80 Jahre ÖGZ – Ein Blick zurück

80 Jahre ÖGZ – Ein Blick zurück

1924 erschien erstmals die neugegründete „Österreichische Gemeinde-Zeitung“, nachdem das bisherige Presseorgan – die „Österreichische Städtezeitung“ – dem Städtebund entzogen worden war. Hintergrund war der sich verschärfende politische Konflikt zwischen der damaligen Bundesregierung und den Städtebund-Gremien. Ein Blick zurück in die Erste Republik des Jahres 1924.

 

Das Jahr 1924 brachte schwere Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und dem Städtebund rund um die Abgabenteilung mit sich. Die oppositionelle Haltung der Mehrheit im Städtebund trat immer offener zutage. Im Sommer eskalierte der Konflikt – bis dahin hatten Sozialdemokraten, Christlichsoziale und Großdeutsche alle Beschlüsse gemeinsam gefasst. Mit Herbst 1924 wurde dem Städtebund die „Österreichische Städtezeitung“ entzogen, sodass sich der Städtebund gezwungen sah, eine eigene Zeitung zu gründen.
Mit dem Satz „Seit dem 1. Jänner 1923 gehört der volle Ertrag der Gebäudesteuern den Ländern und Gemeinden“ begann am 1. September der erste Artikel in der Nummer 1 der Österreichischen Gemeinde-Zeitung. Als Autor firmierte der sozialdemokratische Nationalrat und zugleich Wiener Gemeinderat Dr. Robert Danneberg, der später – von 1932 bis 1934 – auch das Amt eines amtsführenden Wiener Stadtrates bekleidete. Er wurde 1938 von der Gestapo verhaftet und Ende 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Alleine die Lebensgeschichte des ersten Autors der ÖGZ spiegelt die gewaltigen Brüche und Umwälzungen im Leben vieler Menschen in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wider.
1924 machte sich erstmals nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich ein Hauch von Hoffnung bemerkbar, wenn auch von den „roaring twenties“ für den Großteil der Bevölkerung angesichts einer desaströsen Wirtschaftslage kaum etwas zu bemerken war. Das Kabinett Seipel regierte seit 1922 und wurde am 20. November 1924 vom Kabinett Ramek abgelöst. Die Wirtschaftsentwicklung zeigte erstmals von einem niedrigen Niveau aus vorsichtig nach oben, die Inflation wurde mit Hilfe der Währungsreform eingedämmt. Das Schilling-Rechnungsgesetz vom 20. Dezember 1924 legte den Grundstein für die spätere starke Identifikation der Österreicher mit ihrem „Alpendollar“ – aus 10.000 Kronen wurde ein Schilling. Am 1. Oktober begann die RAVAG mit regelmäßigen Radioübertragungen. Die österreichische Fußballmannschaft feierte 1924 in 10 Spielen 6 Siege, erzielte 2 Unentschieden und musste sich Deutschland und Spanien auswärts geschlagen geben. Ellen Preis holt in Paris Florett-Gold, nachdem 1920 Österreich als Kriegsverlierer bei den Olympischen Spielen noch gar nicht teilnehmen durfte. Vor den Toren Wiens – in Klosterneuburg – verstarb der damals weitgehend unbekannte Franz Kafka. Wenige Tage nach Erscheinen der November-Nummer der ÖGZ demonstrierte der Schüler Bruno Kreisky vor dem Wiener Stadtschulrat, während der spätere „Sir“ Karl Popper den Gesellenbrief als Tischlerlehrling erhielt, die Lehramtsprüfung an der Lehrerbildungsanstalt absolvierte und – mangels freier Lehrerstelle – Erzieher in einem Hort der Gemeinde Wien für sozial gefährdete Kinder wurde.
Die Zeichen der Zeit spiegeln sich natürlich in den ersten Nummern der ÖGZ wider. Bei den Gemeindefinanzen kämpften alle Städte mit den drückenden wirtschaftlichen Problemen dieser Tage. Betroffen war auch die Stadt Graz, die nach einem Gebarungsabgang von 16.982.439.000 Kronen neue Gemeindesteuern einführen und bestehende Abgaben erhöhen musste. Neu geschaffen wurden die Gas- und die Anzeigenabgabe, erhöht wurden u. a. Hunde- und Pferdeabgabe, Hauspersonalabgabe, die städtische Fahrkartensteuer sowie der Gemeindezuschlag zur Gebäudesteuer.
„Der Gemeinderat erneuert abermals sein schon in der Sitzung vom 13. Dezember 1923 gestelltes Begehren an das Land und den Bund, durch geeignete finanzielle Vorkehrungen die bedrängte Lage der Landeshauptstadt Graz zu erleichtern“, so der nüchterne Bericht der Österreichischen Gemeinde-Zeitung.
Bereits im Oktober 1924 wurde in der ÖGZ eines der größten Infrastrukturprojekte der Ersten Republik besprochen – „eine Straße über den Großglockner“ nach dem Entwurf von Ingenieur Franz Wallack.
„Die fertig gestellte Straße wird nicht nur den unmittelbar an ihr liegenden Orten Verkehr und Nutzen bringen; das Schaustück, das durch die verkehrstechnische Erschließung des Großglocknergebietes dem großen Fremdenstrom geboten wird, wird eine Neuorientierung der Reiserouten unter Einbeziehung der Großglockner-Hochalpenstraße mit sich bringen und für den Fremdenverkehr in ganz Österreich nicht nur werbend wirken, es wird ihn in fühlbarem Maße beleben und dadurch zur Hebung unserer Volkswirtschaft beitragen.“ Der ungenannte Autor war hinsichtlich der Errichtung der Straße äußerst optimistisch, da er bei einem angenommenen Baubeginn im April 1925 mit der Fertigstellung im Frühjahr 1927 rechnete. Tatsächlich konnte die Straße über das Fuscherthörl und das Hochtor erst am 3. August 1935 seiner Bestimmung übergeben werden.
Im Dezember 1924 widmete sich die ÖGZ zum ersten Mal schwerpunktmäßig den kommunalen Strukturen und Einrichtungen einer Mitgliedsstadt – Steyr –, die erste vollständig mit Schwarz-Weiß-Fotos bebilderte Ausgabe des neuen Mediums. Nicht zu übersehen war in den ersten Nummern der äußere, in blassrosa gehaltene Mantel mit Einschaltungen von Baufirmen, Steinmetzbetrieben, Ofenherstellern bis hin zu Sägewerken und Brauereien.
Die Themen waren schon damals so bunt wie heute, wenn sich auch die Schwerpunkte deutlich verschoben haben. Beherrschten in den ersten Monaten Wohnungsnot, Armenpflege, Erwägungen über eine „Fahrradsteuer“ oder die „Fürsorge für die verwahrloste Jugend“ die Spalten der ÖGZ, so stehen 2004 Klimaschutz, EU-Verfassung, Österreich-Konvent oder E-Government auf der Tagesordnung. Unverändert aktuell geblieben ist jedoch die intensive Beschäftigung mit dem Abgabenwesen, mit der Aufteilung der Abgaben zwischen den Gebietskörperschaften und der Entwicklung der Ertragsanteile. Oder beispielsweise die Thematisierung der Probleme im Straßenbau und die Entwicklung des Sozialwesens.
In einer Information Anfang 1925 an die österreichischen Gemeindevertretungen charakterisierte die Redaktion ihr „Blatt“ wie folgt: „Die ersten vier Ausgaben unseres Blattes werden den Gemeindeverwaltern bewiesen haben, dass es sich um ein Organ handelt, das allen Gemeindevertretungen durch kommunalwirtschaftliche Aufsätze und Anregungen, durch die übersichtliche Darstellung der Arbeit in den Gemeinden und durch die Sammlung der Judikatur unserer obersten Gerichte nach besten Kräften dienen will.“ Diesem Anspruch versuchen sowohl die Redaktion als auch alle MitarbeiterInnen des Österreichischen Städtebundes 80 Jahre später jeden Monat genauso gerecht zu werden wie unsere Vorgänger im Herbst 1924.

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