Europawahl 2004

Europawahl 2004

Europa hat gewählt! Vom 10. bis 13. Juni 2004 fanden in allen 25 EU-Mitgliedstaaten Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Österreich ging am Sonntag, dem 13. Juni, zu den Urnen. Das neue Europäische Parlament vertritt insgesamt 450 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger auf europäischer Ebene. Die Wahlsieger im Europäischen Parlament sind die Europäischen Christdemokraten, gefolgt von den Europäischen Sozialdemokraten. Sie beide bilden die größten Fraktionen im Europaparlament.

 

Das Wochenende vom 10. bis 13. Juni 2004 stand ganz im Zeichen der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europaparlament ist die einzige EU-Institution, die seit 1979 alle fünf Jahre direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird.
Diesmal waren 349 Millionen Wählerinnen und Wähler in allen 25 EU-Mitgliedstaaten aufgerufen, am zweiten Juniwochenende ihre Vertreter im Europaparlament zu bestimmen. Gemäß den gemeinsamen Wahlverfahrensgrundsätzen legen die Mitgliedstaaten selbst die Wahltermine von „Donnerstagmorgen bis zum nachfolgenden Sonntag“ fest. In den Mitgliedstaaten fanden die Europawahlen demnach an insgesamt vier Tagen, vom 10. bis 13. Juni, statt. In Großbritannien und den Niederlanden gingen die Wählerinnen und Wähler bereits am Donnerstag, 10. Juni, zu den Urnen. Irland wählte am Freitag, 11. Juni, und die Tschechische Republik hielt ihre Wahllokale von Freitag, 11. Juni, bis Samstag, 12. Juni, offen. In Malta und in Lettland wurde am Samstag, 12. Juni, gewählt und Italien hielt die Europawahl von Samstag, 12. Juni, bis Sonntag, 13. Juni, ab. In den restlichen 18 Mitgliedstaaten, darunter Österreich, fand die Europawahl am Sonntag, 13. Juni, statt. Bei der Europawahl 2004 traten insgesamt 481 Parteien mit 14.670 Kandidatinnen und Kandidaten in 25 EU-Mitgliedsländern an. Von den Europawahlkandidaten waren 35% Frauen und 65% Männer. Die Wahlbeteiligung lag EU-weit bei 45,7%, in Österreich machten 42,43% von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Das europäische Wahlergebnis
Rund 45% der 349 Millionen wahlberechtigten EU-Bürgerinnen und Bürgern gingen bei der Europawahl 2004 zu den Wahlurnen. In zehn Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union am 1. Mai 2004 beigetreten waren, wurden zum ersten Mal Wahlen zum Europäischen Parlament durchgeführt. Abweichend von der EU-weiten ohnedies niedrigen Wahlbeteiligung von 45,7% war das Interesse in einigen neuen Mitgliedstaaten besonders dürftig. Schlusslichter bilden Polen mit einer Wahlbeteiligung von 20,9% und die Slowakei mit einer Beteiligung von rund 17%. Auf der anderen Seite war die Wahlbeteiligung in einigen der neuen Mitgliedstaaten wiederum sehr hoch, wie z. B. in Malta mit 82,4% und in Zypern mit 71,2%. Die höchsten Wahlbeteiligungen waren aufgrund der dortigen Wahlpflicht in Belgien mit 90,8% und in Luxemburg mit 90,0% zu verzeichnen. In Griechenland, dem dritten EU-Land, in dem Wahlpflicht herrscht, gaben allerdings nur 63,4% ihre Stimme ab.
Das neu gewählte Europäische Parlament besteht aus insgesamt 732 Europaabgeordneten aus 25 Mitgliedstaaten. Österreich ist mit 18 Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten, bislang hatte Österreich 21 Sitze im Europaparlament. Durch die Aufnahme von 10 neuen Mitgliedstaaten hat sich die Anzahl der Sitze pro Land verändert. Gemäß dem Prinzip der degressiven Proportionalität sind kleine und mittlere Staaten wie Österreich – relativ gesehen – stärker vertreten als große Mitgliedstaaten (Tab. 1).

Das österreichische Wahlergebnis
Am 13. Juni 2004 waren in Österreich 6.049.129 Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt, davon 24.093 EU-Bürgerinnen und Bürger mit Hauptwohnsitz in Österreich. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,43%, das entspricht 2.566.639 abgegebenen Stimmen. Seit der ersten Europawahl in Österreich im Jahre 1996 ist die Wahlbeteiligung kontinuierlich gesunken. Gingen 1996 noch 67,7% der Bürgerinnen und Bürger in Österreich zur Wahl, so waren es im Jahr 1999 nur noch 49,9%. Mit der diesjährigen Wahlbeteiligung von 42,43% liegt Österreich etwas unter dem EU-Durchschnitt von 45,7%.
In Österreich sind sechs Parteien zur Europawahl 2004 angetreten. Vier davon, nämlich SPÖ, ÖVP, FPÖ und Die Grünen, waren bereits seit 1996 im Europäischen Parlament vertreten. Neu hinzu kamen als wahlwerbende Parteien die LINKE – Opposition für ein solidarisches Europa und die Liste Dr. Hans-Peter Martin – Für echte Kontrolle in Brüssel. Laut österreichischer Europawahlordnung benötigt eine Partei mindestens 4% der Stimmen für den Einzug in das Europäische Parlament. Von den österreichischen wahlwerbenden Parteien errangen alle bis auf die LINKE zumindest einen Sitz im Europaparlament (Tab. 2).
Am 29. Juni 2004 verlautbarte das Bundesministerium für Inneres das endgültige offizielle Ergebnis der Europawahl 2004 in Österreich. Die SPÖ konnte ihre 7 Mandate halten und ist mit 33,33% die stimmenstärkste Partei. Die ÖVP verlor ein Mandat und zieht mit 6 Europaabgeordneten ins Europäische Parlament ein. Die Grünen erhielten 12,89% der Stimmen und sind wieder durch 2 Europaabgeordnete im Europäischen Parlament vertreten. Von den 5 Mandaten der FPÖ (1999) blieb nur ein Mandat übrig, verglichen mit dem Ergebnis von 1999 (23,4%) verlor die FPÖ 17,1% der Stimmen.
SPÖ, ÖVP, Liste MARTIN, Die Grünen und FPÖ stellen die 18 österreichischen Europaabgeordneten im neuen Europäischen Parlament (Tab. 3).

Das neue Europäische Parlament
Die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments erfolgte in der ersten Plenartagung nach den Europawahlen vom 20. bis 23. Juli 2004 in Straßburg. Die insgesamt 732 Europaabgeordneten teilten sich je nach politischer Zugehörigkeit in sieben Fraktionen und eine Gruppe Fraktionsloser auf. Jede Fraktion ist multinational und länderübergreifend. Für die Bildung einer Fraktion bedarf es mindestens 19 Europaabgeordneter aus mindestens 5 EU-Mitgliedstaaten (Tab. 4).
Die beiden stärksten Fraktionen nach der Europawahl 2004 sind wie schon in der vorhergehenden Legislaturperiode die Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischer Demokraten, gefolgt von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas. Die Liberalen, vormals Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas (LIBE), haben sich in Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) umbenannt. An vierter Stelle steht die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz, knapp gefolgt von der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke. Die ehemalige Fraktion für das Europa der Demokratien und der Unterschiede (EDD) hat sich in Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie (IND/DEM) umbenannt und liegt vor der siebten und kleinsten Fraktion Union für das Europa der Nationen. Insgesamt 29 Europaabgeordnete haben sich keiner Fraktion angeschlossen (Fraktionslos).

Europawahlverfahren
Seit 1979 wird das Europäische Parlament direkt gewählt. Die Direktwahl ist durch den Beschluss des Rates vom 20. September 1976 (76/787/EGKS, EWG, Euratom) über den Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geregelt. Damit wurde eine Rahmenordnung für nationale Wahlgesetze geschaffen. Ein einheitliches Wahlsystem ist bereits im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1957) vorgesehen, eine Einigung konnte bislang aber nicht erzielt werden. Ein Entwurf des Europäischen Parlaments über ein gemeinsames Wahlverfahren muss vom Rat einstimmig beschlossen werden. Mit dem Vertrag von Amsterdam (1997) wurde die Möglichkeit geschaffen, ein Wahlverfahren im „Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen“ zu erstellen. Das Europäische Parlament hat demnach 1998 einen Entwurf über ein Wahlverfahren mit gemeinsamen Grundsätzen vorgelegt, der vom Rat 2002 angenommen wurde (Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002).

Zu den gemeinsamen Grundsätzen zählen unter anderem:
- die Wahl nach einem Verhältniswahlsystem
- die Wahl auf der Grundlage von Listen oder von übertragbaren Einzelstimmen
- die Möglichkeit, Vorzugsstimmen abzugeben. Mit Vorzugsstimmen kann die Reihenfolge auf den Listen verändert werden
- es können Wahlkreise eingerichtet werden, solange das Verhältniswahlsystem nicht in Frage gestellt wird
- es darf eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe festgelegt werden; diese darf landesweit nicht mehr als 5% der abgegebenen Stimmen betragen
Bei der Europawahl 2004 wurde, gemäß den gemeinsamen Grundsätzen, in allen 25 EU-Mitgliedstaaten nach dem Verhältniswahlsystem abgestimmt. Die Mindestschwelle für das Erlangen eines Sitzes im Europäischen Parlament ist europaweit mit maximal 5% der abgegebenen Stimmen begrenzt. Die exakte 5%-Schwelle gilt in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn. In einigen Mitgliedstaaten gilt eine Mindestschwelle, die unter der maximalen Schwelle von 5% liegt. Dazu zählen Österreich und Schweden mit jeweils 4% und Griechenland mit 3% der abgegebenen Stimmen. Die übrigen Mitgliedstaaten haben keine Schwelle unter den 5% festgelegt.
Die 1991 im Maastricht-Vertrag geschaffene Unionsbürgerschaft verleiht EU-Bürgerinnen und Bürgern das aktive und passive Wahlrecht in dem EU-Mitgliedsland, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Im Art. 19 Abs. 1, konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, heißt es: „Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates.“ Dasselbe gilt für die Teilnahme an den Europawahlen. Art. 19, Abs. 2, heißt demnach: „… besitzt jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates“. EU-Bürgerinnen und Bürger können entscheiden, ob sie ihr Wahlrecht im Wohnsitz- oder im Herkunftsland ausüben. Wenn sie in ihrem Wohnsitzland wählen wollen, muss die Aufnahme ins dortige Wählerverzeichnis beantragt und eine Erklärung abgegeben werden, der zufolge sie nur dort wählen oder kandidieren wollen.

Österreich: Europawahlordnung
In Österreich gilt für die Wahl zum Europäischen Parlament die „Europawahlordnung“, die folgende Grundsätze enthält:
- Verhältniswahl; Anwendung des d’Hondtschen Verfahrens für die Ermittlung der zu vergebenden Mandate;

- das Bundesgebiet ist ein einheitlicher Wahlkörper;

- Mindestschwelle für die Sitzvergabe liegt bei 4% der abgegebenen Stimmen;

- Vorzugsstimmen können vergeben werden; für eine Vorreihung eines Kandidaten sind Vorzugsstimmen von 7% der auf die Parteiliste entfallenden Stimmen notwendig;

- für Wahlvorschläge bedarf es entweder der Unterschriften von mindestens drei Nationalratsabgeordneten oder der Unterschrift von einem österreichischen Europaabgeordneten oder 2.600 Unterstützungserklärungen;

- Wahltag ist ein Sonntag oder ein öffentlicher Ruhetag.

Wählen dürfen in Österreich alle österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die spätestens am Tag der Europawahl das 18. Lebensjahr vollendet haben. EU-Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen, sofern sie in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben und in die Europawählerevidenz eingetragen sind. Im Unterschied zu manch anderen EU-Mitgliedstaaten können die Wählerinnen und Wähler in Österreich gemäß der österreichischen Europawahlordnung einzelnen Kandidaten Vorzugsstimmen geben. Für eine Kandidatur bei der Europawahl muss grundsätzlich jede Kandidatin und jeder Kandidat das passive Wahlrecht besitzen. Die Kandidatin, der Kandidat, muss spätestens mit Ablauf des Tages der Europawahl das 19. Lebensjahr vollendet haben und bis zum Stichtag für die Europawahl in die Europawählerevidenz eingetragen sein. Neben österreichischen Staatsbürgerinnen und -bürgern dürfen auch Angehörige aus anderen EU-Mitgliedsländern in Österreich kandidieren, sofern sie ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben und sich nicht gleichzeitig in ihrem Heimatland für die Europawahl aufstellen lassen. Anders als in Belgien, Griechenland und Luxemburg herrscht in Österreich keine Wahlpflicht.
Wahlkarten ermöglichen es Wählerinnen und Wählern, ihre Stimme abzugeben, wenn diese sich „voraussichtlich am Wahltag nicht am Ort (Gemeinde, Wahlsprengel) ihrer Eintragung in das Wählerverzeichnis aufhalten werden …“ (§ 26 Abs. 2, österreichische Europapawahlordnung). Anspruch auf eine Wahlkarte haben auch alle Wahlberechtigten, die aufgrund von „Geh- und Transportunfähigkeit oder Bettlägrigkeit, sei es aus Krankheits-, Alters- oder sonstigen Gründen …“ (§ 26, Abs. 2, österreichische Europawahlordnung) das zuständige Wahllokal nicht besuchen können. Bei der Europawahl 2004 wurden insgesamt 233.723 Wahlkarten ausgestellt.
Die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament finden im Jahr 2009 statt.

Fehlende Tabellen finden Sie in der ÖGZ 8/04.

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