Statutarstädte im Finanzausgleich

Statutarstädte im Finanzausgleich

Statutarstädte mit einer Einwohnerzahl ab 20.000 werden im FAG 2001 gegenüber den anderen Städten (Gemeinden) benachteiligt, weil sie auch die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen haben, ohne dafür aber entsprechend abgegolten zu werden.

 

I. Vorbemerkungen
Die Städte mit eigenem Statut1 haben gegenüber den Ortsgemeinden2 eine rechtliche Sonderstellung3, die im Wesentlichen darin besteht, dass die Statutarstädte zugleich die Aufgaben der Gemeinde- und Bezirksverwaltung wahrzunehmen, somit auch die Agenden einer Bezirkshauptmannschaft zu besorgen haben. Neben den typischen von einer Ortsgemeinde (iS einer Einheitsgemeinde) zu besorgenden Angelegenheiten4 haben die Statutarstädte nämlich auch die Geschäfte der mittelbaren Bundesverwaltung und der Landesverwaltung5 zu führen. Es liegt auf der Hand, dass die Statutarstädte gegenüber den übrigen Ortsgemeinden deshalb weiterer Mittel bedürfen, um diese zusätzlichen Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können.
Bezüglich eines Rechtsanspruchs auf sachgerechte Ausstattung mit (zusätzlichen) Mitteln kann in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen der §§ 2–4 F-VG und die dazu ergangene Judikatur des VfGH verwiesen werden.

II. Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Mittelausstattung der Ortsgemeinden
1. Es ist ein besonderes Kennzeichen der österreichischen Finanzverfassung, dass die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen Bund, Ländern und Gemeinden weder durch das B-VG noch durch das Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) vorgenommen wird. Die Verteilung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Abgabenwesens, die so genannte Kompetenz-Kompetenz, ist vielmehr nach § 3 Abs. 1 F-VG dem einfachen Bundesgesetzgeber überlassen. In der Praxis erfolgt die Verteilung der Besteuerungsrechte im Wesentlichen durch das Finanzausgleichsgesetz, ein – regelmäßig befristet erlassenes – einfaches Bundesgesetz. Bei der Ausübung der Kompetenz-Kompetenz ist der (einfache) Bundesgesetzgeber jedoch an eine inhaltliche (und formale6) Schranke gebunden:
Inhaltlich hat sich nämlich der Bundesgesetzgeber gemäß § 4 F-VG bei der Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge (§ 3 F-VG) an der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu orientieren (§ 2 F-VG) und dabei (auch) auf die Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften Rücksicht zu nehmen.

2. Der Verweis in § 4 F-VG auf § 2 F-VG spricht die Kostentragungsregel des F-VG an. Danach haben die Gebietskörperschaften ihren Aufwand aus der Aufgabenerfüllung grundsätzlich selbst zu tragen.
Der Aufgabenbegriff [des § 2 F-VG] bezieht sich auf die Vollzugskompetenz7. Bei der Zuordnung von Aufgaben zu einer Gebietskörperschaft8 hat der VfGH in den Fällen mittelbarer Vollziehung im Erkenntnis 28. 9. 1982, VfSlg 9507, die – bisher vertretene – undifferenziert funktionale Betrachtungsweise zugunsten einer primär organisatorischen Sichtweise aufgegeben. Als zu besorgende Aufgaben der Gebietskörperschaften iSd § 2 F-VG seien nicht nur jene anzusehen, deren pflichtgemäße Erfüllung uneingeschränkt zu ihrer Disposition steht und ihrer Verantwortung unterliegt. „Besorgt“ werden Staatsaufgaben von einer Gebietskörperschaft auch dann, wenn sie von Rechts wegen9 gehalten ist, Angelegenheiten einer anderen Gebietskörperschaft für diese, nach deren Weisungen und unter deren Verantwortung zu führen. Dazu gehören vor allem die Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung und des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinden. Sie sind von der besorgenden Gebietskörperschaft (allerdings nur) insoweit aus eigenen Mitteln zu finanzieren, als sie ihre Organe und die unerlässlichen Hilfsmittel grundsätzlich ohne Ersatzanspruch zur Verfügung zu stellen hat. Die Kostentragungspflicht betrifft somit den Personalaufwand und den Amtssachaufwand (im engeren Sinn), nicht dagegen den Sachaufwand, der mit der konkreten Tätigkeit der Behörde erst entsteht (konkreter Sachaufwand), und den Zweckaufwand, also jene Aufwendungen, die von vornherein unmittelbar für einen bestimmten Zweck getätigt werden10.

3. a) Da bei der („Um-“)verteilung der Abgabenerträgnisse (Steuerquellen bzw. deren Erträge iSd § 3 Abs. 1 F-VG) und des Verwaltungsaufwandes iSd § 2 F-VG auf die Gebietskörperschaften der (einfache) Gesetzgeber nach § 4 F-VG auf deren Belastung11 und finanzielle Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen hat und somit § 4 F-VG als ein Gebot an den (einfachen) Bundesgesetzgeber (als Adressat des in § 4 F-VG enthaltenen Gesetzesbefehls) zu begreifen ist, darf von den [einzelnen] Ortsgemeinden [iSd Art. 115 Abs. 1 B-VG] ein lastenadäquater Finanzausgleich, umgesetzt idR im jeweiligen FAG, erwartet12 werden. Diese mit § 4 F-VG vermittelte Erwartungshaltung (der einzelnen Gebietskörperschaften) schien lange Zeit nicht justiziabel zu sein, weil die Lasten der öffentlichen Verwaltung wegen der Vielzahl der in Betracht zu ziehenden Faktoren rechtlicher und tatsächlicher Art weder in ihrer Gesamtheit noch in ihrer Verteilung auf die einzelnen Gebietskörperschaften eine quantifizierbare Größe darstellen. In vielen Bereichen hängen überdies die finanziellen Erfordernisse nicht von den Lasten ab, sondern entscheidend von den zur Verfügung stehenden Mittel. Auch ist die Leistungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft keine feststehende Größe, sondern wird von politischen Entscheidungen über kostenschaffende Aufgaben bzw. über die Ausnützung der Abgabenhoheit vom einfachen Bundesgesetzgeber bestimmt bzw. verändert13.

b) Auch wenn man nicht der Tendenz verfallen darf, die Judikatur des VfGH wie eine generelle Verfassungsrechtsquelle zu behandeln, muss trotzdem – somit auch hier – im Mittelpunkt der Überlegungen das vom VfGH entwickelte Verständnis zu § 4 F-VG stehen, weil es auf dem Gebiete des Finanzverfassungsrechts seit jeher der Rechtsprechung des VfGH vorbehalten war, das letztendlich entscheidende Erkenntnisgut (einer Norm) zu liefern.

c) Das letzte (mir zu § 4 F-VG zugängliche) Erkenntnis des VfGH (13. 3. 2003, G 248/02) hat die diesbezügliche Judikatur zusammengefasst (es betraf eine außerhalb des FAG geregelte finanzausgleichsrechtliche „Situation“, nämlich das Zweckzuschussgesetz, idF BGBl I 2002/50). Bezogen auf die hier angesprochene Fragestellung sind dem Erkenntnis im Wesentlichen folgende Ausführungen zu entnehmen:
„Der VfGH betrachtet diese Vorschrift [§ 4 F-VG] als Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches und als Ausdruck eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes (Gerechtigkeitsgebotes) im Bereich des finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems.“

In dem Erkenntnis VfSlg. 12.505/ 1990 hat der VfGH die Auffassung vertreten, dass die Bundesverfassung dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum lasse und ihm nur minimale Handlungsanweisungen, wie die einzelnen finanzausgleichsrechtlichen Regeln inhaltlich zu fassen seien, erteile. Er hat daher dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten rechtspolitischen Freiraum in der Auswahl sowohl der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch des hiebei eingesetzten Instrumentariums zugebilligt. Die vorgesehenen Mittel dürften nur nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung des angemessenen Ausgleiches zwischen den divergierenden Interessen der Gebietskörperschaften ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widerstreiten. Der Verfassungsgerichtshof ist allerdings in dem genannten Erkenntnis auch davon ausgegangen, dass ein sachgerechtes System des Finanzausgleiches schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der Gebietskörperschaften voraussetze und dass vor Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes entsprechende Beratungen zwischen den Vertretern der Gebietskörperschaften unabdingbar seien. Führten diese Beratungen zu einem Einvernehmen, so könne in aller Regel davon ausgegangen werden, dass eine dem § 4 F-VG 1948 entsprechende Gesamtregelung getroffen worden sei:
Ein – den Art. 7 B-VG und den § 4 F-VG 1948 verletzender – Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden – VfSlg 10.633/ 1985) oder aber, wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder missachtet wurde.

III. Abgeltung „zusätzlicher“ Aufgaben in der VfGH-Judikatur
Wie schon erwähnt, haben die Statutarstädte gegenüber den Ortsgemeinden iSd Art. 115 Abs. 1 B-VG bzw. gegenüber der „Einheitsgemeinde“ zusätzliche Aufgaben zu erfüllen. Im Folgenden soll nun die Judikaturlinie des VfGH betreffend die Berücksichtigung solcher (verpflichtender) zusätzlicher Aufgaben im FAG untersucht werden:

1. Die in diesem Zusammenhang einschlägige VfGH-Judikatur nimmt im Erkenntnis 30. 11. 1981, A 7/80, Slg 9280, ihren Ausgang:
„§ 4 F-VG 1948 stellt als ,spezieller Gleichheitssatz nur eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches‘ dar. § 4 F-VG 1948 ist insoferne Ausdruck eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes (Gerechtigkeitsgebotes) im Bereich des finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems. Dabei stellt die Regelung des Finanzausgleichs das Ergebnis rechtspolitischer – hier finanzpolitischer – Überlegungen dar, bei denen der Gesetzgeber zwar an die Bestimmungen des F-VG 1948 gebunden ist, die ihm aber durch das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot nicht verwehrt sind, solange er sich im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen bewegt und keinen Exzess begeht.“

In den nachfolgenden Erkenntnissen (16. 10. 1985, Slg 10.633; 16. 3. 1988, Slg 11.663; 12. 10. 1990, Slg 12.505; 27. 6. 1991, Slg 12.784; 2. 10. 1991, Slg 12.832; 28. 9. 1995, Slg 14.262; 23. 1. 1997, Slg 14.721; 9. 12. 1997, Slg 15.039; 4. 12 .1999, Slg 15.681; 28. 9. 2000, Slg 15.938; 1. 3. 2002, Slg 16.458 und 13. 3. 2003, G 248/02) hat der VfGH diese Judikaturlinie in zwei Richtungen weiter präzisiert und vertieft.

a) Die Verfassungskonformität des Finanzausgleichs und somit die „Erfüllung“ des aus § 4 F-VG abgeleiteten speziellen Gleichheitssatzes hängt einerseits von der Einhaltung eines „Procedere“ ab14: Vor der Erlassung des FAG sind Beratungen zwischen den Finanzausgleichspartnern unbedingt erforderlich. Führen diese Gespräche zu einem Einvernehmen, kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass eine dem § 4 F-VG entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde (ein auf einem „Paktum“ beruhender Finanzausgleich hat somit die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich). Ein in die Verfassungssphäre reichender Gleichheitsverstoß kann andererseits – dann – nur vorkommen, wenn (jeweils isoliert betrachtet)

- einzelne Bestimmungen zueinander in einem nicht zu rechtfertigenden Widerspruch stehen,
- die Finanzausgleichspartner von völlig verfehlten Prämissen ausgegangen sind,
- die artikulierte Interessenlage eines Partners ignoriert worden ist oder
- der Finanzausgleichsgesetzgeber auf von der Rechtsordnung übertragene Aufgaben einzelner Gebietskörperschaften nicht bzw. nicht lastenadäquat Bedacht nimmt (VfSlg 10.633/85, 14.262/95).

Der VfGH hat in der Folge jedoch klargestellt, dass das Fehlen einer Vereinbarung nicht automatisch den Finanzausgleich verfassungswidrig macht, sondern dass in diesem Fall die einzelnen Regelungen isoliert auf ihre Sachlichkeit geprüft werden müssen15.

b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Abschluss des Paktums und des darauf beruhenden FAG, sondern auch für jede andere finanzausgleichsrechtliche Regelung außerhalb des FAG16.

2. Für die Frage der Abgeltung „zusätzlicher“ Aufgaben ist das VfGH-Erkenntnis 16. 10. 1985, Slg 10.633, als unmittelbar einschlägig zu bezeichnen: strittig war nämlich in diesem Beschwerdefall die finanzausgleichsrechtliche Berücksichtigung der zusätzlichen Kosten auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens jener Statutarstädte ohne Bundespolizei (Städte Krems und Waidhofen an der Ybbs).

a) In diesem Zusammenhang stellte der VfGH zuerst die Frage in den Raum, ob sich der Finanzausgleichsgesetzgeber (noch) im Rahmen seines finanzpolitischen Gestaltungsfreiraumes bewegt und damit gleichheitssatzgemäß gehandelt hat, wenn er die besonderen „Polizeiverwaltungskosten“ nicht bedacht hat, die jene Städte mit eigenem Statut, in denen keine Bundespolizeibehörde eingerichtet ist, zusätzlich treffen; diese Polizeiverwaltungskosten haben diese Städte nämlich nach § 2 F-VG 1948 endgültig selbst zu tragen (VfSlg 9507/82). Anschließend führte der VfGH wortwörtlich aus:
„Dem § 4 iVm §§ 2 und 3 F-VG 1948 zufolge hat der Finanzausgleichsgesetzgeber die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge sowie der Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse in Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu regeln. Das kann nach dem offenkundigen Sinn dieser Bestimmung zwar nicht bedeuten, dass jede überdurchschnittliche finanzielle Last, die eine einzelne Gemeinde oder eine Gruppe von Gemeinden trifft, schon zu einer (ausdrücklichen) Berücksichtigung im Finanzausgleichsgesetz zwingen würde. Jedenfalls aber dann, wenn bestimmte Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden, die auf Grund der positiven Rechtsordnung als mit besonderen Agenden betraut definierbar sind und die sich deshalb von anderen Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden typischerweise durch eine höhere Kostenbelastung unterscheiden, ist der Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß § 4 F-VG 1948 verhalten, für sie eine Regelung zu treffen.“

b) Gegen diese grundsätzliche Ausgangsposition des VfGH machte [damals] die Bundesregierung nur der Sache nach [nicht somit rechtens] geltend, dass die beiden in Betracht kommenden Städte durch die Polizeiverwaltungskosten nur unwesentlich belastet seien und dass diese Mehrbelastung überdies (weitgehend) ohnehin durch andere Umstände ausgeglichen sei. Es handle sich somit um eine einmalige Sonderkonstellation, die allenfalls als Härtefall vernachlässigt werden könnte. Jedenfalls aber böten die im § 10 Abs. 1 letzter Satz FAG 1979 vorgesehenen Bedarfszuweisungen ein ausreichendes Korrekturinstrument, allfällige im Einzelfall auftretende Härten auszugleichen. Diesen Einwänden entgegnete der VfGH wie folgt:

- „Für die Stadt Waidhofen an der Ybbs trifft wohl zu, dass sie als Stadt mit eigenem Statut, die weniger als 20.000 Einwohner hat, durch die Regelung des § 8 Abs. 3 FAG 1979 begünstigt wird, da ihr nicht der nach ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl von 11.330 bestimmte Bevölkerungsschlüssel („12/3“), sondern jener für Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern und eben für Städte mit eigenem Statut mit höchstens 50.000 Einwohnern vorgesehene höhere Bevölkerungsschlüssel („2“) gebührt. Diese Vergünstigung soll aber offenkundig nur die Mehrkosten abgelten, die der Stadtgemeinde Waidhofen an der Ybbs daraus erwachsen, dass sie als Stadt mit eigenem Statut auch die Kosten der Bezirksverwaltung zu tragen hat. Diese Begünstigung steht aber allen kleineren Gemeinden zu, die Städte mit eigenem Statut sind (so auch Eisenstadt mit 10.150 Einwohnern, Rust mit 1.702 Einwohnern), obgleich dort eine Bundespolizeibehörde besteht. Gegenüber diesen Städten ist also Waidhofen an der Ybbs benachteiligt; ihre spezifische Mehrbelastung auf Grund der sie treffenden Polizeiverwaltungskosten ist nicht abgegolten.“

- „Was die Stadtgemeinde Krems anlangt, meint die Bundesregierung, dass die Polizeiverwaltungskosten nur eine marginale Größe ausmachten. Außerdem verfügte Krems über eine überdurchschnittliche Finanzkraft.“
„(Auch) diese Argumentation ist verfehlt. Der dargestellten rechtsstrukturellen, ausgabenrelevanten Verschiedenheit hat nämlich der Finanzausgleichsgesetzgeber jedenfalls Rechnung zu tragen; hiebei ist die prozentuelle oder die absolute Höhe der Polizeiverwaltungskosten nicht von Bedeutung. Ob die Gemeinde an sich finanzkräftig ist, kann hier nicht ausschlaggebend sein, geht es doch im gegebenen Zusammenhang darum, ob die Kosten der öffentlichen Verwaltung finanzausgleichsrechtlich beachtet wurden (also um die ‚Lastenadäquanz‘), nicht aber darum, ob die Leistungsfähigkeit der Gemeinde überschritten wurde.“

c) „Damit steht fest, dass die Statutargemeinden ohne Bundespolizei besondere „Lasten der öffentlichen Verwaltung“, nämlich Polizeiverwaltungskosten, zu tragen haben, auf die gemäß § 4 F-VG 1948 im Rahmen des Finanzausgleiches Bedacht zu nehmen ist.“17

3. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass diese gerade referierte Sicht des VfGH – „rechtsstrukturellen Zusatzaufgaben und deren Kosten hat der Finanzausgleichsgesetzgeber jedenfalls Rechnung zu tragen“ – durch die nachfolgende Judikatur bestätigt wurde. Es handelt sich somit diesbezüglich um eine gefestigte Judikaturlinie. Im VfGH-Erkenntnis 28. 9. 1995, Slg 14.262 heißt es nämlich unter Bezugnahme auf VfSlg 12.905/90, 12.784/91 und 12.832/91 (wortwörtlich):
„Ein – den Art. 7 B-VG und den § 4 F-VG 1948 verletzender – Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden – VfSlg 10.633/ 1985), oder aber wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder missachtet wurde.“

IV. FAG 2001 und Statutarstädte
Die derzeit geltende (einfachgesetzliche) Rechtslage – FAG 2001, BGBl I 3 idF I 2003/71 – nimmt auf die zusätzlichen Aufgaben der Städte mit eigenem Statut an mehreren Stellen Bedacht:

§ 10 Abs. 9 FAG:
„Die Volkszahl bestimmt sich nach dem von der Statistik Österreich auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis. Dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wird folgendermaßen gebildet:
Die ermittelte Volkszahl der Gemeinden wird

- bei Gemeinden mit höchstens
10.000 Einwohnern mit 11/3,
- bei Gemeinden mit 10.001 bis
20.000 Einwohnern mit 12/3,
- bei Gemeinden mit 20.001 bis
50.000 Einwohnern und bei
Städten mit eigenem Statut mit
höchstens 50.000 Einwohnern
mit 2
- und bei Gemeinden mit über
50.000 Einwohnern und der
Stadt Wien 21/3
vervielfacht. Zu diesen Beträgen wird bei Gemeinden, deren Einwohnerzahl im Bereich von 9.000–10.000, von 18.000–20.000 oder von 45.000–50.000 liegt, bei Städten mit eigenem Statut jedoch nur bei solchen, deren Einwohnerzahl im Bereich von 45.000–50.000 liegt, ein weiterer Betrag von 31/3 vervielfacht mit der Zahl, mit der die Einwohnerzahl die untere Bereichsgrenze übersteigt, dazugezählt. Die länderweise Zusammenzählung der so ermittelten Gemeindezahlen ergibt die abgestuften Bevölkerungszahlen der Länder.“18

3 Abs. 1 und 2 FAG:
„(1) Der Bund gewährt den Gemeinden zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt und als Ausgleich für Ausgaben im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen eine Bedarfszuweisung im Jahr 2001 iHv S 215,07 Mio. und in den Jahren 2002–2004 iHv € 18,74 Mio.

(2) Die Bedarfszuweisung beträgt
1. als Ausgleich für Ausgaben im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen für alle Gemeinden (Wien als Gemeinde) im Jahr 2001: S 30 Mio. und in den Jahren 2002–2004: € 2,18 Mio. jährlich,
2. zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt für die Gemeinden mit mehr als 20.000 und bis zu 50.000 Einwohnern (ausgenommen die Statutarstädte dieser Größe) und die Statutarstädte bis 20.000 Einwohner im Jahr 2001: S 23,43 Mio. und in den Jahren 2002–2004: jährlich € 2,1 Mio., und für Statutarstädte mit mehr als 20.000 und bis zu 50.000 Einwohnern und für Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern mit Ausnahme von Wien im Jahr 2001: S 161,64 Mio. und in den Jahren 2002–2004: jährlich € 14,46 Mio.

Diese Beträge sind jeweils im Verhältnis der Einwohnerzahlen aufzuteilen.“
Im Folgenden ist zu untersuchen, ob der (einfache) Gesetzgeber – damit – auf die zusätzlichen Aufgaben der Statutarstädte ausgewogen und lastenadäquat reagiert hat.

Kritische Würdigung
Folgende Argumente scheinen dafür zu sprechen, dass die vorerwähnten Bestimmungen schon vom Ansatz her nicht in der Lage sind, die zusätzlichen Kosten der Statutarstädte gegenüber den (übrigen) Ortsgemeinden iSd Art. 115 Abs. 1 B-VG ausgewogen und lastenadäquat abzugelten.

1. Nach dem Erkenntnis VfSlg 10.633/ 85 haben die (Statutar-)Städte Waidhofen an der Ybbs und Krems die Polizeiverwaltungskosten selbst zu tragen19. Diese zusätzlichen Aufgaben und Kosten hat der Finanzausgleichsgesetzgeber berücksichtigt20.

- Im hier gegebenen Zusammenhang haben die Städte Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Krems, Linz, Rust, Salzburg, Steyr, St. Pölten, Villach, Wels, Waidhofen an der Ybbs, Wiener Neustadt und Wien als Städte mit eigenem Statut neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung21 zu erfüllen.

- Diese (letzteren) Aufgaben sind als rechtsstrukturell iSd VfSlg 10.633/ 85 zu bezeichnen und deshalb vom Finanzausgleichsgesetzgeber zu berücksichtigen, unabhängig davon, wie „finanzkräftig“ die jeweilige Statutarstadt ist (d. h. über welche Einnahmen sie verfügen kann bzw. wie ihre Einnahmen strukturiert sind), ob die (zusätzlichen) Aufgaben nur eine marginale Belastung ausmachen oder nicht22 bzw. ob und in welchem Umfang diese Aufgaben (der Bezirksverwaltung) seit den letzten Finanzausgleichsverhandlungen zugenommen haben oder nicht.
- Die Studie von Dr. Schmidt, „Belastung der Städte durch Landestransfers und zentralörtliche Leistungen“23 beziffert die (zusätzlichen) Ausgaben der Statutarstädte für die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde mit € 50,–/Einwohner/Jahr24,,25. Anfang der neunziger Jahre betrug der durchschnittliche Mehraufwand für die Agenden der Bezirksverwaltung schon ATS 400,–/Einwohner/Jahr26.

2. Auf Grund der Volkszählungsergebnisse 2001 ist somit (derzeit) bei den 15 Statutarstädten Österreichs folgender Aufwand für die Besorgung der Bezirksverwaltung anzunehmen:

EWlll Euro000
Eisenstadt 11.334 566.700,–
Graz 226.244 11,312.200,–
Innsbruck 113.392 5,669.600,–
Klagenfurt 90.141 4,507.050,–
Krems 23.713 1,185.650,–
Linz 183.504 9,175.200,–
Rust 1.714 85.700,–
Salzburg 142.662 7,133.100,–
Steyr 39.340 1, 967.000,–
St. Pölten 49.121 2,456.050,–
Villach 57.497 2,874.850,–
Wels 56.478 2,823.900,–
Waidhofen a. d. Ybbs 11.662 583.100,–
Wiener Neustadt 37.627 1,881.350,–
Wien 1,550.123 77,506.150,–

- Für die Städte Eisenstadt, Rust und Waidhofen an der Ybbs (EW unter 20.000) hat der Finanzausgleichsgesetzgeber als Abgeltung (Ausgleich) für diese Belastungen den höheren Vervielfacher beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel – „2“ statt „11/3“ bzw. „12/3“ – vorgesehen (§ 10 Abs. 9 FAG).

- Für die vier Statutarstädte Krems an der Donau, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt wurde hingegen keine diesbezügliche Vorsorge getroffen, weil sie als Städte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern ohnehin den Vervielfacher 2 haben. Sie sind somit (entsprechend dem Erkenntnis der VfSlg 10.633/85) sowohl im Verhältnis zu den Städten Eisenstadt, Rust und Waidhofen an der Ybbs unsachlich benachteiligt, weil für letztere ein [entsprechender27] Ausgleich finanzausgleichsrechtlich geschaffen wurde, als auch gegenüber den anderen Städten in Österreich mit Einwohnern zwischen 20.000 und 50.00028, weil auch diese den Vervielfacher „2“ haben, ohne jedoch mit den Aufgaben einer Bezirksverwaltung belastet zu sein.

Entsprechend dem Erkenntnis VfSlg 10.633/85 müsste somit auch bei den Städten Krems, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt [EW zwischen 20.000 und 50.000] auf die Kosten der Bezirksverwaltung im Rahmen des Finanzausgleichs – gemäß § 4 F-VG – Bedacht genommen werden. Da dies der Finanzausgleichsgesetzgeber aber (bisher) unterlassen hat, muss diesbezüglich § 10 Abs. 9 FAG 2001 im Hinblick auf VfSlg 10.633/85 als § 4 F-VG widersprechend bezeichnet werden.

- Die gleiche Sichtweise ist betreffend die Statutarstädte Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt, Villach, Wels [EW über 50.000] geboten, weil davon ausgegangen werden kann [bzw. darf], dass mit dem Vervielfacher von „21/3“, somit mit dem zusätzlichen „1/3“, der Finanzausgleichsgesetzgeber primär die spezifischen Kosten von Infrastruktureinrichtungen und zentralörtlichen Aufgaben von größeren und Großstädten29 ausgeglichen wissen wollte. Bei diesem Verständnis wurden mit dem zusätzlichen „1/3“ nicht die weiteren Kosten der Statutarstädte betreffend Agenden einer Bezirksverwaltungsbehörde mit abgegolten, somit auf diese – entsprechend dem Erkenntnis VfSlg 10.633/85 – rechtsstrukturellen Zusatzaufgaben und deren Kosten nicht30 Bedacht genommen. Schon aus diesem Grund sind auch diese Statutarstädte über 50.000 EW unsachlich iSd VfGH-Erkenntnis VfSlg 10.633/85 benachteiligt, und nicht nur im Verhältnis zu den Statutarstädten Eisenstadt, Rust und Waidhofen an der Ybbs, weil für die letzteren für die Aufgaben der Bezirksverwaltung finanzausgleichsrechtlich31 Vorsorge getroffen worden ist.
Nach dem Erkenntnis VfSlg 10.633/85 müsste somit auch bei den Statutarstädten mit über 50.000 EW auf die Kosten der Bezirksverwaltung im Rahmen des Finanzausgleichs – gemäß § 4 F-VG – entsprechend (lastenadäquat) Bedacht genommen werden. Da dies der Finanzausgleichsgesetzgeber (bisher) unterlassen hat, muss auch aus der Sicht dieser Städte diesbezüglich § 10 Abs. 9 FAG 2001 (sowie die Vorgängerbestimmung) im Hinblick auf VfSlg 10.633/85 als § 4 F-VG widersprechend bezeichnet werden.

3. Gegen die Auffassung, dass die Statutarstädte Krems, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt [zwischen 20.000 und 50.000 EW] vom Finanzausgleichsgesetzgeber (unsachlich) benachteiligt werden [bzw. wurden], können auch nicht die mit § 23 Abs. 2 Z 2 FAG 2001 gewährten Bedarfszuweisungen ins Treffen geführt werden. Diesen Bedarfszuweisungen liegt folgende vom Finanzausgleichsgesetzgeber 2001 intendierte Sicht32 zugrunde:

„Der Bund leistet an die Gemeinden mit mehr als 20.000 EW (ohne Wien) und die Statutarstädte bis 20.000 EW eine Bedarfszuweisung von insgesamt rund ATS 185 Mio. im Jahr 2001 und von rund ATS 228 Mio. jährlich ab dem Jahr 2002. Der größere Teil dieser Beträge, nämlich ATS 161,64 Mio. im Jahr 2001 bzw. € 14,46 Mio. jährlich ab dem Jahr 2002 gebührt den Gemeinden mit mehr als 50.000 EW und den Städten mit eigenem Statut zwischen 20.000 und 50.000 EW. Diese bevorzugte Behandlung der Statutarstädte im Vergleich zu anderen Gemeinden derselben Größenklasse stellt einen pauschalen Ausgleich für ihre zusätzlichen Aufgaben dar.“
3. Auch wenn dadurch diese Statutarstädte [EW zwischen 20.000 und 50.000] an dem für die Städte mit mehr als 50.000 EW bestimmten [größeren] Topf beteiligt werden, darf diese Quote [Anteil], die nach Hüttner33 € 11,221* (2001) bzw. € 13,810* (ab 2002) pro EW beträgt, nicht – ausschließlich – für ihre zusätzlichen Aufgaben als Statutarstädte bestimmt betrachtet werden, weil diese vier Statutarstädten unabhängig von ihrer Rechtsstellung sowieso € 5,185* [2001] bzw. € 6,382* [ab 2002] pro EW34 auf Grund ihrer Einwohnerzahl erhalten würden. Somit kann nur die Differenz [€ 11,221–€ 5,185] iHv € 6,036/EW (2001) bzw. [€ 13,810–€ 6,832] iHv € 7,428/EW (ab 2002) als Abgeltung für die zusätzlichen Aufgaben einer Bezirksverwaltungsbehörde gewertet werden. Dass es sich bei diesen Differenzbeträgen bloß um teilweise Abgeltungen für die Wahrnehmung der Aufgaben einer Bezirksverwaltungsbehörde handelt, „die sonst im Finanzausgleich nicht berücksichtigt werden“, liegt auf der Hand, ohne auf Hüttner35 verweisen zu müssen. Man braucht nämlich diese Beträge nur den ermittelten Beträgen von ca. € 50,– pro EW aus der Studie „Dr. Schmidt“ (nach Dr. Bauer zitiert) bzw. von ca. € 30,– pro EW nach Hüttner36 Anfang der 1990er Jahre gegenüberzustellen.
3. Mit diesen Differenzbeträgen (€ 6,036/EW bzw. € 7,428/EW) hat der Finanzausgleichsgesetzgeber als Adressat des in § 4 F-VG enthaltenen Gesetzesbefehls aber der rechtsstrukturellen ausgabenrelevanten Verschiedenheit dieser Städte iSd VfGH-Erkenntnis 16. 10. 1985, Slg 10.633/85, nicht ausreichend Rechnung getragen, die spezifischen und typischen Mehrbelastungen der Statutarstädte Krems, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt werden somit dadurch gegenüber den übrigen Städten mit Einwohnern zwischen 20.000 und 50.000 nicht lastenadäquat abgegolten.
3. Die (zusätzlichen) Bedarfzuweisungen nach § 23 Abs. 2 Z 2 FAG sind somit nicht in der Lage, bei den Statutarstädten Krems, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt – bezogen auf § 4 F-VG – die diesbezügliche Unsachlichkeit des § 10 Abs. 9 FAG 2001 sanieren zu „helfen“.

4. Betreffend die Statutarstädte Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt, Villach und Wels [jeweils über 50.000 EW] sind die Bedarfzuweisungen nach § 23 Abs. 2 Z 1 und 2 FAG 2001 per se nicht für die Abgeltung der spezifischen und typischen Ausgaben für die Wahrnehmung der Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde gedacht, sondern „zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt und als Ausgleich für die Ausgaben im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen“ (§ 23 Abs. 1 FAG).
Auch für diese Städte bleibt somit – gemessen am Inhalt des § 4 F-VG – diesbezüglich § 10 Abs. 9 FAG 2001 (und seine Vorgängerbestimmung) unsachlich.
Die gleiche Sichtweise ist auch für Wien als Gemeinde geboten, für Wien sind überdies Bedarfszuweisungen nur nach § 23 Abs. 2 Z 1 FAG, nicht aber solche nach der Z 2 leg cit vorgesehen.
Hält man sich zudem die Intention des Gesetzgebers betreffend § 23 Abs. 2 Z 2 FAG vor Augen – den Statutarstädten zwischen 20.000 und 50.000 EW soll damit ein Ausgleich für ihre Bezirksverwaltungsagenden gewährt werden37 –, ist weiters unerfindlich, warum nur die Städte mit eigenem Statut bis 50.000 EW „einen pauschalen Ausgleich für ihre zusätzlichen Aufgaben“ erhalten, nicht aber Statutarstädte mit über 50.000 EW.

5. Zu unterstützen ist schließlich die Meinung Hüttners38, dass bei der Forderung, auch die Städte Krems, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt (zwischen 20.000 und 50.000 EW) seien beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel besonders zu berücksichtigen, zu bedenken ist, dass der ihnen durch die Wahrnehmung der Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde entstehende Mehraufwand bei Nichtvorhandensein des Statuts durch das Land zu tragen wäre und daher keine Rechtfertigung vorliegt, diesen Mehraufwand mit einer Regelung abzugelten, die ausschließlich zu Lasten der übrigen, auch der in anderen Bundesländern gelegenen Gemeinden gehen würde.

6. Folgt man dieser hier vertretenen Auffassung, sind somit diesbezüglich § 10 Abs. 9 iVm § 23 Abs. 2 Z 2 (sowie die Vorgängerregelungen im Rahmen der Verjährungsbestimmung gemäß § 23 Abs. 4 FAG 1997) – soweit die (Ober-)Verteilung zwischen „Land und Gemeinden“ tangiert wird – als gleichheitswidrig iSd § 4 F-VG zu bezeichnen.
Offen ist, auf welche Weise die Bedachtnahme auf diese (zusätzlichen) Aufgaben der Statutarstädte im finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystem verfassungskonform erfolgen könnte. Auch diesbezüglich gibt VfSlg 10.633/85 einen Hinweis (wortwörtliche Wiedergabe):
„Die Bundesregierung verweist auf § 12 Abs. 1 letzter Satz F-VG 1948, der tatsächlich voraussetzt, dass sich auch bei einer dem § 4 F-VG 1948 an sich entsprechenden Verteilung von Abgabenertragsanteilen und Schlüsselzuweisungen Härten ergeben können; solche Härten sind durch Bedarfszuweisungen auszugleichen. § 10 Abs. 1 letzter Satz FAG 1979 (ebenso gleichartige Vorgänger- und Nachfolgebestimmungen) sieht (sehen) denn auch auf finanzausgleichsgesetzlicher Ebene derartige Bedarfszuweisungen der Länder an die Gemeinden vor.
Solche Bedarfszuweisungen dienen aber nur der „Feinsteuerung“ (wie dies die Bundesregierung zutreffend ausdrückt), nämlich dazu, in Einzelfällen auftretende Härten zu beseitigen, die dem Finanzausgleichsgesetzgeber bei der generellen Regelung im Detail nicht bekannt sein konnten, sondern deren Ausgleich er in einer generalklauselartigen Regelung der Vollziehung überlassen muss. Auf Sachverhalte, deren zu gedenken dem Gesetzgeber ohne weiteres möglich ist, hat er aber – dies ergibt bereits eine am System des F-VG 1948 orientierte Interpretation, die das auch für den Finanzausgleich geltende Gesetzesstaatsprinzip (Art. 18 B-VG) berücksichtigt – in Form einer unmittelbar anwendbaren, spezifischen gesetzlichen Regelung Bedacht zu nehmen.
Dies gilt jedenfalls für die Aufbauorganisation der Gebietskörperschaften, soweit sie iSd § 4 F-VG 1948 lastenrelevant ist. Sie ist – durch Gesetz oder Rechtsverordnung geregelt – dem Finanzausgleichsgesetzgeber als Sachverhaltselement vorgegeben; sie ist ihm sowohl gruppenweise als auch namentlich bekannt; er hat sie als Komplex zu betrachten. Unerheblich ist, ob alle, mehrere oder ganz wenige Gemeinden mit bestimmten, kostenrelevanten Aufgaben betraut sind. Es stellt lediglich eine Frage legistischer Zweckmäßigkeit (nicht aber ein verfassungsrechtliches Problem) dar, ob der Finanzausgleichsgesetzgeber die betroffenen Gemeinden gruppenweise oder namentlich benennt.“

VI. Resümee und Ausblick
Die vorstehenden Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Statutarstädte ab einer Einwohnerzahl von 20.000 wurden (FAG 1997) bzw. sind (teilweise – mit FAG 2001) gegenüber den anderen Städten dadurch benachteiligt, dass sie Aufgaben der Bezirksverwaltung zu besorgen haben, ohne dafür lastenadäquat im Finanzausgleich „abgegolten“ zu werden. Auf diese von der Rechtsordnung (BG, LG) übertragenen Aufgaben hat nämlich der (einfache) Bundesgesetzgeber als Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß § 3 Abs. 1 F-VG (iSd eindeutigen VfGH-Judikatur) nicht bzw. nicht entsprechend Bedacht genommen, sodass diesbezüglich § 10 Abs. 9 sowie § 23 Abs. 2 Z 2 FAG39 – soweit die (Ober-) Verteilung zwischen „Land und Gemeinden“ tangiert ist – gleichheitswidrig iSd § 4 F-VG erscheinen müssen.
Es ist zu wünschen, dass bei den derzeit laufenden Finanzausgleichsverhandlungen die ausgewogene bzw. lastenadäquate Berücksichtigung der zusätzlichen Aufgaben der Statutarstädte auf ein entsprechendes Verständnis der diesbezüglichen Verhandler stoßen wird40.

Fehlende Tabellen finden Sie in der ÖGZ 10/04.

Fußnoten:
1 Ein eigenes Stadtrecht haben Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Krems, Linz, Rust, Salzburg, Steyr, St. Pölten, Villach, Waidhofen/Ybbs, Wels, Wien, Wiener Neustadt.

2 Art. 115 Abs. 1 B-VG.

3 Unterschiede im Tatsächlichen, etwa in der Größe oder in der Finanzkraft, haben für die rechtliche Stellung einer Gemeinde keine Bedeutung; insb. haben alle Gemeinden den gleichen Wirkungsbereich (Grundsatz der „abstrakten Gemeinde“ oder „Einheitsgemeinde“): rechtlich unbedeutend ist auch die verschiedentlich in den GemO vorgesehene Verleihung des Titels „Stadtgemeinde“ oder „Marktgemeinde“ an eine Gemeinde.

4 Eigener und übertragener Wirkungsbereich.

5 Nach den diesbezüglich näheren Bestimmungen der relevanten BG und LG.

6 § 6 F-VG.

7 VfSlg 5681/68; 6617/72.

8 Vgl. Ruppe, in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, § 2 F-VG, Anm. 10 ff; Doralt/Ruppe, Steuerrecht II4 (2001) 172 ff.

9 Durch BG oder LG.

10 Bestätigt zuletzt durch VfGH 1. 10. 2003, A 4/02 und 24. 2. 2004, A 1/03.

11 Die „Lasten der öffentlichen Verwaltung“ ergeben sich aus den von der Gebietskörperschaft (per se) vorgesehenen und übertragenen „Pflichtaufgaben“ (VfSlg 12.505/90); dazu zählen auch Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung. Diese Belastung bestimmt die finanziellen Erfordernisse der jeweiligen Gebietskörperschaft.

12 Erscheint im Hinblick auf VfGH 11. 10. 2001, Slg 16.327 – aus der Sicht der einzelnen Gemeinde – gem. Art. 137 B-VG auch beim VfGH durchsetzbar zu sein; somit auch unter dem Gesichtspunkt, dass § 10 Abs. 9 FAG 2001 im Verfassungsrang steht (BGBl. I 2001/4).

13 Vgl. Ruppe, in Korinek/Holoubek, F-VG, § 4 Anm. 6.

14 Ruppe, in Korinek/Holoubek, F-VG § 4 Anm. 4 ff.

15 VfSlg 15.039/97.

16 Zuletzt VfGH 13. 3. 2003, G 248/02 betreffend Zweckzuschussgesetz 2001.

17 VfSlg 10.633/85.

18 Gem. BGBl I 2001/4 steht § 10 Abs. 9 FAG 2001 (bis 31. 12. 2004) im Verfassungsrang.

19 VfSlg 9507/82.

20 § 20 Abs. 5 FAG 2001.

21 Art. 116 Abs. 3 B-VG.

22 VfSlg 10.633/85.

23 Zitiert in der Studie „Dr. Bauer“, KDZ, „Die Statutarstädte im Finanzausgleich“.

24 ÖGZ 2004, H 1, 42.

25 Die Studie (Seite 83 f) schließt mit folgenden Ergebnissen und Folgerungen:
„Die Erhebung und Analyse der Daten über den Personaleinsatz in den Bezirksverwaltungsbehörden (BVB) der Statutarstädte sowie über jenen in einigen Bezirkshauptmannschaften führt zu folgenden Ergebnissen (siehe Tabelle 24). Hierbei wird angesichts der relativ wenig unterschiedlichen durchschnittlichen normalisierten Kosten der Mitarbeiter pro Einwohner in den großen und mittleren Städten und unter Berücksichtigung der ‚Ausreißer‘ wie Rust nur mehr zwischen ‚großen‘ und ‚kleinen‘ Städten sowie BH’s differenziert. Weiters werden auch pauschalierte Ausgaben für den allgemeinen Büroaufwand (‚Amtssachaufwand‘) angeführt. Dieser ist im Sinn der in mehreren europäischen Ländern üblichen Zuschlagssätze – für Arbeitsplätze, die mit EDV ausgestattet sind, wird ein Aufschlag von 20% auf die Bruttolohnausgaben angesetzt – geschätzt worden.
Geschätzte normalisierte Kosten der Bezirksverwaltung in Städten und in BH’s (in ATS pro Einwohner) – Tabelle 24.

26 Vgl. Hütter, Finanzausgleich: Grundlagen, Entwicklung FinanzausgleichsG 2001, in Österreichischer Städtebund und Österreichischer Gemeindebund (Hrsg.), Finanzausgleich 2001 (2001) 93.

27 Bei den Städten Eisenstadt und Waidhofen an der Ybbs [EW zwischen 10.000 und 20.000] wird davon ausgegangen werden müssen, dass mit dem (zusätzlichen) „1/3“ nicht sämtliche spezifischen Kosten der Bezirksverwaltung abgegolten sind.

28 Dornbirn mit 42.301 EW, Feldkirch mit 28.607 EW, Bregenz mit 26.752 EW, Leoben mit 25.804, Wolfsberg mit 25.301 EW, Klosterneuburg mit 24.797 EW, Baden mit 24.502 EW, Traun mit 23.470 EW, Amstetten mit 22.595 EW, Kapfenberg mit 22.234 EW, Leonding mit 22.203 EW und Mödling mit 20.405 EW [Volkszählung 2001].

29 Vgl. H. Bauer, Aspekte des horizontalen Finanzausgleichs, in Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund (Hrsg.), Finanzausgleich 2001 (2001) 182 [191 ff].

30 Auch unter der Prämisse, dieses zusätzliche „1/3“ sei für Zwecke der Kostenabgeltung betreffend die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde gedacht, kann davon ausgegangen werden – wie in der FN 27 –, dass damit nicht sämtliche spezifische Kosten einer Bezirksverwaltung abgegolten werden können.

31 Hinsichtlich der Statutarstädte Eisenstadt und Waidhofen an der Ybbs vgl. aber FN 27.

32 379 BlgNR, XXI. GP.

33 AaO, 145.
* Werte vor der Volkszählung 2001.

34 Vgl. Hüttner, aaO, 145.

35 AaO, 145.

36 AaO, 93.

37 379 BlgNR, XXI. GP.

38 AaO, 92.

39 Bzw. die Vorgängerbestimmungen innerhalb der Verjährungsregeln – § 23 Abs. 4 FAG 1997.

40 Auch wenn den Gebietskörperschaften aus „ 4 F-VG“ unmittelbar keine Rechte (VfSlg 11.663/85) zustehen, ist zu erwarten, dass die einzelnen Statutarstädte die diesbezüglichen finanzausgleichsrechtlichen Regelungen des einfachen Gesetzgebers in Bezug auf § 4 F-VG „überprüfen“ lassen werden (Art. 137 B-VG) – dies im Hinblick auf das VfGH-Erkenntnis 11. 10. 2001, G 12/00, Slg 16.327, somit ungeachtet, dass § 10 Abs. 9 FAG 2001 (BGBl I 2001/4) bzw. § 8 Abs. 8 FAG 1997 im Verfassungsrang stehen.

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