E-Government-Tauglichkeit kommunaler Verfahren

E-Government-Tauglichkeit kommunaler Verfahren

„Welches Verfahren eignet sich denn eigentlich für eine elektronische Umsetzung im Sinne von E-Government?“ ist eine Frage, die sich in der Vergangenheit sicherlich schon viele Führungskräfte und IT-Leiter in den Städten und Gemeinden gestellt haben. Zuverlässige, fundierte Untersuchungen über die E-Government-Tauglichkeit bzw. -Fähigkeit kommunaler Verfahren gab es bisher schließlich nicht. Aus diesem Grund hat der Österreichische Städtebund im Sommer 2004 in den Städten eine Fragebogenerhebung durchgeführt und die Fachbereichsleiter um wesentliche Eckdaten zu deren Verfahrens- und Leistungsbereich sowie um deren Meinung gebeten. Die Auswertung der Umfrageergebnisse liegt nun vor. Meldewesen und Gebührenvorschreibungen führen die Liste an. Weiters zeigt die Erhebung, dass die ursprüngliche Euphorie über E-Government einem klaren Verständnis des Nutzens und der Machbarkeit gewichen ist.

 

Die Vorarbeiten für die Befragung begannen bereits im Frühsommer 2004 mit einer Identifikation kommunaler Verfahren auf Basis der Produkt- und Leistungskataloge sowie der in den Städten eingesetzten Formulare und brachten als Ergebnis eine Liste von mehr als 600 Verfahren. Nach einer Bereinigung um Verfahren, die sich geringfügig durch bundesländerweise Spezifika oder überhaupt nur durch die Bezeichnung unterscheiden, reduzierte sich die Liste abzufragender Verfahren auf 320, also noch immer zu viele für eine „herkömmliche“ Fragebogenerhebung.
Aus diesem Grund fiel auch die Entscheidung, erstmals eine Befragung ausschließlich online über das Internet durchzuführen. Die 320 ausgewählten kommunalen Verfahren wurden zur Verbesserung der Übersichtlichkeit gemäß einer Empfehlung des Bund-Länder-Gemeinden-Arbeitskreises E-Government 15 vordefinierten Verfahrens- und Leistungsbereichen zugeordnet. Auf jeden Bereich entfiel ein – matrixförmig nach Verfahren und Bewertungskriterien gegliederter – Fragebogen. Die Verfahrens- und Leistungsbereichszuordnung erleichterte auch den angesprochenen Fachbereichsleitern in den Städten, „ihre“ Verfahren rascher zu finden und zu bewerten.
Zur Teilnahme an der Befragung waren sämtliche Statutarstädte (Ausnahme Wien – da auch Bundesland) in Österreich eingeladen. Die Einschränkung auf Städte mit eigenem Statut erfolgte, um die erweiterten Kompetenzen dieser Städte, die üblicherweise von den Bezirksverwaltungsbehörden abgedeckt werden, zu erfassen.
Ziel der Befragung war es, die E-Government-Tauglichkeit kommunaler Verfahren über ein Set von insgesamt 18 Bewertungskriterien zu identifizieren.

100%ige Beteiligung an Befragung erzielt
Der Aufruf zur Beteiligung an der Online-Befragung erging Anfang Juli 2004 an ausgewählte Fachbereichsleiter in den Städten mit eigenem Statut. Diese breite Streuung verfolgte das Ziel, möglichst viele, fachlich für einzelne Verfahrensbereiche zuständige Führungskräfte zu erreichen und damit die Qualität der getroffenen Bewertungen zu erhöhen.
Erfreulicherweise beteiligten sich alle eingeladenen Städte – Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg, St. Pölten, Steyr, Villach, Waidhofen a. d. Ybbs, Wels, Wiener Neustadt – an der Erhebung, insgesamt wurden 66 Fragebögen online ausgefüllt und 248 von den 320 Verfahren bewertet. Die Gesamtanzahl der bewerteten Verfahren inklusive Mehrfachbewertungen beträgt 502, wobei Mehrfachbewertung bedeutet, dass das gleiche Verfahren von mehreren Städten bewertet wurde (so haben beispielsweise zum Verfahren „Seniorenpass“ insgesamt 5 Städte eine Bewertung abgegeben). Die Gesamtzahl der Wertungen dient daher auch als Maßzahl für alle weiteren Auswertungen (siehe Grafik 1).
Wie bereits dargestellt, wurden zu jedem Verfahren 18 Parameter abgefragt. Diese lassen sich in objektive Kriterien wie Anzahl der Geschäftsfälle pro Jahr, beizubringende Nachweise oder Unterschriftennotwendigkeit und subjektive Kriterien, die die Meinung und Erwartung der Befragten widerspiegeln (z. B. Einschätzung der Erwartungshaltung der Kunden), unterteilen. Eine E-Government-Tauglichkeit von Verfahren lässt sich am besten durch die Kombination beider Kriterienklassen ableiten, indem bestimmte Annahmen für die Kriterienausprägung getroffen werden.
Ein wesentliches Kriterium für die E-Government-Tauglichkeit von Verfahren ist die durchschnittliche Anzahl an Geschäftsfällen in einem bestimmten Beobachtungszeitraum, meist ein Jahr. Wird ein Verfahren zu selten abgewickelt, ist eine elektronische Umsetzung wirtschaftlich nicht rechtzufertigen. Erst ab einer bestimmten kritischen Masse ist mittel- bis langfristig auch für die Verwaltung ein Nutzen (z. B. Reduktion des Bearbeitungsaufwandes) zu erzielen und beginnen sich die Entwicklungs- und Implementierungskosten zu rechnen.
Die Erhebung hat gezeigt, dass sogar in den einwohnerstärksten Städten Österreichs mehr als die Hälfte aller Verfahren (54%) weniger als 100 Mal pro Jahr abgewickelt werden. Zu den echten „Volumensanwendungen“ mit mehr als 1.000 Geschäftsfällen im Jahr zählen nur 13% der abgefragten Verfahren.
Für die Bewertung der E-Government-Tauglichkeit wurden als Untergrenze 250 Anwendungsfälle im Jahr angenommen. Rechnet man in der Anfangsphase der elektronischen Umsetzung mit einer Akzeptanz von 20% der Verwaltungskunden, so wären dies im gegebenen Fall 50 elektronisch abgewickelte Verfahren (siehe Grafik 2).

Bewertung der E-Government-Tauglichkeit
Wann gilt ein Verfahren als E-Government-tauglich? Die Anzahl der jährlichen Anwendungsfälle als wesentliche Maßzahl wurde bereits erläutert und mit 250 Verfahrensabwicklungen pro Jahr festgelegt. Weitere wichtige – objektive – Parameter sind

- der Verfahrensverlauf,
- die Anzahl der an der Verfahrensabwicklung beteiligten Mitarbeiter,
- die Anzahl der beteiligten verwaltungsinternen Dienststellen und
- die Anzahl der beteiligten externen Dienststellen.

Bezüglich des Verfahrensverlaufs wurde erfragt, ob die einzelnen Geschäftsfälle eines jeweiligen Verfahrens eher linear, d. h. gleichförmig ablaufen, oder ob es stark individuelle Verfahrensausprägungen gibt. Die Annahme lautet, dass Verfahren umso schwieriger elektronisch umzusetzen sind, je komplexer deren Ausprägung ist. In die Bewertung der E-Government-Tauglichkeit wurden daher alle jene Verfahren mit linearem Verlauf einbezogen.
Die Anzahl der organisationsinternen bzw. -externen Dienststellen, die ein Verfahren durchläuft, sowie die Anzahl der beteiligten Mitarbeiter und die Anzahl der Kundenkontakte sind als weiterer Indikator für die Komplexität von Verfahren zu verstehen und wurden aggregiert ausgewertet und mit den Attributen „sehr hohe Komplexität“ und „hohe Komplexität“ belegt.
Auch wenn die Komplexität von Verfahren nicht gerade ein Tauglichkeitskriterium für E-Government darstellt, so hat diese doch eine bedeutende Aussagekraft über den möglichen Nutzwert einer elektronischen Umsetzung.
Schließlich kann man davon ausgehen, dass gerade bei komplexen, über mehrere interne wie auch externe Dienststellen laufenden Verfahren das größte Service- und Reformpotential durch E-Government besteht (siehe Grafik 3).

Je mehr Kundenkontakte, desto interessanter ist E-Government-Umsetzung
Die durchschnittliche Anzahl der notwendigen Kundenkontakte in einem Verfahren, von der Antragstellung bis zur endgültigen Erledigung, ist nicht nur eine Maßzahl für die Komplexität, sondern hat auch Aussagekraft über die E-Government-Eignung eines Verfahrens. Schließlich ist eines der Ziele von E-Government, dem Verwaltungskunden besseren Service zu bieten, indem ihm Wege zum Amt erspart werden. Die Ergebnisse der Fragebogenauswertung zeigen, dass auch die herkömmliche Verfahrensabwicklung offensichtlich bereits weitgehend kundenfreundlich optimiert wurde, da bei immerhin 69% aller bewerteten Verfahren maximal 1 bis 2 Kundenkontakte notwendig sind (siehe Grafik 4).

Expertenmeinungen aus der Verwaltung zur E-Government-Tauglichkeit
Mit mehreren Parametern wurde die Meinung der befragten Praktiker aus den Statutarstädten erhoben, da diese am besten die E-Government-Tauglichkeit und den Nutzen einer elektronischen Umsetzung ihrer Verfahren einschätzen können.
Der Grad der Erwartungshaltung ergibt sich aus den Ausprägungen der folgenden Fragen:

- Erwarten die Kunden eine elektronische Abwicklung?
- Wird für Kunden Inanspruchnahme der Leistung einfacher?
- Lässt sich eine Verkürzung der Verfahrensdauer erzielen?
- Lässt sich die Abwicklung vereinfachen?

Die Erwartungshaltung kann bei jenen Verfahren als „sehr hoch“ gewertet werden, bei denen alle 4 Fragen positiv beantwortet wurden. 3 von 4 Fragen positiv beantwortet deutet auf eine „hohe Erwartungshaltung“ hin, 2 von 4 Fragen positiv beantwortet signalisiert eine mittlere bis niedrige Erwartungshaltung und wenn nur 1 Frage mit „ja“ beantwortet wurde, dann kann die Erwartungshaltung als „sehr gering“ bezeichnet werden.

Bewertung der E-Government-Tauglichkeit von Verfahren
Die Bewertung der E-Government-Tauglichkeit von Verfahren setzt sich aus folgenden Kriterien und Annahmen zusammen: siehe ÖGZ 10/04

Zwecks Information dargestellt, aber nicht in die Wertung mit einbezogen, wurden die Kriterien „Anzahl beteiligter organisationsinterner Dienststellen“ und „Anzahl beteiligter organisationsexterner Dienststellen“ (da kein Indikator für die E-Government-Tauglichkeit, sondern eher für die Verfahrenskomplexität) sowie als subjektives Kriterium die aggregierte Erwartungshaltung der Verwaltungsexperten.
Das Ergebnis ist ein Set von 47 Verfahren, auf das die ausgewählten Kriterien allesamt zutreffen. Die Reihung der nachfolgenden Liste erfolgte nach der aggregierten Erwartungshaltung, eine Umreihung nach anderen Kriterien ist selbstverständlich möglich und ändert nicht das Gesamtbild (siehe Tabelle Seite 9).

Verfahrensausprägung nach Identifikation, Nachweisen und Bezahlungsvorgängen
Mehr aus Informationsgründen und weniger zur Feststellung der E-Government-Tauglichkeit wurde ergänzend auch erhoben, ob bei den bewerteten Verfahren

- eine eindeutige Identifikation des Antragstellers notwendig ist,
- Nachweise seitens des Antragstellers beizubringen sind,
- das Verfahren mit einem Bezahlungsvorgang verbunden ist.

Das statistisch ausgewertete Ergebnis dieser Fragen verdeutlicht, wie häufig die drei abgefragten Kriterien bei kommunalen Verfahren tatsächlich vorhanden sind: So wurde angegeben, dass bei 67% aller Verfahren eine eindeutige Identifikation erforderlich ist, bei knapp 60% der Verfahren sind Nachweise zu erbringen und mehr als die Hälfte (53,6%) steht auch in Verbindung mit einem Bezahlungsvorgang (siehe Grafik 5).

Was geschieht mit den Ergebnissen der Umfrage?
Die Umfrage diente natürlich nicht nur der Informationsgewinnung über die vielfältige kommunale Verfahrens- und Leistungslandschaft, sondern ganz konkret der Feststellung geeigneter Anwendungsfälle für eine geplante E-Government-Umsetzung. Die Ergebnisse werden im Fachausschuss für IT des Österreichischen Städtebundes diskutiert und sollen als Entscheidungsgrundlage für eine mögliche gemeinsame Entwicklung der Städte dienen.

Fehlende Grafiken finden Sie in der ÖGZ 10/04.

OEGZ

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