Bodenschutz – Boden ohne Recht?

Bodenschutz – Boden ohne Recht?

Im Grunde genommen treibt die Zivilisation Schindluderei mit dem Boden: Sie tränkt ihn mit Abwässern, mutet ihm ständig giftige Abfälle und Stoffe zu, belastet die Erde mit schmutzigem Staub, setzt ihr mit schweren Maschinen zu oder bedeckt sie gar unwiderruflich mit Beton und Asphalt. Auf Dauer kann sich die Gesellschaft einen derart nachlässigen Umgang mit diesem wichtigen Umweltgut nicht leisten. Ein wirksamer Bodenschutz lässt sich niemals isoliert, sondern nur in enger Zusammenarbeit mit anderen Umweltschutzdisziplinen und den Betroffenen in der Praxis verwirklichen. Wie stark es sich dabei um eine interdisziplinäre Aufgabe handelt, veranschaulichen die im folgenden Beitrag angeführten relevanten Regelungen in Bundes- und Landesvorschriften, die letztlich dem Bodenschutz zugute kommen. Das juristische Regelwerk dokumentiert zugleich den Querschnittscharakter der Materie „Boden“, die an der Schnittstelle zu Wasser, Luft und Klima eine wichtige Rolle im Zentrum einer vorsorgenden Umweltpolitik spielt.

 

Einleitung
Böden sind die mittelbare Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Zugleich leisten sie einen Großteil der stofflichen Abbau- und Umbauprozesse im Naturhaushalt. Sie sind Filter und Speicher für den Wasser- und Stoffhaushalt, Lagerstätte für Bodenschätze und Energiequellen, Grundlage der Land- und Forstwirtschaft und nicht zuletzt Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.2 Mit ihren lebenserhaltenden Funktionen sind Böden unersetzliches Element für die natürlichen Stoffkreisläufe und die belebte Umwelt. Ein Teil der österreichischen Böden wird für die Lebensmittelproduktion genutzt. Böden wirken als natürlicher Filter für das Grundwasser, aus dem ein Teil der Trinkwasserversorgung Österreichs erfolgt. Deshalb sind Böden als nicht erneuerbare natürliche Ressource vorsorgend vor schädlichen Einwirkungen zu schützen und ihr Verbrauch für Siedlung und Verkehr deutlich zu begrenzen.
Böden sind sehr empfindliche Systeme, anfällig für alle Formen von Belastungen durch den Menschen. Veränderungen laufen in der Regel sehr langsam ab und sind meist schwer erkennbar. Sind jedoch erst einmal Schäden eingetreten, sind sie oft nur in geologischen Zeitmaßstäben zu beheben – wenn überhaupt. Zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips muss es deshalb Ziel sein, dass die Nutzung des Bodens künftig nur noch umweltverträglich erfolgt und keine dauerhaften Schäden verursacht werden. Nur wenn die Leistungsfähigkeit des Bodens nicht überfordert wird, kann er seine Funktion als ökologische und ökonomische Lebensgrundlage auch in Zukunft erhalten.
Der Schutz des Bodens als eine der wichtigsten fach- und bereichsübergreifenden Aufgaben der Umweltpolitik hat auch in den Rechtsvorschriften Eingang gefunden. Im Folgenden soll aber hier der Versuchung widerstanden werden, die durchaus komplexe Rechtslage zum Schutz des Bodens von den Landes- über die Bundes- bis zu den EU-Vorschriften im Einzelnen aufzuzeigen. Zum einen ist jede menschliche Aktivität mit Bodennutzung verbunden, so dass eine thematische Eingrenzung weder theoretisch noch praktisch sinnvoll erscheint. Zum anderen sind es insbesondere die Bodenkontaminationen, die gravierende ökologische Probleme darstellen, so dass das Altlastenrecht die übrigen Vorschriften zum Bodenschutz überschattet.
Wenn von Bodenschutzrecht die Rede ist, so müssen wegen der vielfältigen Erscheinungsformen und Funktionen die verschiedensten Aspekte weitaus stärker berücksichtigt werden, als beispielsweise bei der Luft- oder Gewässerreinhaltung. Zwar sind die belebten, biologisch aktiveren und an organischen Bestandteilen reicheren oberen Bereiche der Böden für den Naturhaushalt ökologisch wichtiger und daher als primärer Gegenstand des Bodenschutzrechts prädestiniert. Die Vielfalt und Vielschichtigkeit des Mediums – insbesondere seine Filter- und Pufferfunktion – macht es aber gleichwohl unabdingbar, dass sich der Bodenschutz mit „Böden“ von jeweils unterschiedlicher Bedeutung und Schutzwürdigkeit beschäftigt. Objekte des Bodenschutzes sind daher nicht nur die von Lebewesen und Pflanzen genutzte Erdoberfläche, sondern auch die darunter liegenden Bodenschichten.

Boden im Dornröschenschlaf
Der Boden ist erst recht spät in den Mittelpunkt des umweltpolitischen Interesses geraten; Auslöser waren spektakuläre Einzelfälle in den achtziger Jahren, wie etwa der der „Fischer-Deponie“. Dabei war der Schutz des Bodens infolge fortdauernder Substanzbeeinträchtigung durch Bebauung, Erosion, Bodenverdichtung und Schadstoffeinträge schon relativ lang Gegenstand der umweltfachlichen und -rechtlichen Diskussion.
In Anbetracht der Erkenntnis, dass der zur Verfügung stehende Boden nicht beliebig vermehrbar ist und nur eine beschränkte Regenerationsfähigkeit hat, wurde 1984 der Boden als umweltpolitische Aufgabe im Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz (BVG) festgeschrieben. In weiterer Folge war (und ist) die Situation im Umweltrecht dadurch gekennzeichnet, dass Bodenschutz mittels einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen mittelbar gewährleistet wird. Während aber mit dem Wasserrechtsgesetz (hier insbesondere die Novellen 1990 und 2003) und dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen (insbesondere auch dem Immissionsschutzgesetz-Luft) zum Teil schon recht früh dem Schutz der Umweltmedien Wasser und Luft medial ausgerichtete Gesetze zur Verfügung standen, fehlt es im Bereich des Bodenschutzes jedenfalls auf Bundesebene mangels klarer Kompetenz – wenn vom Schutz des Waldbodens im Forstgesetz abgesehen wird – bis heute an einem medienspezifischen Gesetzeswerk.

Boden als Rechtsbegriff
Zahlreiche gesetzliche Bestimmungen verwenden den Begriff Boden, definieren ihn aber nicht näher, sondern gehen offenbar von einem deskriptiven Begriff aus, der eine nähere Definition erübrigt. Boden ist – mehr noch als Wasser oder Luft – ein nicht einheitlich zu definierendes Medium. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher naturwissenschaftlicher Begriffsbestimmungen: In der Bodenkunde wird unter Boden ein Naturkörper mit bestimmten Funktionen verstanden. Boden ist danach das einen Teil der Erdoberfläche in einer dünnen Schicht bedeckende dynamische System, das mit Wasser, Luft und Lebewesen durchsetzt ist und in dem mineralische und organische Substanzen enthalten sind, die durch physikalische, chemische und biologische Prozesse umgewandelt wurden und werden.
Bezeichnend ist, dass der Begriff Boden entgegen der Bezeichnung einzelner Landesgesetze (wie dem Burgenländischen oder Niederösterreichischen Bodenschutzgesetz) nicht bestimmt ist. Vielmehr wird lediglich gesagt, was der Bodenschutz bezweckt und dass es um landwirtschaftliche Böden geht. Auch das Protokoll „Bodenschutz“3 der Alpenkonvention4 aus 2002 enthält keine Definition des Bodens, sondern legt nur als Ziel die Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit im Alpenraum fest.

Boden als unbestimmter Gesetzesbegriff
Ungeachtet der fehlenden Bestimmung des Begriffs Boden ist den Rechtsvorschriften zum Bodenschutz die Funktionsbestimmung gemein. Mit der Ansammlung von vielen, wenn auch nicht allen möglichen Gesichtspunkten, die einem Menschen beim Begriff Boden einfallen können, wird eine praktikable Inhaltsbestimmung verfolgt. Damit aber die Determination des Bodenbegriffes durch seine natürlichen Nutzungsfunktionen nicht ausufert, reduzieren die Vorschriften ihren Anwendungsbereich insbesondere auf die Gefahrenabwehr und die Vorsorge.
Offenbar hält der Gesetzgeber eine Begriffsbestimmung nicht für erforderlich, weil er von einer allgemeinen Verkehrsauffassung ausgeht, in welchen Grenzen sich die Zusammensetzung des „sauberen“ Bodens zu bewegen hat.5 Doch der Anschein trügt! Eine Vorstellung von „sauberem“ Boden existiert nicht; Verunreinigungen lassen sich schwer und nachhaltige Bodenveränderungen so überhaupt nicht mehr definieren. Hier hilft der Maßstab der wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Bodens kaum. Denn meist ist in einem Land, das schon über Jahrhunderte hinweg durch den Menschen verändert worden ist, eine ortsunübliche Bodenveränderung nicht auszumachen.6

Boden als Sache
Der Begriff Boden in den einschlägigen Gesetzen des Bundes und der Länder ist nicht identisch mit dem gleichlautenden Begriff im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). Dort dient der Begriff zur Unterscheidung zwischen dem Grundstück und dem fest mit dem Boden verbundenen Grundstücksbestandteil (wie Gras, Bäume, Früchte und Gebäude)7 und korreliert mit der Exekution auf das unbewegliche Vermögen: Boden ist in der Exekutionsordnung das materielle Korrelat des Rechtsbegriffes Grundstück.
In Deutschland umschreibt das „Gesetz zum Schutz des Bodens“8 vom 17. März 1998 den Boden als obere Schicht der Erdkruste, soweit sie Träger bestimmter Bodenfunktionen ist, einschließlich der flüssigen und gasförmigen Bestandteile (wie Bodenlösung und Bodenluft), ohne Grundwasser und Gewässerbetten. Diese Begriffsbestimmung erscheint mir aber für den Schutzgegenstand zu eng. Zum einen hat Objekt des Bodenschutzes der belebte und unbelebte Untergrund zu sein; also auch die tiefergelegenen Schichten, die bestimmte Bodenfunktionen (aus anthropozentrischer Sicht) erfüllen (zum Beispiel Flächen, die aus Bodenmaterial bestehen und der künstlichen Auffüllung oder Aufschüttung aus Erdaushub oder Abfällen dienen).9 Zum anderen bedarf es einer Einbeziehung des Grundes fließender und stehender Gewässer in den Bodenbegriff, weil nicht zweifelsfrei ist, ob und gegebenenfalls bis in welche Tiefen die Beseitigung von Verunreinigungen des Grundes von Gewässern unter das Regime des Wasserrechts fallen.
Auch die Definition des Begriffes Boden in der ÖNORM10 L 1050 vom 1. Jänner 1994 ist meines Erachtens zu restriktiv, weil darin nur auf den obersten Bereich der Erdkruste abgestellt wird. Zumindest trägt aber die ÖNORM dem Umstand Rechnung, dass in der Landschaft vorkommender Boden nicht unbedingt „natürlich“ im Sinn von schadstofffrei sein muss. Allein die landwirtschaftlichen Böden (von Altlasten wie wilde Mülldeponien und aufgelassene Betriebsstandorte ganz zu schweigen) haben sich im letzten Jahrhundert sehr stark vom biologisch-ökologischen Gleichgewicht entfernt und stellen heute keine natürlichen Systeme mehr dar.

Boden und Erde
Abschließend noch ein interessanter Aspekt zum Begriff Boden aus der spärlichen einschlägigen Rechtsliteratur. Sonntag11 und ihm folgend Sitta12 konstatieren, dass der Begriff erst mit dem Entstehen des Umweltschutzrechts in den Bereich gesetzlich geschützter Güter gekommen sei. Der Begriff Erde sei überhaupt nicht in einem Gesetz definiert, was übrigens durch einen Blick in die Rechtsprechung bestätigt werden kann. Aus diesem Umstand folge, dass die Erzeugung von Humus durch Kompostierung nicht unter das Abfallwirtschaftsgesetz fällt.13

Bodenschutz im geltenden Recht
Eine Bestandaufnahme zum Bodenschutzrecht fällt hierzulande ernüchternd aus. Weder gibt es ein Bundesbodenschutzgesetz, noch ist das Bodenschutzrecht einheitlich. Vielmehr sind die bodenschutzrelevanten Regelungen breit gestreut; vereinzelt haben Rechtsvorschriften den Bodenschutz zum wichtigsten (zum Beispiel Vorarlberger Klärschlammgesetz oder Deponieverordnung des Bundes) oder sogar ausschließlichen Gegenstand, meist aber nur als ein Ziel neben anderen (etwa Abfallwirtschaftsgesetz oder Gewerbeordnung).
Im Grundsatz können die bodenschutzrelevanten Vorschriften wie folgt systematisiert werden:

- Als bodenbedeutsame Normen, die nicht nur die Abwehr von Beeinträchtigungen des Bodens zum Inhalt haben, sondern auch die Pflege und Entwicklung im Sinn eines Verbesserns und Wiederherstellens sowie der Vorsorge, z. B. § 1 Tiroler Raumordnungsgesetz.14

- Weiters kann Bodenschutz als Haupt- oder Nebenziel einer Regelung direkt verfolgt werden, indem der Boden ausdrücklich als Schutzgut erwähnt wird, z. B. § 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz.15

- Er kann aber auch indirekt erfolgen, indem andere Rechtsgüter geschützt werden, wobei der Boden mitgeschützt ist, ohne selbst als Schutzgut aufgeführt zu werden. Beispielsweise hat die Abfallwirtschaft nach § 1 Abfallwirtschaftsgesetz16 (AWG) unter anderem die Ressourcen – wie „Landschaft, Flächen Deponievolumen“ – zu schonen. Und im öffentlichen Interesse ist die Sammlung und die Behandlung von Abfällen erforderlich, wenn anderenfalls „die nachhaltige Nutzung von Boden beeinträchtigt werden kann“. Indirekt zielt auch § 30 Wasserrechtsgesetz17 (WRG) durch den Schutz und die Verbesserung „der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete“ auf den Bodenschutz ab. Darüber hinaus kann gemäß § 34 WRG die Behörde Wasserschutzgebiete ausweisen und damit die Bewirtschaftung von Grundstücken bestimmen. Schließlich bedarf das Düngen – aber erst ab bestimmten Mengen pro Jahr – einer Bewilligung (§ 32 WRG).

Bodensondergesetze
Auffallend ist das historisch zu erklärende „Landwirtschaftsprivileg“ in unserer Rechtsordnung. Die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gilt als ordnungsgemäß, „wenn sie unter Einhaltung der bezughabenden Rechtsvorschriften in Berücksichtigung der Standortgegebenheiten, insbesondere betreffend Chemikalien, Pflanzenschutz- und Düngemittel, Klärschlamm, Bodenschutz und Waldbehandlung sowie besonderer wasserrechtlicher Anordnungen“ (§ 32 Abs. 8 WRG) erfolgt. Mit dieser Gesetzesbestimmung wird durch die Erwähnung der „bezughabenden Rechtsvorschriften“ auch auf die Bodenschutzgesetze der Länder verwiesen. Nach § 6 des Steiermärkischen Gesetzes zum Schutz landwirtschaftlicher Böden18 beispielsweise sind die Eigentümer oder Nutzungsberechtigten landwirtschaftlicher Böden verpflichtet, Bodenerosionen und Bodenverdichtungen durch pflanzenbauliche, kulturtechnische und landtechnische Maßnahmen zu vermeiden.
Nach der Art der Bodenbelastung und
-gefährdung lassen sich stoffliches und nicht-stoffliches Bodenschutzrecht unterscheiden. Den Schutz vor Schadstoffeintrag bewirken in erster Linie die Vorschriften des Düngemittelgesetzes19; Biozid-Produkte-Gesetz20, Pflanzenschutzmittelgesetz21 und Gentechnikgesetz22 schützen nur implizit den Boden (argumentum „Umwelt“). Zum stofflichen Bodenschutzrecht zählen ferner das AWG (hier insbesondere die Vorschriften betreffend die Art und Weise der Deposition von Stoffen23) und das WRG (dessen Grundwasserschutzregelungen zu einer Minderung der Belastung der Böden durch Schadstoffe führen sollen24).
Eine Sonderstellung unter den Bodenschutzvorschriften nimmt auch das Altlastensanierungsgesetz25 (AlSAG) ein. Laut AWG haftet primär der Verursacher und sekundär der Liegenschaftseigentümer für nicht ordnungsgemäße Behandlung von Abfällen.26 Wo aber behördliche Behandlungsaufträge samt Haftung nicht greifen, kommt das AlSAG zur Anwendung. Tickende Umweltbomben wie wilde Mülldeponien und aufgelassene kontaminierte Betriebsstandorte werden als „Altlasten“ und „Verdachtsflächen“ erfasst und je nach Gefährdungsgrad (und Finanzierbarkeit) durch den Bund gesichert oder saniert. Die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen werden durch Altlastenbeiträge gedeckt; die Beiträge haben die Abfallbehandler und -transporteure zu leisten.

Boden in Natur und Landschaft
Was das nicht-stoffliche Bodenschutzrecht betrifft, wird Boden als Teil des Lebensraums – in Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie27 der EU (FFH-Richtlinie) – durch die Naturschutzgesetze (Archivierung der Natur durch Ausweisung von Naturschutzgebieten) so wie die Nationalparkgesetze der Länder und jüngst auch durch die Biotopschutzwälder nach § 32a Forstgesetz28 vor Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung bewahrt. Im Forstgesetz genießt der Waldboden übrigens auch sowohl was die „Waldverwüstung“ als auch was die „forstschädliche Luftverunreinigungen“ anlangt, besonderen Schutz. Gemein ist diesen nicht-stofflichen Rechtsvorschriften – wie auch den Normen zahlreicher anderer Gesetze – der Schutz vor Landschafts- und Freiflächenverbrauch.
Konkret sind etwa im Zusammenlegungsverfahren die „erforderlichen bodenverbessernden, gelände- oder landschaftsgestaltenden Maßnahmen“ (sprich Kultivierungen, Erdarbeiten, Aufforstungen) durchzuführen und „Anlagen zu errichten, die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke notwendig sind oder sonst die Zusammenlegung fördern und einer Mehrheit von Parteien dienen, wie Wege, Brücken, Gräben, Entwässerungs-, Bewässerungs- und Bodenschutzanlagen“.29 Seit 2002 sehen die Flurverfassungen der Länder (z. B. § 17a und § 17b Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996)30 in diesem Zusammenhang auch die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung – und hier die Beurteilung der Auswirkungen einer Grundstückszusammenlegung auf den Boden – vor.
Zentrale Regelungsmaterie für Bodenschutzanliegen in den Ländern ist die Raumordnung und das Baurecht, das „die sparsame und zweckmäßige Nutzung des Bodens“ (§ 1 Tiroler Raumordnungsgesetz) anstrebt. Daneben werden regelmäßig die Bewahrung oder die weitestmögliche Wiederherstellung und die nachhaltige Sicherung der Reinheit des Bodens angestrebt. Korrespondierend mit dem Planungsrecht verpflichtet das Baurecht den haushälterischen Umgang mit Grund und Boden (§ 3 Vorarlberger Baugesetz). Allgemein fordern die Landesgesetze, dass ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein muss, dass der Umweltschutz nicht durch „Bodenverunreinigung oder -vergiftung“ gefährdet wird (zum Beispiel § 43 Steiermärkisches Baugesetz).
Weiterhin hat die Ableitung der bei Bauten und dazugehörigen Grundflächen anfallenden Abwässer grundsätzlich in einer den Anforderungen der Gesundheit, des Umweltschutzes und der Zivilisation, im Besonderen der Hygiene entsprechenden Weise zu erfolgen. Eine Abwasserbeseitigung kann somit nur dann als „ordnungsgemäß“ betrachtet werden, wenn sie im Einklang mit den landwirtschaftlichen Bodenschutzgesetzen der Länder erfolgt, da diese Gesetze den Standard der zulässigen Bodenbelastung festsetzen.
Der Vollständigkeit halber sind auch „Exoten“ wie das Umweltinformationsgesetz31 (UIG) und das Umweltkontrollgesetz32 (UKG) als Quelle des Bodenschutzrechts anzuführen. Umweltdaten und auch Daten des Bodens; demnach hat jedermann freien Zugang zu Daten über den Zustand und den Verbrauch des Bodens (§ 4 UIG). Nach § 6 UKG wirkt das Umweltbundesamt bei der Erarbeitung fachlicher Grundlagen für Rechtsvorschriften zum Bodenschutz mit; und in den Umweltkontrollberichten ist das Thema Boden – zumindest auf dem Papier – ausführlich behandelt (siehe FN 2).

Boden ohne Kompetenz
Der oben aufgezeigte normative Befund zum Bodenschutzrecht bestätigt das viel diskutierte Dilemma bundesstaatlicher Kompetenzverteilung. Weil für den zu schützenden Boden kein einheitlicher Kompetenztatbestand besteht, sind die Bodenschutzvorschriften unübersichtlich und unkoordiniert. Daran vermag weder die zahnlose Staatszielbestimmung (nach § 1 BVG besteht der umfassende Umweltschutz unter anderem in Maßnahmen zur Reinhaltung des Bodens) noch der in einzelnen Landesverfassungen (etwa Art. 7a Kärntner Landesverfassung) apostrophierte Schutz des Bodens als natürliche Lebensgrundlage etwas zu ändern.
Keinem Gesetzgeber ist eine ausschließliche Kompetenz in Sachen Boden übertragen. Die „klassischen“ Umwelt-Kompetenztatbestände der Bundesverfassung (B-VG) wie Wasserrecht und Forstwesen lassen keine Vollregelung zu; die Kompetenz zur „Bodenreform“33 umfasst nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs bloß Maßnahmen, die der Neuregulierung oder der Änderung bestehender Regulierungen dienen. Bleibt noch die Generalkompetenz34 der Länder: alles per Landesgesetz zu regeln, was in freier Assoziation mit dem Thema Boden gerade einfiele, scheitert jedoch bereits aufgrund der partikulären Kompetenzen des Bundes.
Einen Vorteil hat jedoch die zersplitterte Kompetenzverteilung. Für eine Querschnittsmaterie wie den Boden schafft sie eine „Grauzone“. So können Bund und Länder Bodenschutzvorschriften dort platzieren, wo sie einen thematischen Sachzusammenhang mit den „etablierten“ Kompetenzen bilden. Machtpolitisch ist mit dem Status quo vermutlich mehr gewonnen, weil jeder Gesetzgeber weiter „seine eigene Suppe kochen“ kann.35

Resümee
Die nachhaltige Nutzung der nicht vermehrbaren Ressource Boden ist eine Zukunftsaufgabe. Böden werden heute in teils nicht tolerierbarer Weise belastet (Nitratbelastung, Erosion, Verdichtung und so weiter). Der Boden als Senke gegenüber gezielt und ungezielt eingetragenen Schadstoffen droht überlastet zu werden. Glaubt man den Prognosen, kommen weitere Belastungen hinzu. Schließlich wird der Boden durch Baumaßnahmen zerstört und versiegelt. Darauf reagiert der Gesetzgeber nur bedingt mit aktivem Bodenschutz. Insbesondere erfassen die Vorschriften nicht die Vielzahl von Nutzern. Die Landwirtschaft (und ihre mächtigen Organisationen) sind in einzelnen Gesetzesregelungen privilegiert. In gewissem Ausmaß wird Boden – um die wichtigsten Rechtsmaterien zu nennen – im Raumordnungs- und Baurecht, im Naturschutzrecht und Agrarrecht der Länder sowie im Abfall-, Wasser- und Forstrecht des Bundes unter Schutz gestellt.

Fußnoten:
1 Martin Kind, Jahrgang 1965, Studium der Rechtswissenschaften in Wien und Innsbruck; Habilitation 1999 über Umweltrecht; Anwaltsprüfung (2003); Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

2 Zum Zustand der Böden als natürliche Lebensgrundlage für die Menschen vgl. unter anderem den siebenten Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes: „Generell ist der Bodenzustand als gut zu beurteilen, dennoch sind die Böden aktuell durch lokale Schadstoffanreicherungen, den zunehmenden Flächenverbrauch, Versiegelung und Erosion gefährdet. Somit ist, trotz rückläufiger Schadstoffemissionen, der Bodenzustand laufend zu überprüfen.“

3 BGBl. I 235/2002.´

4 Alpenkonvention: Internationales Übereinkommen zum Schutz des Alpenraumes. Das grundlegende Ziel der Konvention ist die Erhaltung und die nachhaltige Entwicklung der Alpen durch eine sektorübergreifende, ganzheitliche Politik. Die Einzelheiten zur Durchführung der Konvention werden in Form von Sachprotokollen festgelegt.

5 Vielleicht fehlt eine Begriffsbestimmung des Bodens in den Gesetzen, weil sich auch technisch wie naturwissenschaftlich ein sauberer Boden kaum definieren lässt?

6 Tritt hingegen eine Bodenkontamination etwa aufgrund eines Unfalls oder einer wilden Mülldeponie ein, kann der Maßstab einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung zum Tragen kommen. Steht hierbei der Verursacher der Kontamination fest und liegt Kausalität vor, so greifen (in der Praxis allerdings selten) Schaden- und Unterlassungsansprüche.

7 § 295 ABGB lautet: „Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbaren Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die Fische in einem Teiche und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischet und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.“

8 Deutsches BGBl. I 1998, 502.

9 Auf Grundlage eines funktionalen Bodenverständnisses zählen zum Boden auch Rohstoffe. § 1 Ziffer 8 Mineralrohstoffgesetz (BGBl. I 1999/38 i. d. F. BGBl. I 2003/83) definiert beispielsweise mineralische Rohstoffe als „jedes Mineral, Mineralgemenge und Gestein, jede Kohle und jeder Kohlenwasserstoff, wenn sie natürlicher Herkunft sind, unabhängig davon, ob sie in festem, gelöstem, flüssigem oder gasförmigem Zustand vorkommen“.

10 ÖNORM L 1050 vom 1. Jänner 1994, „Boden als Pflanzenstandort; Begriffe; Untersuchungsverfahren“.

11 Sonntag, Rechtliche Grundlagen des Bodenschutzes in Österreich, insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung, Dissertation (1992).

12 Sitta, Boden und Erde im Umweltschutzrecht, AnwBl 1997, Nr. 9, 797 ff.

13 Was Abfälle sind, definiert § 2 AWG (BGBl. I 2002/102) so: „Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und 1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder 2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.“

14 LGBl. 2001/93.
15 BGBl. 1993/697 i. d. F. BGBl. I 2002/50.
16 BGBl. I 2002/102.
17 BGBl. 1959/215 i. d. F. BGBl. I 2003/82.
18 LGBl. 1987/66 i. d. F. LGBl. 2004/8.
19 BGBl. 1994/513 i. d. F. BGBl. 2002/110.
20 BGBl. I 105/2000.
21 BGBl. I 1997/60 i. d. F. BGBl. I 2002/110.
22 BGBl. 1994/510 i. d. F. BGBl. I 2002/94.
23 §§ 15 ff AWG.
24 §§ 30 ff WRG.
25 BGBl. 1989/299 i. d. F. BGBl. I 2003/71.
26 AWG § 73 und § 74.

27 Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (92/43/EWG).

28 BGBl. 1975/440 i. d. F. BGBl. I 2003/78.

29 § 15 Abs. 1 (Vorarlberger) Gesetz über die Regelung der Flurverfassung, LGBl. 1979/2 i. d. F. LGBl. 2002/29.

30 LGBl. 1996/74 i. d. F. LGBl. 2001/55.
31 BGBl. 1993/495 i. d. F. BGBl. 2003/76.
32 BGBl. I 1998/152.
33 B-VG Art. 12.
34 B-VG Art. 15.

35 Natürlich ist der Verfassungsgesetzgeber theoretisch jederzeit in der Lage, den Bodenschutz als Kompetenz im B-VG zu verankern. Doch warum? Nur weil in der Folge die Verabschiedung eines einheitlichen Bodenschutzgesetzes im Trend wäre? Nein, was in der Wirtschaft zur Zeit das Fusionsfieber ist, braucht nicht in der Gesetzgebung der Drang zur Harmonisierung sein. Gewiss, die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in Österreich macht deutlich, dass insbesondere die gegenwärtige Kompetenzverteilung nicht befriedigend ist. Darauf mit neuen Kompetenzen und Gesetzen zu reagieren, löst aber die über Jahrzehnte aufgestauten Probleme eines Bundesstaates wie Österreich nicht.

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