Optimismus für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Ein Bericht vom 16. CEEP-Kongress in Leipzig

Optimismus für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Ein Bericht vom 16. CEEP-Kongress in Leipzig

Im Mai 2004 hat die EU-Kommission anschließend an ihr Grünbuch ein Weißbuch betreffend die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen) veröffentlicht. Gleichzeitig wurde ein Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Vorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen vorgelegt und somit der Startschuss zu einer Diskussion dieses Themas gegeben. Der 16. CEEP-Kongress in Leipzig vom 16.–18. 6. 2004 stand unter dem Motto „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse: Eine Chance für ein integriertes Europa“. Naturgemäß standen die angeführten EU-Veröffentlichungen im Mittelpunkt der Diskussionen dieses Kongresses. Obwohl natürlich – auch aufgrund der Ergebnisse der EU-Wahlen und der Neubildung der EU-Kommission – die endgültige Haltung der EU zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nach wie vor unsicher ist, entwickelte sich aufgrund von verschiedenen Aussagen der Kommission im Weißbuch doch ein gewisser Optimismus über die zukünftige Rechtslage aus Sicht der Kommunen.

 

Wahlfreiheit der Kommunen bleibt erhalten
Insbesondere bezog sich der im Titel angesprochene Optimismus darauf, dass die Wahlfreiheit der Gebietskörperschaften erhalten bleibt, die Leistungen der Daseinsvorsorge selbst oder durch eigene Unternehmen erbringen zu lassen.
Als besonders wichtig wurde dabei auch die Frage der politischen Verantwortlichkeit der Mandatare der Gebietskörperschaften dargestellt.
Die Auswirkungen der Regelungen des Beihilfenrechtes werden bei der weiteren Ausgestaltung der Dienste von allgemeinem Interesse ebenso eine Rolle spielen wie Fragen der Regulierung.

Rahmenrichtlinie ja oder nein?
Die Frage der Erlassung einer Rahmenrichtlinie über die Dienste von allgemeinem Interesse bleibt unbeantwortet, es überwiegt jedoch die Meinung, dass es zu einer solchen Rahmenrichtlinie kommen wird. Die Meinungen pro und contra Rahmenrichtlinie sind quer durch die Interessengruppen, die kommunale Politik und die am CEEP-Kongress vertretenen kommunalen Unternehmen geteilt. Die Befürworter erwarten sich klare, nachvollziehbare Regeln und eine Rechtssicherheit über die Ausübung der Dienste von allgemeinem Interesse, die Gegner fürchten eine für die Freiheit der Erbringung dieser Leistungen ungünstige Regelung.
So hat sich die deutsche Bundesregierung gegen eine Rahmenrichtlinie ausgesprochen. Es wird dabei ins Treffen geführt, dass in einer solchen Rahmenrichtlinie nicht horizontal die Besonderheit der sehr verschiedenen einzelnen Dienste geregelt werden kann.

Zusammengefasster Inhalt des Weißbuches
Die Kommission geht auf das Stellungnahmeverfahren zum Grünbuch ein und anerkennt die Wichtigkeit der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse als eine der Grundsäulen, auf denen das europäische Gesellschaftsmodell gründet. Entsprechend den Grundsätzen in Art. 16 des EG-Vertrages und Art. 36 der Charta der Grundrechte wird die Kommission bei den politischen Maßnahmen und Tätigkeiten, die in ihre Zuständigkeit fallen, der spezifischen Rolle der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im vollen Umfang Rechnung tragen. Sie wird auch darauf hinwirken, sicherzustellen, dass die Europäische Union weiterhin einen konstruktiven Beitrag zur weiteren Ausgestaltung der Dienste von allgemeinem Interesse (DAI) als Bestandteil des europäischen Modells leistet und dabei die vielfältigen Traditionen, Strukturen und Gegebenheiten der Mitgliedstaaten gewahrt bleiben. Besonderes Augenmerk wird auf die Entwicklung in den neuen Mitgliedstaaten gelegt, vor allem auf die spezifischen Bedürfnisse, die sich aus der Umgestaltung der Volkswirtschaften in diesen Ländern ergeben.
Wichtig erscheint die Aussage, dass die Festlegung der Gemeinwohlaufgaben nach wie vor den öffentlichen Instanzen auf der jeweiligen Ebene obliegt. Demokratische Entscheidungsmöglichkeiten sind zu wahren, und zwar in Bezug auf Dienste, Qualitätsniveau und anfallende Kosten. Es ist in erster Linie Sache der zuständigen nationalen, regionalen und lokalen Behörden, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu definieren, zu organisieren, zu finanzieren und zu kontrollieren.

9 Leitprinzipien
Die Kommission formuliert im Weißbuch 9 Leitprinzipien:
- Voraussetzungen für bürgernahe, öffentliche Regulierung schaffen.
- Die Ziele der öffentlichen Dienste in wettbewerbsfähigen, offenen Märkten erreichen.
- Kohäsion und universellen Zugang sichern.
- Ein hohes Qualitäts-, Versorgungssicherheits- und Schutzniveau aufrechterhalten.
- Die Rechte der Verbraucher und Nutzer sichern.
- Monitoring und Leistungsevaluierung sicherstellen.
- Die Verschiedenheit der Dienstleistungen und Situationen berücksichtigen.
- Mehr Transparenz schaffen und
- Rechtssicherheit gewährleisten.

Weitere Vorgangsweise
Im Kapitel Neuausrichtungen für eine kohärente Politik wird die beabsichtigte Vorgangsweise skizziert.

- Die Vielfalt in einem kohärenten Rahmen berücksichtigen:
Die Kommission wird sich bei In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrages mit der Frage der Machbarkeit und der Notwendigkeit eines Rahmengesetzes für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse befassen. Die Kommission wird vor Ende des Jahres 2005 einen entsprechenden Bericht vorlegen.

- Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Ausgleichszahlungen für Gemeinwohlverpflichtungen sollen präzisiert und vereinfacht werden:
Die Kommission beabsichtigt eine Reihe von Maßnahmen, unter anderem will sie bis Juli 2005 einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichszahlungen für auferlegte Gemeinwohlverpflichtungen festlegen.
Die Kommission wird bei der Beurteilung von Ausgleichszahlungen für auferlegte gemeinwirtschaftliche Pflichten weiterhin pragmatisch vorgehen.

- Die Kommission wird einen präzisen, transparenten Rahmen für die Auswahl von Unternehmen vorgeben, denen die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auferlegt wird:
Die Kommission wird eine öffentliche Konsultation zum Grünbuch über Fragen des öffentlichen Beschaffungswesens bei öffentlich-privaten Partnerschaften durchführen. Auf dieser Grundlage wird sie vor Ende des Jahres 2004 Vorschläge unterbreiten.

- Die Kommission wird den Gemeinwohlauftrag bei Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen umfassend berücksichtigen.

- Die Kommission wird die Ergebnisse bewerten und den Leistungsstand evaluieren:
Die Kommission wird 2004 ihre erste auf der Grundlage ihrer Evaluierungsmethodik basierende horizontale Evaluierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorlegen und 2006 ihre Evaluierungsmechanismen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einer Überprüfung unterziehen.

- Die Kommission wird die sektoralen Politikbereiche überprüfen.

- Die Kommission wird die interne Politik der internationalen Handelspolitik zugrundelegen:
Die Kommission wird weiterhin sicherstellen, dass die von der Gemeinschaft bei internationalen Handelsverhandlungen vertretenen Positionen in vollem Umfang im Einklang mit dem internen Regelungsrahmen der EU für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stehen.

- Die Kommission wird Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bei der Entwicklungszusammenarbeit fördern.

Beurteilung
Bei der obigen Darstellung wurden nur wichtige Schwerpunkte dargestellt. Nähere Ausführungen ergeben sich aus dem Weißbuch. Aus meiner Sicht ergeben sich folgende Bewertungen:
Die Kommission plant derzeit umfangreiche Evaluierungen. Jedenfalls sollte auf die damit verbundenen Auswirkungen, auch in bürokratischer Hinsicht, Bedacht genommen werden.
Offensichtlich anerkannt wird von der Kommission die Unterschiedlichkeit und Vielfältigkeit der Dienste und der jeweiligen Ausgangslage.
Ein allfälliger Richtlinienvorschlag sollte nur für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erlassen werden. Derzeit ist keine Rahmenrichtlinie beabsichtigt, die Entscheidung fällt zu einem späteren Zeitpunkt (nach In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrages). Im Falle eines Verfahrens für eine Rahmenrichtlinie muss es zu einer Folgenabschätzung (neue Rechtsetzung) kommen.
Regelungen für bestimmte Fragestellungen oder Sektoren sind jedoch beabsichtigt. Die Kommission versichert, keine Liberalisierung bzw. Eingriffe in die Organisation und in die Finanzierung der Dienste zu beabsichtigen. Ein Bedarf nach Einheitlichkeit und Rechtssicherheit wird gesehen.

Diskussion und Workshops zeigen die Meinungsvielfalt und Problematik einer „Harmonisierung“
In 4 Workshops wurden einzelne Aspekte des Themas von verschiedenen Standpunkten aus beleuchtet.
Es bestand Einvernehmen darüber, dass die Diskussion um die Dienste von allgemeinem Interesse mit dem Weißbuch noch nicht beendet sein wird. Auch die endgültigen Bestimmungen der EU-Verfassung sind von Bedeutung.
Besondere Bedeutung wurde dem Grundsatz der Subsidiarität zugemessen.
Insbesondere im Wasserbereich ist das Stichwort derzeit die „Modernisierung“ (interner Veränderungsdruck): Eine nationale Modernisierungsstrategie wird jedoch als besser als aufgezwungene Veränderungen angesehen.
Der Bürgermeister von Leipzig formulierte 3 zentrale Forderungen, auch im Namen der Euro-Cities:

- Qualität: darf nicht der ungebremsten Privatisierung geopfert werden.
- Subsidiarität: die Gemeinden müssen in der Verantwortung bleiben.
- Faire Bedingungen im Wettbewerb.

Beihilfenregelung
Es wurde die Meinung vertreten, dass Ausgleichshilfen und Beihilfen begrifflich zu trennen sind. Es sollten keine komplizierten Regelungen getroffen werden. Die goldene Regel sollte sein: nur so viel als notwendig (übertriebener Ausgleich kann allerdings immer nur im Nachhinein festgestellt werden).
Wesentlich ist auch, dass es für einen Teil der Dienste von allgemeinem Interesse keine normal funktionierenden Märkte gibt, daher können auch normale Wettbewerbsregeln nicht übergestülpt werden.

Regulierung
Es stellen sich drei Fragen:
a) Was wird reguliert?
b) Wann? (vorher – nachher)
c) Wer? (Behörde)

Zu a)
Zugangskontrolle (faire Einstiegspreise), Monopolkontrolle der Preise (Ausbeutungskontrolle), Behinderungsschutz und Verbraucherschutz.
Zur Preiskontrolle:
Zur Preiskontrolle wurde festgehalten, dass das Vergleichsmarktkonzept umstritten ist. (Gibt es überhaupt Vergleichswerte?)
Die Aufgabenregulierung umfasst Qualität, Sicherheit, Nachhaltigkeit usw. Je höher der Standard, umso weniger kann der Markt bewirken.

Zu b)
Es besteht die Tendenz zu Mischsystemen zwischen Ex-ante- und Ex-post-Regulierung (in einigen Ländern, z. B. Deutschland, derzeit nur ex post).
Oft unterscheiden sich Ausschreibungsergebnis (Angebot) und tatsächliche Vertragserfüllung. Anbieter wollen dann aus dem Vertrag heraus oder Vertragsanpassungen.

Zu c)
Es sollen keine supranationalen Regulierer geschaffen werden, da in einzelnen Mitgliedstaaten spezielle Probleme vorhanden sind, es soll jedoch ein Gedankenaustausch zwischen Regulierungsbehörden stattfinden.

Liberalisierung kann auch zur Verschlechterung
von Marktverhältnissen führen

Sehr treffend wies ein Tagungsteilnehmer darauf hin, dass nicht jede Liberalisierung zu mehr Wettbewerb führt. Durch die Entstehung von Oligopolen können keine Marktpreise geschaffen werden. Man muss die einzelnen Bereiche prüfen, ob sie überhaupt für eine Liberalisierung geeignet sind.
Liberalisierung kann auch zur Verschlechterung von Marktverhältnissen führen.
In diesen Zusammenhang wurde auch auf Regulierung versus Fusionskontrolle hingewiesen und die Ansicht vertreten, dass die Wertgrenzen, ab welcher eine Fusionskontrolle durchgeführt wird, zu hoch seien.
Insgesamt wurden einfache Berechnungen gefordert (keine detaillierten Regelungen der EU, keine Verpflichtung zur Notifizierung).
Auf fließende Grenzen zwischen Dienstleistungen nichtwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Art wurde hingewiesen.
Bei Ausschreibungen sind genaue Definitionen und Bewertungen erforderlich (Ausscheidung unrealistischer Angebote).

Wesentliche Punkte der Diskussion:
Subsidiarität und kommunale Wirtschaft

Es muss die Frage gestellt werden, ob es lokale Dimensionen für Dienstleistungen gibt. Deren Charakteristiken müssen definiert werden.
Oberste Maxime muss sein, Dienstleistungen zu niedrigsten Preisen und höchster Qualität anzubieten. Auch andere Ziele sind zu beachten, wie Beschäftigung, Umwelt, Gesundheit. Die Beihilfenregelungen sind nicht auf die Bedürfnisse der Kommunen zugeschnitten. Auf eine lange Dauer der Dienstleistungserbringung ist Bedacht zu nehmen.
Die Kommission fordert marktgerechte und günstige Leistungen, berücksichtigt aber nicht Traditionen und bisherige Investitionen. Auf das Territorialprinzip ist hinzuweisen.
Bei bewussten Dumpingangeboten können Kommunen vom Markt verdrängt werden (Know-how geht verloren, wenn ein kommunales Unternehmen untergeht, weil sich kommunale Unternehmen nicht woanders bewerben können).
Auf zusätzliche Kosten bei einer allfälligen Vorhaltepflicht für den Fall des Leistungsentfalls eines privaten Auftragnehmers muss hingewiesen werden.
Die Gefahr des Sinkens hoher ökologischer Standards bzw. nachträglicher Vertragsanpassungen nach Ausschreibungen wird gesehen.
Z. B. sind Müllverbrennungsanlagen für 25 bis 30 Jahre geplant. Durch Liberalisierungen am Müllmarkt ergeben sich schlechte Auslastungen der kommunalen Anlagen und damit ein Wegbrechen von Einnahmen.
Rechtssicherheit, welche Leistungen EU-relevant sind und klare Abgrenzung wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit wird gefordert, ebenso die Abgrenzung, wann eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes vorliegt. Die Befreiung von der Notifizierungspflicht für Beihilfen wird gefordert.

Entscheidungsfreiheit muss bei Kommunen bleiben
Die Vielfalt der Leistungen der öffentlichen Hand ist zu berücksichtigen, ebenso das Prinzip der Nähe der Leistung.
Es wird an alle Teilnehmer appelliert, die Subsidiarität zu verteidigen, der Ausgang dieser Diskussion wird jedoch als offen angesehen.
Einerseits gewinnt eine „Regulierung“ immer mehr an Bedeutung, andererseits wird bei den vergebenen Leistungen nicht immer die Erfüllung der Vergabebedingungen genau kontrolliert.

Situation in Österreich, Bedachtnahme auf bestehende Strukturen
Vom Verfasser dieses Artikels wurde in der Diskussion auf das Erfordernis der Bedachtnahme auf bestehende Strukturen, auf die Gefahr der Vernichtung von Kapital, welches durch Gebührenzahler finanziert wurde, hingewiesen, ebenso auf die in Österreich bereits praktizierten Mischformen zwischen öffentlicher Hand und Privaten bei der Aufgabenerbringung.
Ebenso wurde von mir auf das Entstehen des nicht abschätzbaren administrativen Aufwandes sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene durch Beihilfenkontrolle, Regulierung und komplizierte Vergabeverfahren sowie auf die dadurch verursachte Verfahrensdauer und die Kosten aufmerksam gemacht.
Es muss auch bedacht werden, dass es Aufgaben gibt, bei denen kein Markt vorhanden ist und die im allgemeinen Interesse nur von der öffentlichen Hand erfüllt werden.
Übereinstimmung bestand darüber, dass die kommunalen Unternehmen private Konkurrenz nicht zu fürchten haben.

Zusammenfassend wurde festgestellt:
1. Es gibt eine lokale Dimension der Dienste von allgemeinem Interesse (DAIs).

2. Der Bedarf der Regelung durch eine Rahmenrichtlinie wird unterschiedlich beurteilt, die Entscheidungsfreiheit der Kommunen über die Art der Dienstleistungserbringung ist sicherzustellen.

Die Zukunft der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in einem integrierten Europa
In einem bemerkenswerten Vortrag stellte Eva Belabed, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und Mitarbeiterin der Oberösterreichischen Kammer für Arbeiter und Angestellte über Europa hinausgehende Zusammenhänge dar. Sie stellte das Europäische Modell (Entwicklung einer Solidargemeinschaft in den letzten 100 Jahren) dem anglo-amerikanischen Modell gegenüber und konstatierte eine Kehrtwendung in Europa in den letzten 10 bis 20 Jahren, mit einem Sinken des Gewichtes des Staates und der öffentlichen Dienste. Damit verbunden ist eine Erodierung der Steuerbasis und ein Zurückgehen der Finanzierungsmöglichkeiten. Bemerkenswert sei, dass die Weltbank ihre eigene bisherige Haltung bereits in Frage gestellt habe. Die EU müsste Ausnahmen in den GATS-Verhandlungen verteidigen.

Zukunftsperspektiven
In der abschließenden Plenarsitzung wurde festgestellt, dass vom EU-Gipfel Weichenstellungen erwartet werden (Subsidiarität, Kommunale Selbstverwaltung, Verankerung der DAI, keine Gesetzgebungskompetenz für EU über bisherige Rechtsregeln hinaus).
Eine bessere Austarierung kommunaler Selbstverwaltung und Wettbewerb ist erforderlich.
Die Wahlfreiheit der Kommunen soll respektiert werden. Viele Dienstleistungen sind bei Kommunen in guten Händen.
Auch auf die Auffangfunktion des Staates bei Marktversagen wurde hingewiesen.
Ein Vertreter der privaten Anbieter vertrat die Ansicht, dass sich die Kommunen auf Daseinsvorsorge beschränken und nicht in den Markt eingreifen sollen. Die Kommunen agieren oft unter anderen (günstigeren) Voraussetzungen.
Die Frage der Definition der wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienste soll nach Forderungen von Diskutanten national erfolgen (Rücksichtnahme auf nationale Traditionen).
Es wurde auch die Ansicht vertreten, dass offensichtlich nicht mehr realwirtschaftliche Ziele, sondern der Shareholder-Value im Vordergrund stehen.
Betont wurde die Notwendigkeit der freien Wahl der Kommunen über die Form der Leistungserbringung.

Sichtweise der Kommission
Der Vertreter der Kommission wies auf die bisherige Entwicklung und Diskussion hin, fasste die Ergebnisse der Stellungnahmen zum Grünbuch zusammen und die sich aus diesen ergebenden Gemeinsamkeiten (z. B. Forderung nach einer Balance der Kompetenzen: keine Verlagerung auf EU-Ebene, aber Klärung der Regeln, besser vorhersagbare und klarere Regeln, Entscheidungen in engster Zusammenarbeit mit der Bevölkerung).
Das Weißbuch hat zwei Ziele: Definitionen basierend auf dem Grünbuch, der Grundelemente und Strategieentwicklung als Fahrplan. Das Interesse der Kommission an hochwertigen Dienstleistungen wird betont. Öffentliche Behörden sollen verantwortlich bleiben, jedoch ist eine Modernisierung beabsichtigt. Eine geteilte Verantwortlichkeit soll vorgesehen werden, abhängig von der Art der Dienstleistung (z. B. Dienstleistungen mit transeuropäischen Dimensionen). Daraus ergeben sich auch Kompetenzen für die EU, deren Aufteilung ist jedoch kompliziert. Die Rolle der nationalen und regionalen Behörden wird hervorgehoben.
Das europäische Modell soll weiterentwickelt werden, wenn erforderlich. Es wird einen weiteren Konsultationsmechanismus geben; die Debatte sei noch nicht abgeschlossen.

Abschließende Erklärung
Das Weißbuch und die darin enthaltenen Prinzipien werden begrüßt, die Subsidiarität ist sicherzustellen. Die Vielfalt der Dienste und die Wahlfreiheit der Kommunen sind zu garantieren und die Finanzierungsregeln sind klarzustellen.
Klare Regeln sind auch für neue Mitgliedstaaten von Bedeutung. Auf das Erfordernis des sozialen Dialogs wird hingewiesen (Ausgleich zwischen Flexibilität und Sicherheit der Beschäftigung). Ausgleichszahlungen werden nicht als Beihilfen gesehen.
Im neuen Parlament und in der neuen Kommission ist entsprechendes Bewusstsein zu schaffen.

Beurteilung der Ergebnisse
Aus meiner Sicht lassen sich zusammenfassend folgende Schlüsse aus dem Kongress ziehen:
Es besteht ein gewisser Optimismus für faire Regeln.
Es besteht Einvernehmen darüber, dass nicht alles über einen Kamm geschert werden kann, d. h. dass auf nationale und regionale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen ist und auch darauf, dass die einzelnen Dienste äußerst unterschiedlich sind.
Zähigkeit in der Verfolgung der Ziele macht sich bezahlt.
Der Ausgang der weiteren Diskussion ist jedoch ungewiss.

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