zentralorten und Umlandgemeinden, Ballungsräumen und ländlichen Gebieten auf Basis der Einwohner oder der Aufgaben zur Diskussion und Entscheidung an.“

Gründe für eine verstärkte Kooperation
„Durch die Heterogenität der kommunalen Landschaft hinsichtlich der Größenklassen wird die Frage nach dem Schaffen größerer Einheiten durch Zusammenlegungen und Kooperationen zu einem wichtigen Thema. Für die Notwendigkeit einer verstärkten Kooperation in Stadtregionen sprechen eine Reihe von Gründen6:

- fragmentierte politisch-administrative Strukturen auf kommunaler Ebene als Folge unterlassener oder unzureichend durchgeführter Gebietsreformen7;

- ein siedlungsstrukturelles Wachstum im Umland von Kernstädten, das infolge unzureichender Steuerungskapazitäten häufig weitgehend unkoordiniert verläuft;

- eine wachsende funktionale Verflechtung zwischen den einzelnen stadtregionalen Teilräumen, die die spezifische Funktionsteilung zwischen Kernstädten (mit den Arbeitsplätzen) und den Umlandgemeinden (mit der Wohnortfunktion) zusehend aufhebt und funktional angleicht, mit dem Ergebnis einer Konkurrenz um die gleichen Funktionen;

- wachsende Diskrepanzen zwischen kleinteiligen politisch-administrativen Strukturen und großräumigen Aufgaben- und Problemstellungen;

- auseinanderklaffende Entwicklung zwischen Kernstädten und Umlandgemeinden in Ballungsräumen in Bezug auf ihre Einnahmen und Ausgaben;

- verstärkte Regionalisierung von Fördermitteln – auf europäischer wie auch nationaler Ebene – und die für den Erhalt dieser Mittel erforderlich werdende Bildung kommunaler Allianzen;

- schlechtere Verhandlungspositionen von einzelnen Kommunen gegenüber externen – zunehmend vernetzten – Akteuren;

- ein sich weiter verschärfender und internationalisierender Wettbewerb der Städte, der verstärkt zu einem Wettbewerb der Regionen wird.

Die Städte und Gemeinden in Österreich stehen derzeit vor einigen Herausforderungen, die vor allem mit der finanziellen Situation, den zunehmenden Aufgaben sowie den verschiedenen Aspekten der Reformen in der öffentlichen Verwaltung zu tun haben. Das Schaffen größerer lokaler Einheiten durch Zusammenlegung und verstärkte Kooperation zwischen Gemeinden wird unter diesen Gesichtspunkten zu einem wichtigen Thema.“

Funktion und Formen der interkommunalen Zusammenarbeit
„Grundsätzlich entscheiden sich die Gemeinden für eine gemeinsame Aufgabenerfüllung aus verschiedenen Gründen. Zu den wichtigsten gehören die ökonomischen (z. B. Kostenoptimierung), organisatorischen (z. B. Erfahrungsaustausch) und rechtlichen (z. B. Regelungen bezüglich der Gründung von Pflichtverbänden) Aspekte sowie die Änderungen im Gemeindeumfeld, Bestrebung nach der Einflussnahme als auch die Bürgerorientierung. Die Entwicklungen der IKZ können durch eine Reihe von Faktoren, wie gesetzliche Vorschriften, finanzielle Anreize und Förderung durch Interessenvertretungen, beeinflusst werden. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Zu den wichtigsten gehören der Wille zur Kooperation bei den Partnern, die sorgfältige Planung (vor allem die klare Festlegung der Ziele und Regeln), das Sorgetragen für die Weiterentwicklung sowie das Schaffen rechtlicher Rahmenbedingungen (s. Übersicht 1).
Die Analyse der Entwicklung der interkommunalen Zusammenarbeit in Österreich zeigt, dass die Bedeutung der IKZ sich generell ständig vergrößert. Die Kooperation zwischen Städten und Gemeinden findet immer mehr Akzeptanz bei der Gemeindeführung, jedoch im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Finnland, Schweden oder die Schweiz ist sie noch wenig verbreitet.“

Stellenwert der IKZ in Österreichs Städten8
„Die meisten österreichischen Gemeinden (beinahe 70% der befragten Gemeinden) arbeiten in den Bereichen Abwasserentsorgung und Abfallentsorgung zusammen, die Kooperationen finden hier meistens im Rahmen von großen Gemeindeverbänden mit mehr als 20 Mitgliedern statt. Zirka die Hälfte der befragten Gemeinden kooperiert in Angelegenheiten wie Standesamt und Staatsbürgerschaftswesen, diese Kooperation erfolgt meistens in kleinen Gemeindeverbänden. Eine überdurchschnittliche Bereitschaft der Zusammenarbeit zeigt sich außerdem in den Bereichen Hauptschulen, musikalischer Unterricht, Sozialhilfe/-beratung, ambulante Dienste sowie ÖPNV, wobei der musikalische Unterricht und Sozialhilfe/-beratung zum überwiegenden Teil in Form einer vertraglichen Vereinbarungen organisiert werden. Die Leitung der IKZ obliegt beinahe bei der Hälfte der Fälle den Bürgermeistern. Die Bereiche der IKZ in Österreich präsentiert die folgende Übersicht 2.
Der Stellenwert der interkommunalen Kooperation wird in Österreich noch eher niedrig eingeschätzt. Abzulesen ist die eindeutige Favorisierung des betrieblichen Bereiches, was sowohl die derzeitige und zukünftige Situation als auch die bisherigen Erfahrungen betrifft. Generell sind die gemachten Erfahrungen mit der IKZ in Österreich positiv. Aus Sicht der Städte wird die Bedeutung der interkommunalen Zusammenarbeit künftig stark wachsen, was sich auch mit der Wichtigkeit unter den Reformschwerpunkten (siehe Übersicht 3) deckt.
Lediglich die Hälfte der befragten Gemeinden plant die Gründung einer zusätzlichen interkommunalen Zusammenarbeit zumindest in einem ihrer Aufgabenbereiche in den nächsten Jahren. Nur etwa 16% der befragten Gemeinden planen irgendwelche Änderungen in den bestehenden Kooperationen. Als zusätzliche Bereiche für die IKZ zeigen sich die Straßenreinigung, die Winterdienste, die Straßeninstandhaltung, die Kinder- und Schulbetreuung und der musikalische Unterricht. Zunehmender Bedarf besteht ebenfalls bei den Systemleistungen.
Die bestehenden interkommunalen Zusammenarbeiten werden großteils aus mehreren Quellen finanziert. Es ist anzumerken, dass die Finanzierung der IKZ eine wesentliche Hürde bei der Implementierung darstellt (Übersicht 4).
Zusammenfassend kann man sagen, dass die interkommunale Zusammenarbeit in Österreich zwar sowohl in den Ballungsräumen als auch zwischen den kleinen Gemeinden stattfindet, sie scheint aber überwiegend nur auf der Ebene kleiner und mittlerer Gemeinden größere Anwendung zu finden.“

Steigende Bedeutung von IKZ
„Von der zunehmenden Bedeutung der interkommunalen Zusammenarbeit in Österreich ist auszugehen; die steigende Notwendigkeit engerer Kooperationen ist objektiv vorhanden. Eine Herausforderung bildet die Verbreitung der IKZ in den Stadt-Umland-Gebieten und die Förderung neuer Kooperationsformen. Für eine Entwicklung der IKZ sind jedoch eine bessere rechtliche Grundlage und die Sicherung von finanziellen Anreizen von großer Bedeutung. Es gilt auch die Bewusstseinsbildung zu forcieren, indem man vor allem die Vorteile und Chancen, aber auch die Risken der IKZ präsentiert.“

Internationale Analyse
„Die interkommunale Zusammenarbeit ist in allen untersuchten Ländern Deutschland, Finnland, Österreich, Schweden und der Schweiz verbreitet; sie wird aber mit verschiedener Intensität und in verschiedenen Formen praktiziert. Nach der Analyse der Situation und den Entwicklungsperspektiven für die interkommunale Kooperation9 kristallisiert sich folgendes Bild.“

Vorteile von IKZ
„Zu den wichtigsten Stärken der IKZ gehören vor allem die vorhandenen, teilweise langjährigen und positiven Erfahrungen, die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft der Gemeinden und die Unterstützung seitens der anderen Akteure im öffentlichen Sektor sowie die Minimierung von Konflikten zwischen Gemeinden, die mit der gemeinsamen Aufgabenerfüllung verbunden ist. IKZ garantiert auch die gemeinsame ökonomische Entwicklung der Region, die auf der effektiven Verwendung vorhandener Ressourcen basiert. Außerdem befähigt die Kooperation die Gemeinden zur professionellen Erfüllung ihrer Aufgaben, führt zur Qualitätssteigerung und ermöglicht die Organisation der Leistungen mit dem Fokus auf den Bürgern.“

Nachteile von IKZ
„Die Schwächen der interkommunalen Zusammenarbeit sind vor allem mit der kurzfristigen Unterstützung der Politik, der Angst der politischen Mandatare, Kompetenzen abgeben zu müssen, sowie der Angst der Demokratie- und Eigenständigkeitsverluste verbunden. Die IKZ wird auch manchmal als ein kompliziertes System mit mehreren Akteuren, das wenig transparent ist und deswegen den Ansätzen des Good Governance nicht entspricht, gesehen. Dieses System resultiert in schwieriger Überwachung und Koordination, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Generell fehlen auch die breite Diskussion über die Kooperation bzw. über ihre Vorteile zwischen den Gemeinden und eine echte Kultur der Kooperation.“

Chancen und Risken von IKZ
„Chancen für die interkommunale Zusammenarbeit werden in der Entwicklung der überörtlichen Perspektive bei den Gemeinden, vor allem der Überwindung des starren Denkens, in der Bildung weiterer regionaler Kooperationen bzw. Zusammenschlüsse und der Intensivierung der bestehenden Kooperationen gesehen. Durch die IKZ haben die Gemeinden eine Chance, sich immer rasch an die Erfordernisse eines immer größer werdenden Europas anzupassen und einen festen Platz einzunehmen – ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Nach der EU-Erweiterung kann interkommunale Zusammenarbeit sogar über die Grenze getragen werden.
Die größten Risken bestehen in dem Verpassen der Chance wegen Regelungen, Vorgaben und Hürden bei der praktischen Anwendung und dem Fortbestehen der Abhängigkeit interkommunaler Zusammenarbeit von verschiedenen formellen Rahmenbedingungen. Außerdem kann das Scheitern einiger Kooperationen zur Zurückhaltung anderer Gemeinden und zur Zentralisierung führen. Einen unsicheren Faktor stellt die Globalisierung dar, die immer mehr private Anbieter auf dem Markt mit sich bringt. Sonst könnten diverse Förderregelungen Einsparungen durch IKZ kompensieren, was punktuell nicht zur IKZ animieren würde.“

Entwicklungsperspektiven
a) Gesamteinschätzung des Status
„Derzeit sind in Österreich interkommunale Kooperationen primär in traditionellen Bereichen anzutreffen. Dies sind im Bereich der Hoheitsverwaltung die Standesämter und Staatsbürgerschaftsverbände sowie im Bereich der Leistungsverwaltung die Abfall-, Abwasser- und Wasserverbände. Im Vergleich zu ausgewählten europäischen Ländern, wie Deutschland, Schweiz und Frankreich, scheint die interkommunale Zusammenarbeit in Österreich noch geringere Bedeutung zu haben. Vorzufinden ist sie stark in Pflichtbereichen (Stichwort: Pflichtverbände), tendenziell sind Kooperationen stärker zwischen Kleingemeinden anzutreffen, in Stadt-Umland-Regionen hat sie kleinere Bedeutung, die Chancen und der Nutzen scheinen hier noch zu wenig gesehen zu werden. In den letzten 10 Jahren haben allerdings Regionalverbände stark zugenommen und sind in einigen Bundesländern (z. B. Oberösterreich, aber auch Salzburg) flächendeckend existent. Der Schwerpunkt dieser Verbände liegt insbesondere in einer gemeinsamen Kooperation der Region im Interesse der Mitgliedergemeinden sowie in einer gemeinsamen, koordinierten Wirtschaftsentwicklung.
Von einer wachsenden Bedeutung interkommunaler Kooperation ist künftig auszugehen. Die zunehmende Komplexität im Verwaltungsbereich und der Kostendruck werden die Gemeinden künftig verstärkt zu Gemeindekooperationen bewegen. Auch die Gemeinden erkennen immer mehr, dass vernünftige interkommunale Zusammenarbeit Ressourcen spart und ökonomisch sinnvoll ist. Es ist aber noch notwendig, verstärkt mit Fördermitteln einen Anreiz zur interkommunalen Zusammenarbeit zu geben. Durch die Landesförderungen sollen Gemeinden animiert werden, sich diesem Thema verstärkt zu widmen und neue Gemeindekooperationen entstehen zu lassen. Gemeindezusammenlegungen gehören auch zum Spektrum der interkommunalen Zusammenarbeit, weshalb sie kein Tabuthema sein sollten, sondern als eine Form einer nachhaltigen Zusammenarbeit gesehen werden sollen.“

b) Notwendigkeit der stärkeren Kooperation
„Die Notwendigkeit zur stärkeren Zusammenarbeit ist objektiv gegeben. Kleinteilige Strukturen, die Entwicklung auf regionaler und kommunaler Ebene, knapper werdende Finanzen sowie freie Kapazitäten in einigen Bereichen (z. B. Kinderbetreuungsplätze) erfordern künftig das Bilden von größeren Einheiten, sei es in Form von Kooperationen oder Gemeindezusammenlegungen.
Dies ist eine Voraussetzung, um künftig das siedlungsstrukturelle Wachstum im Umland von Kernstädten besser koordinieren zu können, vorhandene Funktionen und Kompetenzen besser nutzen zu können, den Aufgaben- und Problemstellungen (die oft ganze Regionen betreffen und nicht innerhalb einer Gemeinde nicht oder nicht ausreichend gelöst werden können) entsprechende Lösungen zu entwickeln, die Finanzen bündeln zu können sowie im Förder- und Entwicklungswettbewerb gestärkt auftreten zu können. Schließlich sind mit verstärkter Zusammenarbeit im Verwaltungs- und Infrastrukturbereich auch Effizienzsteigerungen möglich, die schließlich den finanziellen Handlungsspielraum erhöhen.“

c) Mögliche weitere Kooperationsfelder
„Der österreichische Status zeigt, dass erst in einigen Bereichen eine interkommunale Zusammenarbeit als ausgebaut betrachtet werden kann. In vielen anderen Bereichen bestehen noch Potentiale, die anschließend kurz dargestellt werden:

- Kooperationen im Feld der Raumplanung und Raumordnung können zu einer Reduktion kommunalen Wettbewerbs um Betriebsansiedlungsflächen wie auch Wohnbaugebiete führen und der Zersiedlung und der damit verbundenen Entwicklung Einhalt gebieten;

- Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Dienste von der ambulanten bis zur stationären Altenpflege;

- verstärkte Kooperation im Bereich der Pflichtschulen wie auch Erwachsenenbildung;

- gemeinsame Errichtung und Betrieb von Freizeiteinrichtungen (Bäder, Sporthallen, Veranstaltungszentren usw.);

- Kooperation im Bereich der Gemeindeverwaltung (punktuelle Verwaltungsaufgaben: Bauverwaltung, Abgaben- und Gebührenwesen, Lohnverrechnung, Buchhaltung, Rechtsberatung usw.) – insbesondere für die kleineren Gemeinden, wobei die Städte dabei ihre Kompetenzen und Kapazitäten einbringen können;

- im Bereich der Gemeindebauhöfe – von der gemeinsamen Fuhrparknutzung über die maschinelle Straßenreinigung bis zur Grünflächenpflege und Straßeninstandhaltung;

- im Bereich der Kultur – vom gemeinsamen Betrieb von Kulturzentren bis zur Abstimmung der Programme.“

d) Erfordernisse für einen Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit
„Für einen Ausbau der IKZ nützlich ist eine bessere gesicherte rechtliche Grundlage (etwa Honorieren von Gemeindeverbänden in FAG) sowie eine Intensivierung der Aufklärung zu Vorteilen, Nachteilen, Chancen, Risken, Forcierung der Bewusstseinsbildung. Mit diesem Punkt verbunden ist der Bedarf, die politischen Entscheidungsträger über Vorteile und Nutzen noch besser zu überzeugen. Dies trifft auch auf die Gemeindeverwaltungen selbst zu. Förderlich dafür ist eine Akzeptanz der interkommunalen Zusammenarbeit bei den Interessenvertretungen (Österreichischer Städtebund und Österreichischer Gemeindebund) sowie eine finanzielle Absicherung von Kooperationen z. B. durch Förderungen von Bund und Land.
Bisherige Regelungen über IKZ in den Gemeindegesetzen sollten zur künftigen Erleichterung überarbeitet bzw. neue, den Anforderungen angepasste festgelegt werden.“

e) Notwendige Rahmenbedingungen
„Für die zukünftige Entwicklung ist insbesondere auf eine stärkere Bezugnahme auf die Gemeindeverbände im FAG und weitere und intensive Bewusstseinsbildung und Informationsweitergabe durch Interessenvertretungen (Gemeindevertreterverbände, Städte- und Gemeindebund) zu achten. Fördermöglichkeiten von IKZ durch die Länder und den Bund sind auszubauen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind ebenso wie die Förderstrukturen anzupassen.
Die Einsicht bei den politischen Entscheidungsträgern, dass Gemeindezusammenarbeit Vorteile für die beteiligten Gemeinden bringt, ist zu fördern, das Freiwilligkeitsprinzip sollte im Vordergrund stehen, wobei aus Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung auch eine verordnete Kooperation nicht ausgeschlossen werden soll.“

Konsequenzen für Österreichs Städte
„Insbesondere in den Stadtregionen bedarf es eines institutionalisierten Aufbaus von Kooperationen zwischen den Kernstädten und den Umlandgemeinden. Die Zusammenarbeit sollte sich sowohl auf die Planung und Entwicklung in der Region, den Infrastrukturbereich sowie die kommunale Leistungserbringung erstrecken.
Grundsätzlich kann dies durch Kooperationen einzelner Gemeinden wie auch durch Gemeindezusammenlegungen erfolgen.“

Voraussetzungen für die Verbesserung von IKZ
„Für die Förderung und Stärkung interkommunaler Zusammenarbeit sind folgende Entwicklungen von Bedeutung:

a) Bereitschaft bei den Städten stärken
Der Österreichische Städtebund empfiehlt seinen Mitgliedstädten, interkommunale Kooperationen einzugehen und auszubauen. Dafür werden Grundlagen aufgearbeitet, Best-Practice-Modelle ausgewertet und kommuniziert sowie Leitfäden für die Umsetzung in der eigenen Praxis erstellt. Das vorliegende Papier ist der erste Schritt, weitere müssen folgen.

b) Gesetzliche Grundlagen anpassen
Auf rechtlicher Ebene ist die Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit auszubauen. Dies erfordert einerseits die Bildung von multifunktionalen Gemeindeverbänden (wie auch anderen Organisationsformen), die auch über die Bezirks- und Landesgrenzen hinausgehen. Ein passender Ansatz wären so genannte Regionalverbände, die für frei definierbare Regionen (sprich Zusammenschlüsse) das bzw. die gemeinsam zu erledigende(n) Leistungsbündel festlegen können.

c) Finanzierung beachten und fördern
IKZ-Pilotprojekte sollten künftig verstärkt gefördert werden. Kooperationen sollten auch beim Finanzausgleich berücksichtigt werden, wobei dies insbesondere für flächendeckende bzw. weitgehende Ansätze erfolgen sollte. Parameter dafür sind beispielsweise die gemeinsame Bevölkerungszahl, das mit der Kooperation verbundene Optimierungsvolumen und ähnliche Größen.
Diese drei Schwerpunkte sollen die Basis für den IKZ-Ausbau bilden, Leitfäden können dabei unterstützen. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass künftig interkommunale Kooperationen auch im operativen Bereich grenzüberschreitend sein können.“

Erfahrungen aus der Schweiz
Dr. Heinz Christen, Präsident des Schweizerischen Städteverbandes
„Ich freue mich, zu Ihrem Thema ‚Kommunale Zusammenarbeit‘ einige Erfahrungen aus der Schweiz, und zwar aus der hier benachbarten Stadt St. Gallen, deren Bürgermeister ich bin, einbringen zu können. Wenn ich mir die gestrige Eröffnungsveranstaltung wieder in Erinnerung rufe – mit durchaus ähnlicher Problemstellung, Stichwort ‚Finanzknappheit‘, aber mit teilweise anderer Ausgangslage, Stichworte ‚ausgeprägte Gemeindeautonomie in der Schweiz‘ und vor allem ‚direkte Demokratie‘ mit allen Vor- und Nachteilen.“

Situation in der Schweiz
„In der Schweiz arbeiten Gemeinden in verschiedenen Aufgabenbereichen zum Teil schon seit Jahrzehnten intensiv zusammen. Allerdings ist die Kooperation weitgehend beschränkt auf einzelne Sachgebiete, und dies überwiegend dort, wo es sich um traditionelle Aufgabenerfüllungen handelt. Zusammenarbeitsmodelle sind deshalb häufig in jenen Sektoren verbreitet, wo sich eine Aufgabe klar definieren lässt, zum Beispiel in den Bereichen Ver- und Entsorgung.
Das öffentliche und vor allem das private Recht stellen für die Zusammenarbeit verschiedene rechtliche Instrumentarien zur Verfügung: bilaterale und multilaterale Verträge in öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Ausgestaltung, die privatrechtlichen Formen des Vereins, der Genossenschaft, der Aktiengesellschaft, der Stiftung sowie des öffentlich-rechtlich geregelten Gemeinde- und schließlich des Zweckverbandes.
Durch Vereinbarungen geregelt ist häufig die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Gemeinde auf die andere. Das ist etwa der Fall bei der Übernahme von Feuerwehraufgaben oder von Zivilstandsaufgaben für eine oder mehrere Gemeinden. Die Zusammenarbeit im letztgenannten Bereich, im Zivilstandsbereich, hat sich allerdings nicht primär aus verwaltungsökonomischen Überlegungen ergeben und ist auch nicht ganz freiwillig geschehen, sondern auf Grund von Vorgaben des Bundesrechts: Aus Gründen der Professionalität muss nach unserem Bundesrecht in einem Zivilstandsamt ein minimaler Beschäftigungsgrad von 40 Prozent erreicht werden.“

Verankerung des Zweckverbandes im Landesrecht
„Als eigentliches Instrument für die gemeinsame Erfüllung von Gemeindeaufgaben sieht das st. gallische Landesrecht den Zweckverband vor. Dieser erwies sich aber in der Praxis für eine kommunale Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinaus – Kantone heißen bei uns die 26 Gliedstaaten, die bei Ihnen Länder heißen – als wenig geeignet.“

Zusammenarbeit in privatrechtlicher Form
„In zahlreichen Fällen erfolgt deshalb die gemeinsame Aufgabenerfüllung in den wesentlich flexibleren Formen des Privatrechts.
Einige Beispiele interkommunaler Zusammenarbeit in privatrechtlicher Form, an der meine Stadt, die Stadt St. Gallen, beteiligt ist:
30 Gemeinden unserer Region haben sich in Vereinsform zur Regionalplanung zusammengeschlossen.
Die Verwaltungsrechenzentrum St. Gallen AG bedient über 200 kommunale und kantonale Verwaltungen verschiedenster Kantone mit Informatik, also mit EDV-Dienstleistungen. 127 dieser über 200 Kunden sind zugleich ausschließliche Eigentümer dieser Gesellschaft, also keine private Beteiligung, rein kommunal-kantonale Beteiligung.
Ein weiteres Beispiel: Die Kraftwerke SN Energie AG im Eigentum von sieben Gemeinden, darunter die Stadt St. Gallen, aus vier verschiedenen Ländern, aus vier verschiedenen Kantonen betreiben Wasserkraftwerke, verfügen über Übertragungsleitungen und stellen die Elektrizitätsversorgung ihrer sieben Eigentümer sicher.
Für die Gewinnung von Trinkwasser aus dem Bodensee und für die Sicherstellung der Wasserversorgung in der größeren Region St. Gallen ist von den interessierten Gemeinden gleichfalls eine Aktiengesellschaft, die Regionale Wasserversorgungs AG, gegründet worden.“

Vor- und Nachteile
„Der Vorteil interkommunaler Zusammenarbeit in der Form des privaten Rechts liegt in der größeren Beweglichkeit und in der Möglichkeit, die Zusammenarbeit problemlos auch auf Kommunen anderer Länder, anderer Kantone auszudehnen. Nachteile sind die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und die Einschränkung – was bei uns besonders ins Gewicht fällt – der direktdemokratischen Mitsprache. Das Demokratiedefizit haftet bereits dem Zweckverband an, es gilt in noch vermehrtem Maße für die Aufgabenerfüllung in den Formen des Privatrechts.“

Gemeindeverbände in der Schweiz
„Das st. gallische Recht kennt deshalb ein weiteres Instrument, das offensichtlich auch bei Ihnen, wie ich gehört habe, bekannt ist, den Gemeindeverband. Dieser mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Zusammenschluss von Gemeinden wäre – wäre! – zur Erfüllung mehrerer Gemeindeaufgaben bestimmt. Er nennt die Bürgerschaft der beteiligten Gemeinden als oberstes Organ. Das vor über 20 Jahren mit dem Gemeindegesetz geschaffene Institut ist aber bis heute toter Buchstabe geblieben. Dies nicht zuletzt deshalb, weil das kantonale Recht, also das Landesrecht, nur Gemeinden des eigenen Kantons die Mitgliedschaft erlaubt und die Zusammenarbeit mit dem Kanton, mit Privaten oder eben mit Gemeinden anderer Kantone wiederum durch Vereinbarungen sichergestellt werden müsste. Das hat eine erhebliche Komplizierung der Willensbildung zur Folge.“

Verstärkung der Zusammenarbeit
„Das starke Wachstum der Agglomerationen in den letzten Jahrzehnten und, damit verbunden, die Zunahme gemeindeübergreifender Probleme hat in den letzten Jahren zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit über die kommunalen Grenzen hinaus geführt. Nicht geändert hat sich dabei bislang die Fokussierung auf spezifische, auf einzelne Aufgabenstellungen. Nach wie vor sind Zusammenarbeitsmodelle, die mehrere Themen zum Gegenstand haben, selten.
Politikbereichsübergreifende Zusammenarbeitsgremien, wie in gewissem Sinne der bereits erwähnte Regionalplanungsverband, haben bis heute den Nachteil, dass sie, weil sie privatrechtlich konstituiert sind, kaum über Entscheidungskompetenzen verfügen. Reformen der institutionellen Strukturen wären eine Möglichkeit, gemeindeübergreifende Probleme zu lösen, vorhandene Kräfte zweckmäßig zu bündeln. In unserer schweizerischen Reformdiskussion werden dabei zwei Stoßrichtungen diskutiert.“

Kaum Gemeindefusionen in der Schweiz
„Die eine Richtung zielt auf die Zusammenlegung von Gemeinden, auf Gemeindefusionen. In der Schweiz bestehen gegen 3.000 Gemeinden, also mehr als in Österreich, obwohl wir bevölkerungsmäßig kleiner sind und obwohl wir keine Stadt in der Größenordnung Ihrer Hauptstadt haben. Das zeigt, wir müssen sehr viele Kleinstgemeinden haben mit wenigen Dutzend oder wenigen Hundert Einwohnern. Die Mittelknappheit und die Personalnot – es wird zunehmend schwieriger, qualifizierte Personen für die Gemeindeorgane, also für die Ehrenämter, zu finden –, beide diese Gründe sprechen für Gemeindezusammenlegungen. Dem stehen aber die bei uns tief verwurzelte Gemeindeautonomie und vor allem die weitgehende Finanzautonomie unserer Gemeinden entgegen. Die Befugnis der Gemeinden, die Höhe ihrer Abgaben selber zu bestimmen, führt zu unterschiedlichen Steuerbelastungen selbst in Nachbargemeinden. Weil aber gemäß schweizerischem Recht die Gemeinden, und zwar die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden, autonom über Fusionen entscheiden können, weil es also nicht möglich ist, dass das vom Land oder vom Bund dekretiert wird, wird sich in steuergünstigen Gemeinden kaum eine Mehrheit der Bürgerschaft für einen Zusammenschluss mit dem stärker belasteten Nachbarn finden. Nicht zuletzt aus diesem Grund bilden Gemeindezusammenlegungen in der Schweiz zur Zeit noch eine Ausnahme.
Einer Ihnen vielleicht bekannten Gemeinde in der Sonnenstube Tessin, nämlich der Stadt Lugano, ist es in den letzten zwei Jahren gelungen, insgesamt zehn Umlandgemeinden zu integrieren. Also die zehn Gemeinden haben dem mit Bürgerschaftsbeschluss zugestimmt, sodass Lugano jetzt in der Zwischenzeit mit etwa 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die neuntgrößte Stadt der Schweiz geworden ist.“

Regions- oder Agglomerationskörperschaft in Diskussion
„Ein zweiter Lösungsansatz, der bei uns diskutiert wird, ließe die Gemeinden zwar grundsätzlich bestehen, also keine Fusion, keine Zusammenlegung, einzelne ihrer angestammten Aufgaben würden aber in einer Regions- oder Agglomerationskörperschaft erledigt. Diese vierte staatsrechtliche Ebene – neben Bund, Kantonen, Kommunen – würde nicht nur die Abläufe zusätzlich komplizieren, ihr stehen vor allem sowohl die Gemeinden wie auch die Länder, die Kantone, skeptisch gegenüber, weil sie einen Bedeutungs- und Machtverlust zu Gunsten des neuen Gebildes befürchten.
Ein weiteres Problem bei der Schaffung bereichsübergreifender Strukturen ist schließlich der Umstand, dass die Bildung einheitlicher Organisationen nicht allen Aufgaben gerecht werden kann. Das Einzugsgebiet zum Beispiel einer Wasserversorgung umfasst möglicherweise ganz andere Gemeinden als die Verkehrsregion. Wiederum anders gezogen werden muss der Perimeter für die Abfallbeseitigung. Das macht es dann eben schwierig, solche regionalen Institutionen zu schaffen.“

„Städte- und Gemeindeartikel“ in der neuen Schweizer Bundesverfassung 2000
„Auch auf Bundesebene, also im Zentralstaat, ist die Gemeindezusammenarbeit ein Thema geworden. Dank intensiver Lobbyarbeit der Kommunalverbände – wir haben auch, wie Sie, zwei Kommunalverbände – ist es gelungen, in die neue Bundesverfassung im Jahre 2000 einen so genannten Städte- und Gemeindeartikel aufzunehmen. Diese Bestimmung verpflichtet den Bund, auf die Gemeinden Rücksicht zu nehmen und seine besondere Aufmerksamkeit den Städten und Agglomerationen zu schenken. Man ist damit vom jahrzehntelangen Bild, Problemregionen sind nur die Berg- oder Alpenregionen, weggekommen und hat erstmals festgestellt in unserer Bundespolitik, auch in den Städten gibt es wirkliche, richtige, große Probleme.“

Bericht über Agglomerationspolitik
„Im Dezember 2001 hat unsere Regierung – sie heißt bei uns Bundesrat – ihren Bericht über die Agglomerationspolitik des Bundes veröffentlicht. Der Bundesrat schlägt eine Reihe von Maßnahmen in einzelnen Sektoralpolitiken vor, die zur nachhaltigen Entwicklung des urbanen Raumes der Schweiz beitragen sollen. Zur Strategie des Bundes gehört auch die Verstärkung der Zusammenarbeit in vertikaler wie in horizontaler Hinsicht. Der Bund will schließlich Anreize schaffen für eine verbesserte Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Agglomerationen. Erfolgversprechend dürfte der Weg über die Entwicklung von modellhaften Zusammenarbeitsprojekten sein, wie sie in verschiedenen Regionen derzeit realisiert oder, sagen wir mal vorsichtiger, angegangen werden und teilweise auch vom Bund finanziell unterstützt werden. Sie dürften auch einer künftigen Agglomerationspolitik Konturen geben.“

Projekt in der Teilregion St. Gallen-West
„Eines dieser Projekte ist, ausgelöst nicht zuletzt durch das Vorhaben, ein neues Fußballstadion mit Einkaufszentren zu bauen, das Agglomerationsprogramm der Teilregion St. Gallen-West, die von einer wenig koordinierten Siedlungsentwicklung mit verkehrsintensiven Nutzungen – Freizeitzentren, Einkaufszentren – geprägt ist. Beteiligt sind an diesem Projekt die Stadt St. Gallen und drei Nachbargemeinden sowie zwei Kantone, der Kanton St. Gallen, also unser eigener Kanton, und der Kanton Appenzell Ausserrhoden, der vor den Toren unserer Stadt beginnt. Ziel ist die Sicherstellung einer integrierten Siedlungs- und Verkehrsplanung in jenem Gebiet. Darüber hinaus hat aber dieses Agglomerationsprogramm auch zu einer vertieften und institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen den vier beteiligten Gemeinden geführt: Man trifft sich regelmäßig vierteljährlich und bildet sich auch Meinungen über das konkrete Agglomerationsprojekt hinaus.“

„Tripartite Agglomerationspolitik“
„Das ist der eine Ansatz auf Bundesebene. Es gibt noch einen zweiten unter dem Titel ‚Tripartite Agglomerationskonferenz‘. Ebenfalls gestützt auf den neuen Städte- und Gemeindeartikel in der Bundesverfassung sowie dank der Lobbyarbeit des Städteverbandes wurde vor drei Jahren auf nationaler Ebene die ‚Tripartite Agglomerationskonferenz‘ gegründet. Diese Konferenz behandelt auf politischer Ebene Fragen der Zusammenarbeit in den Agglomerationen sowie sämtliche Bereiche der Bundespolitik, welche auf die Städte und Agglomerationen Einfluss haben oder Einfluss haben können. Vertreten sind der Bundesrat, also unsere Bundesregierung, die Regierungen der Bundesländer, der Kantone, sowie die beiden Verbände, der Schweizerische Städteverband und der Schweizerische Gemeindeverband. Noch im Juni dieses Jahres wird diese Konferenz einen Bericht diskutieren, welcher Empfehlungen an Bund, Kantone, Städte und Gemeinden für die künftige Zusammenarbeit in den Agglomerationen enthält. Er sieht eine schrittweise Verstärkung der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit durch Schaffung freiwilliger institutionalisierter Plattformen vor, die letztlich in verbindliche Zusammenarbeitsstrukturen münden sollen. Kern des vorgeschlagenen Strukturmodells ist die Bildung einer Agglomerationsexekutive aus den gewählten Stadt- und Gemeindepräsidenten, welche verbindliche Beschlüsse in strategischen Fragen fällen kann.
Die demokratische Abstützung – bei uns immer besonders wichtig – soll durch ein Initiativ- und Referendumsrecht der Stimmberechtigten der Agglomeration, also die Möglichkeit der Stimmberechtigten, Vorschläge einzubringen, aber auch die Möglichkeit – das ist das Referendumsrecht –, gegen Beschlüsse dieser Exekutive Verwahrung einzulegen und die zur Abstimmung zu bringen, erfolgen. Da ist vorgesehen, dass diese beiden direktdemokratischen Rechte den Stimmberechtigten der gesamten Agglomeration zustehen sollen. Also Abstimmungen erfolgen nicht mehr gemeindeweise, sondern im Perimeter der Agglomeration. Diese hat aber andererseits in diesem Modell keine Steuerhoheit, also keine vierte Ebene. Die Kostenteilung bedarf einer Regelung im übergeordneten, im kantonalen Recht, also im Landesrecht. Auch in diesem noch theoretischen Modell werden sich mit Sicherheit Schwierigkeiten dann ergeben, wenn der Perimeter der Agglomeration mehrere Länder, mehrere Kantone umfasst, was bei den kleinräumigen Verhältnissen in der Schweiz – 26 Kantone, um das nochmals zu sagen – relativ schnell der Fall ist.“

„Agglomerationsgesetz“ im Kanton Freiburg
„Ein weiteres Modell gemeindeübergreifender Zusammenarbeit besteht in einem ‚Bundesland‘, im Kanton Freiburg: Der Kanton, respektive das ‚Bundesland‘ Freiburg, hat als Erstes ein so genanntes Agglomerationsgesetz geschaffen. Für die Agglomeration werden Legislative, also Parlament, und Exekutive eingesetzt, damit die anstehenden gemeinsamen Probleme gemeindeübergreifend gelöst werden können. Diese Agglomerationsregelung wird im Jahre 2005, also nächstes Jahr, in einer Volksabstimmung – auch hier direkte Demokratie – vom Volk, von der Bürgerschaft, noch abgesegnet werden müssen. Allerdings verfügt auch diese Agglomeration Freiburg zumindest vorläufig über keine direkten Steuereinnahmen, nähert sich aber im Übrigen sehr stark der so genannten vierten staatsrechtlichen Ebene, also einer zusätzlichen Ebene zwischen Gemeinden und Ländern.“

„Keine Patentrezepte“ in der Schweiz
„Sie sehen, wir können auch aus schweizerischer Sicht leider keine Patentrezepte anbieten. Es gibt keine pfannenfertigen Lösungen. Die Umsetzung vorerst noch reichlich theoretischer Modelle bedarf Zeit und vor allem eines gerüttelten Maßes an Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politik. Und das, nehme ich an, ist auch Zweck Ihrer heutigen Tagung zu diesem Thema.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Diskussion zu Arbeitskreis III
Frage: Stadtrat Franz Semtner, Schwechat
„Um die Innenstadtkaufleute in der Konkurrenz zu den Einkaufszentren zu unterstützen, wurde der Wunsch nach Stadtmarketing erhoben.
Gibt es Erfahrungen betreffend Mitarbeiter oder Supportleistungen in dieser Hinsicht? Inwiefern funktionieren solche Modelle? Eine Stadt beschäftigt einen Marketier, und andere beteiligen sich an den Kosten. Gibt es solche Modelle, die auch funktionieren?“

Antwort: Mag. Peter Biwald
„Es ist zu beobachten, wenn Kooperationen durchgeführt werden, dass das eher gleich große oder ähnlich große Gemeinden sind. Bei Größendifferenzen schwingen gewisse Ängste, dass jemand dabei Autonomie verliert und dass dieser Verlust der Autonomie größer ist als der finanzielle Nutzen.
Wobei ich auch hier einen Ansatz aus dem Public Management anführen und eine Antwort geben möchte. Man hat natürlich bei solchen Kooperationen unterschiedlich großer Partner auch die Möglichkeit, Vereinbarungen abzuschließen. Das ist dann wie ein Zukauf. Bei jedem Zukauf mache ich eine Vereinbarung über die Leistungen und die Qualität.
Was ist das Ziel? Wenn Sie eine Kapazität im Stadtmarketing haben wollen, wo Sie wissen, dass Sie die nicht vollständig auslasten können, weshalb Sie diese Kapazität mit einer anderen Gemeinde teilen wollen, oder ist das Ziel, eine abgestimmte regionale Entwicklung zu betreiben.
Wenn das Zweitere das Ziel ist, dann gibt es sicherlich die Möglichkeit, über Regionalverbände, über Regionalmanagementverbände solche Institutionen zu schaffen und gemeinsam für die Region und auch für die gemeinsame Entwicklung der Region zu nutzen.“

Frage: Hans-Joachim Hilbertz, Vorstand der KGSt, Köln
„Mein Name ist Hans-Joachim Hilbertz. Ich bin Vorstand der KGSt. Das ist ein Verband, ähnlich wie KDZ in Österreich, mit über 1.600 Städten und Gemeinden Deutschlands.
Die Probleme liegen darin: Steht das Spitzenmanagement überhaupt bedingungslos hinter interkommunaler Zusammenarbeit – was sozusagen ein K.-o.-Kriterium wäre –, werden Politik, Personal und die Öffentlichkeit positiv mit eingebunden? Und ganz entscheidend ist, weil wir auch unterschiedliche Größenordnungen genau wie Sie haben: Die Großen dürfen die Kleinen nicht fressen. Deswegen müssen interkommunale Kooperationen Wert darauf legen, dass bei unterschiedlicher Größenordnung auch die kleinen Kommunen für die großen einmal etwas
tun.“

Wortmeldung: Dr. Otto Lavicky, Österreichischer Städtebund
„Wir haben im Rahmen des Städtebundes in Bezug auf den Österreich-Konvent, Erneuerung der österreichischen Bundesverfassung, eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Kernanliegen des Österreichischen Städtebundes formuliert worden sind. Da gab es den Punkt 1 aller Forderungen: ‚Regionale Kooperationen zwischen Gemeinden‘ mit den Schlagworten einerseits Regionalverbände und andererseits Fachverbände oder Fachregionen.
Zusammen mit dem Punkt 2 in diesem Forderungsprogramm, ‚Übertragung weiterer Kompetenzen auf Städte und Gemeinden‘, hatten wir das Motto, das Schlagwort ‚Die Gemeinden können das besser‘ in die Diskussion eingebracht.
Derzeit gibt es die Gemeindeverbände im Bundesverfassungsgesetz, die aber für eine effiziente kommunale Zusammenarbeit ungeeignet sind, weil sie zu wenig flexibel sind.
Als Gegenmodell sind hier die Regionalverbände angedacht worden, die anstelle der bisherigen Gemeindeverbände treten sollten. Sie sollen Gebietskörperschaften sein und zur Besorgung einzelner oder verschiedener sachlich zusammenhängender Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden berufen sein. Weiters sollen sie Mittel erhalten, die bereits von im Finanzausgleichsgesetz festgelegten Steuererträgen stammen sollen.
Ziel der Regionalverbände: Erzielung wirtschaftlicher Synergieeffekte, positive Auswirkungen auf die Kostenstruktur der Gemeinden und Erleichterung der Leistungserbringung durch die Gemeinden.
Die Fachverbände, ähnlich konstruiert, sollen keine Gebietskörperschaften sein und sollen aus Beiträgen der Gemeinden und weiterer begleitender Mittel finanziert werden.
Ich muss allerdings sagen, dass diese Vorschläge in dem betreffenden Ausschuss des Österreich-Konvents nicht besonders gut aufgenommen worden sind. Es ist offenbar so, dass Universitätsprofessoren sich mit den Niederungen des Gemeinderechtes nicht allzu gern beschäftigen. – Danke.“

Wortmeldung: Gemeinderat Ing. Martin Krulis, Innsbruck
„Wir alle müssen aufhören, immer in diesen Kategorien ‚Stadt und Umlandgemeinden‘ zu denken, sondern in größeren Bereichen, die den gesamten urbanen Raum umfassen.
Das Ganze wurzelt neben finanziellen Problemen aber auch in einem ganz anderen Bereich. Nehmen wir das Land Tirol her mit seinen 640.000 Einwohnern – zum Vergleich: eine Großstadt wie Toronto hat etwa 2,5 Millionen Einwohner: Wir leisten uns einen Landtag, 275 Gemeinden, Hunderte von Verbänden. Es ist irrwitzig, aber es ist so gewachsen.
Es ist die politische Ebene, wo wir beginnen müssen. Es geht natürlich um Machterhalt in allen Bereichen. Welcher Bürgermeister könnte auf die Idee kommen, zu sagen: Braucht ihr mich eigentlich noch in der Gemeinde, oder könnten wir uns überlegen, dass wir ein Regionalparlament machen? Es gibt dann insgesamt nicht mehr 200 Gemeinderäte, sondern nur mehr 40, aber aufgeteilt nach einem fairen Schlüssel, sodass die Stadt nicht die Umlandgemeinden überbieten kann. Es gibt da erstklassige Modelle in Kanada. Da stellt sich dann gar nicht mehr die Frage Feuerwehrwesen, Schulwesen, Kindergartenwesen, Sozialwesen, sondern da kooperiert man, weil man da nicht mehr diese Machtfrage hat: Wer wird das nächste Mal gewählt?
Und das ist doch ein Thema, das wir alle uns nicht auszusprechen getrauen. Ich weiß, es wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern, denn es geht uns allen in Wirklichkeit noch zu gut. Ich glaube, wenn der wirtschaftliche Druck kommt, dann werden wir anfangen umzudenken und uns fragen müssen, ob diese politischen Strukturen, die wir derzeit haben, überhaupt noch up to date sind. Derzeit ist das ein Bereich, den wir immer ausklammern.“

Wortmeldung: Bürgermeister Johann Spatzenegger, Seekirchen/Wallersee
„In unserem Regionalverband Salzburger Seengebiet gibt es in Zukunft ein Regionalparlament für Probleme, die übergreifend sind. Wir haben jetzt mit Bürgerbeteiligung in allen zehn Gemeinden ein Regionalparlament beschlossen für Dinge, die wir in der Region als Region durchführen wollen. Der politische Querschnitt aller Gemeinden ist durch die jeweiligen Gemeinderäte dort vertreten.
Ich bin Gott sei Dank absolut nicht juristisch ausgebildet, deswegen habe ich nicht das Problem, zu überlegen, was nicht geht. Ich bin ein ganz einfacher Bauer von Seekirchen. Unser Vater hat immer gesagt zu uns zwei Buben: Tut was, und dann passiert was! Und das, glaube ich, ist unser Problem.“

Interkommunale Kooperation in Stadtregionen –
Erfahrungen aus Deutschland

Dipl.-Ing. Dr. Werner Heinz, Deutsches Institut für Urbanistik (Köln)
„Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!“

Wiederkehrende Forderung nach Kooperationen
„Wie Sie alle wissen, zählen die Forderungen nach einer verbesserten interkommunalen oder interregionalen Kooperation zu den kommunalpolitischen Themen mit geradezu zyklisch wiederkehrender Bedeutung.
Zweckverbände oder aufgabenspezifische, das heißt, auf eine Aufgabe zugeschnittene Zweckverbände, die auch gegenwärtig die verbreitetste Kooperationsform bilden, waren bereits im Kommunalrecht des Deutschen Reiches im 19. Jahrhundert vorgesehen.
In den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist es zwischen 1967 und 1977 in den alten Bundesländern zu umfangreichen Gebietsreformen gekommen und in deren Kontext zu einer Vielzahl von Gemeindezusammenschlüssen.
Während der Gebietsreform in den alten Bundesländern in den sechziger und siebziger Jahren kam es obendrein auch zu einer ganzen Reihe neuer Kooperationsansätze.“

Gründe für die Notwendigkeit von Kooperationen
- „An erster Stelle werden immer wieder die fragmentierten politisch-administrativen Strukturen auf der lokalen Ebene genannt. Ich denke, Frankreich ist ein besonders schönes Beispiel. Da kamen zu den 36.500 Gemeinden noch mal 19.000 Zweckverbände dazu.

- Der zweite Grund: ein anhaltendes und tatsächlich auf der Dynamik der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung beruhendes siedlungsstrukturelles Wachstum im Umland von Kernstädten, das allerdings infolge unzureichender Steuerungskapazitäten häufig unkoordiniert verläuft.

- Ein dritter Punkt: neben der mit diesem Wachstum verbundenen, immer engeren funktionalen Verflechtung zwischen den einzelnen stadtregionalen Teilräumen verändert sich auch das Standortgefüge. Die früheren Schlafstädte vor den Kernstädten werden zunehmend zu eigenen städtischen Einheiten mit Wirtschaftsbetrieben und somit zu Konkurrenten.

- Der vierte Punkt sind die wachsenden Diskrepanzen zwischen diesen kleinteiligen politisch-administrativen Strukturen und großräumigen Aufgaben und Problemstellungen. Dies sind Fragen der regionalen Wirtschaftsförderung, der Verkehrsplanung oder auch Großprojekte der technischen Infrastruktur.

- Und nicht zuletzt als Grund genannt: die nicht nur die Kernstädte, sondern auch das gesamte Umland oder die gesamte Stadtregion bedrohenden Diskrepanzen zwischen den Kernstädten und den Umlandgemeinden in Bezug auf ihre Einnahmen und Ausgaben. Den hohen Zentralitätskosten der Kernstädte stehen als Folge einer zunehmenden und anhaltenden Suburbanisierung drastische Rückgänge auf Seiten der Einnahmen gegenüber.

- Vergleichsweise neu unter den Kooperationsgründen sind die verstärkte Regionalisierung von Fördermitteln auf EU-Ebene, aber auch auf Ebene der Bundesländer und der sich im Zuge von Europäisierung und Globalisierung verschärfende und internationalisierende Wettbewerb der Städte.“

Warum lassen sich konkrete Kooperationen nicht in Strategien umsetzen?
„Das sind zum einen die tradierten gesamtstaatlichen Verwaltungsstrukturen, in die sich innovative Ansätze der Koordination und Steuerung von Stadtregionen nur schwer integrieren lassen.
Ein Grund sind aber auch die politisch-administrativen Strukturen auf lokaler Ebene.
Aber der wesentliche Einflussfaktor sind meines Erachtens die jeweiligen umsetzungsrelevanten Akteure und Entscheidungsträger mit ihren jeweils spezifischen Interessen.“

Argumente der Befürworter von Kooperationen
„Auf der Seite der Initiatoren und Befürworter finden wir die zentralstaatliche Ebene oder in föderal organisierten Staaten die Ebene der Bundesstaaten. In Frankreich war es der Zentralstaat, der über die Einrichtung unterschiedlichster kommunaler Kooperationsansätze und auch über spezifische finanzielle Förderansätze solche Kooperationen gefördert hat.
Im Vergleich dazu nehmen die Bundesländer im föderal organisierten Deutschland eine eher ambivalente Rolle ein, denn sie unterstützen und fördern Kooperationsansätze nur so lange, als sie nicht zu stark und damit zu einer potentiellen Konkurrenz der jeweiligen Landesregierung werden.
Die zweite Gruppe, die zu den Befürwortern zählt, sind die Kernstädte solcher Stadtregionen und ihre politischen Repräsentanten. Und zwar hat das Interesse dieser Akteure an interkommunalen Kooperationsansätzen in demselben Maße zugenommen, in dem früher dominante Kernstädte an Beschäftigten, an Einwohnern, an Wirtschaftskraft zu Gunsten der Umlandgemeinden verloren haben. Den hohen Zentralitätskosten stehen nun gravierende Rückgänge auf der Einnahmenseite gegenüber bei gleichzeitig sich verschärfenden Wettbewerbsanforderungen.
Die dritte Gruppe auf der Seite der Befürworter: die Wirtschaft und ihre Akteure. Aus wirtschaftlicher Sicht sind fragmentierte Entscheidungsstrukturen und Kompetenzen kontraproduktiv. Sie erschweren konkrete Investitionsvorhaben infolge sehr komplizierter regulatorischer Rahmenbedingungen, und sie bedeuten auch eine Beeinträchtigung der Einflussnahme der relevanten wirtschaftlichen Akteure auf die öffentliche Politik.“

Gründe gegen Kooperationen
„Nachteile erwarten die staatlichen Mittelinstanzen, denn für diese Organisationen, Institutionen, Körperschaften ist die Einrichtung stadtregionaler Kooperationsansätze in der Regel mit Kompetenz- oder gar Existenzverlusten verbunden.
Die zweite Gruppe der Gegner sind Vorstädte und Umlandgemeinden von Kernstädten. Deren Widerstand ist immer dann am größten, wenn Eingemeindungen oder Gemeindezusammenschlüsse zur Diskussion stehen und die mit solchen Reformen befürchteten Verluste an Macht, Einfluss, Position und Funktion auf Seiten potentiell betroffener Gebietskörperschaften.
Die dritte Gruppe der Gegner sind oft Bürger. Gerade jetzt in Zeiten, in denen es Arbeitslosigkeit und eine rückläufige Wirtschaft gibt, fühlen sich die Bürger verunsichert und identifizieren sich noch stärker mit Teilen ihrer Wohngemeinde, mit Stadtteilen. Sie befürchten aus der Realisierung solcher Reformen einen Verlust an demokratischer Kontrolle, eine zu große räumliche Distanz zu ihrer Kommunalverwaltung und nicht zuletzt auch einen räumlichen Identitätsverlust.“

Großes Spektrum an Kooperationen
„Das Spektrum der bestehenden Kooperationsansätze scheint zwar zunächst groß zu sein. Nur bei genauerer Betrachtung merken wir, es gibt einige immer wiederkehrende Typen, die sich nach dem Grad der Institutionalisierung, dem Umfang der jeweils betriebenen Aktivitäten und der gewählten Rechtsform unterscheiden.

- Erster Typ: Das sind alle nicht öffentlich-rechtlich institutionalisierten Formen der Kooperation. Hierzu gehören zum einen informelle Kooperationsansätze wie z. B. Foren, Netzwerke oder Arbeitsgemeinschaften. Es sind privatrechtlich organisierte Formen der Zusammenarbeit, die vom eingetragenen Verein bis zur GmbH reichen können und die vor allem in den Bereichen der technischen Infrastruktur, aber auch in der Wirtschafts- und Tourismusförderung Platz gegriffen haben.

- Der zweite Typ sind die auf eine Aufgabe oder ein Vorhaben beschränkten aufgabenspezifischen Zweckverbände, und zwar in öffentlich-rechtlicher Form institutionalisiert. Diese sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Personal-, Satzungs- und Finanzhoheit. Im Vordergrund stehen da Trinkwasser- und Energieversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung, aber auch der ÖPNV und neuerdings der Kultursektor und der Freizeitsektor.

- Der dritte Typ sind die vor allem in verstädterten Regionen anzutreffenden großräumigen Kooperationsformen von Kernstädten und Umlandgemeinden in Verbandsform. Zum Kooperationstyp „großraumorientierte Ansätze in Verbandsform“ zählen aber auch Mehrzweck-Pflichtverbände, die für unterschiedliche Aufgaben und Leistungen zuständig sind. Diese Kooperationsansätze sind allerdings Unikate. Sie sind in Abhängigkeit der jeweiligen Landesgesetzgebung und auch in Abhängigkeit der spezifischen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zur Zeit ihrer Einrichtung entstanden.

- Die letzte Kooperationsform – da stellt sich die Frage, ob das eigentlich eine Kooperationsform ist – ist der Zusammenschluss von Städten und Gemeinden in neuen Gebietskörperschaften in Form von Eingemeindung oder durch Bildung von Gemeindeverbänden.

Gemeindeverbände wie ‚Regionalkreise‘ oder ‚Stadtregionen‘ zählen zwar seit 30 Jahren immer wieder zu den potentiellen Lösungsvorschlägen, wenn es um die Neuorganisation der interkommunalen Kooperation geht, aber ihre Realisierung scheitert in der Regel an dem harten Widerstand der bereits vorhin genannten Akteure.“

Gegenüberstellung von Kooperationstypen
„Stellt man nun diese genannten Kooperationstypen gegenüber, dann zeigt sich, dass die interkommunale Kooperation in deutschen Stadtregionen in den vergangenen Jahren durch eine deutliche Zunahme informeller, in ihrer räumlichen und inhaltlichen Gestaltung unterschiedlich konzipierter Ansätze gestaltet ist, aber auch durch eine Vielzahl aufgaben- und projektspezifischer formeller Kooperationsansätze.
Für diese Ansätze wird positiv ins Feld geführt, dass sie sich relativ leicht einrichten und dass sie sich den spezifischen Anforderungen des Einzelfalles entsprechend konzipieren lassen. Bei informellen Ansätzen wird zudem auf die konsensuelle Atmosphäre bei der Bearbeitung win-win-orientierter Problemlösungen hingewiesen.
Die Tatsache, dass sich diese Ansätze meist auf ‚weiche‘ Bereiche konzentrieren, mit denen weder strittige Fragen der Verteilung von Lasten und Kosten noch konflikthaltige Eingriffe in die Zuständigkeiten etablierter Institutionen und Organisationen verbunden sind, wird meist ausgeblendet. Weiterer Nachteil: Rückgang an demokratischer Kontrolle durch Übertragung öffentlicher Aufgaben an nicht unmittelbar legitimierte Kooperationsorgane.“

„Urban Governance“
„Zur Beschreibung dieser Situation wurde bereits in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA der Begriff des ‚Urban Governance‘ geprägt. Der Urheber dieses Begriffs, der amerikanische Stadtforscher Victor Jones, soll gesagt haben, dass die Funktionsfähigkeit dieser mit ‚Urban Governance‘ umschriebene Form des politisch-administrativen Geschehens in der Stadtregion von einer maßgeblichen Voraussetzung abhängig ist. Es bedarf der Existenz einer regionsweit operierenden Instanz, die die vielfältigen aufgabenspezifischen Kooperationsansätze eben koordiniert. Das ist aber in den wenigsten Fällen der Fall.“

Beispiel Gemeindeverband „Region Hannover“
„Dieser Gemeindeverband ‚Region Hannover‘ wurde am 1. November 2001 eingerichtet. Er setzt sich aus der Hauptstadt des Landes Niedersachsen und den 20 Städten und Gemeinden des Landkreises Hannover, der die Stadt wie ein Mantel umschlossen hat, zusammen. Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Gemeindeverband, aber es handelt sich um eine Gebietskörperschaft mit einer demokratisch legitimierten Regionalversammlung, deren räumliche Grenzen denen des bisherigen Kommunalverbandes Großraum Hannover entsprechen. Dieser wurde ebenso wie der Landkreis aufgelöst, die Kompetenzen, zumindest die regional bedeutsamen Aufgaben, an den Regionalkreis übertragen. Die Kernstadt Hannover hat auf ihre Kreisfreiheit verzichtet, behielt aber in Bezug auf bestimmte Aufgaben wegen ihrer Größe die Rechtsstellung einer kreisfreien Stadt.“

Reformansatz von der Basis her
„1. Das Interessante an diesem Ansatz ist, dass er infolge seiner kreisähnlichen Konstruktion nicht wie ein Fremdkörper wirkt, was bei vielen anderen Kooperationsansätzen in Stadtregionen der Fall ist, sondern sich in das Verwaltungsgefüge ohne große Schwierigkeiten einpasst.

„2. Dieser Reformansatz wurde von unten, nämlich tatsächlich von den drei maßgeblichen Akteuren, initiiert.

3. Die Landesregierung hat nicht, wie in anderen Bundesländern, gemauert, sondern hat sich zwar zögerlich verhalten, hat aber dann diesen Ansatz eindeutig unterstützt.

4. Das Spektrum der Zuständigkeiten der Region Hannover umfasst alle Aufgaben, die bisher vom Kommunalverband oder im Landkreis wahrgenommen worden sind, von der Trägerschaft für den ÖPNV und die Regionalplanung über die regionale Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung bis zur Trägerschaft von Berufsschulen.“

Schwerpunkte setzen
„Mit der Bündelung dieser regional bedeutsamen Aufgaben an einer Stelle ging auch eine Stärkung der verbandsangehörigen Städte und Gemeinden einher. Es wurden zwar Kompetenzen des aufgelösten Landkreises, etwa Bauaufsicht, Schulträgerschaft oder Einrichtung von Jugendämtern übertragen und somit Schwerpunkte gesetzt, aber man hat sich das anders vorgestellt. Alle sollten die gleichen Kompetenzen bekommen, doch das ist dann sehr fallspezifisch gelöst worden.“

Finanzierung der gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben
„Für die Finanzierung der Aufgaben stehen der Region Hannover nicht allein die Umlagenzahlungen ihrer Mitgliedsgemeinden zur Verfügung, sondern die Region Hannover erhält im Rahmen des Finanzausgleichs auch direkte Zuweisungen des Landes Niedersachsen. Geplant war eine eigenständige Regionsfinanzierung, die eine Unabhängigkeit gewährleisten sollte, d. h. eine eigene Steuerquelle. Die ist bis jetzt nicht erreicht worden, da dazu ein Bundesgesetz erforderlich wäre.“

Reformvorstellungen auch in anderen Gebieten
„Aber nicht nur in Hannover, sondern auch in anderen deutschen Stadtregionen werden in jüngster Zeit Reformvorstellungen laut. Im Rhein-Main-Raum wird neuerdings über Eingemeindungen, das Tabuthema, diskutiert oder die Einführung eines Regionalkreises, was seit 30 Jahren in Diskussion ist. Wie allerdings früher schon stoßen derartige Überlegungen auf erbitterten Widerstand.“

Eventuell neue Kooperationslösungen
„Deshalb stellt sich die Frage: Wird alles so bleiben oder wird es erneut zu suboptimalen, bald nach ihrer Einrichtung mit neuen Kooperationsüberlegungen einhergehenden Lösungen kommen?
Seit den Zeiten früherer Reformdiskussionen hat sich eine Reihe maßgeblicher Rahmenbedingungen auf stadtregionaler Ebene tatsächlich verändert. Der Wettbewerb, der sich im Zuge von Europäisierung und Globalisierung zunehmend internationalisiert hat, ist auch zunehmend härter geworden.
Gleichzeitig haben regionsweite Aktivitäten wie die Teilnahme an Bundeswettbewerben oder Bewerbungen um Großereignisse ein regionales oder kooperationsförderndes Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen. Und aus den praktischen Erfahrungen mit bereits bestehenden Kooperationsansätzen resultieren auch verstärkt Forderungen nach einer Beseitigung der konstruktionsbedingten Unzulänglichkeiten dieser Ansätze.“

Günstigere Aussichten für die Zukunft
„Die Bedingungen für die Einführung solcher umfassenden Kooperationsansätze sind, so scheint es, vergleichsweise günstiger als in früheren Jah-
ren.
Ob allerdings und in welcher Form und gegebenenfalls wann sich diese Kooperationsansätze tatsächlich werden realisieren lassen, hängt vom Ausgang der politischen Auseinandersetzungen auf der regionalen und auf der Landesebene ab. Und dieser Ausgang ist gegenwärtig noch offen. – Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.“

Salzburger Seengebiet (Teil I)
Bürgermeister Johann Spatzenegger, Seekirchen
„Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren!“

Qualität für die Bürgerinnen und Bürger
„Als Bürgermeister einer ganz kleinen Stadt mit 10.000 Einwohnern, der das Glück oder das Problem hat, um 4 Uhr in der Früh oder 11 Uhr abends am Samstag von seinen Bürgerinnen und Bürgern angerufen zu werden, muss ich feststellen: Ob Kooperation, Gemeinsamkeit oder wie immer – das oberste Gebot ist nicht die Macht der Funktionäre und die Größe der Aufgabe, sondern die Qualität für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist die erste Aufgabe bei allen Maßnahmen.“

Gemeinde als Wirtschaftsunternehmen
„Ich bin nun 17 Jahre Bürgermeister in der seit 2000 zur Stadt erhobenen Gemeinde. Ein Bürgermeister, der vom Beginn seiner Tätigkeit an immer davon überzeugt war und davon überzeugt ist, dass eine Gemeinde ein Wirtschaftsunternehmen ist. Kurz nach meiner Amtseinführung 1987 habe ich mit Kostenstellenrechnungen in der Gemeinde begonnen, und unsere Gemeinde ist auf Grund vieler selbständiger Tätigkeiten 1998 Speyer-Preis-Sieger für Verwaltungsreform geworden.“

Regionalverband „Salzburger Seenland“
„Letztlich bin ich dann Obmann des Regionalverbandes Salzburger Seenland geworden. Ein Regionalverband, zu dem wir aus Gründen der Raumordnung mehr oder weniger von Amts wegen gezwungen worden sind, zu dem wir zu Beginn feststellen mussten: Wir haben ein nicht unbedingt b

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