Frühpensionierte als Gemeindemandatare

Frühpensionierte als Gemeindemandatare

Die pensionsrechtlichen Bestimmungen betreffend Kürzung oder Wegfall von Pensionsbezügen setzen das nichtselbständige Erwerbseinkommen „brutto“ (arg.: „gebührendes Entgelt“), das selbständige dagegen „netto“ (arg.: „erzielte(s) Einkünfte bzw. Einkommen“) an. Diese Differenzierung scheint verfassungsrechtlich bedenklich zu sein.

 

Vorbemerkungen
Seit 2001 sind die Bezüge1, Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder etc. aller Gemeindemandatare (Bürgermeister, Vizebürgermeister [Bürgermeister-Stellvertreter], Stadträte und Mitglieder einer Stadt-, Gemeinde- oder Ortsvertretung) – zwingend – lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wird eine dieser Funktionen von einem „Frühpensionisten“ (Pensionisten bis zum Regelpensionsalter2) ausgeübt, erzielt dieser einkommensteuerlich neben Pensionseinkünften (§ 25 Abs. 1 Z 3 EStG) auch „Erwerbseinkünfte“ (§ 25 Abs. 1 Z 4 lit b EStG). Aus der Sicht des Pensionsrechts bezieht ein solcher Frühpensionist neben den Leistungen der Pensionsversicherung „Erwerbseinkommen“3, 4.

Zusammentreffen von Pension und Erwerbseinkommen iSd Pensionsrechts
- Nach den pensionsrechtlichen Bestimmungen des ASVG5, des GSVG6 und des BSVG7 fällt die jeweilige vorzeitigen Alterspension zur Gänze weg, wenn daneben eine pensionsversicherungspflichtige bzw. nicht pensionspflichtversicherte Erwerbstätigkeit mit einem Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze8 ausgeübt bzw. daneben eine Land- und Forstwirtschaft mit einem Einheitswert über E 2.400,– betrieben wird.

- Nach dem für Bundesbeamte geltenden TeilpensionsG (TPG) führt das Zusammentreffen von öffentlich-rechtlichen Pensionsansprüchen mit Erwerbseinkommen zum Abzug eines Ruhensbetrages. Der Ruhensbetrag ist mit der Höhe des Erwerbseinkommens oder mit 50% der Vollpension begrenzt. Die um den Ruhensbetrag verringerte Vollpension ergibt die Teilpension.

- Da das Pensionsrecht der „übrigen“ Beamten sehr unübersichtlich ist, wird dieses in diesem Beitrag9 nur für die steirischen Landesbeamten und die öffentlich-rechtlichen Bediensteten der steirischen Gemeinden bzw. der Beamten der Statutarstadt Graz dargestellt: Das für steirische Landesbeamte geltende Pensionsrecht10 sieht ab 1. 1. 2005 eine Kürzung der Vollpension11 vor, wenn zum öffentlich-rechtlichen Pensionsanspruch ein Erwerbseinkommen hinzutritt12. Während es für die Beamten der Statutarstadt Graz13 gleichartige Kürzungen gibt14, sind demgegenüber für die öffentlich-rechtlichen Bediensteten der übrigen stmk. Gemeinden15 keine derartigen Ruhensbestimmungen vorgesehen.

Begriff des „Erwerbseinkommens“ iSd ASVG, GSVG, BSVG bzw. TPG und stmk. PensionsG
Das „Erwerbseinkommen“ wird sowohl im ASVG, GSVG und BSVG16, 17 als auch im TPG18, im stmk. PensionsG19 und in der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz20 sprachlich fast ident definiert.

1. Danach gilt einerseits als „Erwerbseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ das aus dieser Tätigkeit erzielte Einkommen21 bzw. die erzielten Einkünfte22. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass der jeweilige Gesetzgeber mit den verba legalia „Erwerbseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ keine eigenständige (und neue) Begrifflichkeit schaffen wollte, sondern dass er damit vielmehr betriebliche Einkünfte iSd EStG meinte, somit an die steuerrechtliche Nettogröße, den Gewinn (§ 2 Abs. 4 Z 1 EStG) aus selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb anknüpfte.23

2. Andererseits gilt als „(Erwerbs-)Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit“ das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt.24 Bei der Interpretation dieser Gesetzesstellen scheinen (vorerst) zwei Auffassungen vertretbar zu sein: Eine Auslegungsvariante wäre, dass der Gesetzgeber mit den verba legalia „gebührendes Entgelt“ an den Entgeltsbegriff des ASVG anknüpfen wollte, somit an die (sozialversicherungsrechtliche) Bruttogröße, „die Geld- und Sachbezüge, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer Anspruch hat“.25 Demgegenüber bezeichnen die EBRV zum TPG26 das Erwerbseinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit – wie bei der selbständigen Erwerbstätigkeit – als die daraus erzielten Einkünfte,27 meinen somit (in beiden Fällen) eine steuerrechtliche Nettogröße.28, 29

Die unterschiedlichen Rechtsfolgen beider Betrachtungen betreffend das Ausmaß der Kürzungsbeträge bzw. die Frage des Wegfalls der vorzeitigen Alterspension bei einer Mandatsausübung (in einer Gemeinde) sind unübersehbar, wenn man sich die rechtliche bzw. verwaltungspraktischen Möglichkeiten der Geltendmachung von Werbungskosten bei politischen Funktionären (generell) vor Augen hält.

Die steuerlichen (Erwerbs-)Einkünfte der Gemeindemandatare aus dieser Funktion
Dem Einkunftsbegriff des EStG liegt eine Nettogröße zugrunde – von den Einnahmen sind die Werbungskosten (Ausgaben) abzuziehen. Für Gemeindemandatare bzw. für politische Funktionäre (allgemein) sieht das Lohnsteuerrecht die Geltendmachung von pauschalen oder von tatsächlichen Werbungskosten vor.

Pauschalierung der Werbungskosten von Mitgliedern einer Stadt-, Gemeinde- oder Ortsverwaltung
Aufgrund der Verordnung des BMF, BGBl II 2001/38230, über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen können Gemeindemandatare (Mitglieder einer Stadt-, Gemeinde- oder Ortsvertretung) ohne Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen 15% ihrer Bezüge als Werbungskosten geltend machen. Bemessungsgrundlage sind dabei die Bruttobezüge abzüglich der steuerfreien Bezüge und abzüglich der sonstigen Bezüge, soweit diese steuerfrei sind oder mit dem festen Steuersatz von 6% besteuert werden.
Dieses besondere Werbungskostenpauschale beträgt mindestens € 438,–, höchstens € 2.628,– jährlich. Der Mindestbetrag kann nicht zu negativen Einkünften führen.
Das besondere Werbungskostenpauschale steht an Stelle des allgemeinen Werbungskostenpauschales zu. Steuerentlastend wirkt sich das besondere Werbungskostenpauschale deshalb nur mehr mit der Differenz aus, d. h. mit mindestens € 306,– und höchstens mit € 2.496,–. Neben dem besonderen Werbungskostenpauschale können – so wie auch neben dem allgemeinen Werbungskostenpauschale – nur noch folgende (weitere) Werbungskosten abgezogen werden:31

- Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage und Beiträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen, nicht aber etwaige Betriebsratsumlagen;

- Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung nach dem B-KUVG und zur Pensionsversicherung;

- ein etwaiges Pendlerpauschale und

- rückgezahlte Bezüge.

Geltendmachung der tatsächlichen Werbungskosten von Gemeindemandataren
Werbungskosten eines Gemeindefunktionärs sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich (durch ein solches Mandat) veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist nach den LStR 200232 gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben

- objektiv im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehen und

- subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und

- nicht unter ein steuerliches Abzugsverbot fallen.

Auch „vorweggenommene“ Werbungskosten sind denkbar. Dazu zählen nicht nur die Kosten für eine Wahlwerbung für eine Wiederwahl, sondern auch solche für ein erstmaliges „Antreten“.33
Nachstehend werden die wesentlichsten, bei politischen Funktionären (Gemeindemandataren) anfallenden Werbungskategorien aufgelistet34:
- Partei- und Klubbeiträge
- Spenden, Geschenke und dgl.
- Bewirtungsspesen
- Fahrt- und Reisekosten
- Kosten für ein Arbeitszimmer, für Einrichtungsgegenstände und Bürokosten
- Computer- und Internetkosten
- Fortbildungs- und Ausbildungskosten
- Telefonkosten
- Kosten für Kopier- und Faxgeräte
- Fremdlöhne
- Fachliteratur
- Kosten einer Wahlwerbung

„Gebührendes Entgelt“ im verfassungsrechtlichen Verständnis
In der Zeitschrift „Arbeits- und Sozialrechts-Kartei“ habe ich35 betreffend die Interpretation der verba legalia „gebührendes Entgelt“ nachstehende Überlegungen – hier in geraffter Form wiedergegeben – angestellt, für welche der beiden Auffassungen – die „Bruttobetrachtung“ oder die „Nettobetrachtung“ – die besseren Argumente ins Treffen geführt werden können:
Es entspricht herrschender Interpretationslehre, dass ein kundgemachtes Gesetz unter Heranziehung sämtlicher36 Erkenntnisquellen auszulegen ist. Bleiben danach noch Zweifel über den Sinngehalt der betreffenden verba legalia, ist jenem Gesetzesverständnis Vorrang einzuräumen, welches mit den höherrangigen Rechtsvorschriften (Verfassungsrecht, Europarecht) in Einklang steht. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass die verfassungskonforme Interpretation, der die Annahme zugrunde liegt, dass der Gesetzgeber im Zweifel das (auch) ihn bindende verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot beachtet hat, nicht von vornherein durch die Grenzen des Wortsinnes eingeschränkt wird, somit sogar den üblichen Wortsinn verdrängen kann.37 Aus diesem Grund wird – wie noch zu zeigen ist – das verbum legale „(Erwerbs-)Einkommen“ aus unselbständiger Erwerbstätigkeit – verfassungskonform – im steuerrechtlichen Verständnis als Nettogröße zu lesen sein, womit unter „(Erwerbs-)Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit“ die erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG) zu verstehen sind. Dafür sprechen folgende Gesichtspunkte:

Spannungsverhältnis zwischen subjektiver Absicht des Gesetzgebers und promulgiertem Gesetzeswortlaut
Nach der Judikatur des VfGH38 ist davon auszugehen, dass die primäre Aufgabe der derzeit geltenden Pensionssysteme darin besteht, eine angemessene Versorgung nach Wegfall des Aktiveinkommens zu gewährleisten. Von dieser Prämisse ausgehend werden rechtspolitische Maßnahmen der Gesetzgeber, wie sie etwa zuletzt mit dem TPG bzw. den §§ 57a ff stmk. „Pensionsgesetz“39 sowie den §§ 66a ff der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt40 gesetzt wurden, nämlich bei Frühpensionisten, die neben ihren Pensionsbezügen ein Erwerbseinkommen erzielen, wegen der dadurch eintretenden Überversorgung eine nach Einkommensverhältnissen abgestufte Pensionskürzung vorzusehen, als gerechtfertigt und geeignet erscheinen müssen.
Bei der gesetzestechnischen Umsetzung dieser „Vorhaben“ haben die Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung des Erwerbseinkommens aus unselbständiger Tätigkeit aber an eine Bruttogröße angeknüpft, somit nicht mitbedacht, dass auch mit der Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit gesetzlich vorbestimmte Abzüge (SV-Beiträge etc.) sowie Ausgaben verbunden und zu leisten sind, denen sich der nichtselbständig Tätige nicht entziehen kann, einerseits deshalb nicht, weil sie vom Arbeitgeber (vor Auszahlung des Lohnes) schon abgezogen werden, andererseits auch deshalb nicht, um die Erwartungen am „Arbeitsplatz“ erfüllen zu können (Fortbildungs-, Umschulungs-, Fahrtkosten etc.). Die „Bruttobetrachtung“ (der verba legalia „gebührendes Entgelt“) hätte somit zur Folge, dass bei der Berechnung der Pensionskürzungen bzw. -streichungen (teilweise) von (monetären) Überversorgungen ausgegangen wird, die wegen der gesetzlichen Abzüge und der durch die Erfordernisse am „Arbeitsplatz“ bedingten Zahlungsverpflichtungen betreffend Umschulungs-, Fortbildungs-, Fahrtkosten etc. tatsächlich aber nicht gegeben sind. Dazu kommt, dass bei einer „Bruttobetrachtung“ wegen des Umfangs der Werbungskosten bei politischen Funktionären regelmäßig Kürzungen in einem Ausmaß anfallen, dass das verfügbare (disponierbare, monetäre) Einkommen des frühpensionierten und dazuverdienenden Gemeindemandatars unter die ihm zustehende Pension ohne Dazuverdienst herabsinkt.41 Derartige Kürzungen sind die zwingende Folge des „Bruttoverständnisses“ der verba legalia „gebührendes Entgelt“ und sind keinesfalls auf Einzelfälle beschränkt, die als bloße Härtefälle bezeichnet werden könnten.

Differenzierung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit
Wie bereits erwähnt, wird nach dem Wortlaut der diesbezüglichen pensionsrechtlichen Bestimmungen bei der Ermittlung des Ruhens- bzw. Streichungsbetrages die selbständige Erwerbstätigkeit mit einer Nettogröße anzusetzen sein, die unselbständige jedoch mit einer Bruttogröße. In Anbetracht der als gerechtfertigt und geeignet erscheinenden gesetzgeberischen Maßnahmen, bei „dazuverdienenden“ Frühpensionisten Pensionskürzungen42 vorzusehen, kann die Differenzierung zwischen „Bruttoansatz“ und „Nettoansatz“ (§ 3 Abs. 2 leg cit) als unsachlich bezeichnet werden. Dafür spricht auch das VfGH-Erk 18. 6. 2001, B 1437/00, das – explizit – von einer gewissen sozialen Symmetrie der Begünstigungen bei den einzelnen Einkunftsarten ausgeht und damit – implizit – auch eine gewisse soziale Symmetrie und Ausgewogenheit bei der steuerlichen Belastung und Behandlung der einzelnen Einkunftsarten unterstellt hat. Es ist nämlich kein triftiges Argument auszumachen, warum gerade bei der Frage der Berechnung des Kürzungs- bzw. Streichungsbetrages der Aspekt einer sozialen Symmetrie ignoriert werden sollte. ME würde bei der Berechnung des Kürzungs- bzw. Streichungsbetrages die nichtselbständige und die selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgewogen zueinander berücksichtigt werden, wenn das nichtselbständige Erwerbseinkommen „brutto“, d. h. ohne die gesetzlich vorgesehenen bzw. erforderlichen Ausgaben, das selbständige Erwerbseinkommen demgegenüber jedoch „netto“ angesetzt werden würde.
Zudem spricht für die Unsachlichkeit dieser Differenzierung und damit für die Unsachlichkeit des „Bruttoansatzes“ bei den „Nichtselbständigen“, dass die praktische Abgrenzung zwischen betrieblicher und nichtselbständiger Tätigkeit fließend und damit rechtens oft von der Frage einer weiteren Erforschung des (vollständigen) Sachverhalts abhängig ist. Dadurch wird die Höhe des Kürzungs- und Streichungsbetrages auch von Zufälligkeiten bestimmt, weil jeweils nicht vorausgesehen werden kann, ob [etwa] erklärte43 betriebliche „Werkvertrags- [bzw. freie Dienstvertrags-]einkünfte“ im Zuge eines Vorhalts (§ 161 BAO) oder einer Außenprüfung (§§ 147 ff BAO) genauer „hinterfragt“ werden oder nicht bzw. ob sich schließlich die „Werkvertrags-[bzw. freie Dienstvertrags-]einkünfte“ doch als Arbeitsentgelte iSd § 25 EStG „entpuppen“. Auch verwaltungsökonomische Überlegungen sprechen gegen diese Differenzierung, weil die für die Berechnung des Ruhens- bzw. Streichungsbetrages relevanten Beträge jeweils unmittelbar aus dem Einkommensteuerbescheid entnommen bzw. abgeleitet werden können.

„Kompensierung“ des Nichtansatzes der Sonderzahlungen (bei nichtselbständiger Tätigkeit) mit der Nettobetrachtung (bei selbständiger Tätigkeit)?
Nach den pensionsrechtlichen Kürzungs- und Streichungsregeln44 gilt als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt, somit eine Bruttogröße. Dabei bleiben aber Bezüge außer Ansatz, die für einen größeren Zeitraum als einem Kalendermonat gebühren, d. h. idR die tarifbegünstigten Sonderentgelte in Form des 13. und 14. Monatsbezuges (§ 67 EStG). Demgegenüber wird bei selbständiger Erwerbstätigkeit im Zuge der Berechnung des Ruhens- bzw. Streichungsbetrages der Gewinn, somit ein Nettobetrag, angesetzt. Auch durch das „Weglassen“ der Sonderentgelte, somit durch Ansatz von idR bloß sechs Siebentel der gesamten Bezüge aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, können mE die vorstehend konstatierten verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend die Differenzierung „Bruttoansatz – Nettoansatz“ nicht beseitigt werden.
Dafür spricht folgender Gedanke: Nach dem VfGH-Erk 18. 6. 2001, B 1437/ 00, bilden die Tarifbegünstigungen gem. § 67 EStG einen Ausgleich für die bei den betrieblichen Einkünften geltenden begünstigenden Regelungen und Dispositionsmöglichkeiten, d. h. die beiden „Begünstigungsfelder“ sind somit als in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehend – somit als „aufrechenbar“ bzw. „kompensierbar“ – zu betrachten. Aus diesem Rechtfertigungsargument kann deshalb im gegebenen Zusammenhang nur abgeleitet werden, dass bei der Gewinnermittlung neben dem Abzug von Ausgaben, die durch die selbständige Erwerbstätigkeit verursacht sind und deren Nichtberücksichtigung gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen würde,45 auch begünstigende Regelungen und Dispositionsmöglichkeiten den Gewinn mindern (werden), nicht aber, dass die Nichteinbeziehung der Sonderentgelte in die Kürzungs- bzw. Streichungsberechnung dem Bruttoansatz die (per se gegebene) Unsachlichkeit zu „nehmen“ im Stande wäre. Für die Differenzierung, dass die durch unselbständige Tätigkeiten verursachte Ausgaben bei der Berechnung des Ruhensbetrags nicht zum Abzug kommen, die betrieblich veranlassten demgegenüber schon, lässt sich dadurch (jedenfalls) keine sachliche Rechtfertigung finden bzw. begründen.

Resümee
Unter „Erwerbseinkommen aus selbständiger Arbeit“ bzw. „(Erwerbs-)Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit“ iSd besprochenen pensionsrechtlichen Bestimmungen46 wird jeweils die steuerliche Nettogröße47 „erzielte Einkünfte“ zu verstehen sein. Die Differenzierung danach, ob ein Frühpensionist nichtselbständig oder selbständig tätig dazu verdient, wäre verfassungsrechtlich bedenklich. Dies kann aber durch ein verfassungskonformes Verständnis der verba legalia „gebührendes Entgelt“ vermieden werden.
Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass es bei der „Durchsetzung“ des eben beschriebenen verfassungsrechtlichen Verständnisses der verba legalia „gebührendes Entgelt“ wohl Sinn zu machen scheint, den Weg zum VfGH zu beschreiten und nicht diesbezüglich den VwGH anzurufen48; ist letzterer doch – auch wenn er bei der jeweiligen Erkenntnisfindung den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung mit zu beachten hat – nach Art 129 B-VG (bloß) „zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der (gesamten öffentlichen) Verwaltung“ berufen.

Fußnoten:
1 Vgl. beispielhaft stmk. Gemeinde-BezügeG, LGBl 72/1997 idF 62/2001.

2 65 Jahre bzw. 60 Jahre.

3 Vgl. etwa § 1 Z 4 TPG, § 253b ASVG.

4 Nach § 6 Abs. 2 TPG, § 572 Abs. 8 ASVG, § 273 Abs. 16 GSVG und § 262 Abs. 7 BSVG gilt diese Betrachtung nur für Entgelte für Funktionen, die ab 1. 1. 2001 erstmals oder neuerlich angetreten wurden.

5 § 253b iVm § 607 Abs. 10 ASVG.

6 § 131 iVm § 298 Abs. 10 GSVG.

7 § 122 iVm § 287 Abs. 10 BSVG.

8 Derzeit € 316,19.

9 Beispielhaft.

10 Das gem. § 2 Abs. 1 stmk. LandesbeamtenG, LGBl 124/1974, als Landesgesetz geltende PensionsG 1965 (idF BGBl 393/1974) idF stmk. LGBl 23/2004. Das PensionsreformG 2002, stmk. LGBl 22/2002, ist teils mit 1. 3. 2002 in Kraft getreten und wird teils mit 1. 1. 2005 in Kraft treten (§ 458 Abs. 13 bzw. § 462d).

11 Exakt „für Ruhegenüsse, die nach dem 31. 12. 2004 erstmals gebühren“ (§ 62d Abs. 14 stmk. PensionsG idF LGBl 22/2002).

12 Abschn. VIIIa (§§ 57a–57c) iVm § 62d Abs. 14 stmk. PensionsG idF LGBl 22/2002.

13 Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl 30/1957 idF 54/2003.

14 Abschn. 3a (§§ 66a–66c) der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz idF LGBl 1/2003. Abschn. 3a leg cit ist gem. § 147 Abs. 16 idF LGBl 1/2003 auf Ruhebezüge anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2004 erstmals gebühren.

15 Stmk. GemeindebedienstetenG 1957, LGBl 34 idF 62/2001.

16 § 91 ASVG, § 60 GSVG und § 56 BSVG, jeweils idF BGBl I 145/2003.

17 Im Urt. 16. 12. 2003, 10 Ob 5 427/02w hat der OGH festgestellt, dass der Bezug eines Wiener Bezirksrates (dem Grunde nach) dem Erwerbseinkommen gem. § 91 Abs. 1 ASVG gleichzuhalten ist.

18 § 3 TPG, BGBl I 38/1997 idF I 145/2003.

19 § 57c PensionsG idF stmk. LGBl 22/2002.

20 § 66c Dienst- und Gehaltsordnung idF LGBl 1/2003.

21 § 3 Abs. 2 TPG bzw. § 57c Abs. 2 stmk. PensionsG idF LGBl 22/2002 sowie § 66c Dienst- und Gehaltsordnung idF stmk. LGBl 1/2003.

22 § 91 Abs. 1 Z 2 ASVG, § 60 Abs. 1 Z 2 GSVG, § 56 Abs. 1 Z 2 BSVG.

23 Betreffend das Erwerbseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft gibt es idR Sonderbestimmungen.

24 § 3 Abs. 3 TPG, § 57c Abs. 3 stmk. PensionsG idF LGBl 22/2002, § 66c Abs. 3 Dienst- und Gehaltsordnung … idF LGBl 1/2003, § 91 Abs. 1 Z 1 ASVG, § 60 Abs. 1 Z 1 GSVG, § 56 Abs. 1 Z 1 BSVG.

25 § 49 Abs. 1 ASVG; vgl. auch die Beitragsgrundlage nach § 19 B-KUVG (arg.: „das Gehalt oder der monatliche Bezug“) bzw. nach § 22 Abs. 2 GG für den Pensionsbeitrag (arg.: „Gehalt“).

26 885 BlgNR, XX. GP (44 und 60).

27 „Durch die Einführung von Ruhensbestimmungen … soll Frühpensionsbeziehern, die daneben Erwerbseinkünfte … erzielen, …“ (885 BlgNR, XX. GP, 44). „Das Erwerbseinkommen umfasst grundsätzlich alle Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Erwerbstätigkeit“ (885 BlgNR, XX. GP, 60).

28 Demgegenüber wird bei Sedlacek/Treer/Höfle/Pilz, Das Steuer- und Sozialversicherungsverhältnis der Gemeindemandatare (2002) 157 weiterhin differenziert: Bei unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt das aus dieser Tätigkeit gebührende laufende Entgelt, bei selbständiger Erwerbstätigkeit die Einkünfte aus dieser Tätigkeit als „Erwerbseinkommen“. Weiters Sedlacek, Erwerbseinkommen bestimmt Pension, Kommunal 2004, H 6, 15.

29 Das TPG hat offensichtlich das Erwerbseinkommen u. a. der Gemeindemandatare deshalb noch – gesondert – als „Bezüge“ aus ihrer Tätigkeit definiert (§ 1 Z 4 lit c), weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses G eine eindeutige (steuerliche) Zuordnung dieser Bezugsteile zu den E aus NSA (§ 25 Abs. 1 Z 4 lit b EStG) noch fehlte.

30 Vgl. dazu die Rz 406a und Rz 407ff der LStR 2002 idF AÖF 2003/242.

31 Sedlacek/Treer/Höfle/Pilz, 51.

32 IdF AÖF 2003/242, Rz 223.

33 Dazu im Einzelnen und weiterführend „Lohnsteuerprotokoll 2004, 1.4.7“.

34 Weiterführende Hinweise dazu können den LStR 2002, Rz 383a–383i, sowie Sedlacek/ Treer/Höfle/Pilz, 53–64, entnommen werden.

35 Taucher, Erwerbseinkommen und Teilpensionsgesetz – Interpretationsfragen, ASoK 2004, 110 ff. Die diesbezügliche Vielfalt derartiger Ausgabenkategorien zeigt (jüngst) eindrucksvoll VwGH 30. 4. 2003, 97/13/0145, 0183.

36 Ein kundgemachtes Gesetz ist zwar aus sich selbst auszulegen. Andere Erkenntnisquellen können dabei aber herangezogen werden, insbesondere wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist; es ist nämlich davon auszugehen, dass es keinen Vorrang einzelner Interpretationsmethoden gibt – vgl. Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht [1994] 68 ff.

37 Vgl. etwa Korinek, Zur Interpretation von Verfassungsrecht, in Mayer, Walter-FS (1991) 363 (368 f und 382 f); Rill, ZfV 1985, 461, 577; Rill in Vetter/Potacs, Beiträge zur juristischen Hermeneutik (1990) 53; Griller, Rill-FS (1995) 543; Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht (1994) 68 ff; Beiser, ÖStZ 1985, insb. FN 77 und 78, sowie ÖStZ 1984, 171; Lang, FJ 1998, 159 (163).

38 Vgl. etwa beginnend mit VfGH 17. 3. 1966, G 24, 26, 27/65, VfSlg 5241; zuletzt VfGH 27. 6. 2003 G 300/02.

39 PensionsG 1965 idF stmk. LGBl 22/2002; vgl weiters 134 BlgNR, XIX. GP, zu § 131 Abs. 1 GSVG idF BGBl 1995/297 (StrukturanpassungsG).

40 Dienst- und Gehaltsordnung idF stmk. LGBl 1/2003.

41 Diesbezüglich ist in der ASoK 2004, 112, FN 17, folgendes Beispiel angeführt (Werte 2002):
Pension € 5.085,40
Vollpension € 5.085,40
Erwerbstätigkeit aus nichtselbständiger Arbeit, brutto € 798,40, angenommene mtl Werbungskosten (ASVG-Abzüge, UV-B, AKU, WBFB, Fortbildungskosten, Fahrtkosten etc.) iHv € 200,–; trotzdem ist anzusetzen
Erwerbseinkommen € 798,40
Gesamteinkommen € 5.883,80
Davon ruhen
von den ersten € 1.322,49 0,00% € 132,20
von den weiteren € 440,80 30,00% € 132,20
von den weiteren € 440,80 40,00% € 176,30
von den weiteren € 3.679,71 50,00% € 176,30
von den weiteren € 3.679,71 50,00% € 1.839,90
Der Ruhensbetrag darf gem. Übergangsregel nach § 6 Abs. 3 leg cit (wird dabei außer Betracht gelassen) noch das Erwerbseinkommen überschreiten.
Ruhensbetrag deshalb € 798,40
Somit (verfügbares) Gesamteinkommen nach Dazuverdienst bloß € 4.885,40 (!) (€ 5.085,40 abzüglich [abgezogener bzw. zu leistender] Werbungskosten iHv € 200,–).

42 Vgl. 885 BlgNR, XX. GP (44 und 60) in Bezug auf das TPG.

43 § 42 Z 3 EStG.

44 § 3 Abs. 3 TPG, § 91 Abs. 2 ASVG, § 60 Abs. 2 GSVG, § 56 Abs. 2 BSVG, § 57c Abs. 3 stmk. „PensionsG“ idF stmk. LGBl 22/2002.

45 Vgl. Doralt/Ruppe, Grundriss des österr. Steuerrechts I8 (2003) 18.

46 § 3 Abs. 2 und 3 TPG, § 91 ASVG, § 60 GSVG, § 56 BSVG, § 57c Abs. 2 und 3 stmk. PensionsG idF LGBl 22/2002.

47 So auch OGH 14. 1. 2003, 10 ObS 375/02y zu § 131 GSVG.

48 So aber Sedlacek, Kommunal 2004, H 6, 16 in Bezug auf das anhängige VwGH-Verfahren „GZ 2003/12/0225“.

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