„Intelligente Lösungen sind gefragt – es wird keine ersatzlosen Postamtsschließungen geben“

„Intelligente Lösungen sind gefragt – es wird keine ersatzlosen Postamtsschließungen geben“

Die Post will im nächsten Jahr 357 Filialen sperren. Diese Ankündigung hat für große Aufregung in den Städten und Gemeinden geführt, wo die Verantwortlichen um die Versorgung fürchten. Herbert Götz, für das Filialnetz zuständiger Vorstand der Post, verspricht im Interview mit der ÖGZ: Es ist sichergestellt, dass kein Standort ersatzlos aufgelassen wird. Ziel der Post ist es, mit allen betroffenen Gemeinden eine Alternativlösung zu finden.

 

Herr Dr. Götz, warum sperrt die Post schon wieder mehr als 350 Postämter zu?
HERBERT GÖTZ: Mit dieser Optimierung will die Österreichische Post AG die Standorte und Filialgrößen an die geänderten Kundenbedürfnisse anpassen. Das historisch gewachsene Netz der Post-Filialen ist in vielen Regionen in Hinblick auf die Versorgungsqualität der Kunden nicht mehr ideal, im untersten Bereich des Filialnetzes sogar hoch defizitär. Durch die gestiegene Mobilität und veränderte Konsumgewohnheiten liegen viele Standorte heute abseits der Kundenströme und größere Filialen mit breiterem Angebot stoßen bei den heutigen Konsumenten einfach auf mehr Gegenliebe.

Trotzdem: Warum diese Veränderungen? Es ist erst zwei Jahre her, dass über 600 Filialen geschlossen wurden.
GÖTZ: Wir modernisieren in den nächsten drei Jahren das Netz der Geschäftsstellen, um es für den wachsenden Wettbewerb zu stärken und dauerhaft abzusichern. Der Bereich, der uns wirklich wirtschaftlich sehr schwer zu schaffen macht, sind eine Vielzahl von Kleinstfilialen, die aufgrund ihrer geringen Kundennachfrage und damit geringen Einnahmen und gleichzeitig hoher Erhaltungs- und Betriebskosten tief in den roten Zahlen stecken. Oft betragen die Kosten einer Kleinfiliale dabei ein Vielfaches ihrer Einnahmen. Wir stehen in diesen Kleinstfilialen vor der Situation, dass uns die Frequenz fehlt und wir trotz hohem Einsatzwillen und hoher Motivation der Mitarbeiter dieser Filialen keine realistische Chance sehen, jemals auch nur in Richtung schwarzer Zahlen zu kommen. Auch Produktausweitungen, Beratungsinitiativen oder Schwerpunktaktionen helfen uns an vielen Standorten nicht, in die Gewinnzone zu kommen.

Vor zwei Jahren hieß es, die Schließungen seien eine einmalige Aktion.
GÖTZ: Es war für niemanden vorhersehbar, wie rasch sich der Postmarkt in Österreich ändern würde. Die Liberalisierung kam in einzelnen Bereichen schneller als erwartet – etwa bei den Hausbrieffachanlagen. Das Kundenverhalten hat sich ebenfalls deutlich verändert – zum Beispiel der Rückgang der Briefpost wegen E-Mail und E-Banking. Nicht zuletzt sind die Kunden mobiler geworden, wodurch das klassische Postamt im Heimatort an Bedeutung verloren hat, wogegen Standorte in Einkaufsstraßen oder in Ballungszentren überproportional gewachsen sind. Diesen Veränderungen müssen wir uns stellen.

Wie vereinbaren Sie die Schließungen mit dem Versorgungsauftrag der Post?
GÖTZ: Den Versorgungsauftrag nehmen wir natürlich sehr ernst und erfüllen ihn auch in Zukunft flächendeckend in ganz Österreich. Das steht für uns außer Frage. Wir haben mehrfach festgehalten, dass es keine ersatzlosen Schließungen von Postämtern geben wird, wir werden in jedem Fall eine leistungsfähige Alternative anbieten. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die tägliche österreichweite Briefzustellung von diesen Veränderungen in keinster Weise betroffen ist. Die Netzoptimierung betrifft die Filialen, also jene Stellen, wo Briefe, Pakete oder Geldsendungen entgegengenommen werden. Jeder Österreicher bekommt selbstverständlich auch weiterhin täglich seine Post!

Wie sehen alternative Lösungen aus?
GÖTZ: In vielen Fällen wird das ein Post-Partner sein, also ein Handels- oder Gewerbebetrieb im Ort, der wie ein Postamt Briefe, Pakete und Geldüberweisungen entgegennimmt, Briefmarken verkauft etc. Zur Zeit gibt es 124 Post-Partner. Dann gibt es noch Post-Servicestellen, derzeit 241, mit einem im Vergleich zum Post-Partner etwas eingeschränkteren Angebot. Post-Servicestellen werden von privaten Unternehmern, zum Teil auch von Gemeinden oder Fremdenverkehrsämtern betrieben. In dünn besiedelten Gebieten übernehmen die Landzusteller die Funktion der Filialen, indem sie neben der Postzustellung auch Briefe und Pakete von den Haushalten abholen. Die Versorgung wird dadurch oft sogar besser, weil der Landzusteller bis ins Haus kommt und der Kunde sich den Weg zum Postamt erspart.

Stichwort Post-Partnerschaften. Können Sie dazu Näheres sagen?
GÖTZ: Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass mit den verschiedenen Post-Partnerschaften ein Weg beschritten wurde, der sowohl für die Kunden der Post, für die beteiligten Post-Partner als auch für die Post große Vorteile bringt. Wenn Sie sich die einzelnen Beispiele anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir sehr oft Impulse für die örtliche Infrastruktur geben. Da gibt es Beispiele von Gemischtwarenhändlern, die schon ans Zusperren gedacht haben. Durch die Post-Partnerschaft haben sie aber zusätzliche Frequenz und Erträge, und jetzt rechnet es sich doch wieder und das Geschäft bleibt erhalten. Zusätzlich haben die Kunden den Vorteil, dass jetzt auch die Leistungen der Post täglich oft bis 19 Uhr und manchmal auch an Samstagen bis 17 Uhr erhältlich sind. Wir brauchen intelligente Lösungen dieser Art für die strukturschwachen Regionen, nicht das Aufrechterhalten defizitärer Strukturen. Ich möchte hinzufügen, dass wir uns mit diesen Maßnahmen der europäischen Normalität nähern. Derzeit betreibt die Post noch 82% ihrer Filialen selbst. Im Vergleich dazu sind es in Deutschland unter 50%, in Dänemark 33%, in den Niederlanden 14%.

Viele Gemeinden fühlen sich von der Vorgangsweise der Post überfahren. Warum kamen diese Schließungen so überfallsartig?
GÖTZ: Die Verwirrung ist entstanden, weil schon vor Monaten in den Medien Listen von angeblichen Schließungen kursierten. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht einmal die Wirtschaftlichkeitsrechnung abgeschlossen, da konnte also niemand seriös sagen, welche Filialen betroffen sein werden. Ich möchte betonen, dass wir auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen allergrößten Wert legen. Wir sind in höchstem Maße daran interessiert, Lösungen zu finden, mit denen wir unsere Kunden optimal versorgen können. Intelligente Lösungen lassen sich immer nur vor Ort finden, im Gespräch mit den Bürgermeistern.

Sie haben von Wirtschaftlichkeitsüberprüfung gesprochen. Welche Kennzahlen wurden da konkret herangezogen?
GÖTZ: Es geht um die Kundenfrequenz und um den Gewinn und Verlust einer Filiale, vor allem aber auch wie deren Zukunftsperspektive aussieht. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Post ein Unternehmen ist, das im Wettbewerb steht. Wir müssen also bei unseren Entscheidungen darauf achten, wo die Bedürfnisse unserer Kunden sind. Unsere Kunden wollen größere Filialen mit breiterem Angebot, in verkehrsgünstigen Lagen. Deshalb investieren wir in solche Filialen, um die Kundenbedürfnisse noch besser zu erfüllen, und suchen für frequenzschwache Standorte intelligente Ersatzlösungen.

Warum ist so viel von Erträgen und Gewinnen die Rede? Die Post hat doch auch volkswirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen.
GÖTZ: Unser Auftrag ist die flächendeckende Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Postdienstleistungen, das steht in der Universaldienstverordnung, und das werden wir auch in Zukunft ungeschmälert erfüllen. Zusätzlich stehen wir unmittelbar vor der Liberalisierung des Postmarktes. Wir wollen auch im freien Wettbewerb ein starkes Unternehmen bleiben, deshalb müssen wir uns jetzt fit machen für diese Zeit. Unser Ziel ist es daher, die Versorgung sicherzustellen und gleichzeitig Kosten zu senken und Gewinne zu machen. Dazu modernisieren wir das Netz der Geschäftsstellen, um es für den Wettbewerb zu stärken und dauerhaft abzusichern. Dabei geht es um die Bedürfnisse unserer Kunden.

Wie stehen Sie zu den Plänen des Verkehrsministers, die Universaldienst-Verordnung zu verschärfen?
GÖTZ: Es ist sicher zu begrüßen, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, in der die Wünsche und Bedürfnisse der Länder und Regionen zur Sprache kommen. Wir nehmen dort als Post gerne teil. Die Post schafft es seit heuer, dass rund 95% aller Briefe, ganz egal wo in Österreich, bereits am Tag nach dem Aufgeben beim Empfänger sind. Wir haben, wenn Sie Post-Filialen, Post-Partner, Landzusteller und unsere Briefkästen zusammenzählen, ein europaweit einmalig dichtes Netz an Möglichkeiten, Postsendungen aufzugeben.

Welche Änderungen stehen den Kommunen als nächstes ins Haus? Wird es weitere Schließungen geben?
GÖTZ: Unsere mittelfristige Unternehmensplanung reicht bis zum Jahr 2007. Wir werden durch die geplante Netzoptimierung mit dem Filialnetz wieder in ruhiges Fahrwasser gelangen. Wenn sich an den uns heute bekannten Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre nichts ändert, gehen wir davon aus, dass bis 2007 keine weiteren Schließungen notwendig sind. Darüber hinaus kann ich jedenfalls garantieren, dass die Angebote an Produkten und Dienstleistungen der Post völlig unabhängig von der Gestaltung des Filialnetzes in jedem Fall flächendeckend zur Verfügung stehen werden. Wie der Universaldienst nach 2009 aussehen wird, wenn die Post-Dienste EU-weit völlig liberalisiert sind, das kann heute niemand mit Sicherheit sagen.

OEGZ

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